Rechtssatz für 4Ob98/07a 4Ob236/07w 4O...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0122468

Geschäftszahl

4Ob98/07a; 4Ob236/07w; 4Ob136/08s; 4Ob127/08t; 3Ob178/08k; 4Ob22/09b; 4Ob103/10s; 4Ob100/10z; 4Ob165/11k; 4Ob130/12i; 4Ob94/14y; 4Ob125/16k; 4Ob74/18p; 4Ob171/19d; 4Ob200/19v; 4Ob140/22z

Entscheidungsdatum

20.12.2022

Norm

UWG §1 D2d
UWG §7
MRK Art10 Abs2 IV4a
MRK Art10 Abs2 IV4f
ZPO §502 Abs1 HIII3
  1. UWG § 1 heute
  2. UWG § 1 gültig ab 20.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2022
  3. UWG § 1 gültig von 12.12.2007 bis 19.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 79/2007
  4. UWG § 1 gültig von 23.11.1984 bis 11.12.2007
  1. ZPO § 502 heute
  2. ZPO § 502 gültig von 01.01.2031 bis 30.04.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020
  3. ZPO § 502 gültig ab 01.01.2031 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2022
  4. ZPO § 502 gültig von 01.05.2022 bis 31.12.2030 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2022
  5. ZPO § 502 gültig von 01.01.2021 bis 30.04.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020
  6. ZPO § 502 gültig von 01.07.2009 bis 31.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  7. ZPO § 502 gültig von 01.01.2005 bis 30.06.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 128/2004
  8. ZPO § 502 gültig von 01.01.2005 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2003
  9. ZPO § 502 gültig von 01.01.2003 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 76/2002
  10. ZPO § 502 gültig von 01.01.2002 bis 31.12.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001
  11. ZPO § 502 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 140/1997
  12. ZPO § 502 gültig von 01.08.1989 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 343/1989

Rechtssatz

Nimmt ein Mitbewerber - wenngleich in Wettbewerbsabsicht - an einer Debatte teil, die öffentliche Interessen betrifft, so hat die Freiheit der Meinungsäußerung bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung seiner Aussagen ein höheres Gewicht als bei rein unternehmensbezogenen Äußerungen. Dabei ist insbesondere die Bedeutung des Themas zu berücksichtigen, zu dem die Äußerung erfolgte. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist und je weniger die Wettbewerbsabsicht des Äußernden im Vordergrund steht, um so eher wird die Äußerung zulässig sein.

Entscheidungstexte

  • 4 Ob 98/07a
    Entscheidungstext OGH 04.09.2007 4 Ob 98/07a
    Bem: Mit ausführlicher Begründung sowie Analyse von EGMR-Judikatur. (T1)
    Veröff: SZ 2007/139
  • 4 Ob 236/07w
    Entscheidungstext OGH 22.01.2008 4 Ob 236/07w
  • 4 Ob 136/08s
    Entscheidungstext OGH 26.08.2008 4 Ob 136/08s
    Auch; Beisatz: Hier: Anspruch nach § 2 UWG; Teilnahme an öffentlicher Debatte verneint. (T2)
  • 4 Ob 127/08t
    Entscheidungstext OGH 23.09.2008 4 Ob 127/08t
    Auch; Veröff: SZ 2008/132
  • 3 Ob 178/08k
    Entscheidungstext OGH 03.10.2008 3 Ob 178/08k
    Auch; Beisatz: Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall wirft - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage auf. (T3)
  • 4 Ob 22/09b
    Entscheidungstext OGH 14.07.2009 4 Ob 22/09b
    Vgl; Beis wie T3; Beisatz: Auch in solchen Debatten müssen es konkret genannte Unternehmen nicht hinnehmen, dass über sie unwahre kreditschädigende Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. (T4)
  • 4 Ob 103/10s
    Entscheidungstext OGH 31.08.2010 4 Ob 103/10s
    Vgl auch
  • 4 Ob 100/10z
    Entscheidungstext OGH 05.10.2010 4 Ob 100/10z
    Auch; nur: Nimmt ein Mitbewerber - wenngleich in Wettbewerbsabsicht - an einer Debatte teil, die öffentliche Interessen betrifft, so hat die Freiheit der Meinungsäußerung bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung seiner Aussagen ein höheres Gewicht als bei rein unternehmensbezogenen Äußerungen. (T5)
  • 4 Ob 165/11k
    Entscheidungstext OGH 28.02.2012 4 Ob 165/11k
    Auch; nur ähnlich T5; Beisatz: Ein höherrangiges Interesse kann etwa auch bei neutralen Produkttest in Frage kommen. (T6)
  • 4 Ob 130/12i
    Entscheidungstext OGH 18.09.2012 4 Ob 130/12i
    Vgl; Beisatz: Liegt eine Werbung primär im Eigeninteresse des Werbenden, und nicht im Informationsinteresse der Öffentlichkeit, kommt der Meinungsäußerungsfreiheit ein geringeres Gewicht zu. (T7)
  • 4 Ob 94/14y
    Entscheidungstext OGH 24.06.2014 4 Ob 94/14y
    Auch; Beis ähnlich wie T7
  • 4 Ob 125/16k
    Entscheidungstext OGH 15.06.2016 4 Ob 125/16k
    Auch; Beis wie T3; Beisatz: Kein öffentliches Interesse an unwahren und herabsetzenden Behauptungen. (T8)
  • 4 Ob 74/18p
    Entscheidungstext OGH 19.04.2018 4 Ob 74/18p
    Auch; Beis wie T3
  • 4 Ob 171/19d
    Entscheidungstext OGH 19.12.2019 4 Ob 171/19d
    Beisatz: Hier: Die Einschätzung, dass der Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln, der in Vorträgen behauptet, Apotheken würden Gift verkaufen und dadurch Menschen töten, primär wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt und deshalb der Meinungsäußerungsfreiheit ein geringeres Gewicht zukommt, ist nicht korrekturbedürftig. (T9)
  • 4 Ob 200/19v
    Entscheidungstext OGH 30.03.2020 4 Ob 200/19v
    Beis wie T8
  • 4 Ob 140/22z
    Entscheidungstext OGH 20.12.2022 4 Ob 140/22z
    Beis wie T4; Beis wie T8; Beisatz: Hier: Der Titulierung „Billigzeitung“ kommt keine besondere Bedeutung zu, deren Gewicht die Zielsetzung, einen prononcierten Beitrag zu einer öffentlichen und kontrovers geführten Debatte (COVID-19-Impfung) zu leisten, relativieren könnte. (T10)

Schlagworte

Meinungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:RS0122468

Im RIS seit

04.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2023

Dokumentnummer

JJR_20070904_OGH0002_0040OB00098_07A0000_001

Entscheidungstext 4Ob22/09b

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ÖBl-LS 2009/271 = RdW 2010/158 S 150 = MR 2016,276 - Heuschrecke II

Geschäftszahl

4Ob22/09b

Entscheidungsdatum

14.07.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ärztekammer für Wien, 2. Prim. MR Dr. Walter D*****, Präsident jener Kammer, *****, beide vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert eingeschränkt 40.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 12. Dezember 2008, GZ 30 R 43/08a-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Parteien sind - wie schon im Sicherungsverfahren

(4 Ob 236/07w = ÖBl 2008, 336 [Kresbach/Schnider] = RdW 2008, 399 [Thiele, RdW 2009, 7] - Heuschrecke) - unterschiedlicher Auffassung zur Frage, ob die Bezeichnung der klagenden Kapitalgesellschaft als „Heuschrecke“ im konkreten Zusammenhang als Tatsachenbehauptung in Bezug auf deren rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Patienten zu verstehen war und daher gegen Paragraph 7, UWG verstieß. Die Vorinstanzen haben dies unter Hinweis auf die im Sicherungsverfahren ergangene Entscheidung des Senats bejaht.

Den Beklagten gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision nicht, das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aufzuzeigen: Die Vorinstanzen haben die strittige Äußerung auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit geprüft und dabei insbesondere die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gewürdigt. Die Anwendung der daraus abgeleiteten Grundsätze (4 Ob 98/07a = AnwBl 2008, 33 [Baumann/Duursma] = ecolex 2008, 154 [Schumacher] = ÖBl 2008, 75 [Gamerith] - VÖB; RIS-Justiz RS0122468) auf den Einzelfall begründet - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (3 Ob 178/08k).

Im vorliegenden Fall haben die Beklagten die Klägerin nicht nur (mittelbar) als „Heuschrecke“ bezeichnet, sondern zugleich die solchen Unternehmen unterstellten Verhaltensweisen konkret genannt (Herrschaft über den ärztlichen Berufsstand, Kündigung nicht „spurender“ Ärzte, Orientierung an ökonomischen Erwägungen und damit nicht am Wohl der Patienten etc). Damit haben sie den Begriff „Heuschrecke“ in der strittigen Äußerung in einer Weise konkretisiert, dass er im gegebenen Zusammenhang als Tatsachenbehauptung in Bezug auf die Klägerin (und ein zweites namentlich genanntes Unternehmen) zu verstehen war. Der Leser musste annehmen, dass die beiden ausdrücklich genannten Unternehmen, die bereits auf dem strittigen Markt tätig waren, das „Heuschrecken“ unterstellte Verhalten bereits gesetzt hatten. Auf dieser Grundlage ist das von den Vorinstanzen erlassene Verbot dahin zu verstehen, dass die Bezeichnung „Heuschrecke“ nur dann zu unterlassen ist, wenn damit tatsächlich ein solcher Eindruck erweckt wird. Die primär am allgemeinen Sprachgebrauch anknüpfende Kritik Thieles an der Entscheidung im Sicherungsverfahren (Zimperliche Heuschrecken, RdW 2009, 7) führt wegen des konkreten Äußerungszusammenhangs zu keiner anderen Beurteilung.

Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls ist die Entscheidung der Vorinstanzen trotz der Teilnahme der Beklagten an einer Debatte über Angelegenheiten des öffentlichen Interesses nicht unvertretbar. Denn auch in solchen Debatten müssen es konkret genannte Unternehmen vergleiche 4 Ob 48/88 = SZ 61/193 - Camel) nicht hinnehmen, dass über sie unwahre kreditschädigende Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Die von den Beklagten beabsichtigte Warnung vor den Gefahren des Auftretens von Kapitalgesellschaften auf dem Markt für ärztliche Dienstleistungen wird durch das Verbot nicht unmöglich; die Beklagten haben es lediglich zu unterlassen, über konkrete Mitbewerber der von der Erstbeklagten vertretenen Ärzte unwahre Tatsachenbehauptungen aufzustellen.

Schlagworte

Heuschrecke II,

Textnummer

E91534

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00022.09B.0714.000

Im RIS seit

13.08.2009

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2016

Dokumentnummer

JJT_20090714_OGH0002_0040OB00022_09B0000_000