Verfassungsgerichtshof (VfGH)

Rechtssatz für B474/86

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

11213

Geschäftszahl

B474/86

Entscheidungsdatum

26.02.1987

Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art13
RundfunkG §2 Abs1 Z1 lita
BVG-Rundfunk ArtI
MRK Art10
StGB §114

Leitsatz

von der Kommission zur Wahrung des RFG festgestellte Verletzung des §2 Abs1 Z1 lita RFG durch die unwidersprochene Meldung der Absicht eines Rechtsanwaltes, gegen einen Richter Disziplinaranzeige zu erstatten; Erschöpfung des Instanzenzuges; Eingriff in subjektive Rechte der Bf. möglich; Zulassigkeit der Beschwerde; keine Gleichheitsbedenken gegen §2 Abs1 Z1 nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 notwendig entsprechen; kein Anhaltspunkt für Verstoß gegen das Zensurverbot des §13 StGG; keine Willkür; vertretbare Auslegung des §2 RFG - keine Verletzung im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 Abs1 MRK); ArtI BVG-Rundfunk schafft kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche Eingriffe

Rechtssatz

Bescheid der Rundfunkkommission - Feststellung eines Verstoßes gegen das Objektivitätsgebot des §2 Abs1 Z1 lita RFG.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer unterstellte die belangte Behörde dem RFG insofern einen gleichheitswidrigen Inhalt, als sie den Standpunkt einnahm, daß kraft geltender Rechtslage auch wahre Mitteilungen unobjektiv sein können. Diese Einrede ist jedoch von Grund auf verfehlt: Nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 RFG - notwendig - entsprechen. Denn es ist - zum Beispiel - wohl offenkundig, daß etwa von subjektiver Vorliebe geprägte Auswahlpräferenzen für gewisse, wenngleich wahre Meldungen oder Meldungsteile den Anforderungen objektiver - und damit unvoreingenommener - Reportagen nicht unbedingt genügen müssen. §114 StGB, auf den die Beschwerdeführer verweisen, steht zu §2 (Abs1 Z1 lita) RFG in keiner wie immer gearteten Beziehung, kann hier also auch keinen tauglichen Vergleichsmaßstab abgeben, um eine gleichheitswidrige Handhabung des §2 RFG darzutun.

Vertretbare Annahme der Rundfunkkommission, daß auch wahre Mitteilungen dem Objektivitätsgebot des §2 RFG widersprechen können.

Wenn die Beschwerdeführer der Ansicht anhängen, die belangte Rundfunkkommission vermeine, daß das RFG ein verfassungswidriges Zensurgebot festlege, indem sie dafürhalte, die Sendung einer (Rundfunk-)Meldung sei im Sinne des Objektivitätsgebotes erst nach Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig, so wird hier der Begriff der "Zensur" vollkommen mißverstanden: Das Zensurverbot des §13 StGG bedeutet nämlich, daß ein zur Verlautbarung bestimmter Inhalt von Presseerzeugnissen nicht einer vorgängigen behördlichen Prüfung unterworfen werden darf. Die Bescheidbegründung liefert nun nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Rundfunkkommission dem RFG einen Inhalt beigemessen habe, der dieser Verfassungsbestimmung zuwiderlaufe.

Interpretation des §2 RFG dahin, daß die Sendung einer Meldung erst nach Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig sei, widerspricht nicht dem Zensurverbot.

Das Unterlassen jedweder Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt ebenso wie ein leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten oder das Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes reichen - als besonders gravierende Verfahrensmängel - in die Verfassungssphäre (zB VfSlg. 7328/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 7732/1975): Daß ein derartiger Verfahrensfehler (auch) das Gleichheitsgebot verletzen kann, ergibt sich vor allem aus den Erkenntnissen VfSlg. 5139/1965 und 5848/1968.

Kein in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensmangel.

Ausgehend von ihrer immerhin vertretbaren Auslegung des §2 RFG (daß die Sendung einer Meldung erst nach tatsächlicher Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig sei) unterließ die Rundfunkkommission zu der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob ein Versuch zur Anhörung des Betroffenen noch vor Ausstrahlung der Meldungen unternommen wurde, ersichtlich nur deshalb weitere Ermittlungen, weil alle relevant erachteten Tatsachen - für sie - bereits offen zu Tage lagen, wie aus der Bescheidbegründung deutlich genug hervorgeht.

Der die "Rechte anderer" iSd Art10 Abs2 MRK sichernde §2 RFG fand eine zumindest vertretbare Auslegung vergleiche VfGH 11.10.1986 B193/86).

ArtI des BundesverfassungsG vom 10.7.1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. 1974/396, (BVG-Rundfunk) schafft kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche Eingriffe, weil ArtI Abs2 BVG-Rundfunk nur den Bundesgesetzgeber verpflichtet, durch seine Normierungen die Unabhängigkeit des ORF zu gewährleisten, nicht aber selbst jemandem derartige Rechte unmittelbar einräumt.

Entscheidungstexte

  • B 474/86
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 26.02.1987 B 474/86

Schlagworte

Rundfunk, Meinungsäußerungsfreiheit, Beschwerdeverfahren, Rechte verfassungsgesetzlich gewährleistete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B474.1986

Dokumentnummer

JFR_10129774_86B00474_01

Entscheidungstext B474/86

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

11213

Geschäftszahl

B474/86

Entscheidungsdatum

26.02.1987

Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art13
RundfunkG §2 Abs1 Z1 lita
BVG-Rundfunk ArtI
MRK Art10
StGB §114

Leitsatz

von der Kommission zur Wahrung des RFG festgestellte Verletzung des §2 Abs1 Z1 lita RFG durch die unwidersprochene Meldung der Absicht eines Rechtsanwaltes, gegen einen Richter Disziplinaranzeige zu erstatten; Erschöpfung des Instanzenzuges; Eingriff in subjektive Rechte der Bf. möglich; Zulassigkeit der Beschwerde; keine Gleichheitsbedenken gegen §2 Abs1 Z1 nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 notwendig entsprechen; kein Anhaltspunkt für Verstoß gegen das Zensurverbot des §13 StGG; keine Willkür; vertretbare Auslegung des §2 RFG - keine Verletzung im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 Abs1 MRK); ArtI BVG-Rundfunk schafft kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche Eingriffe

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 22. Jänner 1986 wurde um 12 Uhr 45 und 18 Uhr 10 in der Sendung der "Landesrundschau" des Österreichischen Rundfunks - Landesstudio Salzburg folgende Meldung gebracht:

"A-I-Geschäftsführer M M bleibt vorerst weiterhin in Untersuchungshaft. Die Haftprüfungsverhandlung, bei der heute sein mittlerweile dritter Enthaftungsantrag behandelt werden sollte, wurde auf kommende Woche vertagt. Der Grund: Der Berichterstatter bei der Verhandlung, Richter M S, hatte im September selber den Haftbefehl gegen M erteilt, der Haftprüfungssenat muß deswegen neu besetzt werden. M Verteidiger G S will nun eine Disziplinaranzeige gegen S einbringen, nachdem er gestern bei der Staatsanwaltschaft gegen Untersuchungsrichter F B und gegen unbekannte Täter bei der Kriminalpolizei Strafanzeige erstattet hat. . . ."

Noch am selben Tag strahlte das Landesstudio Salzburg in den "Landesnachrichten", und zwar um 20 Uhr 03, eine Meldung nachstehenden Inhalts aus:

"A-I-Geschäftsführer M M bleibt zunächst noch in Untersuchungshaft. Die heutige Haftprüfungsverhandlung wurde vertagt, weil der Berichterstatter, Richter M S, im September selbst den Haftbefehl gegen M ausgestellt hatte. M Verteidiger will jetzt Disziplinaranzeige gegen Richter S erstatten. Der Haftprüfungssenat muß neu besetzt werden."

1.1.2.1. Am 28. Jänner 1986 langte bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes eine Beschwerde des Dr. M S ein, worin der Sache nach geltend gemacht wurde, daß die eingangs wiedergegebenen Nachrichten mit der dem Österreichischen Rundfunk auferlegten Verpflichtung zur objektiven und unparteilichen Berichterstattung nicht zu vereinbaren seien.

1.1.2.2. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes entschied über diese Beschwerde mit Bescheid vom 7. April 1986, GZ 404/5-RFK/86, wie folgt:

"Es wird festgestellt, daß durch die (insgesamt) dreimalige Meldung in den Salzburger Landesrundschauen und Landesnachrichten des ORF-Landesstudios Salzburg vom 22. Jänner 1986, es werde der Verteidiger des A-I-Geschäftsführers M M, Rechtsanwalt Dr. G S, gegen den Richter des Landesgerichtes Salzburg Dr. M S, der seinerzeit den Haftbefehl gegen den Beschuldigten M erlassen hatte und als Berichterstatter des Haftprüfungssenates fungierte, weswegen ein neuer Haftprüfungssenat besetzt werden müsse, eine Disziplinaranzeige erstatten, das RFG in der Bestimmung des §2 Abs1 Z1 lita verletzt wurde."

Begründend hieß es ua.:

"Geht man vom Auftrag des §2 Abs1 Z1 lita RFG aus, wonach der Österreichische Rundfunk für eine umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen durch objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen zu sorgen hat, so ergibt sich zur vorliegenden Thematik zunächst schon, daß zwar das Ergebnis einer Haftprüfungsverhandlung in einem die Allgemeinheit interessierenden Strafverfahren zweifellos einen Gegenstand der Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks bilden wird, nicht aber private Ansichten von Rechtsanwälten über Verhaltensweisen von beteiligten Richtern, die mit der Sachfrage und dem Ergebnis der Haftprüfung überhaupt nichts zu tun haben. Für die Frage, ob der Beschuldigte in Untersuchungshaft zu belassen ist oder aus dieser entlassen wird, ist es völlig belanglos, welche Meinungen der Verteidiger über ein allfälliges disziplinäres Verhalten eines Richters verkündet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bf. als Richter bei der gegenständlichen Verhandlung nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung ausgeschlossen war oder nicht. Feststeht, daß auch eine unrichtige Rechtsansicht des betreffenden Richters oder des Vorsitzenden des Senates zu dieser Frage keinen Grund für disziplinäre Maßnahmen gegen einen Richter bietet, sodaß die Ankündigung einer Anzeige in dieser Richtung durch einen Rechtsanwalt an sich schon kein sachliches Substrat hat.

Gerade in einem Fall, wo neben der sachlichen Frage des Ergebnisses einer Verhandlung persönliche Angriffe von einer an der Verhandlung teilnehmenden Person vorgetragen werden, hat der Österreichische Rundfunk die Pflicht, wenn er schon meint, daß auch solche persönlichen Angriffe der Allgemeinheit zur Kenntnis gebracht werden müßten, im Sinn des Objektivitätsgebotes des §2 Abs1 Z1 lita RFG die betroffene Person, im vorliegenden Fall den Bf., zu hören. Wenn dies nicht gelingt, weil der Betroffene für die Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks momentan nicht erreichbar ist, darf eben die Mitteilung über den persönlichen Angriff nicht gesendet werden, weil dies sonst zu einem unobjektiven und verzerrten Bild beim Nachrichtenempfänger führt.

Diesbezüglich gehen somit die Argumente der Stellungnahme des Österreichischen Rundfunks ins Leere, man habe ohnedies nur die Tatsache der beabsichtigten Anzeigeerstattung gemeldet und sich keineswegs etwa mit dem Inhalt einer solchen möglichen Anzeige identifiziert. Gerade zu diesen Punkten seiner Gegenausführungen ist der Österreichische Rundfunk auf die Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 1982, GZ 340/5-RFK/82, veröffentlicht in RfR 1983, S 9, zu verweisen, wonach selbst bei der Wiedergabe von Anschuldigungen aus einer Anklageschrift oder einem nicht rechtskräftigen Strafurteil die Stellungnahme des davon Betroffenen einzuholen oder zu berücksichtigen ist.

Es ist nicht Aufgabe der Kommission zu entscheiden, wie weit das Verhalten von Rechtsanwalt Dr. S selbst im vorliegenden Fall Disziplinarvorschriften seines Standes widerspricht. Feststeht, daß durch die unwidersprochene Meldung der Absicht eines Rechtsanwaltes, gegen einen Richter eine Disziplinaranzeige zu erstatten, vom Verhalten dieses Richters ein einseitiges und unobjektives Bild gezeichnet wurde, sodaß der Verstoß gegen die schon zitierte Bestimmung des §2 Abs1 Z1 lita RFG rechtlich und tatsächlich erwiesen ist. . . . "

1.2.1. Dagegen ergriffen der Generalintendant des Österreichischen Rundfunks für den Österreichischen Rundfunk, der Landesintendant des Landesstudios Salzburg Ing. F U, der Leiter des aktuellen Dienstes W M und der Redakteur Dr. W W eine gemeinsam ausgeführte - Beschwerde nach Art144 (Abs1) B-VG an den VfGH, und zwar mit der Behauptung, sie seien durch den angefochtenen Verwaltungsakt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so ua. im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) und im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 MRK), verletzt worden. Zugleich wurde die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids begehrt.

1.2.2. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes als bel. Beh. legte die Administrativakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Hingegen brachte Dr. M S als Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine Gegenschrift ein, in der er für die Abweisung der Beschwerde eintrat.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (kurz: Rundfunkkommission) ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 Rundfunkgesetz, Bundesgesetzblatt 379 aus 1984, in der Fassung Bundesgesetzblatt 612 aus 1986,, (RFG) nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also erschöpft vergleiche zB VfSlg. 8320/1978, 8906/1980; VfGH 11.10.1986 B193/86).

2.1.2. Den Umständen nach besteht die - für die Beschwerdeberechtigung vor dem VfGH essentielle - Möglichkeit, daß die am Administrativverfahren beteiligten Beschwerdeführer (Generalintendant für den Österreichischen Rundfunk - §§1 Abs1, 30 Abs1 Satz 2 RFG; weiters die für die streitverfangene (Hörfunk-)Sendung verantwortlichen Bediensteten des Rundfunks (Landesintendant, Leiter des aktuellen Dienstes, Redakteur) - §§12, 17 RFG in Verbindung mit §§8 AVG, 30 Abs1 RFG) durch den angefochtenen Bescheid in subjektiven Rechten verletzt wurden (s. VfSlg. 3669/1959; ferner VfSlg. 6716/1972, 7226/1973, 9107/1981, 9354/1982; VfGH 16.10.1985 B553/84, 11.10.1986 B193/86; schließlich: VfSlg. 8746/1980, 8898/1980; VfGH 27.9.1985 B231/80).

2.1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.

         2.2.1. Nach der - dem Abschnitt I des RFG (: "Aufgaben und

Einrichtung des Österreichischen Rundfunks") zugeordneten Norm des

§2 Abs1 Z1 lita RFG hat der "Österreichische Rundfunk . . . durch

die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen sowie

durch die Planung, die Errichtung und den Betrieb der hiefür

notwendigen technischen Einrichtungen, insbesondere von Studios und

Sendeanlagen, vor allem zu sorgen für 1. die umfassende Information

der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen,

kulturellen und sportlichen Fragen durch a) objektive Auswahl und

Vermittlung von Nachrichten und Reportagen, einschließlich der

Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und

der Übertragung ihrer Verhandlungen. . . . "

2.2.2. Der Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.2.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften gleichheitswidrig seien, wurde von den Beschwerdeführern nicht eingewendet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

2.2.2.2. Nach - weitwendig begründeter - Auffassung der Bf. unterstellte die bel. Beh. dem RFG allerdings insofern einen gleichheitswidrigen Inhalt, als sie den Standpunkt einnahm, daß kraft geltender Rechtslage auch wahre Mitteilungen unobjektiv sein können. Diese Einrede ist jedoch von Grund auf verfehlt: Nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 RFG - notwendig - entsprechen. Denn es ist - zum Beispiel - wohl offenkundig, daß etwa von subjektiver Vorliebe geprägte Auswahlpräferenzen für gewisse, wenngleich wahre Meldungen oder Meldungsteile den Anforderungen objektiver und damit unvoreingenommener - Reportagen nicht unbedingt genügen müssen. Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die Bf. auf die Vorschrift des §114 StGB (über die Straflosigkeit einer üblen Nachrede (§111 StGB) oder des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§113 StGB) "wegen Ausübung eines Rechtes oder Nötigung durch besondere Umstände") verweisen; denn diese Norm steht zu §2 (Abs1 Z1 lita) RFG in keiner wie immer gearteten Beziehung, kann hier also auch keinen tauglichen Vergleichsmaßstab abgeben, um eine gleichheitswidrige Handhabung des §2 RFG darzutun.

Wenn die Bf. der Ansicht anhängen, die belangte Rundfunkkommission vermeine, daß das RFG ein verfassungswidriges Zensurverbot (gemeint wohl: Zensurgebot) festlege, indem sie dafürhalte, die Sendung einer (Rundfunk-)Meldung sei erst nach Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig, so wird hier der Begriff der "Zensur" vollkommen mißverstanden: Das Zensurverbot des §13 StGG bedeutet nämlich, daß ein zur Verlautbarung bestimmter Inhalt von Presseerzeugnissen nicht einer vorgängigen behördlichen Prüfung unterworfen werden darf. Die Bescheidbegründung liefert nun nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Rundfunkkommission dem RFG einen Inhalt beigemessen habe, der dieser Verfassungsbestimmung zuwiderlaufe.

2.2.2.3. Demgemäß könnten die Bf. mit ihrer auf Art7 Abs1 B-VG gegründeten Einrede nur dann im Recht sein, wenn der bekämpfte Bescheid ein Willkürakt wäre.

Dies ist aber keineswegs der Fall.

Die bel. Beh. gab in der Begründung des angefochtenen Bescheides und in den dort genannten Bezugsstellen ihre Überlegungen zum Objektivitätsgebot des §2 RFG sehr einläßlich wieder; ihr vornehmlich am Gesetzeswortlaut und am allgemeinen Sprachgebrauch orientierter Rechtsstandpunkt ist unter den obwaltenden Verhältnissen nicht als schlechterdings denkunmöglich zu qualifizieren. Die bf. Parteien vermögen nichts vorzubringen, was diese Wertung des angefochtenen Bescheides erschüttern könnte.

Das von den Beschwerdeführern unter dem Aspekt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der bel. Beh. ist folglich - zusammenfassend - keineswegs mit einer offenbaren Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet, die unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehen wäre.

Nun sprach der VfGH schon mehrfach aus, daß (auch) das Unterlassen jedweder Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt ebenso wie ein leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten oder das Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes - als besonders gravierende Verfahrensmängel - in die Verfassungssphäre reichen (zB VfSlg. 7328/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 7732/1975): Daß ein derartiger Verfahrensfehler (auch) das Gleichheitsgebot verletzen kann, ergibt sich vor allem aus den Erkenntnissen VfSlg. 5139/1965 und 5848/1968. Der bel. Beh. ist ein solcher Verfahrensmangel besonders schwerwiegender Art jedoch entgegen der in der Beschwerdeschrift sinngemäß verfochtenen Auffassung nicht anzulasten; denn - ausgehend von ihrer immerhin vertretbaren Auslegung des §2 RFG - unterließ sie zu der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob ein Versuch zur Anhörung des Dr. M S noch vor Ausstrahlung der Meldungen unternommen wurde, ersichtlich nur deshalb weitere Ermittlungen, weil alle relevant erachteten Tatsachen - für sie - bereits offen zu Tage lagen, wie aus der Bescheidbegründung deutlich genug hervorgeht.

2.2.2.4. Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurden.

2.2.3. Da bei all dem von einem gesetzlosen Vorgehen der bel. Beh. nicht die Rede sein kann - der die "Rechte anderer" iS des Art10 Abs2 MRK sichernde §2 RFG fand nach dem bereits Gesagten eine zumindest vertretbare Auslegung vergleiche VfGH 11.10.1986 B193/86) - , wurden die Bf. auch nicht im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 Abs1 MRK) verletzt.

2.2.4. Soweit sich die Bf. auf ArtI des Bundesverfassungsgesetzes vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, Bundesgesetzblatt 396 aus 1974,, (BVG-Rundfunk) berufen, ist ihnen bloß zu entgegnen, daß diese Norm kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche Eingriffe schafft, weil ArtI Abs2 BVG-Rundfunk nur den Bundesgesetzgeber verpflichtet, durch seine Normierungen die Unabhängigkeit des ORF zu gewährleisten, nicht aber selbst jemandem derartige Rechte unmittelbar einräumt.

2.2.5. Das die bisher ausgebreitete Sach- und Rechtslage vernachlässigende weitere Beschwerdevorbringen konnte unerörtert auf sich beruhen.

2.3. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in der Fassung Bundesgesetzblatt 297 aus 1984, ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Rundfunk, Meinungsäußerungsfreiheit, Beschwerdeverfahren, Rechte verfassungsgesetzlich gewährleistete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B474.1986

Dokumentnummer

JFT_10129774_86B00474_00