1 Die Revisionswerberin nahm am 24. Oktober 2022 an einer Protestaktion von „Klimaaktivisten“ teil. Dabei klebte sie sich wie die übrigen Teilnehmer mit Kleber auf der Straße fest. Die Polizei rief die Rettung zum Demonstrationsort.
2 Beim Lösen von der Straße durch die Polizei erlitt die Revisionswerberin nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts leichte Verletzungen an drei Fingern. Diese wurden von der Rettung derart versorgt, dass die Wunden der Revisionswerberin desinfiziert und anschließend mit einem Pflaster verschlossen wurden.
3 Mangels aufrechter Sozialversicherung und somit Kostenübernahme durch den Sozialversicherungsträger wurde der Revisionswerberin mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien für den Rettungseinsatz eine Gebühr in Höhe von 709 € vorgeschrieben.
4 Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen, woraufhin beantragt wurde, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
5 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle, der die Anforderung entgegennahm, davon habe ausgehen können, dass der Einsatz medizinisch erforderlich gewesen sei. Dies stützte es auf das Einsatzprotokoll der Rettung, das Tonbandprotokoll betreffend die Anforderung der Rettung und die Tatsache, dass die Revisionswerberin festgeklebt gewesen sei.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, das Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes (in Folge: WRKG) sehe einen pauschalen Kostenersatz für Rettungseinsätze durch denjenigen, zu dessen Gunsten der Einsatz veranlasst worden sei, vor. Die Gebührenschuld nach § 28 WRKG entstehe somit, sobald die Rettung entsendet werde, also im Falle der Ausfahrt. Für das Vorliegen der medizinischen Erforderlichkeit komme es lediglich darauf an, ob der Mitarbeiter, der die Anforderung des Rettungseinsatzes entgegengenommen habe, diese aus gutem Grund habe annehmen können. Gegenständlich sei die Rettung gerufen worden, weil sich Demonstrierende auf der Straße festgeklebt hätten. Die Revisionswerberin sei eine davon gewesen. Der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle habe die medizinische Notwendigkeit aufgrund des geschilderten Sachverhaltes annehmen können.
8 Dagegen wendet sich die nun vorliegende außerordentliche Revision, welche als Zulässigkeitsbegründung fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage geltend macht, wer Gebührenschuldner bei einer vorsorglichen Anforderung des Rettungsdienstes im allgemeinen Interesse bei einer Veranstaltung sei. Konkret bringt die Revision vor, dass der Rettungsdienst lediglich aufgrund der Tatsache, dass sich Demonstranten auf die Straße geklebt hätten, gerufen worden sei. Es habe zu diesem Zeitpunkt keinen individuellen Unfall gegeben. Somit unterscheide sich der vorliegende Fall von den bisher entschiedenen Fällen, in welchen individuelle Unfälle vorgelegen hätten.
9 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat der Magistrat der Stadt Wien eine Revisionsbeantwortung erstattet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Die maßgeblichen Bestimmungen des WRKG, LGBl. Nr. 39/2004 idgF lauten auszugsweise:
„Rettungsdienst
§ 1. Aufgaben eines Rettungsdienstes sind:Paragraph eins, Aufgaben eines Rettungsdienstes sind:
1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen;
2. Personen wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortige erste notärztliche Hilfe zu leisten, die anders nicht gewährleistet ist;
3. den Transport von Personen durchzuführen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrecht erhalten werden müssen;
4. akute Blut-, Blutprodukte- oder Organtransporte durchzuführen;
5. Sanitätsdienste zur Behandlung von akuten Erkrankungen oder Verletzungen bei Veranstaltungen mit dem hiefür erforderlichen Personal, den erforderlichen Einrichtungen und erforderlichen Transportmitteln bereit zu stellen;
6. die Bevölkerung in erster Hilfe zu schulen;
7. im zivilen Katastrophenschutz mitzuwirken.
Gebühr
§ 28. (1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.Paragraph 28, (1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.
[...]
Zahlungspflicht
§ 29. (1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.Paragraph 29, (1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im Paragraph eins, Ziffer eins bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
[...]“.
13 Der damalige § 5 Abs. 1 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes (in weiterer Folge: Wr RKrBefG), welcher dem heutigen § 28 WRKG entspricht, wurde mit der Novelle LGBl. 47/1983 dahingehend ergänzt, dass eine Gebühr nur zu entrichten ist, wenn es zu einer Ausfahrt eines Krankenwagens kommt. Die Vorgängerbestimmung hatte vorgesehen, dass (generell) für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes eine Gebühr zu entrichten ist. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen dazu aus (Beilage Nr. 18/1983, 1):
„Nach der bisherigen Rechtslage wurde im Gegensatz zur Rechtsaufassung des Kontrollamtes der Stadt Wien für Erste-Hilfe-Leistungen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit einer Ausfahrt oder Betreuung stehen, keine Gebühr eingehoben. Um diese Hilfeleistungen weiterhin von einer Gebührenpflicht auszunehmen, wofür der Umstand spricht, daß die bei Leistungen geringfügiger Art zu erzielenden Einnahmen den mit der Verrechnung und Einbringung verbundenen Verwaltungsaufwand nicht rechtfertigen, wurde dies im neuen Wortlaut des § 5 Abs. 1 ausdrücklich festgelegt.“„Nach der bisherigen Rechtslage wurde im Gegensatz zur Rechtsaufassung des Kontrollamtes der Stadt Wien für Erste-Hilfe-Leistungen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit einer Ausfahrt oder Betreuung stehen, keine Gebühr eingehoben. Um diese Hilfeleistungen weiterhin von einer Gebührenpflicht auszunehmen, wofür der Umstand spricht, daß die bei Leistungen geringfügiger Art zu erzielenden Einnahmen den mit der Verrechnung und Einbringung verbundenen Verwaltungsaufwand nicht rechtfertigen, wurde dies im neuen Wortlaut des Paragraph 5, Absatz eins, ausdrücklich festgelegt.“
14 Der damalige § 6 Abs. 1 letzter Satz des Wr RKrBefG, der dem heutigen § 29 Abs. 1 zweiter Satz WRKG entspricht, wurde ebenfalls mit der Novelle LGBl. 47/1983 eingeführt. Die Erläuterungen dazu lauteten (Beilage Nr. 18/1983, 2):
„Nach der derzeitigen Gesetzeslage (§1 Abs. 1) ist der städtische Rettungsdienst für Interventionen zu einer Person nur dann zuständig, wenn diese außerhalb ihrer Unterkunft eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung oder in ihrer Unterkunft entweder einen lebensbedrohenden Unfall erlitten hat oder wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortiger ärztlicher Hilfe bedarf, die anders nicht gewährleistet ist. Da der Rettungsdienst auf Grund der telefonischen Angaben desjenigen, der ihm beruft, nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob diese im Gesetz geforderten Voraussetzungen für seine Zuständigkeit objektiv gegeben sind, leistet er solchen Berufungen immer dann Folge, wenn auf Grund der vom Berufer gemachten Mitteilungen eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung oder eine Lebensbedrohung oder eine unmittelbare Lebensgefahr angenommen werden kann. Stellt sich dann am Berufungsort heraus, daß keine der genannten Voraussetzungen gegeben war, ist gegenüber demjenigen, für den der Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, mangels Zuständigkeit des Rettungsdienstes auch kein Gebührenanspruch entstanden.„Nach der derzeitigen Gesetzeslage (§1 Absatz eins,) ist der städtische Rettungsdienst für Interventionen zu einer Person nur dann zuständig, wenn diese außerhalb ihrer Unterkunft eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung oder in ihrer Unterkunft entweder einen lebensbedrohenden Unfall erlitten hat oder wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortiger ärztlicher Hilfe bedarf, die anders nicht gewährleistet ist. Da der Rettungsdienst auf Grund der telefonischen Angaben desjenigen, der ihm beruft, nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob diese im Gesetz geforderten Voraussetzungen für seine Zuständigkeit objektiv gegeben sind, leistet er solchen Berufungen immer dann Folge, wenn auf Grund der vom Berufer gemachten Mitteilungen eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung oder eine Lebensbedrohung oder eine unmittelbare Lebensgefahr angenommen werden kann. Stellt sich dann am Berufungsort heraus, daß keine der genannten Voraussetzungen gegeben war, ist gegenüber demjenigen, für den der Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, mangels Zuständigkeit des Rettungsdienstes auch kein Gebührenanspruch entstanden.
Um den sich daraus ergebenen finanziellen Nachteil für die Stadt Wien zu vermeiden, wurde im § 6 Abs.1 verankert, daß eine Gebühr auch dann zu entrichten ist, wenn wenigstens das Zustandsbild des ‚Patienten‘ das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen annehmen läßt.“Um den sich daraus ergebenen finanziellen Nachteil für die Stadt Wien zu vermeiden, wurde im Paragraph 6, Absatz , verankert, daß eine Gebühr auch dann zu entrichten ist, wenn wenigstens das Zustandsbild des ‚Patienten‘ das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen annehmen läßt.“
15 Gemäß § 1 Z 1 bis 4 WRKG liegen die Aufgaben des Rettungsdienstes vor allem in Hilfeleistungen bei erheblichen Gesundheitsstörungen oder erheblichen Verletzungen, notärztlicher Hilfe bei unmittelbarer Lebensgefahr sowie dem Transport von Personen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrechterhalten werden müssen, und dem Blut-, Blutprodukte- oder Organtransport.
16 Unter einer „erheblichen Gesundheitsstörung“ wird - nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Stammfassung des WRKG, LGBI. Nr. 39/2004, Beilage Nr. 17/2004, 3 - eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit verstanden, welche erster Hilfe bedarf. „Erste-Hilfe“ ist wiederum die außerhalb von Krankenanstalten und Arztordinationen erfolgende erste Betreuung einer kranken oder verletzten Person, die sich in Lebensgefahr befindet oder bei der beträchtliche gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn die Person nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhält. Die medizinische Hilfe hat Sofortmaßnahmen zur Rettung des Lebens oder zur Verhinderung größerer gesundheitlicher Schäden der kranken oder verletzten Person vorzusehen.
17 § 28 WRKG sieht eine Gebühr für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes dann vor, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.
18 Gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz WRKG ist Gebührenschuldner derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Voraussetzung ist, dass die Inanspruchnahme medizinisch notwendig war, weil einer der Fälle des § 1 Z 1 bis 4 WRKG vorlag (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Wr RKrBefG VwGH 30.9.1993, 90/17/0421; 27.2.2009, 2006/17/0016). Aus der Textierung ergibt sich ferner, dass nicht die tatsächliche Inanspruchnahme des Rettungsdienstes jemanden zum Gebührenschuldner macht, sondern dass für jemanden der Rettungsdienst „in Anspruch genommen“, also gerufen wurde (vgl. wiederum zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Wr RKrBefG auch VwGH 30.9.1993, 90/17/0421).
19 Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz WRKG ist die Gebühr auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 WRKG geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
20 Nach den Erläuterungen zum damaligen § 6 Abs. 1 Wr RKrBefG sollte damit in jenen Fällen, bei denen „wenigstens“ aufgrund eines bestimmten Zustandsbildes eines Patienten angenommen werden konnte, dass ein Fall des § 1 Z 1 bis 4 WRKG vorliegt, eine Gebühr vorgeschrieben werden können. Der Gesetzgeber hatte daher den Fall vor Augen, dass der Rettungsdienst zu einer konkreten Person aufgrund eines bestimmten Zustandsbildes gerufen wird.
21 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Gebührenpflicht auch dann vorliegt, wenn die Voraussetzungen für den Einsatz zwar ursprünglich, also im Zeitpunkt der Herbeirufung nicht vorgelegen sind, jedoch auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte, dass sie vorgelegen sind. Bei der Beurteilung der Voraussetzungen kommt es auf die Sicht jenes Mitarbeiters des Rettungsdienstes an, der die Anforderung (betreffend den Rettungseinsatz) entgegengenommen hat (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Wr RKrBefG etwa VwGH 13.9.2004, 2000/17/0012; 23.9.1994, 91/17/0174).
22 Voraussetzung für die Gebührenschuld ist somit, dass entweder der Rettungseinsatz von vorneherein medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Z 1 bis 4 WRKG war oder aufgrund des Zustandsbildes des Patienten davon ausgegangen werden konnte, dass eine medizinische Notwendigkeit vorliegen wird.
23 Das Verwaltungsgericht hat zu begründen, wieso es zu der Annahme gelangt, dass der Mitarbeiter des Rettungsdienstes, der die Anforderung entgegengenommen hat, davon ausgehen konnte, dass eine medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 1 Z 1 bis 4 WRKG für den Rettungseinsatz vorlag oder hätte vorliegen können (vgl. wiederum zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Wr RKrBefG VwGH 13.9.2004, 2000/17/0012).
24 Im Revisionsfall hat die Revisionswerberin nur leichte Verletzungen an drei Fingern erlitten, die desinfiziert und anschließend mit einem Pflaster verschlossen wurden. Die Anamnese lautete nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts: „Es zeigen sich drei oberflächliche Wunden, die kaum sichtbar sind.“
25 Die Hilfeleistungen, die die Revisionswerberin in Anspruch genommen hat, fallen unter keine der vier Ziffern des § 1 WRKG. Sie kann somit nur Gebührenschuldnerin sein, wenn das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
26 Im Revisionsfall wurde ein Rettungswagen durch die am Demonstrationsort befindliche Polizei herbeigerufen. Dem Verwaltungsakt lässt sich das folgende Notrufgespräch entnehmen:
„Disponent (in weiterer Folge: D): Leitstelle, Guten Morgen.
Beruferin (in weiterer Folge: B): Ja, Polizei P (Name unsicher) spricht. Ich bräuchte bitte einen Rettungswagen zum Praterstern bei der Franzenbrückenstraße bzw. Praterstern, bei der Praterstraße haben wir Demonstranten, die sich angeklebt haben.
D: Okay, gut ist es.
B: Danke, Tschüss.
D: Moment, sind die Festgeklebten eher Richtung Praterstraße vom Praterstern oder eher Franzensbrücke?
B: Bei beiden Seiten, es blockiert bereits alles.
D: Die haben Sie [gemeint wohl: sich] auf beiden Seiten festgeklebt, okay.
B: Ja.
D: Ja, ich kenn mich aus, passt tschüss.“
27 Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass aus Sicht des Mitarbeiters, der den Anruf entgegengenommen hat, mit gutem Grund angenommen werden konnte, dass ein Fall des § 1 Z 1 bis 4 WRKG vorlag. Woraus das Gericht diese Schlussfolgerung zog, insbesondere worin dieser „gute Grund“ gelegen sein soll, bleibt aber im Dunkeln.
28 Aus dem Gespräch ergibt sich, dass der Rettungswagen nicht aufgrund einer konkreten Verletzung oder Gesundheitsgefährdung einer Person, die den Tatbestand des § 1 Z 1 bis 4 WRKG erfüllen könnte gerufen wurde, sondern weil „Demonstranten sich angeklebt hatten“.
29 Wie die Revision zu Recht vorbringt, kann alleine die Tatsache, dass sich mehrere Demonstranten am „Berufungsort“ an die Straße geklebt hätten, nicht ohne weiteres einen ausreichenden Anschein bei dem den Anruf entgegennehmenden Mitarbeiter des Rettungsdienstes begründen, dass der medizinische Einsatz aufgrund des Zustandsbildes der Revisionswerberin im Sinne des § 1 WRKG erforderlich war.
30 Das Bundesfinanzgericht begründet in keiner Weise, woraus für jene Person, die die Herbeirufung entgegennahm, aufgrund der vom Anrufer gemachten Mitteilungen zu schließen war, dass betreffend die Revisionswerberin die Voraussetzungen gemäß § 1 Z 1 bis 4 WRKG gegeben waren oder das Zustandsbild derselben eine solche Annahme gerechtfertigt hätte. Der Mitarbeiter hatte nämlich lediglich die Information, dass sich Demonstranten auf die Straße geklebt hätten. Inwieweit dies die Eignung begründen könne, beim Mitarbeiter der Rettungszentrale eine solche Annahme hervorzurufen, bedürfte einer näheren Erläuterung.
31 Das Bundesfinanzgericht hat somit sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
32 Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG entfallen.
33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. November 2024