Verwaltungsgerichtshof (VwGH)

Rechtssatz für 2013/04/0020

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 18867 A/2014

Rechtssatznummer

1

Geschäftszahl

2013/04/0020

Entscheidungsdatum

17.06.2014

Index

E6J

Norm

62006CJ0480 Kommission / Deutschland;
62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce VORAB;
62011CJ0386 Piepenbrock VORAB;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2013/04/0048

Rechtssatz

Wenn die Behörde davon ausgeht, dass gegenständlich eine Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (im Sinne des Urteils des EuGH, Rs C-480/06, Kommission/Deutschland) nur dann vorläge, wenn jeder der beiden Vertragspartner gegenüber dem jeweils anderen (somit gegenseitig) entsprechende Dienstleistungen (Entsorgung der Abfälle des jeweils anderen Vertragsteiles) erbringt, also ein Leistungsaustausch hinsichtlich Entsorgungstätigkeiten stattfindet, ist dem zu entgegnen, dass eine solche Voraussetzung dem zitierten Urteil Rs C-480/06 weder ausdrücklich noch implizit zu entnehmen ist: Der diesem Urteil zugrunde liegenden Fall ist (grundsätzlich vergleichbar mit dem beschwerdegegenständlichen Fall) dadurch gekennzeichnet, dass Vertragsgegenstand in erster Linie die Übernahme des Abfalls zur thermischen Verwertung durch einen Vertragspartner (der Stadtreinigung Hamburg) war, und der andere Vertragspartner (die vier benachbarten Landkreise) dafür als Gegenleistung im Wesentlichen ein Jahresentgelt leisteten. Die Zusammenarbeit bestand somit im Wesentlichen darin, dass eine Gebietskörperschaft gegenüber einer anderen Gebietskörperschaft Dienstleistungen, die im gemeinsamen öffentlichen Interesse lagen, gegen Entgelt erbrachte. Dass ein darüber hinausgehendes "Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne einer echten Zusammenarbeit" erforderlich wäre, ist weder diesem Urteil noch dem darauf Bezug nehmenden, Urteil Rs C-159/11 zu entnehmen. Vielmehr ist die Notwendigkeit eines solchen Gegenseitigkeitsverhältnisses in den vom EuGH im Urteil Rs C-159/11 dargestellten Kriterien (Rn 34 und 35), die alle erfüllt sein müssen, damit das Vergaberecht der Union auf einen Vertrag nicht anwendbar ist (Rn 36), nicht genannt vergleiche ebenso das Urteil Rs C-386/11, Rn 37 und 38).

Gerichtsentscheidung

EuGH 62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce
VORAB
EuGH 62011CJ0386 Piepenbrock VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040020.X01

Im RIS seit

23.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017

Dokumentnummer

JWR_2013040020_20140617X01

Rechtssatz für 2013/04/0020

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 18867 A/2014

Rechtssatznummer

2

Geschäftszahl

2013/04/0020

Entscheidungsdatum

17.06.2014

Index

E6J

Norm

62006CJ0480 Kommission / Deutschland;
62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce VORAB;
62011CJ0386 Piepenbrock VORAB;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2013/04/0048

Rechtssatz

Richtig ist, dass nach der Judikatur des EuGH als eine (der kumulativ zu erfüllenden) Voraussetzungen für die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen außerhalb des Anwendungsbereiches des Vergaberechts verlangt wird, dass "kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber" vergleiche Rn 35 des Urteils Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce; ebenso Rn 37 des Urteils Piepenbrock). Es kommt also nicht darauf an, ob aus der Zusammenarbeit öffentlicher Stellen ein Wettbewerbsvorteil einer öffentlichen Stelle gegenüber einem privaten Dienstleistungserbringer resultiert (ein solcher Vorteil einer öffentlichen Stelle wäre nämlich zwangsläufig bei jeder Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen gegeben, weil bei dieser Zusammenarbeit schon definitionsgemäß der private Dienstleistungserbringer nicht zum Zuge kommen kann). Entscheidend ist nach der zitierten Judikatur vielmehr, dass - im Sinne der Gleichbehandlung privater Unternehmen untereinander (in diesem Sinne Rn 47 des Urteiles Rs C-480/06) - kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber.

Gerichtsentscheidung

EuGH 62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce
VORAB
EuGH 62011CJ0386 Piepenbrock VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040020.X02

Im RIS seit

23.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017

Dokumentnummer

JWR_2013040020_20140617X02

Rechtssatz für 2013/04/0020

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 18867 A/2014

Rechtssatznummer

3

Geschäftszahl

2013/04/0020

Entscheidungsdatum

17.06.2014

Index

E6J
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

62006CJ0480 Kommission / Deutschland;
62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce VORAB;
62011CJ0386 Piepenbrock VORAB;
BVergG 2006 §1;
BVergG 2006 §10 Z7;
B-VG Art14b;
VwGG §42 Abs2 Z1;
  1. B-VG Art. 14b heute
  2. B-VG Art. 14b gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 14b gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 14b gültig von 01.01.2003 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2002
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2013/04/0048

Rechtssatz

Die Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH über die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften bewirkt nach den Urteilen (Rs C-480/06, Rs C- 159/11 und Rs C- 386/11) zunächst, dass der gegenständliche Vertrag (über die Zusammenarbeit zweier Gebietskörperschaften zur Abfallentsorgung) nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt (und somit aus unionsrechtlicher Sicht ohne vorherige Ausschreibung geschlossen werden durfte). Entscheidend ist jedoch, ob der gegenständliche Vertrag damit auch vom Anwendungsbereich des innerstaatlichen Vergaberechts, das die Behörde anzuwenden hatte und welches (insoweit als strengere Norm gegenüber dem unionsrechtlichen Vergaberecht) für die Vergabe der gegenständlichen Dienstleistung die vorherige Ausschreibung (Bekanntmachung) vorsehen könnte vergleiche zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines strengeren nationalen Vergaberegimes etwa VfGH vom 27. September 2004, B 1506/02), ausgenommen ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die hier anzuwendenden Bestimmungen des BVergG 2006 zwar eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes für die sog. "In-House"-Vergabe vorsehen (Paragraph 10, Ziffer 7, BVergG 2006), aber keine ausdrückliche Ausnahme für die hier entscheidende Zusammenarbeit öffentlicher Stellen. Diese Frage ist zu bejahen. Es ist darauf hinzuweisen, dass schon der Kompetenzbegriff "öffentliches Auftragswesen" in Artikel 14 b, B-VG im Sinne des Unionsrechts auszulegen ist.

Gerichtsentscheidung

EuGH 62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce
VORAB
EuGH 62011CJ0386 Piepenbrock VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040020.X03

Im RIS seit

23.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017

Dokumentnummer

JWR_2013040020_20140617X03

Rechtssatz für 2013/04/0020

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 18867 A/2014

Rechtssatznummer

4

Geschäftszahl

2013/04/0020

Entscheidungsdatum

17.06.2014

Index

E6J
L72003 Beschaffung Vergabe Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

62006CJ0480 Kommission / Deutschland;
62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce VORAB;
62011CJ0386 Piepenbrock VORAB;
BVergG 2006 §1;
B-VG Art14b;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §1;
VwRallg;
  1. B-VG Art. 14b heute
  2. B-VG Art. 14b gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 14b gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 14b gültig von 01.01.2003 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2002

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2013/04/0048

Rechtssatz

Ist die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union nicht erfasst, so soll eine solche Zusammenarbeit nach dem erkennbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers (Bericht des Verfassungsausschusses 1118 BlgNR, römisch XX. GP., Sitzung 9) auch nicht vom verfassungsrechtlichen Begriff des öffentlichen Auftragswesens iSd Artikel 14 b, B-VG erfasst sein. Daraus ergibt sich bei gebotener verfassungskonformer Auslegung der einfachgesetzlichen Bestimmungen, dass die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften im Sinne der Judikatur des EuGH nicht vom sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des BVergG 2006 vergleiche den in Paragraph eins, leg. cit. umschriebenen Regelungsgegenstand) bzw. des NÖ LVergabenachprüfungsG 2003 vergleiche den in Paragraph eins, leg. cit. umschriebenen Geltungsbereich) erfasst ist. Dafür sprechen nicht zuletzt auch die Erläuterungen (1171 BlgNR 22. GP; Seiten 4f. und

29f.) zum BVergG 2006.

Gerichtsentscheidung

EuGH 62011CJ0159 Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce
VORAB
EuGH 62011CJ0386 Piepenbrock VORAB

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040020.X04

Im RIS seit

23.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017

Dokumentnummer

JWR_2013040020_20140617X04

Rechtssatz für 2013/04/0020

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 18867 A/2014

Rechtssatznummer

5

Geschäftszahl

2013/04/0020

Entscheidungsdatum

17.06.2014

Index

L72003 Beschaffung Vergabe Niederösterreich
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §2 Z13;
BVergG 2006 §2 Z50;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16 Abs2;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §3 Abs2;
  1. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.03.2016 bis 20.08.2018 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 65/2018
  2. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 29.02.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 128/2013
  3. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.04.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2012
  4. BVergG 2006 § 2 gültig von 05.03.2010 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2010
  5. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.01.2008 bis 04.03.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2007
  6. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.02.2006 bis 31.12.2007
  1. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.03.2016 bis 20.08.2018 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 65/2018
  2. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 29.02.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 128/2013
  3. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.04.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2012
  4. BVergG 2006 § 2 gültig von 05.03.2010 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2010
  5. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.01.2008 bis 04.03.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2007
  6. BVergG 2006 § 2 gültig von 01.02.2006 bis 31.12.2007

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2013/04/0048

Rechtssatz

Gemäß Paragraph 3, Absatz 2, NÖ LVergabenachprüfungsG 2003 darf der "Auftraggeber" (abgesehen von den gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen der Ziffer eins bis 3) innerhalb von vier Wochen ab der Verständigung betreffend das Einlangen des Antrages auf Schlichtung bei sonstiger Nichtigkeit den "Zuschlag" nicht erteilen. Gemäß Paragraph 2, Ziffer 50, BVergG 2006 ist der Zuschlag die an den Bieter abgegebene schriftliche Erklärung, sein Angebot anzunehmen. Der Zuschlag setzt demnach einen Bieter voraus, somit einen Unternehmer, der ein Angebot eingereicht hat (Paragraph 2, Ziffer 13, BVergG 2006). Gegenständlich wurde jedoch kein Vergabeverfahren durchgeführt (sondern es wurde vielmehr ohne ein solches Vergabeverfahren ein Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften abgeschlossen), sodass es weder einen Bieter, der ein Angebot eingereicht hat, noch einen "Zuschlag" gab. Daher kann die Behörde den Spruchteil des angefochtenen Bescheides nicht auf Paragraph 3, Absatz 2, NÖ LVergabenachprüfungsG 2003 stützen. Zu diesem Ergebnis gelangt man im Übrigen auch bei Berücksichtigung der Systematik des NÖ LVergabenachprüfungsG 2003, das im genannten Paragraph 3, Absatz 2, leg. cit. die Nichtigkeit des Zuschlags und - davon gesondert - in Paragraph 16, Absatz 2, leg. cit. die Nichtigerklärung des Vertrages regelt. Die spezielle Regelung in Paragraph 16, Absatz 2, leg. cit. zeigt somit, dass die Nichtigerklärung des Vertrages nicht durch Paragraph 3, Absatz 2, NÖ LVergabenachprüfungsG 2003 erfasst wird.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040020.X05

Im RIS seit

23.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017

Dokumentnummer

JWR_2013040020_20140617X05