Verfassungsgerichtshof (VfGH)

Rechtssatz für B1575/03

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

17426

Geschäftszahl

B1575/03

Entscheidungsdatum

16.12.2004

Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18
StGG Art5
BAO §117
EStG 1988 §95
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 18 heute
  2. B-VG Art. 18 gültig ab 01.07.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  5. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  6. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.1996 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  7. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1997 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  8. B-VG Art. 18 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1996 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 18 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. BAO § 117 gültig von 26.06.2002 bis 13.01.2005 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2005
  2. BAO § 117 gültig von 22.12.1984 bis 29.12.2000 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 142/2000
  1. EStG 1988 § 95 heute
  2. EStG 1988 § 95 gültig ab 01.01.2025 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2023
  3. EStG 1988 § 95 gültig von 22.07.2023 bis 31.12.2024 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2023
  4. EStG 1988 § 95 gültig von 20.07.2022 bis 21.07.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 108/2022
  5. EStG 1988 § 95 gültig von 01.03.2022 bis 19.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2022
  6. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.2021 bis 28.02.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2019
  7. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.2016 bis 31.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 163/2015
  8. EStG 1988 § 95 gültig von 15.08.2015 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 118/2015
  9. EStG 1988 § 95 gültig von 30.12.2014 bis 14.08.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/2014
  10. EStG 1988 § 95 gültig von 01.03.2014 bis 29.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 13/2014
  11. EStG 1988 § 95 gültig von 30.07.2013 bis 28.02.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2013
  12. EStG 1988 § 95 gültig von 01.04.2012 bis 29.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2012
  13. EStG 1988 § 95 gültig von 01.04.2012 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2011
  14. EStG 1988 § 95 gültig von 01.04.2012 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 77/2011
  15. EStG 1988 § 95 gültig von 01.04.2012 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2011
  16. EStG 1988 § 95 gültig von 01.04.2012 bis 31.08.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 76/2011
  17. EStG 1988 § 95 gültig von 01.10.2011 bis 30.09.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
  18. EStG 1988 § 95 gültig von 24.05.2007 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  19. EStG 1988 § 95 gültig von 24.05.2007 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2007
  20. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.2007 bis 23.05.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  21. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.2007 bis 02.08.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2006
  22. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.2007 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2006
  23. EStG 1988 § 95 gültig von 03.08.2006 bis 31.12.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  24. EStG 1988 § 95 gültig von 03.08.2006 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2006
  25. EStG 1988 § 95 gültig von 31.12.2005 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 161/2005
  26. EStG 1988 § 95 gültig von 31.12.2005 bis 02.08.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  27. EStG 1988 § 95 gültig von 31.12.2004 bis 30.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  28. EStG 1988 § 95 gültig von 31.12.2004 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 180/2004
  29. EStG 1988 § 95 gültig von 21.08.2003 bis 30.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  30. EStG 1988 § 95 gültig von 21.08.2003 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2003
  31. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.1998 bis 20.08.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2008
  32. EStG 1988 § 95 gültig von 01.05.1996 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996
  33. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.1994 bis 30.04.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 818/1993
  34. EStG 1988 § 95 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 532/1993
  35. EStG 1988 § 95 gültig von 01.12.1993 bis 31.12.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 818/1993
  36. EStG 1988 § 95 gültig von 13.01.1993 bis 30.11.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 12/1993
  37. EStG 1988 § 95 gültig von 30.07.1988 bis 12.01.1993

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Nachforderung von Kapitalertragsteuer (KESt) wegen zu hoch ausgestellter Gutschriften, Depotentnahmen und Depotübertragungen nach dem Erwerb von Nullkuponanleihen durch Kunden eines Kreditinstitutes; keine Bedenken gegen die Heranziehung des zum Abzug der Steuer verpflichteten Kreditinstitutes zur Haftung; keine Willkür, keine Gesetzlosigkeit und keine Verletzung des Legalitätsprinzips durch Anwendung der finanzmathematischen Berechnungsmethode bei der Berechnung der Gutschriften; keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch die Nichtanwendung der in Richtlinien des Finanzministeriums ebenfalls zugelassenen linearen Berechnungsmethode

Rechtssatz

Anwendbarkeit des die Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt regelnden §95 Abs2 EStG 1988.

Die Gutschrift von KESt wird vom Gesetzgeber als Gegenstück zu ihrer Einbehaltung und Abfuhr gesehen vergleiche §95 Abs6 EStG 1988). Werden anlässlich einer Rückgängigmachung von Kapitalerträgen (die nach hA auch im Fall des Erwerbes von Nullkuponanleihen während der Laufzeit vorliegt) vom Abzugsverpflichteten - zu Lasten des Abgabengläubigers - zu Unrecht Gutschriften erteilt, dann hat er dem Abgabengläubiger ihm zustehende KESt-Beträge vorenthalten. Regelmäßig werden sich überhöhte Gutschriften dem Steuergläubiger gegenüber in einer zu niedrigen Abfuhr von KESt-Beträgen durch das haftungspflichtige Kreditinstitut niederschlagen vergleiche auch §96 Abs1 Z3 EStG 1988). Es ist kein Grund zu sehen, warum in diesen Fällen nicht die Haftungsbestimmung des §95 Abs2 EStG 1988 - jedenfalls sinngemäß - anwendbar sein sollte.

Die Kunden mussten für die Anleihen (zunächst) bloß den um die KESt-Gutschrift verminderten Kaufpreis bezahlen (die bf Gesellschaft hat somit auf einen Teil des Kaufpreises verzichtet); im Fall einer überhöhten Gutschrift schulden die Kunden den entsprechenden Fehlbetrag als Kaufpreis, so dass dieser Differenzbetrag für eine Steuerabfuhr jedenfalls zur Verfügung stand.

Keine Unsachlichkeit der in §95 Abs2 EStG 1988 normierten Haftung.

Gegen die mit Abzugssteuern verbundene - verschuldensunabhängige - Haftung des Abfuhrverpflichteten bestehen keine grundsätzlichen Bedenken vergleiche insbesondere VfSlg 11616/1988).

Anders als im Fall der Spekulationsertragsteuer vergleiche VfSlg 15773/2000) geht es hier um eine Abzugs- und Abfuhrverpflichtung im Zusammenhang mit den Früchten einer Kapitalanlage, wobei sich die Bemessungsgrundlage aus den Wertpapierkonditionen und dem Zeitfaktor ergibt, und zwar im Zusammenhang mit einem klassischen Effektengeschäft, in das die Kreditinstitute typischerweise als Eigenhändler oder Kommissionäre eingeschaltet sind. Den ESt-RL 2000 (Rz 6186) ist zu entnehmen, dass für die Anwendung der bzw einer finanzmathematischen Methode keine anderen Daten erforderlich sind als für die Anwendung der linearen Methode (Ausgabepreis, Einlösewert, Gesamtlaufzeit). Dass den Kreditinstituten die hiefür erforderlichen Daten nicht bekannt waren, wurde nicht plausibel gemacht.

Im hier zu beurteilenden Fall war die bf Gesellschaft bei den erteilten KESt-Gutschriften nicht etwa mit Abzugspflichten belastet, sondern erteilte zu Lasten eines Dritten (des Abgabengläubigers) ihren Kunden Gutschriften, obwohl es - zumindest im Regelfall - weder in diesem noch in einem anderen Zeitpunkt zu einem (korrespondierenden) KESt-Abzug kam. Unter solchen Umständen sind Kreditinstitute aber verpflichtet (und ist es ihnen zumutbar), sich über die Höhe der Gutschrift Klarheit zu verschaffen bzw im Fall von Unklarheiten oder ungewöhnlichen Umständen entsprechende Schritte zur Aufklärung zu unternehmen.

Keine Bedenken gegen die Gleichstellung von Depotentnahmen und Veräußerungen nach §95 Abs4 Z3 EStG 1988.

Mit der Entnahme aus dem Depot verlässt das Wertpapier - unabhängig davon, ob es in das Ausland verbracht wird oder nicht - den "KESt-Kreislauf", womit aber die Realisierung der KESt-Pflicht im Zeitpunkt der Einlösung nicht mehr gesichert erscheint. Eine Abzugspflicht (Zuflussfiktion) im Zeitpunkt der Depotentnahme bildet daher ein logisches Gegenstück zur Gutschrift im Zeitpunkt des Erwerbes. Im Hinblick auf die erforderliche Abgrenzung zwischen KESt-Abzug und Veranlagung, aber auch im Hinblick auf die sonst gegebene Missbrauchsgefahr begegnete es daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber (sofern gesichert ist, dass es im Fall späterer Veräußerungen oder Einlösungen nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt) die Depotentnahme bei Nullkuponanleihen einer Veräußerung gleichstellen und als KESt-pflichtigen Tatbestand vorsehen würde. Dass der Wortlaut des §95 Abs4 Z3 EStG 1988 im Hinblick auf die gerade angestellten systematischen und teleologischen Erwägungen als Rechtsgrundlage für eine Zuflussfiktion bei Depotentnahmen von vornherein ungeeignet ist, kann der Gerichtshof nicht finden. Da die Depotentnahme auch nicht mit einer Aufgabe des österreichischen Besteuerungsrechtes oder mit einer Verbringung der Wertpapiere oder einem Wegzug des Steuerpflichtigen in das Ausland gleichzusetzen ist, könnte einer solchen Auslegung auch nicht der Vorwurf einer offenkundigen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gemacht werden.

Keine Bedenken ob der die Inanspruchnahme des Schuldners regelnden Vorschrift des §95 Abs5 EStG 1988.

Ist die Heranziehung der Schuldner der Kapitalerträge bzw der kuponauszahlenden Stellen zur Einbehaltung und Abfuhr der KESt dem Grunde nach nicht unsachlich, dann begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Heranziehung des Empfängers der Kapitalerträge (= des Schuldners der Kapitalertragsteuer) auf Ausnahmefälle reduziert und Ermessen hinsichtlich der Inanspruchnahme in der Regel ausschließt. Sollte die Vorschrift aber ohnehin die direkte Inanspruchnahme des Steuerschuldners erlauben, stünde seine Inanspruchnahme im Ermessen der Behörde.

Keine Gesetzlosigkeit durch Anwendung der finanzmathematischen Berechnungsmethode bei der Berechnung der KESt-Gutschriften.

Ist nach den gesetzlichen Vorgaben bei der Veräußerung einer Nullkuponanleihe während der Laufzeit für Zwecke der KESt die Ermittlung eines anteiligen Kapitalertrages erforderlich, ohne dass der Gesetzgeber ausdrückliche Berechnungsanordnungen trifft, dann ist der Kapitalertrag nach jener Methode zu berechnen, die den wirtschaftlichen Verhältnissen am nächsten kommt. Berücksichtigt man, dass der Ausgabepreis von Nullkuponanleihen und auch deren jeweiliger Zeitwert während der Laufzeit offenbar unter Anwendung der Zinseszinsmethode ermittelt wird, so liegt es nahe, auch zeitanteilige Kapitalerträge im Falle der Veräußerung und des Erwerbes während der Laufzeit unter Berücksichtigung von Zinseszinsen zu ermitteln. Hiebei mag es Auslegungsprobleme und Berechnungsspielräume geben; eine Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung, die sie unter dem Aspekt des Art18 B-VG bedenklich erscheinen ließe, liegt jedoch nicht vor. Erscheint die oder eine finanzmathematische Methode nach der Gesetzeslage als die allein zulässige, dann hat die Behörde im Hinblick auf Art18 B-VG die Verpflichtung, diese Auslegung durchzusetzen.

Was das Vertrauen in die Richtlinien des BM für Finanzen und die dort zugelassene lineare Berechnungsmethode betrifft, so folgt der Gerichtshof zwar nicht der Auffassung der belangten Behörde, §117 BAO in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 97 aus 2002,) sei für den vorliegenden Fall schon vom Inhalt her unbeachtlich. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift sollte offenbar gerade auch darin liegen, Rechtsauffassungen des BM für Finanzen, die in der Folge von den zuständigen Höchstgerichten oder vom BM für Finanzen selbst als unzutreffend erkannt werden, für die Vergangenheit mit Vertrauensschutz auszustatten.

Zu berücksichtigen ist aber, dass §117 BAO mit E v 02.12.04, G95/04 ua, als verfassungswidrig aufgehoben wurde, die Bestimmung nach dem dort getätigten Ausspruch nicht mehr anzuwenden ist und die hier zu beurteilende Beschwerde beim Gerichtshof vor dem Beginn der Beratungen zu G95/04 ua eingelangt ist. Die aufgehobene Vorschrift ist daher auch im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden, so dass aus ihr auch keine Bindung an die in den KESt-RL 1993 für zulässig erachtete lineare Berechnungsmethode abgeleitet werden kann.

Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt grundsätzlich nicht das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit von Rechtsauffassungen, die in Erlässen der Finanzverwaltung vertreten werden, wenn in diesen Erlässen - wie das auch bei den KESt-RL 1993 der Fall ist - darauf hingewiesen wird, dass über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten dadurch nicht begründet werden.

Einem mit Wertpapiergeschäften vertrauten Kreditinstitut hätte die wirtschaftliche Widersinnigkeit einer linearen Berechnungsmethode von zeitanteiligen Kapitalerträgen auffallen müssen, wenn diese nicht nur im Einzelfall, sondern geradezu systematisch dazu führte, dass Steuerbeträge gutzuschreiben waren, die in einer unverhältnismäßigen Relation zum inneren Wert (= Kaufpreis) des Wertpapiers standen oder diesen in Einzelfällen sogar überschritten, wenn es zu einer korrespondierenden Besteuerung des vorhergehenden Veräußerungsvorganges nicht kam und wenn die Besteuerung am Laufzeitende durch Entnahmen systematisch verhindert wurde.

Entscheidungstexte

  • B 1575/03
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 16.12.2004 B 1575/03

Schlagworte

Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, Finanzverfahren, Haftung, Legalitätsprinzip, Rechtsgrundsätze, Treu und Glauben, Vertrauensschutz, VfGH / Aufhebung Wirkung, Determinierungsgebot, EU-Recht, VfGH / Anlaßverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1575.2003

Dokumentnummer

JFR_09958784_03B01575_2_01