Rechtssatz für 1Ob47/08f 6Ob75/11i

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0124364

Geschäftszahl

1Ob47/08f; 6Ob75/11i

Entscheidungsdatum

16.06.2011

Rechtssatz

Nachbarrechtliche Ansprüche nach Paragraph 364, Absatz 2, ABGB sind - als Anwendungsfälle der negatorischen Eigentumsklage - grundsätzlich nicht verjährbar.

Entscheidungstexte

  • 1 Ob 47/08f
    Entscheidungstext OGH 21.10.2008 1 Ob 47/08f
  • 6 Ob 75/11i
    Entscheidungstext OGH 16.06.2011 6 Ob 75/11i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:RS0124364

Im RIS seit

20.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2011

Dokumentnummer

JJR_20081021_OGH0002_0010OB00047_08F0000_001

Rechtssatz für 8Ob99/06a; ...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0121873

Geschäftszahl

8Ob99/06a; 1Ob62/07k; 10Ob60/06f; 10Ob87/07b; 4Ob196/07p; 8Ob116/07b; 9Ob72/08s; 4Ob13/09d; 6Ob160/08k; 6Ob65/09s; 2Ob97/09t; 6Ob75/11i; 4Ob77/11v; 4Ob99/12f; 8Ob59/15g; 9Ob84/17v; 5Ob232/20h; 4Ob44/23h

Entscheidungsdatum

28.03.2023

Norm

ABGB §364 Abs3
ZPO §502 Abs1
  1. ABGB § 364 heute
  2. ABGB § 364 gültig ab 01.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 91/2003
  3. ABGB § 364 gültig von 01.01.1917 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916
  1. ZPO § 502 heute
  2. ZPO § 502 gültig von 01.01.2031 bis 30.04.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020
  3. ZPO § 502 gültig ab 01.01.2031 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2022
  4. ZPO § 502 gültig von 01.05.2022 bis 31.12.2030 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2022
  5. ZPO § 502 gültig von 01.01.2021 bis 30.04.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020
  6. ZPO § 502 gültig von 01.07.2009 bis 31.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  7. ZPO § 502 gültig von 01.01.2005 bis 30.06.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 128/2004
  8. ZPO § 502 gültig von 01.01.2005 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2003
  9. ZPO § 502 gültig von 01.01.2003 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 76/2002
  10. ZPO § 502 gültig von 01.01.2002 bis 31.12.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001
  11. ZPO § 502 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 140/1997
  12. ZPO § 502 gültig von 01.08.1989 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 343/1989

Rechtssatz

Die für die Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Beeinträchtigung gebotene Interessenabwägung hat nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zu erfolgen. Je näher die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger wird dabei ihre Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Ferner wird Ausmaß und Lage der durch Lichteinfall beeinträchtigten Fläche zu berücksichtigen und zu fragen sein, welche konkrete Nutzungsmöglichkeit für den Kläger eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird.

Entscheidungstexte

  • 8 Ob 99/06a
    Entscheidungstext OGH 31.01.2007 8 Ob 99/06a
    Beisatz: Hier: 55 Fichtenbäume mit einer durchschnittlichen Höhe von 22 m an der Grundstücksgrenze in einem sehr begrünten Villenviertel mit starkem Baumbewuchs, wobei den Klägern der Nachweis dafür, dass die Fichten der Beklagten zeitlich und räumlich überwiegend zu einem gänzlichen Sonnenlichtentzug in Haus, Terrasse und Garten führen, nicht gelang. (T1)
    Beisatz: Hier: Frage der Ortsüblichkeit nicht abschließend beantwortet, Beeinträchtigungen lagen jedenfalls aber (zumindest) an der Grenze der Ortsüblichkeit. (T2); Veröff: SZ 2007/13
  • 1 Ob 62/07k
    Entscheidungstext OGH 14.08.2007 1 Ob 62/07k
    Auch; Beisatz: Hier: Keine unzumutbare Beeinträchtigung. (T3)
  • 10 Ob 60/06f
    Entscheidungstext OGH 09.10.2007 10 Ob 60/06f
    Beisatz: Es kommt nicht auf die besondere Empfindlichkeit der konkret betroffenen Kläger, sondern auf den Beurteilungsmaßstab eines vernünftigen „Durchschnittsmenschen" an. (T4)
    Beisatz: Ist nur eine verhältnismäßig geringfügige Fläche der Nachbarliegenschaft überhaupt beeinträchtigt, wird diese Beeinträchtigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Je größer jedoch die vom Entzug des Lichteinfalls beeinträchtigte Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche ist, umso eher wird das Kriterium der Unzumutbarkeit auch dann erfüllt sein, wenn zeitlich nicht von einem dauernden gänzlichen Entzug des Lichteinfalles auszugehen ist. Unzumutbarkeit ist im Einzelfall umso eher verwirklicht, als zeitlich und räumlich überwiegend (über 50 %) kein (Sonnen-, Tages-)Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann. (T5)
    Bem: Die früheren Beisätze T6 und T7 entfallen im Hinblick auf RS0122471 und RS0122910. (T6)
  • 10 Ob 87/07b
    Entscheidungstext OGH 09.10.2007 10 Ob 87/07b
    Auch; Beisatz: Hier: Keine unzumutbare Beeinträchtigung durch ortsunübliche 6m hohe Thujenhecke zwischen Einfamilienhäusern. (T7)
  • 4 Ob 196/07p
    Entscheidungstext OGH 11.12.2007 4 Ob 196/07p
    Beis wie T5 nur: Ist nur eine verhältnismäßig geringfügige Fläche der Nachbarliegenschaft überhaupt beeinträchtigt, wird diese Beeinträchtigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Je größer jedoch die vom Entzug des Lichteinfalls beeinträchtigte Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche ist, umso eher wird das Kriterium der Unzumutbarkeit auch dann erfüllt sein, wenn zeitlich nicht von einem dauernden gänzlichen Entzug des Lichteinfalles auszugehen ist. (T8)
    Veröff: SZ 2007/192
  • 8 Ob 116/07b
    Entscheidungstext OGH 17.12.2007 8 Ob 116/07b
    Vgl auch; Beisatz: Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Auslegung des Begriffes der „Unzumutbarkeit" begründet - vom Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. (T9)
  • 9 Ob 72/08s
    Entscheidungstext OGH 29.10.2008 9 Ob 72/08s
    Auch
  • 4 Ob 13/09d
    Entscheidungstext OGH 24.03.2009 4 Ob 13/09d
    Auch; Beisatz: Der Verweis in § 364 Abs 3 ABGB auf das „Maß des Abs. 2" bezieht sich auf die § 364 Abs 2 ABGB angesprochene Ortsunüblichkeit der Immission. (T10)
    Beisatz: Unzumutbarkeit wird umso weniger anzunehmen sein, je näher eine - als solche ortsunübliche - Beeinträchtigung an der Grenze zur Ortsüblichkeit liegt. (T11)
  • 6 Ob 160/08k
    Entscheidungstext OGH 02.07.2009 6 Ob 160/08k
    Auch; Beis wie T9; Beisatz: Bei der Interessenabwägung ist eine vorhersehbare Entwicklung des Lichtentzugs durch Schattenwurf aufgrund der natürlichen Beschaffenheit des Geländes maßgeblich zu berücksichtigen (6 Ob 94/08d). (T12)
  • 6 Ob 65/09s
    Entscheidungstext OGH 16.10.2009 6 Ob 65/09s
    Vgl; Beis wie T9; Beis wie T11
  • 2 Ob 97/09t
    Entscheidungstext OGH 28.09.2009 2 Ob 97/09t
    Vgl auch; Auch Beis wie T9
  • 6 Ob 75/11i
    Entscheidungstext OGH 16.06.2011 6 Ob 75/11i
    Vgl auch
  • 4 Ob 77/11v
    Entscheidungstext OGH 21.06.2011 4 Ob 77/11v
    Vgl auch; Beis wie T9; Beis wie T11; Beisatz: Ortsunüblichkeit und Unzumutbarkeit müssen kumulativ vorliegen. (T13)
  • 4 Ob 99/12f
    Entscheidungstext OGH 12.06.2012 4 Ob 99/12f
    Vgl; Beis wie T11; Beis ähnlich wie T13
  • 8 Ob 59/15g
    Entscheidungstext OGH 26.02.2016 8 Ob 59/15g
    Auch; Beis wie T9; Beis wie T11; Beisatz: Der Rechtssatz, die Beeinträchtigung einer verhältnismäßig geringfügigen Fläche der Nachbarliegenschaft werde im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein (T5), bezieht sich auf die vom jeweiligen Kläger (Mit-, Wohnungseigentümer) tatsächlich genutzte Grundfläche. (T14)
    Anm: Der Beisatz T14 wurde irrtümlich an dieser Stelle mit dem schon vergebenen Teilsatz T13 veröffentlicht. Daher wurde der Teilsatz T13 auf T14 geändert. - August 2021 (T14a)
  • 9 Ob 84/17v
    Entscheidungstext OGH 27.02.2018 9 Ob 84/17v
    Beis wie T5
  • 5 Ob 232/20h
    Entscheidungstext OGH 14.06.2021 5 Ob 232/20h
    Beis wie T9
  • 4 Ob 44/23h
    Entscheidungstext OGH Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage 28.03.2023 4 Ob 44/23h
    vgl; Beisatz: Hier: Jemand, der ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald erworben hat, kann nicht - gestützt auf § 364 Abs 3 ABGB – die Beseitigung des Waldes fordern. (T15)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:RS0121873

Im RIS seit

02.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2023

Dokumentnummer

JJR_20070131_OGH0002_0080OB00099_06A0000_002

Entscheidungstext 6Ob75/11i

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

Zak 2011/547 S 295 - Zak 2011,295 = bbl 2011,285/199 - bbl 2011/199

Geschäftszahl

6Ob75/11i

Entscheidungsdatum

16.06.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** C*****, vertreten durch Dr. Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 17. November 2010, GZ 4 R 379/10t-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 22. Juli 2010, GZ 15 C 1271/09g-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist seit 1974 Eigentümer eines Grundstücks im Ausmaß von 1.303 m², auf dem er einen Bungalow errichtete, den er 1976 bezog. Sein Bungalow ist Teil der K*****siedlung, bei der es sich um ein bewaldetes Gebiet mit ländlichem Charakter handelt. Das Haus des Klägers steht am Südhang der K*****siedlung und grenzt - so wie andere Häuser dieser Siedlung - an die südlich befindliche Liegenschaft des Beklagten an; auf dem Grundstück des Klägers stehen Bäume und Sträucher, die das Dach des Hauses überragen. Auch die anderen angrenzenden Liegenschaften weisen einen hohen Baumbewuchs auf.

Der nördliche Teil des Grundstücks des Beklagten stellt in der Natur einen Waldstreifen dar, es wachsen dort 87 Fichten mit einer Höhe von 17 bis 22 m; die Breite dieses Waldstreifens beträgt durchschnittlich 11,8 m, wobei diese Fläche im Sinn des Forstgesetzes einen Wald darstellt. Das Haus des Klägers befindet sich knapp 20 m nördlich dieses bis an die Grundgrenze reichenden Waldstreifens und liegt aufgrund der Hanglage etwa 4 m höher als der Boden des Waldstreifens.

Der Beklagte schuf im Jahr 1973 für seine Reiter ein Dressurviereck; als Sicht- und Staubschutz errichtete er 1974 die Fichtenreihe. Als der Kläger 1976 den Bungalow bezog, waren die Fichten bereits gepflanzt.

Die Bäume können in der Zeit von 21. 3. bis 23. 9. eines jeden Jahres rund 28 m hoch werden, ohne dass sie auf das Dach des klägerischen Bungalows einen wesentlichen Schatten werfen würden; der Betrieb einer Solaranlage würde in den Sommermonaten nicht beeinflusst. Bereits seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ist allerdings in der Nähe des Waldbestands eine Vermoosung der Wiesenfläche durch die Beschattung eingetreten; Ende der Neunzigerjahre verlegte der Kläger seinen zunächst an der südlichen Grenze gepflanzten Gemüsegarten nach Osten.

Auf der Liegenschaft des Klägers befindet sich - südlich des Bungalows - ein Swimmingpool, dessen Wasser sich durch Sonneneinwirkung von selbst erwärmt. Die Markise auf der klägerischen, nach Süden ausgerichteten Terrasse ist als Sonnenschutz den gesamten Sommer über zur Gänze ausgefahren; dadurch ist eine Beschattung der in diesem Bereich befindlichen Fenster und der dahinter liegenden Räumlichkeiten gegeben.

Der Kläger begehrte vom Beklagten - gestützt auf Paragraph 364, Absatz 3, ABGB - die Unterlassung der von den auf dessen Liegenschaft stehenden Bäumen ausgehenden Einwirkung durch Entzug von Licht. Diese schränkten den Lichteinfall in nicht ortsüblicher und unzumutbarer Weise ein.

Der Beklagte wendete demgegenüber ein, sein Grundstück werde widmungsgemäß verwendet, zum Zeitpunkt der Aufforstung habe die K*****siedlung noch nicht bestanden; im gesamten Bereich sei im Übrigen Waldbestand nicht unüblich. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass Paragraph 364, Absatz 3, ABGB zum Zeitpunkt der Pflanzung der Fichten noch nicht gegolten und der Kläger nach dessen Inkrafttreten über längere Zeit einen Unterlassungsanspruch nicht erhoben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine wesentliche Beschattung des klägerischen Hauses durch die Bäume des Beklagten sei nicht gegeben, die Errichtung einer Solaranlage möglich. Damit liege auch keine unzumutbare Beeinträchtigung der klägerischen Liegenschaft vor.

Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Unterlassung des Entzugs der direkten Sonneneinstrahlung auf das Haus des Klägers durch die von den auf dem Grundstück des Beklagten stehenden Bäumen ausgehende Einwirkung auf das Grundstück des Klägers. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige, und ließ nach einem Abänderungsantrag des Beklagten die Revision zu; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit die für die Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Beeinträchtigung durch Lichtentzug gebotene Interessenabwägung zwar nach einem objektiven Beurteilungsmaß zu erfolgen habe, aber dennoch die Ortsüblichkeit zu berücksichtigen sei.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Beeinträchtigung des Klägers sei unzumutbar, habe dieser doch sein Haus auf einen Südhang gebaut und vorwiegend nach Süden hin ausgerichtet, von Oktober bis März werde ihm nunmehr aber die direkte Sonneneinstrahlung praktisch durchgehend genommen; dies sei nicht ortsüblich. Der Sonnenentzug könne zu einer „Winterdepression“ führen, im Übrigen habe der Beklagte keine trifftigen Gründe genannt, die für die Bewahrung der gegenwärtigen Situation sprechen würden. Sein Argument, Fichten könnten nicht gekürzt werden, sei unrichtig. Da allerdings der „eindeutige Schwerpunkt“ des klägerischen Begehrens darin bestehe, dem Beklagten die Beschattung seines Hauses zu verbieten, sei der Urteilsspruch anzupassen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt.

1. Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (er hat die durch das Berufungsgericht vorgenommene „Anpassung“ des Klagebegehrens nicht bekämpft) die Unterlassung des Entzugs der direkten Sonneneinstrahlung auf sein Haus durch auf dem Grundstück des Beklagten stehende Bäume. Anspruchsgrundlage hiefür ist Paragraph 364, Absatz 3, ABGB. Danach kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß der Ortsüblichkeit (stRsp, siehe 8 Ob 99/06a JBl 2007, 712) nach Absatz 2, überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen.

1.1. Nach den Feststellungen des Erstgerichts, die der Kläger in seiner Berufung insoweit nicht bekämpft hat, befinden sich sowohl auf der klägerischen als auch auf angrenzenden Liegenschaften Bäume, welche das Dach des Hauses des Klägers überragen; überhaupt handelt es sich bei der K*****siedlung um ein bewaldetes Gebiet mit ländlichem Charakter. Um die K*****siedlung errichten zu können, mussten Bäume gefällt werden, weil sich zuvor an dieser Stelle großteils Wald befunden hatte. An der südlichen Grenze des klägerischen Grundstücks stehen auf dem Grundstück des Beklagten 87 Fichten in einer Breite (gemeint: Tiefe) von durchschnittlich knapp 12 m; diese Fläche stellt einen Wald im Sinn des Forstgesetzes dar.

Aufgrund dieser Feststellungen und unter Mitberücksichtigung des bereits aus dem Jahr 2001 stammenden Luftbilds Beilage ./5, dessen Richtigkeit der Kläger nicht bestritten hat, ist nach Auffassung des erkennenden Senats bereits zweifelhaft, dass tatsächlich das Maß der Beschattung des klägerischen Hauses durch die Bäume des Beklagten ortsunüblich ist (1 Ob 62/07k; 10 Ob 60/06f JBl 2008, 312); jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass eine allfällige Beeinträchtigung nahe an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt.

Soweit sich das Berufungsgericht zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung auf die (in den Spätherbst- und Wintermonaten fehlende) Sonnenbestrahlung des Hauses des Klägers beruft, hat es übersehen, dass zum Tageslicht auch das indirekte Sonnenlicht gehört, das es tagsüber etwa auch bei geschlossener Wolkendecke, bei Nebel oder eben auch im Sonnenschatten gibt (2 Ob 97/09t). Im Übrigen weichen die Überlegungen des Berufungsgerichts auch vom festgestellten Sachverhalt ab: Demnach können die Fichten 28 m hoch sein, ohne dass sie in der Zeit vom 21. 3. bis 23. 9. einen wesentlichen Schatten auf das Hausdach des Klägers werfen würden. Derzeit sind die Fichten aber ohnehin nur 17 bis 22 m hoch, sodass eine Beschattung des Hauses in den übrigen Monaten nicht zwingend erscheint (auf eine allfällige Beschattung der sonstigen klägerischen Liegenschaft kommt es aufgrund des vom Kläger nicht beanstandeten Urteilsspruchs des Berufungsgerichts nicht [mehr] an). Mit seinen - auch im Parteienvorbringen ungedeckten - Überlegungen zu „Winterdepression“ und der Möglichkeit des Stutzens von Fichten hat das Berufungsgericht überhaupt die erstinstanzlichen Feststellungen verlassen. Es hat im Übrigen auch nicht offengelegt, woher es dieses Wissen bezogen hat; gerichtsnotorisch sind derartige Tatsachen jedenfalls nicht.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat die - für die Beurteilung der nach Paragraph 364, Absatz 3, ABGB weiters geforderten Unzumutbarkeit einer Beeinträchtigung gebotene - Interessenabwägung nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zu erfolgen. Je näher die Beeinträchtigung dabei an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger ist ihre Unzumutbarkeit anzunehmen (RIS-Justiz RS0121873).

Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist hier zu Lasten des Klägers einerseits zu berücksichtigen, dass zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Fichten gepflanzt wurden (1974), die erst mit 1. 7. 2004 in Kraft getretene Bestimmung des Paragraph 364, Absatz 3, ABGB noch nicht absehbar war (8 Ob 99/06a; 10 Ob 60/06f; aus jüngerer Zeit 6 Ob 65/09s). Andererseits bestand ihr Zweck in der Errichtung eines Staub- und Sichtschutzes zugunsten (auch) des Klägers.

1.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen führte die Beschattung des klägerischen Gartens durch die Bäume des Beklagten bereits in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu einer Vermoosung der Wiesenfläche; der Kläger verlegte außerdem bereits Ende der Neunzigerjahre seinen zunächst an der südlichen Grundstücksgrenze gepflanzten Gemüsegarten nach Osten. Dennoch leitete der Kläger das gegenständliche Verfahren erst im Juli 2009, somit rund 5 Jahre nach Einführung des Paragraph 364, Absatz 3, ABGB, ein.

Der Kläger meint nun in seiner Revisionsbeantwortung, ein Anspruch nach Paragraph 364, Absatz 3, ABGB könne nicht allein deshalb scheitern, weil die Bäume vor dem 1. 7. 2004 gepflanzt worden sind; dieser Standpunkt entspricht durchaus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 99/06a; 10 Ob 60/06f). Auch soweit er verjährungsrechtliche Überlegungen anstellt, ist ihm dahin beizupflichten, dass nachbarrechtliche Ansprüche nach Paragraph 364, ABGB - als Anwendungsfälle der negatorischen Eigentumsklage - grundsätzlich nicht verjährbar sind (1 Ob 47/08f). Ob seine zeitweise Untätigkeit im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen wäre, kann hier jedoch aufgrund annähernder Ortsüblichkeit der Fichtenreihe und der bereits dargelegten Interessenabwägung dahingestellt bleiben.

1.5. Damit vermag aber der erkennende Senat die Auffassung des Berufungsgerichts, die nach Paragraph 364, Absatz 3, ABGB vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des Klägers aus, nicht zu teilen, weshalb an sich das abweisliche Ersturteil wiederherzustellen wäre.

2. Das Erstgericht vermochte die vom Kläger behauptete Vereinbarung mit dem Beklagten, keinen Bewuchs auf seinem Grundstück zuzulassen, der höher als 2,5 bis 3 m wäre („Christbaumhöhe“), nicht festzustellen. Der Kläger hat dies in seiner Berufung bekämpft, worauf das Berufungsgericht aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nicht näher eingegangen ist. Da der Kläger sein Unterlassungsbegehren auch auf eine Vereinbarung gestützt hat, wird das Berufungsgericht die Erledigung der Feststellungsrüge des Klägers in diesem Punkt nachzuholen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E97806

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00075.11I.0616.000

Im RIS seit

13.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2012

Dokumentnummer

JJT_20110616_OGH0002_0060OB00075_11I0000_000