Rechtssatz für 9ObA40/13t

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0129048

Geschäftszahl

9ObA40/13t

Entscheidungsdatum

24.07.2013

Norm

GlBG §17 Abs1
VBO Wien 1995 §49 Abs1

Rechtssatz

Das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit ist nicht vom Bestehen tatsächlicher Unterschiede abhängig. Es genügt die durch herabsetzende Bezugnahme auf die ausländische Herkunft zum Ausdruck gebrachte „Fremdzuschreibung“.

Entscheidungstexte

  • 9 ObA 40/13t
    Entscheidungstext OGH 24.07.2013 9 ObA 40/13t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2013:RS0129048

Im RIS seit

04.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2013

Dokumentnummer

JJR_20130724_OGH0002_009OBA00040_13T0000_001

Entscheidungstext 9ObA40/13t

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ARD 6353/5/2013 = ZAS‑Judikatur 2013/150 = RdW 2013/608 S 615 - RdW 2013,615 = DRdA 2014,66 = DRdA 2014,69 (Wolf, Judikaturübersicht) = RZ 2014,71 EÜ61 - RZ 2014 EÜ61 = ecolex 2013/414 S 1017 - ecolex 2013,1017 = infas 2013,231/A84 - infas 2013 A84 = Arb 13.112

Geschäftszahl

9ObA40/13t

Entscheidungsdatum

24.07.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2013, GZ 9 Ra 64/12s-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die ursprünglich aus Polen stammende, mittlerweile aber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Klägerin war seit 13. 7. 2009 als Hilfsköchin bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde vom Produktionsleiter, ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, besonders unter Druck gesetzt und im Zusammenhang mit der Arbeitseinteilung benachteiligt. Zudem begleitete er seine konkrete Kritik an der Arbeit der Klägerin häufig mit Äußerungen, in denen er auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug nahm. Ein längerer Krankenstand der Klägerin resultierte auch aus einer Erschöpfungsdepression, wobei dazu die psychische Belastung, die sich für sie durch das Verhalten ihres Vorgesetzten ihr gegenüber ergab, beitrug. Nachdem sich neben der Klägerin auch andere Küchenmitarbeiter in einer Besprechung mit dem Küchenleiter am 9. 12. 2010 über das Verhalten des Produktionsleiters beschwert hatten - die Klägerin klagte ua auch darüber, dass sie vom Produktionsleiter wegen ihrer polnischen Herkunft schlecht behandelt und beschimpft worden sei - wurde der Produktionsleiter für einen Zeitraum von drei Monaten auf einen Büroarbeitsplatz versetzt.

Aufgrund eines schriftlichen Ansuchens des für die Küche gesamtverantwortlichen Küchenleiters, das dieser mit den hohen Krankenständen der Klägerin begründete, sprach die Beklagte am 3. 2. 2011 die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin gemäß Paragraph 42, Absatz eins, VBO 1955 zum 31. 3. 2011 aus. Tatsächlich hatte der Küchenleiter die Kündigung der Klägerin jedoch nicht deshalb beantragt, weil er ihre Weiterbeschäftigung aufgrund ihrer Krankenstände nicht wollte, sondern weil er ein Zusammenarbeiten des Produktionsleiters mit der Klägerin aufgrund der Beschwerden der Klägerin über das Verhalten des Produktionsleiters für unmöglich hielt. Davon hatte er jedoch die für die Entscheidung über die Kündigung zuständige Personalabteilung der Beklagten nicht informiert. Wäre der Personalabteilung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bekannt gewesen, dass die Klägerin dem Produktionsleiter eine benachteiligende Behandlung und Beschimpfungen im Hinblick auf ihre Herkunft vorgeworfen und sich auch darüber beschwert hatte, dann hätte die Beklagte die Kündigung nicht ausgesprochen.

2. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin für rechtsunwirksam erklärt wurde. Durch die Äußerungen des Produktionsleiters, in denen er gegenüber der Klägerin auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug genommen habe, habe er die Klägerin aus Gründen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gemäß Paragraph 4 a, Absatz 3, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraph 4 a, Absatz eins, erster Satz VBO 1995 belästigt und damit diskriminiert. Da aber auch der Küchenleiter seine nachteilige, das Dienstverhältnis der Klägerin betreffende Entscheidung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses deshalb getroffen habe, weil sich die Klägerin über das diskriminierende Verhalten des Produktionsleiters beschwert gehabt habe, sei auch der Diskriminierungstatbestand des Paragraph 4 a, Absatz 3, Ziffer 3, VBO 1995 erfüllt. Gemäß Paragraph 54 d, Absatz eins, VBO 1995 sei die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, weil das Dienstverhältnis der Klägerin infolge einer Verletzung des Diskriminierungsverbots iSd Paragraph 4 a, Absatz eins, zweiter Satz Ziffer 7, VBO 1995 beendet worden sei.

3. Ihre außerordentliche Revision begründet die Beklagte nun damit, dass dem Berufungsgericht eine im Sinne der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen sei und insbesondere zur Bestimmung des Paragraph 4 a, VBO 1995 oder der vergleichbaren Regelungen der Paragraphen 17, Absatz 7 und 26 Absatz 7, GlBG keine höchstgerichtliche Judikatur existiere. Damit zeigt sie aber keine Rechtsfrage von der Qualität des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO auf:

3.1. Eine Belästigung steht dann mit dem geschützten Merkmal (zB ethnische Zugehörigkeit iSd Paragraph 17, Absatz eins, GlBG oder Paragraph 4 a, Absatz eins, VBO 1995) „im Zusammenhang“, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Das Erfordernis des „Zusammenhangs“ darf dabei, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen, nicht zu eng gesehen werden (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Paragraph 21, Rz 9; 8 ObA 8/09y; 9 ObA 21/12x). Das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit - die AntirassismusRL 2000/43/EG spricht in diesem Zusammenhang von „Rasse oder ethnische Herkunft“ - ist nicht vom Bestehen tatsächlicher Unterschiede abhängig. Es genügt - wie im vorliegenden Fall - die durch herabsetzende Bezugnahme auf die ausländische Herkunft zum Ausdruck gebrachte „Fremdzuschreibung“ vergleiche RV 307 BlgNR 22. GP 14; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Paragraph 17, Rz 15; 10 ObS 34/06g ua).

3.2. Dass der Produktionsleiter der Beklagten mit seinen unter Bezugnahme auf die ausländische Herkunft der Klägerin herabsetzenden und beleidigenden Äußerungen eine unerwünschte Verhaltensweise iSd Paragraph 4 a, Absatz 3, Ziffer 2, VBO 1995 gesetzt hat, die mit dem in Paragraph 4 a, Absatz eins, VBO 1995 genannten Grund der ethnischen Zugehörigkeit der Klägerin im Zusammenhang steht, haben die Vorinstanzen zutreffend bejaht. Da der Küchenleiter die Kündigung der Klägerin tatsächlich deshalb beantragte, weil sich die Klägerin über das (diskriminierende) Verhalten des Produktionsleiters beschwert hatte und er aus diesem Grund eine weitere Zusammenarbeit dieser beiden Personen für unmöglich hielt, ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei durch den darauf basierenden Kündigungsausspruch der Beklagten auch gemäß Paragraph 4 a, Absatz 3, Ziffer 3, VBO 1995 diskriminiert worden vergleiche dazu auch das Benachteiligungsverbot nach Paragraph 27, GlBG), nicht korrekturbedürftig. Abgesehen davon muss sich die Beklagte, die die Kündigung der Klägerin nicht ausgesprochen hätte, wären ihr die wahren Umstände über das diskriminierende Verhalten ihres Produktionsleiters und die Beschwerden der Klägerin bekannt gewesen, die Kenntnisse ihres Küchenleiters, die dieser bei seinem Kündigungsansuchen verschwieg, gemäß den von ihr organisierten Abläufen zur Informationsbeschaffung vor dem Kündigungsanspruch zurechnen lassen vergleiche auch Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Paragraph 12, Rz 6 ua).

3.3. Die - im Übrigen von der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene - Behauptung die Kündigung der Klägerin stünde nicht in dem für die Bejahung der Kausalität der Beschwerde der Klägerin für den Kündigungsausspruch geforderten engen zeitlichen Zusammenhang, trifft im Hinblick auf den zeitlichen Geschehensablauf nicht zu. Am 9. 12. 2010 erfolgte die Beschwerde der Klägerin, am 23. 12. 2010 war die Klägerin im Krankenstand, am 10. 1. 2011 ersuchte sie um Versetzung in eine andere Abteilung, am 12. 1. 2011 stellte der Produktionsleiter das schriftliche Ansuchen auf Kündigung der Klägerin.

Insgesamt vermag die außerordentliche Revision der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO darzustellen.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E104967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00040.13T.0724.000

Im RIS seit

28.08.2013

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2014

Dokumentnummer

JJT_20130724_OGH0002_009OBA00040_13T0000_000