Rechtssatz für 8ObA20/12t 9ObA37/12z 9...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0128171

Geschäftszahl

8ObA20/12t; 9ObA37/12z; 9ObA39/12v; 9ObA40/12s; 9ObA38/12x; 8ObA76/14f; 9ObA145/14k; 9ObA148/14a; 9ObA146/14g; 9ObA147/14d

Entscheidungsdatum

29.01.2015

Norm

AEUV Lissabon Art267
AZG §19d
EG Amsterdam Art234
EG-RL 97/81/EG - Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit 31997L0081 §4
GRC Art28
KollV für Teilzeitbeschäftigte der Banken und Bankiers §22
  1. AZG § 19d heute
  2. AZG § 19d gültig ab 01.01.2024 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 189/2023
  3. AZG § 19d gültig von 23.12.2018 bis 31.12.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2018
  4. AZG § 19d gültig von 01.07.2017 bis 22.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 30/2017
  5. AZG § 19d gültig von 01.01.2016 bis 30.06.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 152/2015
  6. AZG § 19d gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2007
  7. AZG § 19d gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 64/2004
  8. AZG § 19d gültig von 10.08.2002 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2002
  9. AZG § 19d gültig von 01.05.1997 bis 09.08.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 46/1997
  10. AZG § 19d gültig von 01.01.1993 bis 30.04.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 833/1992

Rechtssatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz nach Paragraph 4, Nr 2 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 zur Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl L 14/1998 S 9, berichtigt durch ABl L 128/1998 S 71, in der durch die Richtlinie 98/23/EG, ABl L 131/1998 S 10, geänderten Fassung) auf eine in einem Kollektivvertrag (Tarifvertrag) normierte Kinderzulage, bei der es sich um eine Sozialleistung des Arbeitgebers zum teilweisen Ausgleich der finanziellen Unterhaltslasten der Eltern gegenüber dem Kind, für das die Zulage bezogen wird, handelt, aufgrund der Art dieser Leistung (als angemessen) anzuwenden?

2. Wenn Frage 1 verneint wird: Ist Paragraph 4, Nr 1 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 zur Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl L 14/1998 S 9, berichtigt durch ABl L 128/1998 S 71, in der durch die Richtlinie 98/23/EG, ABl L 131/1998 S 10, geänderten Fassung) dahin auszulegen, dass eine Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten durch aliquote Minderung des Anspruchs auf Kinderzulage im Verhältnis zur Arbeitszeit ‑ in Beachtung des weiten Ermessensspielraums der Sozialpartner bei Festlegung eines bestimmten sozial- und wirtschaftspolitischen Ziels und der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ‑ unter der Annahme sachlich gerechtfertigt ist, dass ein Aliquotierungsverbot

a) Teilzeitbeschäftigungen in Form der Elternteilzeit und/oder geringfügige Beschäftigungen während eines Elternkarenzurlaubs erschwert oder unmöglich macht und/oder

b) zu Wettbewerbsverzerrungen durch höhere finanzielle Belastungen der Arbeitgeber mit einer größeren Anzahl von Teilzeitbeschäftigten sowie zu einer Verringerung der Bereitschaft der Arbeitgeber zur Aufnahme von Teilzeitbeschäftigten führt und/oder

c) zur Begünstigung von Teilzeitbeschäftigten führt, die weitere Arbeitsverhältnisse in Teilzeitarbeit aufweisen und mehrfachen Anspruch auf eine kollektivvertragliche Leistung wie die Kinderzulage haben und/oder

d) zur Begünstigung von Teilzeitbeschäftigten führt, weil diese über mehr arbeitsfreie Zeit als Vollzeitbeschäftigte und daher über bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten verfügen?

3. Wenn die Fragen 1 und 2 verneint werden: Ist Artikel 28, der Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass in einem Arbeitsrechtssystem, in dem wesentliche Teile der arbeitsrechtlichen Mindeststandards nach den übereinstimmenden sozialpolitischen Einschätzungen besonders ausgewählter und qualifizierter Kollektivvertragsparteien geschaffen werden,

im Fall der (nach nationaler Praxis) Nichtigkeit lediglich einer (gegen ein unionsrechtliches Diskriminierungsverbot verstoßenden) Detailregelung in einem Kollektivvertrag (hier Aliquotierung der Kinderzulage bei Teilzeitarbeit) die gesamte kollektivvertragliche Vorschrift zu diesem Regelungsbereich (hier Kinderzulage) von der Nichtigkeitssanktion erfasst ist?

Entscheidungstexte

  • 8 ObA 20/12t
    Entscheidungstext OGH 13.09.2012 8 ObA 20/12t
  • 9 ObA 37/12z
    Entscheidungstext OGH 24.09.2012 9 ObA 37/12z
    Vgl
  • 9 ObA 39/12v
    Entscheidungstext OGH 24.09.2012 9 ObA 39/12v
    Vgl
  • 9 ObA 40/12s
    Entscheidungstext OGH 24.09.2012 9 ObA 40/12s
    Vgl
  • 9 ObA 38/12x
    Entscheidungstext OGH 24.09.2012 9 ObA 38/12x
    Vgl
  • 8 ObA 76/14f
    Entscheidungstext OGH 25.11.2014 8 ObA 76/14f
    Auch; Beisatz: Mit seinem Urteil vom 5. November 2014 zu C‑476/12, ÖGB, antwortete der Europäische Gerichtshof auf diese Frage wie folgt: „Paragraf 4 Nr 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Pro-rata-temporis-Grundsatz auf die Berechnung der Höhe einer Kinderzulage anzuwenden ist, die der Arbeitgeber eines Teilzeitbeschäftigten aufgrund eines Kollektivvertrags wie des für Angestellte der österreichischen Banken und Bankiers geltenden zahlt.“ (T1)
  • 9 ObA 145/14k
    Entscheidungstext OGH 18.12.2014 9 ObA 145/14k
    Auch; Beis wie T1
  • 9 ObA 148/14a
    Entscheidungstext OGH 18.12.2014 9 ObA 148/14a
    Auch; Beis wie T1
  • 9 ObA 146/14g
    Entscheidungstext OGH 18.12.2014 9 ObA 146/14g
    Auch; Beis wie T1
  • 9 ObA 147/14d
    Entscheidungstext OGH 29.01.2015 9 ObA 147/14d
    Auch; Beis wie T1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2012:RS0128171

Im RIS seit

07.11.2012

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2015

Dokumentnummer

JJR_20120913_OGH0002_008OBA00020_12T0000_001

Rechtssatz für 9ObA801/94 9ObA803/94 9...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0051126

Geschäftszahl

9ObA801/94; 9ObA803/94; 9ObA222/98g; 9ObA215/99d; 9ObA332/99k; 9ObA238/02v; 8ObA45/03f; 8ObA131/04d; 8ObA76/05t; 9ObA168/05d; 8ObA20/06h; 9ObA52/07y; 9ObA117/11p; 8ObA17/12a; 8ObA14/13m; 8ObA76/14f; 9ObA145/14k; 9ObA148/14a; 9ObA147/14d; 9ObA157/14z; 9ObA63/15b; 8ObA17/17h; 9ObA44/19i

Entscheidungsdatum

25.06.2019

Rechtssatz

Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des Paragraph 4, Absatz 2, ArbVG. Die Kollektivvertragsfähigkeit wurde ihm vom Obereinigungsamt im Jahre 1957 zuerkannt; diese Zuerkennung gilt gemäß Paragraph 165, ArbVG auch nach dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter.

Entscheidungstexte

  • 9 ObA 801/94
    Entscheidungstext OGH 14.09.1994 9 ObA 801/94
    Veröff: SZ 67/149
  • 9 ObA 803/94
    Entscheidungstext OGH 11.01.1995 9 ObA 803/94
    Auch; nur: Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ArbVG. (T1)
  • 9 ObA 222/98g
    Entscheidungstext OGH 20.01.1999 9 ObA 222/98g
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 215/99d
    Entscheidungstext OGH 15.03.2000 9 ObA 215/99d
    Vgl auch; nur T1; Veröff: SZ 73/49
  • 9 ObA 332/99k
    Entscheidungstext OGH 15.03.2000 9 ObA 332/99k
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 238/02v
    Entscheidungstext OGH 19.03.2003 9 ObA 238/02v
    nur T1
  • 8 ObA 45/03f
    Entscheidungstext OGH 30.10.2003 8 ObA 45/03f
    Vgl auch; nur T1
  • 8 ObA 131/04d
    Entscheidungstext OGH 30.05.2005 8 ObA 131/04d
    Auch; nur T1
  • 8 ObA 76/05t
    Entscheidungstext OGH 23.02.2006 8 ObA 76/05t
    nur T1
  • 9 ObA 168/05d
    Entscheidungstext OGH 29.03.2006 9 ObA 168/05d
    nur T1
  • 8 ObA 20/06h
    Entscheidungstext OGH 23.11.2006 8 ObA 20/06h
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 52/07y
    Entscheidungstext OGH 20.08.2008 9 ObA 52/07y
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 117/11p
    Entscheidungstext OGH 27.02.2012 9 ObA 117/11p
    nur T1
  • 8 ObA 17/12a
    Entscheidungstext OGH 24.04.2012 8 ObA 17/12a
    Auch
  • 8 ObA 14/13m
    Entscheidungstext OGH 27.06.2013 8 ObA 14/13m
    nur T1
  • 8 ObA 76/14f
    Entscheidungstext OGH 25.11.2014 8 ObA 76/14f
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 145/14k
    Entscheidungstext OGH 18.12.2014 9 ObA 145/14k
  • 9 ObA 148/14a
    Entscheidungstext OGH 18.12.2014 9 ObA 148/14a
  • 9 ObA 147/14d
    Entscheidungstext OGH 29.01.2015 9 ObA 147/14d
    Auch; nur T1
  • 9 ObA 157/14z
    Entscheidungstext OGH 28.10.2015 9 ObA 157/14z
  • 9 ObA 63/15b
    Entscheidungstext OGH 25.02.2016 9 ObA 63/15b
    Auch
  • 8 ObA 17/17h
    Entscheidungstext OGH 25.10.2017 8 ObA 17/17h
  • 9 ObA 44/19i
    Entscheidungstext OGH 25.06.2019 9 ObA 44/19i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1994:RS0051126

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019

Dokumentnummer

JJR_19940914_OGH0002_009OBA00801_9400000_001

Entscheidungstext 9ObA148/14a

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

9ObA148/14a

Entscheidungsdatum

18.12.2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Engelmann und ADir. Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Ö***** G*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner V*****, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den gemäß Paragraph 54, Absatz 2, ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass die vom Geltungsbereich des Kollektivvertrags für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken erfassten teilzeitbeschäftigten Angestellten das Recht haben, die Kinderzulage im Fall des Vorliegens der in Paragraph 10, („Familien- und Kinderzulage“) Litera b, („Kinderzulage“) des Kollektivvertrags angeführten Voraussetzungen nicht lediglich nach Maßgabe des Ausmaßes ihrer Teilzeitbeschäftigung aliquotiert berechnet ausbezahlt zu erhalten, sondern ungekürzt in der in Paragraph 46, („Gehaltsschema“) Absatz 5, Litera c, („Kinderzulage“) des Kollektivvertrags vorgesehenen Höhe, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigung der Arbeitnehmer nach Paragraph 4, Absatz 2, ArbVG und für die in Rede stehenden Arbeitsverhältnisse zuständig (RIS-Justiz RS0051126). Der Antragsgegner ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitgeber nach Paragraph 4, Absatz eins, ArbVG.

Nach dem hier zugrunde liegenden Kollektivvertrag für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken werden Familien- und Kinderzulagen als Sozialzulagen gewährt. Die Sozialzulagen gelangen vierzehnmal im Jahr zur Auszahlung. Die Höhe der Sozialzulagen wird im Gehaltsschema Neu geregelt. Kinderzulagen erhalten Dienstnehmer für jedes Kind, für das sie die gesetzliche Familienbeihilfe erhalten.

Der Antragsteller begehrte die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung gemäß Paragraph 54, Absatz 2, ASGG. Die dem Antrag zugrunde liegende Rechtsfrage des materiellen Rechts sei für mindestens drei Arbeitnehmer von Bedeutung. Der Feststellungsantrag beziehe sich auf den Anspruch von teilzeitbeschäftigten Angestellten auf Auszahlung der ungekürzten, also nicht aliquotierten Kinderzulage nach Paragraph 10, Litera b, des Kollektivvertrags. Durch die Aliquotierung der Kinderzulage würden die vom Geltungsbereich des Kollektivvertrags erfassten Teilzeitbeschäftigten gegenüber den Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. Dies verstoße gegen den verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitssatz, gegen das in Paragraph 19 d, Absatz 6, AZG und in Artikel 4, der EU-Richtlinie über Teilzeitarbeit (gemeint: Paragraph 4, der zwischen den europäischen Sozialpartnern geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vom 6. 6. 1997, die mit der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 durchgeführt wird) verankerte Diskriminierungsverbot. Angesprochen sei ferner das Diskriminierungsverbot nach Paragraph 3, Ziffer 2 und Paragraph 11, GlBG. Sachliche Gründe für die Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten bestünden nicht. Der Zweck der Kinderzulage bestehe in der Erleichterung der Lasten aus dem Familienstand bzw aus der Kindererziehung. Diese Lasten seien für Teilzeitbeschäftigte ebenso hoch wie für Vollzeitbeschäftigte. Die Kinderzulage hänge nicht mit dem zeitlichen Ausmaß der Tätigkeit zusammen. Die aliquotierte Auszahlung der Kinderzulage bei Teilzeitbeschäftigung treffe gerade Frauen, weil diese die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen würden. Den Teilzeitbeschäftigten könne das Recht auf ungekürzte Auszahlung der Kinderzulage jedenfalls nicht schon nicht mit dem Hinweis auf den Kollektivvertrag verwehrt werden, weil der Kollektivvertrag eine gekürzte Auszahlung der Kinderzulage aliquotiert nach Maßgabe der Teilzeitbeschäftigung gar nicht vorsehe.

Der Antragsgegner bestritt die Rechtsansicht des Antragstellers und beantragte die Abweisung des Antrags. Der Kollektivvertrag für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken enthalte zwar keine ausdrückliche Aliquotierungsregel. Sowohl eine systematische als auch teleologische und historische Auslegung des Kollektivvertrags lasse aber keinen Zweifel darüber offen, dass der Kollektivvertrag die Kinderzulage den Teilzeitbeschäftigten nur aliquot entsprechend ihrem Beschäftigungsausmaß gewähre. Bei der Kinderzulage handle es sich um Entgelt im Sinn des weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs. Aufgrund der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung liege bereits in der geringeren Arbeitsleistung des Teilzeitbeschäftigten die sachliche Rechtfertigung für die geringere Entgeltleistung. Zudem sei der Organisations- und Finanzierungsaufwand für die Kinderbetreuung beim Teilzeitbeschäftigten gerade wegen der Teilzeitbeschäftigung geringer als beim Vollzeitbeschäftigten, weil sie ihm die eigene Kinderbetreuung ermögliche. Auch der EuGH judiziere zur Teilzeit das Pro-rata-temporis-Prinzip. Ein Aliquotierungsverbot würde auch zu sozial- und beschäftigungspolitisch unerwünschten Effekten (uU Überschreiten der für den Kinderbetreuungsgeldbezug maßgeblichen Zuverdienstgrenze oder Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze) führen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß Paragraph 54, Absatz 2, ASGG können kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach Paragraph 50, ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Gemäß Paragraph 54, Absatz 4, ASGG hat der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden. Diese allgemeinen Voraussetzungen für den Feststellungsantrag sind im Anlassfall gegeben.

2. Unstrittig werden den teilzeitbeschäftigten Dienstnehmern im Geltungsbereich des Kollektivvertrags für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken Kinderzulagen nur aliquotiert ausbezahlt. Unstrittig ist auch, dass sich zur Aliquotierung selbst keine konkrete Regelung im gegenständlichen Kollektivvertrag befindet. Sichtlich geht aber auch der Antragsteller davon aus, dass auf die hier betroffenen teilzeitbeschäftigten Dienstnehmer auch noch andere einschlägige Regelungen über die Arbeitszeitverkürzung und eine entsprechende Anpassung des Entgelts Anwendung finden, würden sich doch sonst seine umfangreichen Ausführungen zur unionsrechtlichen Diskriminierung und zur verfassungswidrigen Ungleichbehandlung und sich wohl letztlich jeder Streit zwischen den Parteien erübrigen, wenn sich jeder teilzeitbeschäftigte Dienstnehmer ohnehin auf eine positive Norm stützen könnte, wonach er die Kinderzulage ungekürzt zu bekommen hat.

3. Aufgrund der unionsrechtlichen Implikation hat der Oberste Gerichtshof in einem die gleiche Frage betreffenden Parallelverfahren (8 ObA 20/12t) dem Europäischen Gerichtshof (unter anderem) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist der Pro-rata-temporis-Grundsatz nach Paragraph 4, Nr 2 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 zur Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl L 14/1998 S 9, berichtigt durch ABl L 128/1998 S 71, in der durch die Richtlinie 98/23/EG, ABl L 131/1998 S 10, geänderten Fassung) auf eine in einem Kollektivvertrag (Tarifvertrag) normierte Kinderzulage, bei der es sich um eine Sozialleistung des Arbeitgebers zum teilweisen Ausgleich der finanziellen Unterhaltslasten der Eltern gegenüber dem Kind, für das die Zulage bezogen wird, handelt, aufgrund der Art dieser Leistung (als angemessen) anzuwenden?“

4. Aufgrund dieses Vorabentscheidungsersuchens hat der erkennende Senat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 24. 9. 2012, 9 ObA 40/12s, bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs unterbrochen.

5. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 5. November 2014, C-476/12, ÖGB/Verband Österreichischer Banken und Bankiers, geantwortet:

„Paragraf 4 Nr 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Pro-rata-temporis-Grundsatz auf die Berechnung der Höhe einer Kinderzulage anzuwenden ist, die der Arbeitgeber eines Teilzeitbeschäftigten aufgrund eines Kollektivvertrags wie des für Angestellte der österreichischen Banken und Bankiers geltenden zahlt.“

Die Kinderzulage sei nach dem zugrunde liegenden Kollektivvertrag keine gesetzlich vorgesehene staatliche Leistung und daher keine Leistung der sozialen Sicherheit im Sinn der Verordnung 883/2004/EG zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, auch wenn mit ihr (soziale) Ziele verfolgt würden, die den Zielen bestimmter in der genannten Verordnung vorgesehener Leistungen entsprächen. Vielmehr werde die Kinderzulage vom Arbeitgeber auf Basis des Kollektivvertrags gezahlt und sei daher Entgelt. Sie richte sich deshalb nach den zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber vereinbarten Bedingungen des Arbeitsverhältnisses. Auch sei bereits entschieden worden, dass das Unionsrecht im Fall einer Teilzeitbeschäftigung einer Berechnung nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz weder für das Ruhegehalt noch für den bezahlten Jahresurlaub entgegenstehe. In diesen Rechtssachen habe die Berücksichtigung einer im Verhältnis zum vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer reduzierten Arbeitszeit ein objektives Kriterium dargestellt, das eine proportionale Kürzung der Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer erlaubt habe.

6. Aufgrund dieser Entscheidung wies der Oberste Gerichtshof den im Parallelverfahren gestellten Antrag mit Beschluss vom 25. 11. 2014 ab (8 ObA 76/14f). Er hielt fest, dass sich der Antragsteller nach diesen unionsrechtlichen Grundsätzen hinsichtlich der Aliquotierung der Kinderzulage bei Teilzeitbeschäftigung nach dem zugrunde liegenden Kollektivvertrag nicht auf das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten berufen kann. Auch eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts liegt nicht vor. Beim Pro-rata-temporis-Grundsatz handelt es sich in Bezug auf Entgeltbestandteile von Teilzeitbeschäftigten um einen sachlichen arbeitszeitbezogenen Grund. Die Aliquotierung aufgrund des anzuwendenden Kollektivvertrags ist daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.

7. Der Feststellungsantrag ist daher auch im vorliegenden Fall abzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E109675

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00148.14A.1218.000

Im RIS seit

02.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2015

Dokumentnummer

JJT_20141218_OGH0002_009OBA00148_14A0000_000