1 Die Revisionswerberin entrichtete in den Jahren 2000 bis 2003 Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen. Mit Eingaben vom 19. Jänner 2004 und vom 21. Dezember 2004 beantragte die Revisionswerberin, die Dienstgeberbeiträge für diese Jahre mit Null festzusetzen. Mit Bescheid vom 3. April 2017 wies das Finanzamt diese Anträge als unbegründet ab. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. August 2019 wurde der Beschwerde der Revisionswerberin Folge gegeben. Die dagegen vom Finanzamt erhobenen Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen (VwGH 26.2.2020, Ra 2019/13/0098, und Ro 2019/13/0038).
2 Mit Eingabe vom 19. Mai 2020 beantragte die Revisionswerberin die Festsetzung von Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO. Aufgrund des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom 2. August 2019 seien dem Abgabenkonto Beträge in Höhe von insgesamt ca. 1 Mio. € gutgeschrieben worden. Gemäß § 205a Abs. 1 BAO seien Beschwerdezinsen für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw. Erkenntnisses festzusetzen. Die Abgaben seien alle vor dem 1. Jänner 2012 an das Finanzamt überwiesen und auf dem Abgabenkonto verbucht worden. Es seien daher für den Zeitraum 1. Jänner 2012 bis 9. August 2019 Beschwerdezinsen in Höhe von insgesamt ca. 135.000 € festzusetzen.
3 Mit Bescheid vom 11. Juli 2023 wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Gemäß § 205a Abs. 3 BAO stünden Beschwerdezinsen insoweit nicht zu, als ein Bescheid in Punkten angefochten werde, in denen er von dem ihm zu Grunde liegenden Anbringen nicht abweiche. Bei in Abgabenvorschriften angeordneten Selbstberechnungen von Abgaben trete an die Stelle des Bescheides der der Abgabenbehörde bekanntgegebene selbstberechnete Betrag; in Fällen ohne Erklärungspflicht dessen Entrichtung. Im vorliegenden Fall sei daher als Anbringen der Abgabepflichtigen die ursprüngliche Selbstberechnung (Meldung) und Entrichtung der Dienstgeberbeiträge anzusehen. Erst später habe die Abgabepflichtige die berichtigende Festsetzung der Dienstgeberbeiträge mit Null beantragt. Aus diesem weiteren Anbringen sei aber keine Zahlungsverpflichtung resultiert, dieses habe daher auch nicht Grundlage für eine Entrichtung sein können. Auch der diesen Antrag abweisende Bescheid des Finanzamtes habe keine Zahlungsverpflichtung ergeben, die Gegenstand einer Aussetzung der Einhebung hätte werden können. Im Fall einer Entrichtung und nachträglichen Aufhebung des Bescheides im Beschwerdeverfahren könne dies umgekehrt auch nicht zu Beschwerdezinsen führen. Die Selbstberechnung und Entrichtung der Dienstgeberbeiträge sei unstrittig, die Verbuchung durch das Finanzamt sei erklärungsgemäß erfolgt.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
6 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe sich im Erkenntnis vom 31. März 2017, Ra 2016/13/0034, unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2011 ausführlich mit dem Normzweck des § 205a BAO auseinandergesetzt. Er habe dabei den engen Zusammenhang zwischen § 205a BAO und § 212a BAO hervorgehoben. Ungeachtet des Umstandes, dass jenes Erkenntnis zu einer Gutschrift (aus einer Umsatzsteuervoranmeldung) ergangen sei und es im vorliegenden Verfahren um die Erstattung einer bereits entrichteten Abgabe gegangen sei, seien die vom Verwaltungsgerichtshof in jenem Erkenntnis angeführten Grundsätze allgemein gehalten und auch im vorliegenden Fall zu beachten. Ein Streit im Rechtsmittelverfahren um die Zuerkennung einer Abgabengutschrift führe, weil aus dem diesbezüglichen Bescheid kein Nachforderungsbetrag resultiere, weder zu der Möglichkeit einer Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) noch zu Beschwerdezinsen (§ 205a BAO).
7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Falle eines Antrages auf Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe mit dem Ziel der Herabsetzung der bereits entrichteten Abgabe Beschwerdezinsen zustehen, wenn dieser Antrag vom Finanzamt abgelehnt werde und in der Folge die Abgabe aufgrund einer Bescheidbeschwerde herabgesetzt werde.
8 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
11 Soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung (Bescheidbeschwerde) abhängt, als Folge der Berufung (Bescheidbeschwerde) herabgesetzt wird, sind gemäß § 205a Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen Zinsen für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides (bzw. Erkenntnisses) festzusetzen.
12 Zinsen sind gemäß § 205a Abs. 3 BAO nur insoweit festzusetzen, als ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er von dem ihm zugrunde liegenden Anbringen abweicht, oder ein Bescheid angefochten wird, dem kein Anbringen zugrunde liegt.
13 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1212 BlgNR 24. GP 28 f) zum Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76, mit welchem die Bestimmung des § 205a BAO eingefügt wurde, wurde u.a. ausgeführt, werde gemäß § 212a BAO die Einhebung strittiger Abgabenbeträge ausgesetzt, so fielen Aussetzungszinsen an, wenn sich die Nachforderung als rechtmäßig erweise. Der Abgabepflichtige trage somit das Zinsenrisiko. Wenn hingegen der Abgabepflichtige die strittigen Abgabenbeträge entrichte und sich die Abgabennachforderung im Wege einer Berufung als rechtswidrig erweise, erfolge eine Abgabengutschrift unverzinst. Diesem einseitigen Zinsenrisiko solle mit der Verzinsung der mit Berufung bestrittenen Abgabenbeträge entgegengetreten werden. Voraussetzung dafür sei, dass die bestrittenen Abgabenbeträge vor Erledigung der Berufung entrichtet würden. Einer Aussetzung der Einhebung seien nur Abgabennachforderungen zugänglich, die aus amtswegigen Bescheiden oder aus dem Abweichen von einer Abgabenerklärung resultierten. Gleichermaßen würden auch Gutschriften, die sich beispielsweise daraus ergäben, dass der Berufungswerber in der Berufung erstmals Betriebsausgaben geltend mache, nicht verzinst.
14 Auch nach § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe u.a. insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid zurückzuführen ist, der von einem Anbringen abweicht oder dem kein Anbringen zugrunde liegt.
15 Bei einer Selbstbemessungsabgabe bewirkt die Einreichung der Erklärung (Bekanntgabe der Selbstberechnung; allenfalls auch die bloße Entrichtung; vgl. VwGH 14.12.2020, Ra 2018/13/0090, mwN) die Festsetzung der Abgabe. Die „Quasirechtskraft“ einer solchen Festsetzung durch Erklärung wird durch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe durchbrochen (vgl. z.B. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/13/0108, mwN). Ein Antrag auf Rückerstattung von Selbstbemessungsabgaben, der mit der Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet wird, ist zunächst als solcher auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten (vgl. VwGH 26.2.2020, Ro 2019/13/0032, mwN). Ein entsprechender Antrag auf Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe (nunmehr ein solcher nach § 201 Abs. 1 BAO) entspricht (im Sinne einer „Harmonisierung der Rechtswirkungen [...] von Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden“) einer Berufung (Bescheidbeschwerde), allenfalls einem Antrag auf Wiederaufnahme (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 666/A 21. GP 43).
16 Vor diesem Hintergrund stehen aber Beschwerdezinsen im Zusammenhang mit Selbstbemessungsabgaben nur insoweit zu, als Abgaben über den selbstberechneten Betrag hinaus entrichtet wurden. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Abgabepflichtige eine von der Abgabenbehörde abweichende Rechtsansicht vertritt und er daher (unter Offenlegung des Sachverhalts der Abgabenbehörde gegenüber) eine geringere Abgabenschuld (als der Ansicht der Abgabenbehörde entsprechen würde) bekannt gibt, er aber dennoch - etwa nach von der Erklärung abweichender Festsetzung der Abgabe durch die Behörde - die höhere Abgabenschuld entrichtet.
17 Die Revisionswerberin behauptet nicht (dies geht auch nicht aus dem Akteninhalt hervor), dass sie Abgaben über ihre Erklärung hinaus - also abweichend von ihrem Anbringen - entrichtet hätte. Bereits aus diesem Grund stehen die geltend gemachten Beschwerdezinsen nicht zu.
18 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Oktober 2024