Rechtssatz für 5Ob573/88 6Ob572/89

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0022990

Geschäftszahl

5Ob573/88; 6Ob572/89

Entscheidungsdatum

29.06.1989

Norm

ABGB §1295 Ia9
ABGB §1306a
  1. ABGB § 1295 heute
  2. ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916
  1. ABGB § 1306a heute
  2. ABGB § 1306a gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916

Rechtssatz

Notstand oder Nothilfe stellt nur dann einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn die Notstandshandlung oder Nothilfehandlung zum Schutz von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannten Rechtsgütern gesetzt wurde, eine umfassende, ex ante vorzunehmende, Interessenabwägung die Notstandshandlung als rechtmäßig erscheinen läßt und diese die geringste mögliche Verletzung der fremden Interessen darstellt. Die für Notstand (Nothilfe) geltenden Regeln auch auf bloß fahrlässige Schadenszufügung (argumento a maiori ad minus) angewendet werden.

Entscheidungstexte

  • 5 Ob 573/88
    Entscheidungstext OGH 13.12.1988 5 Ob 573/88
    Veröff: EvBl 1989/72 S 271 = RZ 1990/8 S 38 = JBl 1989,386 = SZ 61/270
  • 6 Ob 572/89
    Entscheidungstext OGH 29.06.1989 6 Ob 572/89

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:RS0022990

Dokumentnummer

JJR_19881213_OGH0002_0050OB00573_8800000_001

Rechtssatz für 7Ob686/82 7Ob691/86 5Ob...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0022958

Geschäftszahl

7Ob686/82; 7Ob691/86; 5Ob573/88; 6Ob572/89; 1Ob44/89; 7Ob526/91; 1Ob25/91; 4Ob168/93; 7Ob80/99m

Entscheidungsdatum

28.05.1999

Norm

ABGB §1295 Ia9
  1. ABGB § 1295 heute
  2. ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916

Rechtssatz

Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus einem Verstoß gegen (nicht unbedingt ausdrückliche) Verbote oder Gebote der Rechtsordnung. Jedermann hat sich so zu verhalten, daß fremde Güter nicht gefährdet werden.

Entscheidungstexte

  • 7 Ob 686/82
    Entscheidungstext OGH 29.07.1982 7 Ob 686/82
  • 7 Ob 691/86
    Entscheidungstext OGH 18.12.1986 7 Ob 691/86
    Auch; Beisatz: Als rechtswidrig wird in Lehre und Rechtsprechung jedenfalls die Verleitung des Schuldners zum Vertragsbruch angesehen. Rechtswidrigkeit ist auch gegeben, wenn der Dritte ohne Einwirkung auf den Schuldner dessen Vertragsbruch in Kenntnis des Forderungsrechtes oder bei einer durch den Besitz bedingten typischen Erkennbarkeit den Vertragsbruch des Schuldners ausnützt. (T1)
  • 5 Ob 573/88
    Entscheidungstext OGH 13.12.1988 5 Ob 573/88
    nur: Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus einem Verstoß gegen (nicht unbedingt ausdrückliche) Verbote oder Gebote der Rechtsordnung. (T2) Veröff: SZ 61/270 = RZ 1990/8 S 38 = EvBl 1989/72 S 271
  • 6 Ob 572/89
    Entscheidungstext OGH 29.06.1989 6 Ob 572/89
    Veröff: JBl 1990,104
  • 1 Ob 44/89
    Entscheidungstext OGH 03.10.1990 1 Ob 44/89
    nur T2; Beisatz: Die sich aus vertraglichen Vereinbarungen (Vertragsverletzungen) oder aus dem Gesetz (deliktisches Verhalten) ableiten lassen, oder wenn das Verhalten gegen die guten Sitten (§ 1295 Abs 2 ABGB) verstößt. (T3) Veröff: SZ 63/166 = EvBl 1994/97 S 505
  • 7 Ob 526/91
    Entscheidungstext OGH 18.04.1991 7 Ob 526/91
    Auch; Beis wie T1
  • 1 Ob 25/91
    Entscheidungstext OGH 30.10.1991 1 Ob 25/91
    Auch; nur T2; Beisatz: Ein Verhalten (Handlung oder Unterlassung) ist rechtswidrig, wenn es gegen Gebote und Verbote der Rechtsordnung, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen (Vertragsverletzungen) oder aus dem Gesetz (deliktisches Verhalten) ableiten lassen, oder gegen die guten Sitten verstößt. (T4)
  • 4 Ob 168/93
    Entscheidungstext OGH 25.01.1994 4 Ob 168/93
    Auch; Veröff: SZ 67/10
  • 7 Ob 80/99m
    Entscheidungstext OGH 28.05.1999 7 Ob 80/99m
    Vgl auch; Beis ähnlich T1; Beisatz: "Verleiten" kann auch nicht allein im subjektiven Sinn, nämlich daß sich die Parteien des zweiten Kaufvertragsabschlusses über die gleiche Sache ihrer unrechtmäßigen Handlungsweise voll bewußt waren, verstanden werden, es genügt vielmehr schon die bewußte Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunktes unter bewußter Übergehung der dagegen sprechenden triftigen Argumente. (T5)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:RS0022958

Dokumentnummer

JJR_19820729_OGH0002_0070OB00686_8200000_001

Rechtssatz für 8Ob219/75; ...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0022939

Geschäftszahl

8Ob219/75; 2Ob163/75; 1Ob658/83; 7Ob602/85; 5Ob573/88; 7Ob674/90; 1Ob25/91; 7Ob34/91; 3Ob87/93; 3Ob501/94; 2Ob74/95; 6Ob2343/96v; 4Ob52/06k; 2Ob273/05v; 5Ob168/08d; 4Ob192/10d; 8Ob52/11x; 1Ob97/15v; 3Ob177/15y; 3Ob111/16v; 1Ob153/16f; 1Ob186/16h; 3Ob236/17b; 7Ob78/18y; 1Ob158/21y; 10Ob39/23t

Entscheidungsdatum

19.12.2023

Rechtssatz

Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens kann sich auch aus der Verletzung von aus dem absoluten Güterschutz abgeleiteten allgemeinen Verhaltensnormen ergeben, doch kann aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung geschlossen werden.

Entscheidungstexte

  • 8 Ob 219/75
    Entscheidungstext OGH 05.11.1975 8 Ob 219/75
  • 2 Ob 163/75
    Entscheidungstext OGH 23.10.1975 2 Ob 163/75
    Veröff: SZ 48/109 = ZVR 1976/318 S 335
  • 1 Ob 658/83
    Entscheidungstext OGH 31.08.1983 1 Ob 658/83
    nur: Doch kann aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung geschlossen werden. (T1)
    Beisatz: Wenn auch in der Handlung ein gewisses Indiz für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit gelegen sein mag. (T2)
    Veröff: ÖBl 1984,18 = JBl 1984,492 = GRURInt 1985,340
  • 7 Ob 602/85
    Entscheidungstext OGH 30.07.1985 7 Ob 602/85
    Beis wie T2
  • 5 Ob 573/88
    Entscheidungstext OGH 13.12.1988 5 Ob 573/88
    Beis wie T2; Veröff: SZ 61/270 = EvBl 1989/72 S 271 = RZ 1990/8 S 38
  • 7 Ob 674/90
    Entscheidungstext OGH 06.12.1990 7 Ob 674/90
    Beis wie T2; Veröff: JBl 1992,44
  • 1 Ob 25/91
    Entscheidungstext OGH 30.10.1991 1 Ob 25/91
    Vgl auch; nur: Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens kann sich auch aus der Verletzung von aus dem absoluten Güterschutz abgeleiteten allgemeinen Verhaltensnormen ergeben. (T3)
    Beisatz: Prüfung nach allgemeinen Grundsätzen ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde. (T4)
    Veröff: JBl 1992,253
  • 7 Ob 34/91
    Entscheidungstext OGH 30.01.1992 7 Ob 34/91
    Veröff: VersR 1993,639
  • 3 Ob 87/93
    Entscheidungstext OGH 10.11.1993 3 Ob 87/93
    nur T1; Beis wie T2; Veröff: SZ 66/141
  • 3 Ob 501/94
    Entscheidungstext OGH 25.05.1994 3 Ob 501/94
    Beis wie T2; Veröff: SZ 67/92
  • 2 Ob 74/95
    Entscheidungstext OGH 12.10.1995 2 Ob 74/95
    Auch; nur T1; Beisatz: Das Urteil der Rechtswidrigkeit bezieht sich nämlich nur auf menschliches Verhalten (Verhaltensunrecht), nicht aber auf den nachteiligen Erfolg. (T5)
  • 6 Ob 2343/96v
    Entscheidungstext OGH 05.12.1996 6 Ob 2343/96v
    Auch; Beis wie T5
  • 4 Ob 52/06k
    Entscheidungstext OGH 19.12.2006 4 Ob 52/06k
  • 2 Ob 273/05v
    Entscheidungstext OGH 19.04.2007 2 Ob 273/05v
    Vgl; Beis auch wie T2; Beisatz: Die konkrete Feststellung der Rechtswidrigkeit erfordert eine umfassende Interessenabwägung. (T6)
  • 5 Ob 168/08d
    Entscheidungstext OGH 09.12.2008 5 Ob 168/08d
    Beis wie T6
  • 4 Ob 192/10d
    Entscheidungstext OGH 15.02.2011 4 Ob 192/10d
    Auch; Beis wie T6
  • 8 Ob 52/11x
    Entscheidungstext OGH 25.05.2011 8 Ob 52/11x
    Auch
  • 1 Ob 97/15v
    Entscheidungstext OGH 18.06.2015 1 Ob 97/15v
    Auch; Beisatz: Verfolgungsschaden. Eine Rechtswidrigkeit ist als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung zu bejahen, wenn durch das Fluchtverhalten für ein nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Verfolgung berechtigtes und unter Umständen dazu verpflichtetes Organ eine gesteigerte, vermeidbare Gefahrenlage geschaffen wird, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. (T7)
  • 3 Ob 177/15y
    Entscheidungstext OGH 14.10.2015 3 Ob 177/15y
    Auch; Beis wie T2
  • 3 Ob 111/16v
    Entscheidungstext OGH 13.07.2016 3 Ob 111/16v
    Auch; Beis wie T2
  • 1 Ob 153/16f
    Entscheidungstext OGH 27.09.2016 1 Ob 153/16f
    Vgl auch; Beis wie T2
  • 1 Ob 186/16h
    Entscheidungstext OGH 23.11.2016 1 Ob 186/16h
    Vgl auch; Beis wie T2
  • 3 Ob 236/17b
    Entscheidungstext OGH 21.02.2018 3 Ob 236/17b
    Auch; Beis wie T2; Beisatz: Hier: Ein dem lokalen Brauchtum entsprechender Wurf eines „Klaubauf“ nachdem die Brauchtumsgruppe bereits weitergezogen war. (T8)
  • 7 Ob 78/18y
    Entscheidungstext OGH 24.05.2018 7 Ob 78/18y
    Vgl
  • 1 Ob 158/21y
    Entscheidungstext OGH 07.09.2021 1 Ob 158/21y
    Vgl; Beis wie T6; Beis wie T7
  • 10 Ob 39/23t
    Entscheidungstext OGH Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage 19.12.2023 10 Ob 39/23t
    vgl; Beisatz nur wie T6; Beisatz nur wie T7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:RS0022939

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2024

Dokumentnummer

JJR_19751105_OGH0002_0080OB00219_7500000_002

Rechtssatz für 7Ob650/78; ...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0022899

Geschäftszahl

7Ob650/78; 5Ob659/83; 7Ob602/85; 5Ob573/88; 1Ob36/89; 1Ob313/98f; 3Ob190/99h; 4Ob52/06k; 2Ob273/05v; 5Ob168/08d; 4Ob113/10m; 4Ob192/10d; 8Ob52/11x; 1Ob97/15v; 3Ob111/16v; 7Ob78/18y; 1Ob158/21y; 10Ob39/23t

Entscheidungsdatum

19.12.2023

Norm

ABGB §1295 Ia9
  1. ABGB § 1295 heute
  2. ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916

Rechtssatz

Bei der zur Fällung des Rechtswidrigkeitsurteils bei Verletzung absolut geschützter fremder Rechte erforderlichen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, welche Rechtspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können, die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen (Gefährlichkeit) und schließlich der Wert der bedrohten Güter und Interessen (hier: Abwägung zwischen Interessen an der körperlichen Unversehrtheit und Interesse an einer hemmungslosen Ausübung des Bewegungsdranges.

Entscheidungstexte

  • 7 Ob 650/78
    Entscheidungstext OGH 07.09.1978 7 Ob 650/78
  • 5 Ob 659/83
    Entscheidungstext OGH 27.09.1983 5 Ob 659/83
    Auch; Beisatz: Diese Gefährlichkeit ist vom Standpunkt eines sachkundigen Beobachters im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist auch das allgemeine Interesse an Bewegungsfreiheit sowie das Interesse an der Ausführung der gefährlichen Handlung zu prüfen. (T1)
  • 7 Ob 602/85
    Entscheidungstext OGH 30.07.1985 7 Ob 602/85
    Auch; nur: Bei der zur Fällung des Rechtswidrigkeitsurteils bei Verletzung absolut geschützter fremder Rechte erforderlichen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen (Gefährlichkeit) und schließlich der Wert der bedrohten Güter und Interessen (hier: Abwägung zwischen Interessen an der körperlichen Unversehrtheit und Interesse an einer hemmungslosen Ausübung des Bewegungsdranges. (T2)
    Beis wie T1 nur: Zu berücksichtigen ist auch das allgemeine Interesse an Bewegungsfreiheit. (T3)
  • 5 Ob 573/88
    Entscheidungstext OGH 13.12.1988 5 Ob 573/88
    Veröff: SZ 61/270 = EvBl 1989/72 S 271 = RZ 1990/8 S 38
  • 1 Ob 36/89
    Entscheidungstext OGH, AUSL EGMR 10.04.1991 1 Ob 36/89
    Auch; Veröff: SZ 64/36 = JBl 1991,796 = ÖBl 1991,161
  • 1 Ob 313/98f
    Entscheidungstext OGH 23.03.1999 1 Ob 313/98f
    Auch
  • 3 Ob 190/99h
    Entscheidungstext OGH 22.12.1999 3 Ob 190/99h
    Auch
  • 4 Ob 52/06k
    Entscheidungstext OGH 19.12.2006 4 Ob 52/06k
    Beisatz: Bei der Interessenabwägung ist einerseits das allgemeine Interesse an der Bewegungsfreiheit und den Entfaltungsmöglichkeiten, also die Zumutbarkeit von Verhaltenspflichten, andererseits die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen, und schließlich der Wert der bedrohten Güter, jeweils ex ante beurteilt, zu berücksichtigen. (T4)
    Beisatz: Hier: Nicht-sexuelle eheliche Treue als absolut geschütztes Rechtsgut. (T5)
  • 2 Ob 273/05v
    Entscheidungstext OGH 19.04.2007 2 Ob 273/05v
    Auch; Beisatz: Maßgebliche Kriterien sind vor allem der Rang des betroffenen Rechtsgutes, die Gefährlichkeit des Verhaltens und die Zumutbarkeit der statuierten Verhaltenspflichten. (T6)
  • 5 Ob 168/08d
    Entscheidungstext OGH 09.12.2008 5 Ob 168/08d
    Beis wie T6
  • 4 Ob 113/10m
    Entscheidungstext OGH 31.08.2010 4 Ob 113/10m
    Vgl auch; Beis wie T6
  • 4 Ob 192/10d
    Entscheidungstext OGH 15.02.2011 4 Ob 192/10d
    Auch; nur: Bei der zur Fällung des Rechtswidrigkeitsurteils bei Verletzung absolut geschützter fremder Rechte erforderlichen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, welche Rechtspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können, die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen (Gefährlichkeit) und schließlich der Wert der bedrohten Güter und Interessen. (T7)
  • 8 Ob 52/11x
    Entscheidungstext OGH 25.05.2011 8 Ob 52/11x
  • 1 Ob 97/15v
    Entscheidungstext OGH 18.06.2015 1 Ob 97/15v
    nur T7; Beisatz: Hier: Verfolgungsschaden. Eine Rechtswidrigkeit ist als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung zu bejahen, wenn durch das Fluchtverhalten für ein nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Verfolgung berechtigtes und unter Umständen dazu verpflichtetes Organ eine gesteigerte, vermeidbare Gefahrenlage geschaffen wird, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. (T8)
  • 3 Ob 111/16v
    Entscheidungstext OGH 13.07.2016 3 Ob 111/16v
    Auch
  • 7 Ob 78/18y
    Entscheidungstext OGH 24.05.2018 7 Ob 78/18y
    Auch
  • 1 Ob 158/21y
    Entscheidungstext OGH 07.09.2021 1 Ob 158/21y
    Vgl; Beis wie T4
  • 10 Ob 39/23t
    Entscheidungstext OGH Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage 19.12.2023 10 Ob 39/23t
    vgl; Beisatz: Hier: Vorführung nach § 9 UbG. (T9)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:RS0022899

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2024

Dokumentnummer

JJR_19780907_OGH0002_0070OB00650_7800000_002

Rechtssatz für 7Ob602/85; ...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Rechtssatznummer

RS0023175

Geschäftszahl

7Ob602/85; 5Ob573/88; 1Ob313/98f; 4Ob192/10d; 8Ob52/11x; 1Ob97/15v; 7Ob78/18y; 1Ob158/21y; 10Ob39/23t

Entscheidungsdatum

19.12.2023

Norm

ABGB §1295 Ia9
  1. ABGB § 1295 heute
  2. ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916

Rechtssatz

Bei der zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Verstoßes gegen ein absolutes Recht erforderlichen Interessenabwägung ist auch auf die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung fremder Interessen Bedacht zu nehmen. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch durch das Ausmaß der Außerachtlassung der Sorgfalt mitbestimmt.

Entscheidungstexte

  • 7 Ob 602/85
    Entscheidungstext OGH 30.07.1985 7 Ob 602/85
  • 5 Ob 573/88
    Entscheidungstext OGH 13.12.1988 5 Ob 573/88
    Auch; Veröff: SZ 61/270 = EvBl 1989/72 S 271 = RZ 1990/8 S 38
  • 1 Ob 313/98f
    Entscheidungstext OGH 23.03.1999 1 Ob 313/98f
    Beisatz: Ferner ist zu berücksichtigen, welche Rechtspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können. (T1)
  • 4 Ob 192/10d
    Entscheidungstext OGH 15.02.2011 4 Ob 192/10d
  • 8 Ob 52/11x
    Entscheidungstext OGH 25.05.2011 8 Ob 52/11x
  • 1 Ob 97/15v
    Entscheidungstext OGH 18.06.2015 1 Ob 97/15v
    Beisatz: Hier: Verfolgungsschaden. Eine Rechtswidrigkeit ist als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung zu bejahen, wenn durch das Fluchtverhalten für ein nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Verfolgung berechtigtes und unter Umständen dazu verpflichtetes Organ eine gesteigerte, vermeidbare Gefahrenlage geschaffen wird, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. (T2)
  • 7 Ob 78/18y
    Entscheidungstext OGH 24.05.2018 7 Ob 78/18y
    Beis wie T2
  • 1 Ob 158/21y
    Entscheidungstext OGH 07.09.2021 1 Ob 158/21y
    Vgl; Beis wie T2
  • 10 Ob 39/23t
    Entscheidungstext OGH Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage 19.12.2023 10 Ob 39/23t
    vgl; Beisatz nur wie T2
    Beisatz: Hier: Vorführung nach § 9 UbG. (T3)
    Beisatz: Hier: „Berufsrisiko eines Polizisten" (statt „allgemeines Lebensrisiko" wie in T2). (T4)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:RS0023175

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2024

Dokumentnummer

JJR_19850730_OGH0002_0070OB00602_8500000_002

Entscheidungstext 5Ob573/88

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

5Ob573/88

Entscheidungsdatum

13.12.1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter F***, technischer Angestellter, Hardtmuthgasse 104/1/6/85, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Richard Heiserer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf F***, Kaufhausdetektiv, Wolfgang Schmälzl-Gasse 30/18, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 32.263,36 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Februar 1988, GZ 13 R 196/87-15, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Mai 1987, GZ 38 Cg 238/86-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Am 14. Jänner 1986 gegen 16 Uhr beobachtete der Beklagte in seiner Eigenschaft als Detektiv im Warenhaus S*** den Studenten Roland H***, der eine Damenhandtasche mit einem Verkaufspreis von S 675,-- in Diebstahlsabsicht aus einem Regal an sich genommen und sich umgehängt hatte. Nachdem der Dieb an der Kasse ohne zu bezahlen vorbeigegangen war, begann der Beklagte diesem nachzueilen. Als Roland H*** dies merkte, lief er in Richtung Hinterausgang davon, wobei der Beklagte ihm nachlief. Während des Laufens durch den Gang des Warenhauses zum Hinterausgang hatte Roland H*** gegenüber dem Beklagten noch einen Vorsprung von ca. 5 m. Da H*** aber die nach außen aufgehende Tür aufdrücken mußte, holte ihn der Beklagte nahezu ein; der Beklagte bremste sich mit einer Hand beim Türpfosten ab, um H*** nicht niederzurennen und versuchte ihn dann zu erfassen; dabei rutschte er aber zunächst ab, weil H*** wieder beschleunigt hatte, um nach rechts in der Rauhensteingasse davonzulaufen. Im Anschluß an die Tür beim Hinterausgang des Kaufhauses befindet sich vor dem ca. 2,5 m breiten Gehsteig eine etwa 3 m tiefe Fortsetzung des Ausganges. Als der Beklagte schon im Bereich des Gehsteiges war, wollte er Roland H*** richtig fassen; er hatte nicht die Absicht, diesen zu stoßen oder niederzustoßen. Beim Nachfassen beschleunigte er aber H***, wodurch dieser taumelte, worauf H*** und der Beklagte auf den in der Rauhensteingasse im Bereich des Hinterausganges des Warenhauses S*** geparkten PKW des Klägers, Nissan Bluebird (W 568.601) stürzten. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Beklagte selbst auch auf das Auto oder nur auf den auf das Fahrzeug gestürzten Roland H*** fiel. Jedenfalls aber wurden die Beschädigungen des Fahrzeuges dadurch, daß nicht nur Roland H*** darauf stürzte, sondern auch der Beklagte nachstürzte, ärger.

Mit der am 2. September 1986 erhobenen Klage begehrte Günter F*** wegen dieses Vorfalles aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 32.263,36 s.A., und zwar für Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Wertminderung und Kreditkosten. Der Beklagte sei ihm schadenersatzpflichtig, weil er den flüchtenden Dieb auf das geparkte Fahrzeug geschleudert habe. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihn kein Verschulden treffe und er nicht rechtswidrig gehandelt habe; er habe lediglich in Ausübung seines Berufes und im Interesse der öffentlichen Sicherheit den Ladendieb verfolgt und gestellt. Es sei nicht richtig, daß er den Dieb auf das Auto des Klägers geschleudert habe; er habe ihn auf dem Gehsteig gefaßt, worauf es zu einem Handgemenge gekommen sei, in dessen Verlauf der Ladendieb und er auf das Fahrzeug gestürzt seien. Im Zuge des Verfahrens änderte der Beklagte dieses Vorbringen dahin ab, daß sich der Ladendieb beim Handgemenge mit ihm losgerissen habe und dabei auf den PKW des Klägers gestürzt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von der Feststellung, der Beklagte habe den Ladendieb nicht stoßen wollen, er sei vielmehr beim Versuch, ihn zu fassen, abgerutscht und habe ihm dabei einen Beschleunigungsimpuls versetzt, wodurch der Dieb vorwärts taumelte und mit Schulter und Brust gegen den PKW fiel, gelangte das Erstgericht zu der Ansicht, der Beklagte habe in Notwehr-Hilfe für seinen Dienst- oder Auftraggeber S*** gehandelt, sodaß sein Verhalten gerechtfertigt gewesen sei, und zwar selbst dann, wenn ihm eine Ungeschicklichkeit unterlaufen sei. Bei Notwehr dürfe zum Schutz eines geringerwertigen Gutes auch ein höherwertiges beschädigt werden.

Das Gericht zweiter Instanz hatte Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, nahm unter Durchführung eines Augenscheines eine Beweiswiederholung vor und gelangte zu Feststellungen im Sinne des bereits wiedergegebenen Sachverhalts. Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Sowohl Koziol (Haftpflichtrecht2 römisch eins 98 f, 158 f, 171 f und 244) als auch Reischauer (in Rummel römisch II Rz 10 zu Paragraph 1295, ABGB) befaßten sich mit bei Verfolgungsjagden entstandenen Schäden vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß es sich um solche Schäden handle, die dem Verfolgten oder dem Verfolger entstanden seien, sowie vor allem mit der Frage, inwieweit der Verfolgte bei der durch sein Verhalten ausgelösten Verfolgungsjagd entstandene Schäden zu ersetzen habe. Darum gehe es aber im vorliegenden Fall nicht, weil hier der Ersatz des einem unbeteiligten Dritten entstandenen Schadens vom Verfolger verlangt werde. In seiner Entscheidung vom 11. Juni 1987, 8 Ob 3/87 (JBl 1987, 785), in welcher sich der Oberste Gerichtshof - soweit ersichtlich - erstmals mit Schäden bei einer Verfolgungsjagd zu befassen gehabt habe, sei es primär um die Ersatzpflicht des Verfolgten für Schäden am verfolgenden Polizeifahrzeug gegangen. Bei Behandlung einer aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung habe sich der Oberste Gerichtshof aber auch mit Ersatzforderungen für Schäden auseinandersetzen müssen, die am verfolgten Fahrzeug entstanden waren bzw. von diesem (offenbar Dritten) verursacht worden seien. Er sei hiebei zu dem Ergebnis gekommen, daß ein spezifischer Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung von Verkehrsvorschriften durch das verfolgende Fahrzeug und derartigen Schäden nur insoweit bestünden, als solche Schäden durch das verfolgende Fahrzeug unmittelbar, sei es gegenüber dem Verfolgten oder gegenüber Dritten, verursacht worden seien, etwa durch ein Abdrängen des verfolgten Fahrzeuges von der Fahrbahn, nicht aber durch die bloße Tatsache der Verfolgung allein. Eine Notwehrsituation sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil nicht ein Rechtsgut des Warenhausdiebes, sondern eines unbeteiligten Dritten, nämlich der PKW des Klägers, beschädigt worden sei. Diese Beschädigung sei allerdings nicht nur durch den verfolgten Dieb unmittelbar verursacht worden, sondern dadurch entstanden, daß beim versuchten Ergreifen des Diebes dieser und der ihn verfolgende Beklagte auf das Fahrzeug des Klägers gefallen seien. Im vorliegenden Fall könnte eine Notstandssituation gegeben sein, worüber Paragraph 1306, a ABGB bestimme: "Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, habe der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen habe, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfang der Schaden zu ersetzen sei." Nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges Handeln könne unter dem Gesichtspunkt des Notstandes oder der Nothilfe, der Abwendung der einem anderen drohenden Gefahr, betrachtet werden, es sei aber immer eine entsprechende Abwägung zwischen der drohenden Gefahr einerseits und der Größe der durch das vorsätzliche oder fahrlässige Abwehrverhalten anderseits angerichteten Schädigung erforderlich. So habe die Rechtsprechung in verschiedenen, mit Bränden zusammenhängenden Fällen eine Ersatzpflicht jeweils bejaht vergleiche SZ 15/120; ZVR 1958/254 und ZVR 1980/277). Hier gehe es um die Verfolgung und Anhaltung eines mit einer gestohlenen Handtasche im Wert von S 675,-- flüchtenden Warenhausdiebes, nicht aber etwa um die Verfolgung eines Mörders oder Räubers, der mit einer sehr wertvollen Beute geflüchtet wäre. Es habe daher nach Auffassung des Berufungsgerichtes bei der Verfolgung so vorgegangen werden müssen, daß der verfolgende Beklagte nicht durch sein Verhalten unmittelbar das Eigentum oder die körperliche Sicherheit Dritter beschädigte oder gefährdete. Er habe also nicht so agieren dürfen, daß er durch sein Verhalten dritte Personen niederstoßen oder deren Eigentum beschädigen konnte, hätte ja ein Niederstoßen unbeteiligter Fußgänger etwa auch schwerste Verletzungen bei diesen zur Folge haben können. Diese bei der Verfolgung somit gebotene Sorgfalt habe der Beklagte vermissen lassen, so daß er beim Versuch, den mit der gestohlenen Tasche flüchtenden Dieb festzuhalten, diesen beschleunigt habe und mit diesem auf das Auto des Klägers gestürzt sei. Dieses Verhalten des Beklagten sei auch unter Bedachtnahme auf Paragraph 1306, a ABGB nicht gerechtfertigt oder entschuldigt, sondern ihm als Fahrlässigkeit vorzuwerfen und habe ihn daher ersatzpflichtig gemacht. Seine Ersatzpflicht zur ungeteilten Hand für den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden ergäbe sich aus Paragraph 1302, ABGB, weil sich nicht bestimmen ließe, in welchem Umfang die Schäden am Fahrzeug des Klägers auch durch ein bloßes Drauffallen des flüchtenden Diebes entstanden wären. Da noch nicht feststehe, ob und in welchem Umfang dem (richtig:) Kläger ein Ersatz für Mietwagenkosten, Wertminderung, Kreditkosten und Kreditzinsen gebühre, sei in diesem Umfang gemäß Paragraph 496, Absatz eins, Ziffer 3, ZPO eine Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht jedenfalls notwendig, weil es hierüber keine Feststellungen getroffen habe. Zur Begründung des beigesetzten Rechtskraftvorbehaltes führte das Berufungsgericht aus, daß es sich bei der Entscheidung, in welchen Fällen der Verfolger bei einer Verfolgungsjagd Dritten entstandene Schäden zu ersetzen habe, um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des Paragraph 502, Absatz 4, Ziffer eins, ZPO handle. Gegen diesen unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß richtet sich der auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Hinblick auf den zutreffend beigesetzten Rechtskraftvorbehalt zulässig, aber nicht berechtigt. In seinem Rekurs vertritt der Beklagte die Ansicht, auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, wonach er nicht die Absicht gehabt habe, den Dieb zu stoßen, diesen beim "Nachfassen beschleunigt" habe und deswegen mit ihm gemeinsam auf das Auto gestürzt sei und er die Absicht gehabt habe, das Davonlaufen des Diebes zu verhindern, ergäbe sich, daß er sich vollkommen korrekt verhalten habe, um seiner Berufspflicht nachzukommen. Da er nicht habe voraussehen können, er werde bei seinem Bemühen, den Dieb zu fassen, diesen so "beschleunigen" daß er ausgerechnet auf ein Auto stürzen könnte, sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen er sich habe fahrlässig verhalten können.

Den vom Berufungsgericht hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten angestellten Erörterungen hielt der Rekurswerber entgegen, er habe nicht wissen können, ob der von ihm ertappte Dieb nicht vorher schon wertvolle Gegenstände gestohlen habe und ob es sich bei diesem nicht um einen Gewohnheitsdieb handle. Eine "Interessenabwägung" zwischen dem Wert der Handtasche und dem Schaden am PKW des Klägers habe er daher nicht vornehmen müssen und auch nicht vornehmen können. Eine derartige auf materiellen Werten beruhende "Interessenabwägung" sei überhaupt abzulehnen, weil der Schaden aus dem Diebstahl und jener am PKW für ihn nicht kalkulierbar gewesen seien und der "Schutz der Rechtsordnung gegen Diebe" weit höher zu bewerten sei, als ein bloß materieller, von ihm auch nicht vorhersehbarer Schaden am PKW des Klägers, wie er am Straßenverkehr alltäglich vorkomme. Da er bloß versucht habe, den Dieb mit den Händen zu fassen, also keine als rechtswidrig erkennbare Mittel eingesetzt habe, habe er den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht zu verantworten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Vorauszuschicken ist, daß die Schadenersatzpflicht grundsätzlich zur Voraussetzung hat, daß der Schädiger rechtswidrig und schuldhaft handelt. Rechtswidrig ist ein menschliches Verhalten dann, wenn es gegen Gebote und Verbote der (gesamten) Rechtsordnung oder gegen die guten Sitten (Paragraph 1295, Absatz 2, ABGB) verstößt (Koziol-Welser8 römisch eins 414; Koziol, Haftpflichtrecht2 römisch eins 90; ZVR 1976/229 ua). Abgesehen von den gebotene oder verbotene Verhaltenspflichten genau umschreibenden sogenannten Schutzgesetzen stellt ein solches gegen jedermann gerichtetes, menschliches Verhalten mißbilligendes Verbot etwa Paragraph 125, StGB dar; auch aus der Absolutheit des Eigentumsrechtes (Paragraph 354, ABGB) ergibt sich, daß grundsätzlich jedermann sein Verhalten so einzurichten hat, daß die Rechte des Eigentümers nicht geschmälert, somit etwa eine Sache auch nicht beschädigt wird. Wenngleich aus der Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes - mangels genauer Umschreibung der Verhaltenspflichten - noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung geschlossen werden kann, so kann der eingetretene Erfolg doch die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens indizieren (Koziol, aaO, 93 und Haftpflichtrecht2 römisch II 23; Koziol-Welser, aaO, 414;

Mayrhofer, Schuldrecht römisch eins, 271; ZVR 1976/229; SZ 48/109;

SZ 56/74 ua). Bei einem Eingriff in absolute Rechte, deren Gefährdung somit grundsätzlich verboten ist (Wolff in Klang2 römisch VI, 15, 18/19; Koziol2 römisch eins 94; ZVR 1976/229 ua), ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Verhalten des Schädigers einer Verhaltensnorm widersprochen hat; dies wird dann der Fall sein, wenn er das auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung, bei der einerseits etwa das allgemeine Interesse an der Bewegungsfreiheit und Entfaltungsmöglichkeit des einzelnen und das Interesse an Ordnung und Sicherheit sowie die Zumutbarkeit von Verhaltenspflichten, anderseits aber auch der Wert der bedrohten Güter und Interessen, sowie die Eignung des schädigenden Verhaltens, einen nachteiligen Erfolg herbeizuführen, also dessen Gefährlichkeit - jeweils ex ante betrachtet - zu berücksichtigen sind, objektiv zumutbar erscheinende Maß an Sorgfalt in Ansehung der Vermeidung der Gefährdung fremden Gutes nicht eingehalten hat vergleiche Wolff, aaO, 15; Koziol-Welser, aaO, 414 f; Koziol2 römisch eins 94 und römisch II 23; Mayrhofer, aaO, 272;

MietSlg 33.218; EvBl 1984/60). Es gibt aber auch bestimmte, immer wieder vorkommende Interessenlagen, bei welchen das Gesetz selbst die Rechtswidrigkeit ausschließt. Dazu gehören die Rechtfertigungsgründe der Notwehr und des (rechtfertigenden) Notstandes.

Eine Notwehrsituation liegt dem gegenständlichen Anspruch nicht zugrunde, weil es nicht um den Ersatz eines Schadens geht, der jemandem zugefügt wird, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Angriff des Geschädigten abzuwehren. Zur Beurteilung steht vielmehr die Frage der Haftung für Schäden eines Dritten, die dieser nicht im Zuge der Abwehr dessen rechtswidrigen Angriffes, sondern aus Anlaß einer Notwehrlage, nämlich zur Abwehr einer in dem Angriff eines Diebes auf das Eigentum des Dienstgebers des den Angriff Abwehrenden gelegenen Gefahr durch Nothilfehandlungen zugefügt wurden. Für eine solche - der Abwendung der einem anderen drohenden Gefahr dienende - Nothilfehandlung gelten die für Notstandshandlungen selbst maßgeblichen Grundsätze.

Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt Notstand oder Nothilfe nur dann einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn die Notstands- oder Nothilfehandlung zum Schutz von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannten Rechtsgütern gesetzt wurde, eine umfassende, ex ante vorzunehmende, Interessenabwägung (Koziol2 römisch eins 108; Mayrhofer, aaO, 274; Kienapfel, Strafrecht3, Allgemeiner Teil, Ziffer 12, Rz 22 f; ZVR 1980/277) die Notstandshandlung als rechtmäßig erscheinen läßt und diese die geringste mögliche Verletzung der fremden Interessen darstellt vergleiche Koziol2 römisch eins 108 f; Leukauf-Steininger, StGB, Paragraph 3, RN 49, 52). Diese Interessenabwägung hat vor allem den Wert des gefährdeten und des in Anspruch genommenen Gutes gegenüberzustellen, wobei jedoch auch ein Eingriff in ein höherwertiges Gut zur Rettung eines geringerwertigen Gutes gerechtfertigt sein kann, wenn ersteres nur geringfügig beeinträchtigt wird, das bedrohte hingegen sonst vernichtet worden wäre; außerdem muß das Verhältnis der Stärke der Gefährdung des bedrohten Gutes und des Gutes des Dritten beachtet werden. Wenngleich Schaden verursachende Notstands- und Nothilfehandlungen in der Regel absichtlich gesetzt werden, so können die für Notstand (Nothilfe) geltenden Regeln auch auf bloß fahrlässige Schadenszufügung (arg. a maiori ad minus) angewendet werden vergleiche Wolff, aaO 72; Koziol2 römisch II 314; SZ 15/120; ZVR 1958/254; ZVR 1980/277 ua).

Eine Anwendung dieser von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall zeigt die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht.

Der Beklagte war als Warenhausdetektiv bemüht, einen gegenwärtigen Angriff eines Diebes auf das Eigentum seines Dienstgebers, also ohne Zweifel auf ein von der Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut, abzuwehren. Er hatte erkannt, daß es um den Diebstahl einer Damenhandtasche ging. Insoweit der Rekurswerber in diesem Zusammenhang davon ausgeht, der Dieb könnte noch andere Waren gestohlen haben oder ein Gewohnheitsdieb sein, entfernt er sich von der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage, weshalb auf diese Möglichkeit bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung nicht weiter einzugehen ist. Ausgehend vom Wert einer Damenhandtasche, den der Beklagte dieser erfahrungsgemäß beimessen konnte - als Warenhausdetektiv muß er wohl über derartige Kenntnisse verfügen - durfte der Beklagte nur solche Rettungshandlungen in Erwägung ziehen, bei welchen keine Gefährdung oder Verletzung höherwertiger Rechtsgüter in erheblichem Ausmaß zu befürchten gewesen wäre. So durfte er zur Verhinderung des Diebstahls einer Damenhandtasche keinesfalls eine solche Verfolgungsart wählen, bei der er sich infolge der von ihm eingehaltenen Laufgeschwindigkeit selbst außerstande setzt, sein körperliches Verhalten zu beherrschen, sodaß die Gefahr bestand, andere Personen oder selbst den Dieb niederzustoßen und dadurch erheblich zu gefährden oder Sachen in einem bedeutenden, mit dem Wert des durch den Diebstahl gefährdeten Gutes nicht in Einklang zu bringenden Ausmaß zu beschädigen. Im vorliegenden Fall ist der Beklagte dem Dieb mit einer derartigen Geschwindigkeit nachgelaufen, daß er ihn "niedergerannt" hätte, wenn er sich "nicht mit einer Hand beim Türpfosten abgebremst" hätte. In der Folge legte der Beklagte jedenfalls im Zuge der weiteren Verfolgung des Diebes ein Verhalten an den Tag, bei dem er nicht mehr in der Lage war, seine Körperhaltung zu beherrschen, sodaß es geschehen konnte, daß er - gemeinsam mit dem Dieb - auf einen vor dem Warenhaus am Fahrbahnrand parkenden PKW fiel, und zwar derart heftig, daß dabei doch erhebliche den Wert der Tasche um ein Vielfaches übersteigende Schäden eintraten. Unter den gegebenen Umständen kann auch nicht gesagt werden, der Beklagte hätte bei der von ihm gewählten Art der Verfolgung des Diebes nicht damit rechnen müssen, unbeteiligte Passanten oder Sachen zu gefährden. Von einer den Beklagten rechtfertigenden Nothilfehandlung kann somit keine Rede sein. Da auch nicht gesagt werden kann, der Beklagte hätte auf Grund unwiderstehlichen Zwanges nicht anders handeln können, liegt hier auch keine seine Schuld ausschließende Nothilfe vor vergleiche Koziol I2, 118). Unter diesen Umständen ist nicht weiter zu prüfen, ob und allenfalls in welchem Umfang der Beklagte gemäß Paragraph 1306, a ABGB nach richterlichem Ermessen Ersatz zu leisten hätte, wenn ihm weder Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu unterstellen, noch ein Schuldvorwurf zu machen gewesen wäre.

Das Berufungsgericht ist daher ohne Rechtsirrtum zur Annahme einer Haftung des Beklagten für den anläßlich der von ihm vorgenommenen Verfolgungsjagd entstandenen Schaden gelangt. Dem Rekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E16238

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00573.88.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19881213_OGH0002_0050OB00573_8800000_000