Rechtssatz für 15Os113/18h (15Os114/18f)...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Strafrecht

Rechtssatznummer

RS0132414

Geschäftszahl

15Os113/18h (15Os114/18f); 11Os69/18h; 14Os29/20a; 14Os54/20b

Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

StPO §106
StPO §107
  1. StPO § 106 heute
  2. StPO § 106 gültig ab 01.08.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2015
  3. StPO § 106 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 195/2013
  4. StPO § 106 gültig von 19.01.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 1/2011
  5. StPO § 106 gültig von 01.01.2008 bis 18.01.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2007
  6. StPO § 106 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2004
  7. StPO § 106 gültig von 31.12.1975 bis 31.12.2007

Rechtssatz

Auch gegen eine erst nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens getroffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann in Fällen behaupteter Verletzung in einem von der Strafprozessordnung eingeräumten subjektiven Recht Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben werden.

Entscheidungstexte

  • 15 Os 113/18h
    Entscheidungstext OGH 12.12.2018 15 Os 113/18h
    Beisatz: Hier: Begehren auf Akteneinsicht. (T1)
  • 11 Os 69/18h
    Entscheidungstext OGH 02.04.2019 11 Os 69/18h
  • 14 Os 29/20a
    Entscheidungstext OGH 21.07.2020 14 Os 29/20a
    Vgl; Beisatz: Die Einhaltung der durch § 193 Abs 1 zweiter Satz StPO gezogenen Grenzen ist nicht Gegenstand des Rechtsschutzes im Verfahren über einen Antrag auf Fortführung, sondern eines gegen solcherart von der Staatsanwaltschaft angeordnete oder durchgeführte „Ermittlungen oder Beweisaufnahmen“ gerichteten Einspruchs wegen Rechtsverletzung. (T2)
  • 14 Os 54/20b
    Entscheidungstext OGH 21.07.2020 14 Os 54/20b
    Vgl; Beis wie T2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:RS0132414

Im RIS seit

28.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020

Dokumentnummer

JJR_20181212_OGH0002_0150OS00113_18H0000_001

Entscheidungstext 15Os113/18h (15Os114/18f)

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

Jus-Extra OGH-St 5380 = EvBl 2019/70 S 468 - EvBl 2019,468 = JSt‑Slg 2019/26 S 271 (Birklbauer) - JSt‑Slg 2019,271 (Birklbauer) = RZ 2019,142 EÜ106 - RZ 2019 EÜ106 = JSt-LS OGH 2019/98 S 372 - JSt-LS OGH 2019,372 = AnwBl 2019/239 S 600 - AnwBl 2019,600 = Ratz, ÖJZ 2020/48 S 353 - Ratz, ÖJZ 2020,353 = Ratz, AnwBl 2020/27 S 47 (Judikaturübersicht) - Ratz, AnwBl 2020,47 (Judikaturübersicht) = Ratz, ÖJZ 2020/126 S 1071 - Ratz, ÖJZ 2020,1071 = Sadoghi, ÖJZ 2021/49 S 363 - Sadoghi, ÖJZ 2021,363 = SSt 2018/84 = Ratz, ÖJZ 2022/122 S 978 - Ratz, ÖJZ 2022,978

Geschäftszahl

15Os113/18h (15Os114/18f)

Entscheidungsdatum

12.12.2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner B* und eine weitere Beschuldigte wegen des Vergehens der Untreue nach Paragraph 153, StGB, AZ 5 St 72/16p der Staatsanwaltschaft St. Pölten, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichts St. Pölten vom 25. Jänner 2018, AZ 12 HR 84/17p (ON 36 der Ermittlungsakten), und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. April 2018, AZ 132 Bs 50/18z (ON 42 der Ermittlungsakten) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Am 30. Juni 2017 stellte die Staatsanwaltschaft St. Pölten das zu AZ 5 St 72/16p wegen des Verdachts der Untreue nach Paragraph 153, StGB geführte Ermittlungsverfahren gegen Werner B* und Gerlinde B* gemäß Paragraph 190, Ziffer 2, StPO ein (ON 1 S 8).

Am 13. September 2017 verlangte die Anzeigerin Renate S* die „Übermittlung einer Abschrift des Strafaktes 5 St 72/16p mit Stand ab einschließlich ON 31“ (ON 33).

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten verweigerte die – der Sache nach begehrte – Gewährung von Akteneinsicht und teilte dies der Antragstellerin mit Note vom 18. September 2017 mit (ON 34).

Mit Beschluss vom 25. Jänner 2018, AZ 12 HR 84/17p (ON 36), gab das Landesgericht St. Pölten dem dagegen von Renate S* erhobenen Einspruch wegen Rechtsverletzung (ON 35) statt und trug der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf, der Genannten aufgrund ihres rechtlichen Interesses als Beteiligte eines zwischen ihr und den Beschuldigten geführten Zivilprozesses wegen eines Entschädigungsanspruchs, der in Zusammenhang mit dem zur Anzeige gebrachten Sachverhalt steht, Akteneinsicht zu gewähren.

Der dagegen erhobenen Beschwerde der vormals Beschuldigten Werner B* und Gerlinde B* gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 9. April 2018, AZ 132 Bs 50/18z (ON 42), mit der Maßgabe nicht Folge, dass die Akteneinsicht – wie begehrt – (erst) ab ON 31 zu gewähren ist.

In der Folge übermittelte die Staatsanwaltschaft Renate S* die verlangte Aktenkopie (ON 1 S 12).

In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führt die Generalprokuratur wie folgt aus:

Die Beschlüsse des Landesgerichts St. Pölten vom 25. Jänner 2018, AZ 12 HR 84/17p (ON 36), und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. April 2018, AZ 132 Bs 50/18z (ON 42), stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß Paragraph 106, Absatz eins, StPO steht jeder Person, die behauptet, in einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert wurde (Ziffer eins,), der an das Gericht gerichtete Einspruch wegen Rechtsverletzung zu. Gemäß Absatz 3, leg cit ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Rechtsverletzung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen; im Regelfall hat diese dem Einspruch binnen vier Wochen zu entsprechen (Absatz 5, leg cit) oder den Einspruch an das gemäß Paragraph 107, Absatz eins, StPO zur Entscheidung darüber berufene Gericht weiterzuleiten.

Gemäß Paragraph 107, Absatz eins, StPO in der Fassung vor BGBl römisch eins 2013/195 war ein – bis dahin unbefristet möglicher – Einspruch nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens nicht mehr zulässig; zuvor gemäß Paragraph 106, Absatz eins, Ziffer eins, StPO erhobene Einsprüche waren ab diesem Zeitpunkt als gegenstandslos zu betrachten.

Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013, BGBl römisch eins 2013/195, wurde diese Bestimmung beseitigt und durch die in der Folge in Paragraph 106, Absatz 3 und Absatz 5, StPO verankerten Fristen ersetzt. Unter einem wurde der Wortlaut des Paragraph 106, Absatz eins, StPO dahin geändert, dass der Einspruch nicht mehr unbedingt im Ermittlungsverfahren erhoben werden muss (so die bis dahin geltende Fassung BGBl römisch eins 2007/93), sondern Gegenstand des Einspruchs die Behauptung einer im Ermittlungsverfahren erfolgten Verletzung in einem subjektiven Recht ist.

Daraus folgt, dass der Einspruch wegen Rechtsverletzung bei Einhaltung der sechswöchigen Frist (Paragraph 106, Absatz 3, StPO) auch nach durch Einstellung oder Einbringung eines Verfolgungsantrags erfolgter Beendigung des Ermittlungsverfahrens erhoben werden kann (Fabrizy, StPO13 Paragraph 106, Rz 7, Paragraph 107, Rz 1). Zulässig ist er jedoch stets nur dann, wenn ihm die Behauptung zugrunde liegt, der Einspruchswerber sei im Ermittlungsverfahren, also vor dessen Beendigung, durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden (Pilnacek/Stricker, WK-StPO Paragraph 107, Rz 2).

Im gegenständlichen Fall hat Renate S*, die im Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligte auftrat, den Antrag auf Akteneinsicht (durch Aktenübermittlung) erst nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gestellt. Ihr nach Verweigerung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft gemäß Paragraph 106, StPO erhobener Einspruch wegen Rechtsverletzung bezog sich somit nicht auf eine von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren getroffene Entscheidung, sondern auf eine solche nach dessen Beendigung. Er wäre daher gemäß Paragraph 107, Absatz eins, StPO als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Diese Bestimmungen verletzen sowohl der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 25. Jänner 2018, AZ 12 HR 84/17p (ON 36), mit dem Renate S* entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht gewährt wurde, als auch jener des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. April 2018, AZ 132 Bs 50/18z (ON 42), mit welchem der Beschwerde der vormals Beschuldigten nur dahin Folge gegeben wurde, dass die Renate S* zu gewährende Akteneinsicht auf den von ihr beantragten Umfang beschränkt, die Zulässigkeit des von ihr erhobenen Einspruchs wegen Rechtsverletzung aber ausdrücklich bejaht wurde (BS 7).

Bleibt anzumerken, dass gegen die (unberechtigte) Verweigerung von Akteneinsicht nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens (ohne Anklageerhebung) die Erhebung einer Dienstaufsichtsbeschwerde an die Oberstaatsanwaltschaft in Betracht kommt (Fabrizy, StPO13 Paragraph 77, Rz 4, Oshidari, WK-StPO Paragraph 77, Rz 4).

Diese jeweilige Gesetzesverletzung wäre (nur) festzustellen; ob sie den vormals Beschuldigten zum Nachteil gereicht (Paragraph 292, letzter Satz StPO), kann dahingestellt bleiben, weil die gegebenenfalls zu Unrecht gerichtlich angeordnete Übermittlung der Aktenabschrift an Renate S* nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Sah Paragraph 107, Absatz eins, erster Satz StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes (BGBl römisch eins 2004/19) noch vor, dass „nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens“ ein Einspruch nicht mehr zulässig war und zuvor erhobene Einsprüche gemäß Paragraph 106, Absatz eins, Ziffer eins, StPO als gegenstandslos zu betrachten waren, lautet Paragraph 107, Absatz eins, StPO (idgF BGBl römisch eins 2013/195) nunmehr:

„Unzulässige, verspätete oder solche Einsprüche, denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, sind zurückzuweisen. Im Übrigen hat das Gericht in der Sache zu entscheiden. Im Fall, dass Anklage eingebracht wurde, hat über den Einspruch jenes Gericht zu entscheiden, das im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre.“

Paragraph 106, Absatz eins, (erster Satz) StPO lautete in der Fassung BGBl römisch eins 2004/19:

„Einspruch an das Gericht steht im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, weil

1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.“

IdgF (BGBl römisch eins 2015/85) lautet diese – seitdem mehrfach, ua durch BGBl römisch eins 2013/195 geänderte – Bestimmung nunmehr:

„Einspruch an das Gericht steht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch [ergänze: die] Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.“

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013 (BGBl römisch eins 2013/195) erfolgten Änderungen in Paragraphen 106 und 107 StPO ua sicherstellen, dass die Einbringung eines Einspruchs nicht mehr mit dem Ende des Ermittlungsverfahrens befristet ist, weil es der Bedeutung der Verletzung subjektiver Rechte entspreche, eine gerichtliche Entscheidung darüber auch in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen das Ermittlungsverfahren bereits beendet wurde. Damit sollte insbesondere nicht beschuldigten Betroffenen von Zwangsmaßnahmen effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden. Ausdrücklich sollten aber auch Fälle behaupteter Verletzungen in einem subjektiven Recht durch Verweigerung eines Rechts nach diesem Gesetz (zB auf Gewährung von Akteneinsicht) „über das Stadium des Ermittlungsverfahrens hinaus einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden“ (ErläutRV 2402 BlgNR 24. GP 10 f).

Dieser Gesetzeszweck spricht geradezu dafür, dass durch den Wegfall der Unzulässigkeit eines Einspruchs „nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens“ gerichtlicher Rechtsschutz – innerhalb der Einspruchsfrist – generell gewährleistet werden sollte und nicht bloß in jenen Fällen, wo Anklage erhoben wurde oder die (wenn auch erst danach) behauptete Rechtsverletzung noch vor Beendigung des Verfahrens im Sinn des 10. oder 11. Hauptstücks erfolgte. Schließlich wurde auch nicht erklärt, dass und weshalb ein solcher Rechtsschutz nunmehr (nur mehr) dann ausgenommen sein sollte, wenn die Staatsanwaltschaft die Ausübung eines in der StPO eingeräumten subjektiven Rechts erst nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung vergleiche Paragraph eins, Absatz 2, letzter Satz erster und zweiter Fall StPO) verweigert.

Immerhin sieht die StPO zahlreiche (subjektive) Rechte vor, die für Betroffene über das Ende eines Strafverfahrens (Paragraph eins, Absatz 2, letzter Satz StPO) hinaus Bedeutung haben können. Solche Rechte betreffende prozessuale Handlungspflichten der Staatsanwaltschaft können sich auch (noch oder erst) nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ergeben vergleiche Pilnacek/Stricker, WK-StPO Paragraph 107, Rz 8).

Auch im Fall der Verweigerung von (subjektiven) Rechten nach Beendigung eines Strafverfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung (Paragraph eins, Absatz 2, letzter Satz dritter Fall StPO) erfolgt eine im Beschwerdeweg überprüfbare gerichtliche Entscheidung vergleiche Paragraphen 35,, 86, 87 StPO), obwohl die StPO nach ihrem Wortlaut genau genommen bloß die Tätigkeit und Zuständigkeit von erstinstanzlichen Gerichten „im Strafverfahren“, „im Ermittlungsverfahren“ oder „im Hauptverfahren“ vorsieht (Paragraph 29, Absatz eins, Ziffer eins, und 2, Paragraphen 31,, 32, 36, Paragraph 98, Absatz 2, StPO), nicht aber ausdrücklich auch – von einigen besonderen Bestimmungen abgesehen vergleiche etwa Paragraphen 357,, 364 StPO) – für weitere sich aus dem Regelungsinhalt der StPO ergebende Entscheidungen, die mit den bereits beendeten Verfahrensabschnitten zusammenhängen vergleiche Paragraph eins, Absatz eins, erster Satz StPO).

Versteht man aber in diesem Kontext die Wendungen „im Ermittlungsverfahren“ oder „im Hauptverfahren“ nicht als Ausdruck einer strikten zeitlichen Begrenzung auf diesen Verfahrensabschnitt, sondern als allgemeine Unterscheidung zwischen den Verfahrensstadien, auf die sich die nach der StPO zu treffende Entscheidung vergleiche Paragraph eins, Absatz eins, erster Satz StPO) bezieht, kann vor dem Hintergrund des aufgezeigten Gesetzeszwecks bei Paragraph 107, StPO auch der Wendung „im Ermittlungsverfahren“ in Paragraph 106, Absatz eins, erster Satz StPO ein solcher Sinn beigemessen werden.

Welches Gericht über einen nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens erhobenen Einspruch zu entscheiden hat, der eine noch vor der Verfahrensbeendigung erfolgte Rechtsverweigerung durch die Staatsanwaltschaft betrifft, ließ der Gesetzgeber nämlich gleichfalls offen, obwohl gerade solche Fälle – selbst nach Auffassung der Generalprokuratur – einer gerichtlichen Kontrolle unterstellt werden sollten. Ausdrücklich Bezug nimmt das Gesetz vielmehr bloß auf den Fall, dass Anklage eingebracht wurde, und stellt klar, dass (selbst) dann jenes Gericht über den Einspruch zu entscheiden hat, das „im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre“ – und nicht etwa das für das Hauptverfahren zuständige Gericht (Paragraph 107, Absatz eins, letzter Satz StPO).

Aus den dargelegten Gründen haben das Landesgericht St. Pölten (ON 36) und das Oberlandesgericht Wien (ON 42) zu Recht meritorisch über den gegenständlichen Einspruch wegen Rechtsverletzung bzw die darauf bezogene Beschwerde entschieden (in diesem Sinn ersichtlich auch Pilnacek/Stricker, WK-StPO Paragraph 107, Rz 5–10; Fabrizy, StPO13 Paragraph 106, Rz 7 und Paragraph 107, Rz 1), sodass die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Textnummer

E124001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E124001

Im RIS seit

13.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2022

Dokumentnummer

JJT_20181212_OGH0002_0150OS00113_18H0000_000