1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol (belangte Behörde) vom 13. Jänner 2023 wurde dem Mitbeteiligten erstens zur Last gelegt, am 15. Dezember 2022 um 9:10 Uhr im Landhaussaal in Innsbruck die öffentlich zugängliche Versammlung „Klares NEIN zu Abtreibungskliniken Tirol“ ohne vorherige Anzeige veranstaltet zu haben, wodurch er gegen § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 (VersG) verstoßen habe (Spruchpunkt 1.). Zweitens wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, am Sitz des Landtages eine öffentlich zugängliche Versammlung veranstaltet zu haben, obwohl der Landtag zur selben Zeit im Landhaus versammelt gewesen sei und im Umkreis von 300 m keine Versammlung stattfinden dürfe, wodurch der Mitbeteiligte gegen § 7 VersG verstoßen habe (Spruchpunkt 2.). Für diese Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde über den Mitbeteiligten jeweils Geldstrafen in der Höhe von je € 100,00 (mit Ersatzfreiheitsstrafen von je 5 Tagen 20 Stunden) und schrieb ihm jeweils einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor.
2 Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich der Mitbeteiligte und drei weitere Besucher (während einer laufenden Sitzung des Tiroler Landtages) von ihren Sitzplätzen (im Besucherbereich des Landhaussaals) erhoben und Banner des genannten Inhalts in die Höhe hielten, ohne zuvor eine Versammlung anzuzeigen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) der dagegen gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze auf und stellte beide Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Dabei ging das Verwaltungsgericht von dem Sachverhalt aus, dass sich der Mitbeteiligte und drei weitere Personen mehrere Tage zuvor zu der Protestaktion während der Sitzung des Tiroler Landtages verabredet und entsprechende Banner vorbereitet hätten. Die Protestaktion sei der belangten Behörde nicht zuvor angezeigt worden. Während der Landtagssitzung am 15. Dezember 2022 im Landtagssitzungssaal in Innsbruck sei der Mitbeteiligte um 9:10 Uhr von seinem Sitz im Besucherbereich aufgestanden und habe ein Banner mit dem Schriftzug „Ein Recht auf Tötung gibt es nicht! Abtreibung ist keine Gesundheitversorgung!“ in die Höhe gehalten. Zeitgleich seien drei weitere Personen mit ähnlichen Schriftzügen aufgestanden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Beratung des Landtages über die Durchführung von Abtreibungen in Kliniken in Tirol stattgefunden. „Als verlängerter Arm der Landtagspräsidentin“ habe eine Polizistin den Mitbeteiligten wie die weiteren Teilnehmer der Protestaktion aufgefordert, den Saal zu verlassen. Dieser Aufforderung hätten diese Folge geleistet.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zur Bestrafung wegen Unterlassung einer Anzeige der Versammlung im Wesentlichen aus, dass § 2 Abs. 1 VersG vorsehe, dass Personen, die eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten wollen, dies wenigstens 48 Stunden vorher bei der Behörde schriftlich anzeigen müssen. Zwar habe der als Veranstalter anzusehende Mitbeteiligte keine solche Anzeige erstattet, jedoch scheide seine Bestrafung aus, weil die Protestaktion schon durch die Ausübung der Sitzungspolizei durch die Präsidentin des Landtages „abgestellt“ worden sei. Die Ausübung der Sitzungspolizei sei durch die Geschäftsordnung des Tiroler Landtages, insbesondere durch deren § 19 Abs. 2, abschließend geregelt. Demnach obliege der Präsidentin des Landtages die Ausübung der Sitzungspolizei und des Hausrechts in den Räumen des Landtages. Sie habe für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal und in den Räumen des Landtages zu sorgen und könne die Räumung des Zuhörerraumes oder die Entfernung einzelner Ruhestörer verfügen. Für die nachträgliche Bestrafung wegen der Unterlassung der Anzeige nach dem VersG bleibe nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Verweis auf VfGH 30.6.2015, E 1054/2014 = VfSlg. 19.990/2015) kein Raum, zumal die Störung durch die Ausübung der Sitzungspolizei beendet worden sei.
6 Weiters führte das Verwaltungsgericht begründend aus, dass § 7 VersG lediglich Versammlungen „unter freiem Himmel“ innerhalb von 300 m vom Sitz des Nationalrats, des Bundesrats, der Bundesversammlung oder des Landtages verbiete, während diese versammelt seien. Da die Versammlung im Landtagssitzungssaal und daher nicht „unter freiem Himmel“ stattgefunden habe, scheide eine Bestrafung des Mitbeteiligten nach dem klaren Wortlaut von § 7 VersG aus.
7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die anzuwendenden Normen klar und eindeutig seien, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufträte, selbst wenn noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit mit näherer Begründung unter anderem geltend macht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob auch Versammlungen am Sitz gesetzgebender Körperschaften - hier des Landtages - während diese tagen, der Verpflichtung zur vorherigen Anzeige nach § 2 VersG unterliegen und ob die Möglichkeit der Ausübung der Sitzungspolizei durch das gesetzgebende Organ dieser Anzeigeverpflichtung und der Strafbarkeit bei einem Verstoß dagegen entgegenstehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren - in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet und darin beantragt hat, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen - durchgeführt und sodann in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren - in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet und darin beantragt hat, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen - durchgeführt und sodann in einem gemäß Paragraph 12, Absatz 2, VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Das Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Indem das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen beide Spruchpunkte Folge gab, das Straferkenntnis zur Gänze aufhob und beide Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einstellte, traf auch das Verwaltungsgericht getrennte Absprüche.
10 Liegen somit - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. etwa VwGH 15.3.2024, Ra 2022/02/0085, mwN).
Zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses
11 Die Revision ist auf Grund des genannten Vorbringens zulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht der Beschwerde gegen die Bestrafung des Mitbeteiligten wegen Unterlassung der Versammlungsanzeige nach § 2 Abs. 1 VersG Folge gegeben, diese aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt hat. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig implizit bejaht, dass auch Versammlungen von Zuhörern in Sitzungen der Gesetzgebungsorgane der Verpflichtung zur vorherigen Anzeige unterliegen, sodass insoweit Rechtsprechung vorliegt (vgl. VwGH 8.4.2024, Ro 2024/01/0001; vgl. zur impliziten Bejahung einer Rechtsfrage etwa VwGH 29.7.2015, Ra 2015/07/0012, mwN), doch fehlt Rechtsprechung dazu, inwieweit dies sowie die Bestrafung eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht mit der den Organen des Landtages vorbehaltenen Ausübung der Sitzungspolizei in Einklang zu bringen ist. Die Revision ist auch begründet.
12 Die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98 in der Fassung BGBl. I Nr. 63/2017 (VersG), lauten auszugsweise:
„§ 1. Versammlungen sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet.
§ 2. (1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.Paragraph 2, (1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (Paragraph 16,) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.
(1a) Gemäß Abs. 1 anzuzeigen ist auch die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte. In diesem Fall muss die Anzeige spätestens eine Woche vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde (§ 16) einlangen.(1a) Gemäß Absatz eins, anzuzeigen ist auch die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte. In diesem Fall muss die Anzeige spätestens eine Woche vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde (Paragraph 16,) einlangen.
(2) Die Behörde hat auf Verlangen über die Anzeige sofort eine Bescheinigung zu erteilen. Die Anzeige unterliegt keiner Stempelgebühr.
[...]
§ 4. Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, dann zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten sind von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen, wenn sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel abgehalten werden.Paragraph 4, Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, dann zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten sind von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen, wenn sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel abgehalten werden.
§ 5. Ferner sind öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksgebräuchliche Feste oder Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wallfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden, von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen.Paragraph 5, Ferner sind öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksgebräuchliche Feste oder Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wallfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden, von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen.
§ 6. (1) Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.Paragraph 6, (1) Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.
(2) Eine Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft, kann untersagt werden.
§ 7. Während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung oder ein Landtag versammelt ist, darf im Umkreis von 300 m von ihrem Sitze keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden.Paragraph 7, Während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung oder ein Landtag versammelt ist, darf im Umkreis von 300 m von ihrem Sitze keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden.
[...]
§ 13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§ 16 Abs. 1 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.Paragraph 13, (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (Paragraphen 16, Absatz eins, und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.
(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.
§ 14. (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.Paragraph 14, (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.
(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.
[...]
§ 16. (1) Unter der in diesem Gesetz erwähnten Behörde ist in der Regel zu verstehen:Paragraph 16, (1) Unter der in diesem Gesetz erwähnten Behörde ist in der Regel zu verstehen:
a) an Orten, die zum Gebiet einer Gemeinde gehören, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion;
b) am Sitze des Landeshauptmannes, wenn es sich dabei nicht um das Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, handelt, die Landespolizeidirektion;
c) an allen anderen Orten die Bezirksverwaltungsbehörde.
(2) In den Fällen des § 6 Abs. 2 obliegt die Untersagung der Versammlung der Bundesregierung, wenn die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde.(2) In den Fällen des Paragraph 6, Absatz 2, obliegt die Untersagung der Versammlung der Bundesregierung, wenn die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde.
§ 17. Bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist jedoch auch jede andere Behörde, die für deren Aufrechterhaltung zu sorgen hat, berechtigt, eine Versammlung, die gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet oder abgehalten wird, zu untersagen oder aufzulösen, wovon die nach § 16 zuständige Behörde immer sogleich zu verständigen ist.Paragraph 17, Bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist jedoch auch jede andere Behörde, die für deren Aufrechterhaltung zu sorgen hat, berechtigt, eine Versammlung, die gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet oder abgehalten wird, zu untersagen oder aufzulösen, wovon die nach Paragraph 16, zuständige Behörde immer sogleich zu verständigen ist.
§ 18. Über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Landesverwaltungsgericht.Paragraph 18, Über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Landesverwaltungsgericht.
§ 19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, aber von der Landespolizeidirektion, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.Paragraph 19, Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, aber von der Landespolizeidirektion, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.
[...]“
13 Die Bestimmungen des Gesetzes vom 6. Mai 2015 über die Geschäftsordnung des Tiroler Landtages 2015, LGBl. Nr. 63 in der im Tatzeitpunkt anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 37/2022, lauten auszugsweise:
„[...]
§ 19Paragraph 19,
Aufgaben der Präsidentin/des Präsidenten
(1) Die Präsidentin/Der Präsident hat darüber zu wachen, dass die Würde und die Rechte des Landtages gewahrt, die dem Landtag obliegenden Aufgaben erfüllt und die Verhandlungen ohne unnötigen Aufschub durchgeführt werden.
(2) Die Präsidentin/Der Präsident übt in den Räumen des Landtages das Hausrecht aus. Sie/Er hat für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal und in den Räumen des Landtages zu sorgen. Sie/Er kann die Räumung des Zuhörerraumes oder die Entfernung einzelner Ruhestörer verfügen.
(3) Die Präsidentin/Der Präsident handhabt die Geschäftsordnung und achtet auf deren Einhaltung. Sie/Er legt die Tagesordnung nach Anhören des Obleuterates fest, eröffnet und schließt die Sitzungen, leitet die Verhandlungen, erteilt das Wort, leitet die Abstimmungen und Wahlen und verkündet deren Ergebnis. Die Präsidentin/Der Präsident entscheidet über die Gültigkeit von Stimmzetteln und hat sich dabei am erkennbaren Willen der/des Abstimmenden bzw. der Wählerin/des Wählers zu orientieren.
[...]
§ 41Paragraph 41,
Sitzungen
(1) Die Präsidentin/Der Präsident beruft den Landtag zu den Sitzungen ein und erklärt diese für geschlossen. Vor Erledigung der Tagesordnung kann eine Sitzung nur durch Beschluss des Landtages für geschlossen erklärt werden.
[...]
§ 46Paragraph 46,
Unterbrechung von Sitzungen
(1) Die Präsidentin/Der Präsident kann eine Sitzung des Landtages unterbrechen
[...]
c) wenn dies zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal, insbesondere im Zuhörerraum, erforderlich ist,
[...]
(2) Eine Unterbrechung der Sitzung darf nicht länger als 24 Stunden dauern. Wird eine Sitzung innerhalb dieser Frist nicht fortgesetzt, so gilt sie als geschlossen.
(3) Im Fall der Unterbrechung einer Sitzung hat die Präsidentin/der Präsident den genauen Zeitpunkt der Fortsetzung der Sitzung festzusetzen.
[...]
§ 74Paragraph 74,
Unterbrechung einer Rednerin/eines Redners
Die Präsidentin/Der Präsident kann jederzeit, auch während der Rede einer/eines Abgeordneten, eines Mitgliedes des Bundesrates oder der Landesregierung, das Wort ergreifen. Sobald die Präsidentin/der Präsident zu sprechen beginnt, hat die Rednerin/der Redner ihre/seine Rede so lange zu unterbrechen, bis die Präsidentin/der Präsident ihre/seine Ausführungen beendet hat, widrigenfalls ihr/ihm das Wort entzogen werden kann.
§ 75Paragraph 75,
Ruf zur Sache
(1) Die Präsidentin/Der Präsident kann bei Abweichungen von der Sache den Ruf zur Sache erteilen.
(2) Nach dem dritten Ruf zur Sache kann die Präsidentin/der Präsident der Rednerin/dem Redner das Wort entziehen.
(3) Wurde einer Rednerin/einem Redner das Wort entzogen, so kann der Landtag ohne Wechselrede beschließen, dass er die Rednerin/den Redner dennoch hören will.
§ 76Paragraph 76,
Ruf zur Ordnung
(1) Bei Reden und Zwischenrufen sowie schriftlichen Äußerungen, die den Anstand oder die Sitte verletzen, kann die Präsidentin/der Präsident den Ruf zur Ordnung erteilen.
(2) Nach dem dritten Ruf zur Ordnung kann die Präsidentin/der Präsident der Rednerin/dem Redner das Wort entziehen.
§ 77Paragraph 77,
Verlangen des Rufes zur Sache oder zur Ordnung
(1) Jede/Jeder Abgeordnete, die/der an der Sitzung teilnimmt, kann von der Präsidentin/vom Präsidenten jederzeit den Ruf zur Sache oder den Ruf zur Ordnung verlangen. Die Entscheidung darüber obliegt der Präsidentin/dem Präsidenten.
(2) Der Ruf zur Ordnung kann von der Präsidentin/vom Präsidenten auch am Schluss der Sitzung oder am Beginn der nächsten Sitzung nachträglich ausgesprochen werden.
[...]“
14 Eingangs ist mit Blick auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts darauf hinzuweisen, dass gegenständlich keine nach §§ 4 f VersG von dessen Anwendung generell ausgenommene Versammlung, insbesondere keine Versammlung der Wähler zu Wahlbesprechungen oder zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten (§ 4 VersG), vorlag, sodass die Anzeigepflicht nicht schon deswegen entfiel.
15 Das Verwaltungsgericht geht im Zusammenhang mit der Bestrafung des Mitbeteiligten wegen Unterlassung der Versammlungsanzeige tragend davon aus, dass - da die als Versammlung zu qualifizierende Protestaktion in der Landtagssitzung (vgl. zum Versammlungsbegriff VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0359, mwN) durch die der Staatsfunktion der Gesetzgebung zuzurechnende Ausübung der Sitzungspolizei durch die Landtagspräsidentin nach den Bestimmungen der die Ausübung der Sitzungspolizei abschließend regelnden Geschäftsordnung des Tiroler Landtages beendet worden sei - für eine Bestrafung nach dem VersG kein Raum bleibe (Hinweis auf VfSlg. 19.990/2015).
16 Die Ausübung der Sitzungspolizei im Tiroler Landtag ist - insoweit ist dem Verwaltungsgericht zu folgen - der Staatsfunktion der Gesetzgebung zuzurechnen und vorbehalten:
17 Nach der Geschäftsordnung des Tiroler Landtages obliegen die Ausübung des Hausrechts in den Räumen des Landtages sowie die Handhabung der Sitzungspolizei Organen des Landtages. Insbesondere übt die Präsidentin des Landtages gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Hausrecht aus, hat für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal zu sorgen und kann die Räumung des Zuhörerraumes oder die Entfernung einzelner Ruhestörer verfügen. Weiters kann dessen Präsidentin eine Sitzung des Landtages nach § 46 Abs. 1 lit. c der Geschäftsordnung unterbrechen, wenn dies zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal, insbesondere im Zuhörerraum, erforderlich ist. Insgesamt sieht die Geschäftsordnung umfassende sitzungspolizeiliche Befugnisse der Organe des Tiroler Landtages, insbesondere seiner Präsidentin, vor, um auch gegenüber Besuchern für Ruhe und Ordnung in Landtagssitzungen zu sorgen sowie Besucher von der Teilnahme daran überhaupt oder nach begonnener Sitzung wieder auszuschließen (vgl. §§ 74 ff der Geschäftsordnung des Tiroler Landtages).
18 Solche Akte in Ausübung der Sitzungspolizei in Beratungen von Landtag, Nationalrat (und Bundesversammlung) sowie die Handhabung ihrer jeweiligen Geschäftsordnung sind der Staatsfunktion der Gesetzgebung zuzurechnen und stellen nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts keine Verwaltungsakte dar. Insbesondere Akte des jeweils in der Beratung die Sitzungspolizei ausübenden Organs (regelmäßig des Vorsitzenden), um Personen, etwa Ruhestörer oder unbefugt Anwesende, aus der Sitzung zu entfernen, sind als Akte der Gesetzgebung und nicht der Verwaltung zu qualifizieren und daher nicht im Verwaltungsrechtsweg bekämpfbar (vgl. betreffend die Aufforderung des Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses des Tiroler Landtages an einen unbefugt Anwesenden, die Sitzung zu verlassen VfSlg. 13.450/1993; vgl. zur Räumung der Besuchergalerie des Nationalrats auf Anordnung von dessen Präsidenten VfSlg. 11.882/1988 sowie VfSlg. 19.990/2015 zur Entfernung nur einzelner Ruhestörer von dort; vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0152, zu einem Begehren um Auskunft betreffend die Handhabung und Auslegung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975; vgl. zum letztgenannten Aspekt weiters VwGH 15.9.2006, 2004/04/0018, 2005/04/0098, 2005/04/0267-0268; vgl. zur Zuordnung der Handhabung der Geschäftsordnung eines Gesetzgebungsorgans zur Staatsfunktion Gesetzgebung Siess-Scherz, Art. 30 B-VG, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht [22. Lfg. 2019] Rz 72 sowie zur Zuordnung der Ausübung der Sitzungspolizei in der Sitzung des Gesetzgebungsorgans gegenüber Besuchern zur Staatsfunktion der Gesetzgebung Siess-Scherz, aaO, Rz 89 f).
19 In dem vom Verwaltungsgericht für seine Rechtsansicht herangezogenen Erkenntnis VfSlg. 19.990/2015 sieht der Verfassungsgerichtshof die nachträgliche Bestrafung wegen Störung einer Nationalratssitzung durch einen Besucher nach § 81 Abs. 1 SPG (Störung der öffentlichen Ordnung) wegen des der Gesetzgebung vorbehaltenen Vollzugsbereichs als ausgeschlossen an und führt begründend aus:
„[...] Die Aufgaben der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Nationalrates sind im dritten Abschnitt des GOG 1975 geregelt. Gemäß der §§ 13, 14 GOG 1975 obliegt ihr/ihm insbesondere die Ausübung der Sitzungspolizei und des Hausrechtes in den Parlamentsgebäuden sowie die Erlassung einer Hausordnung. In § 13 Abs. 3 dritter Satz GOG 1975 ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, Ruhestörer von der Besuchergalerie entfernen zu lassen.„[...] Die Aufgaben der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Nationalrates sind im dritten Abschnitt des GOG 1975 geregelt. Gemäß der Paragraphen 13,, 14 GOG 1975 obliegt ihr/ihm insbesondere die Ausübung der Sitzungspolizei und des Hausrechtes in den Parlamentsgebäuden sowie die Erlassung einer Hausordnung. In Paragraph 13, Absatz 3, dritter Satz GOG 1975 ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, Ruhestörer von der Besuchergalerie entfernen zu lassen.
[...] Die angefochtene Entscheidung ahndet ein Verhalten des Beschwerdeführers, mit dem er als Besucher einer Nationalratssitzung während dieser Sitzung den Ablauf derart störte, dass er letztlich gemäß § 13 Abs. 3 dritter Satz GOG 1975 aufgefordert wurde, die Besuchergalerie und das Parlament zu verlassen. Diese Ausübung der Sitzungspolizei ist durch das GOG 1975 und die Hausordnung, deren Vollziehung ausschließlich der Gesetzgebung zusteht (vgl. VfSlg. 11.882/1988), abschließend geregelt. Für die nachträgliche Bestrafung gemäß § 81 SPG bleibt in Fällen wie diesen kein Raum, wurde die Störung doch durch die Ausübung der Sitzungspolizei beendet.[...] Die angefochtene Entscheidung ahndet ein Verhalten des Beschwerdeführers, mit dem er als Besucher einer Nationalratssitzung während dieser Sitzung den Ablauf derart störte, dass er letztlich gemäß Paragraph 13, Absatz 3, dritter Satz GOG 1975 aufgefordert wurde, die Besuchergalerie und das Parlament zu verlassen. Diese Ausübung der Sitzungspolizei ist durch das GOG 1975 und die Hausordnung, deren Vollziehung ausschließlich der Gesetzgebung zusteht vergleiche VfSlg. 11.882/1988), abschließend geregelt. Für die nachträgliche Bestrafung gemäß Paragraph 81, SPG bleibt in Fällen wie diesen kein Raum, wurde die Störung doch durch die Ausübung der Sitzungspolizei beendet.
[...]“
20 Anders als in der dem wiedergegebenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrunde liegenden Konstellation ist für den vorliegenden Revisionsfall wesentlich, dass dem Mitbeteiligten nicht ein während der laufenden Sitzung des Gesetzgebungsorgans gesetztes Verhalten vorgeworfen, sondern angelastet wurde, dass er es - entgegen § 2 Abs. 1 VersG - unterlassen habe, die Versammlungsanzeige zu erstatten. Dadurch wurde ihm eine der Landtagssitzung zeitlich wie örtlich vorgelagerte Pflichtwidrigkeit angelastet (vgl. § 2 Abs. 1 VersG, wonach die Anzeige wenigstens 48 Stunden vor Abhaltung erstattet werden muss). Es fehlt daher - anders als in der dem Erkenntnis VfSlg. 19.990/2015 zugrunde liegenden Konstellation - an einem Konnex des die Strafbarkeit auslösenden Verhaltens zur Möglichkeit, diesem durch Ausübung der Sitzungspolizei nach der Geschäftsordnung und des Hausrechts entgegenzutreten. Ein der Gesetzgebung vorbehaltener Vollzugsbereich kann der Ahndung der Unterlassung der Versammlungsanzeige durch die Verwaltungsbehörde im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes daher nicht entgegenstehen. Die Strafbarkeit wegen Verletzung der Anzeigepflicht war nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Abhaltung der Versammlung für die laufende Landtagssitzung in Aussicht genommen war (vgl. bereits implizit VwGH Ro 2024/01/0001).
21 Dem Mitbeteiligten wurde im Straferkenntnis der belangten Behörde nämlich die Unterlassung der Anzeige der Versammlung und nicht - wie er in der Revisionsbeantwortung annimmt - die Durchführung der nicht angezeigten Versammlung während der Landtagssitzung angelastet; die Umschreibung der Tat durch die belangte Behörde entspricht den Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH [verstärkter Senat] 27.6.2022, Ra 2021/03/0328, Rn. 18, mwN, wonach eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden). Die ein anderes Verständnis der Umschreibung der angelasteten Tat zugrundelegenden Ausführungen der Revisionsbeantwortung gehen daher ins Leere.
22 Im Gefolge einer Versammlungsanzeige hat die Versammlungsbehörde in verfassungskonformer Anwendung des VersG dennoch freilich den nach der vorzitierten Rechtsprechung alleine der Staatsfunktion der Gesetzgebung zukommenden Vollzugsbereich zu beachten (vgl. dazu jüngst den AB 2593 BlgNR 27. GP 2 zur B-VG-Novelle, BGBl. I Nr. 68/2024, worin davon ausgegangen wird, dass aus Gründen des gewaltenteilenden Prinzips eine eigene datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde für den Bereich der Gesetzgebung einzurichten sei; vgl. zu den Grenzen der Mitwirkung von Verwaltungsorganen an der Gesetzgebung VfSlg. 16.852/2003). Unzulässig ist daher Verwaltungshandeln, das in die der Staatsfunktion Gesetzgebung vorbehaltene Sitzungspolizei eingreift. Insbesondere ist es demnach nicht zulässig, dass die Versammlungsbehörde eine zur Abhaltung während der Sitzung eines Gesetzgebungsorgans angezeigte Versammlung untersagt (vgl. zum an sich bestehenden Zusammenhang zwischen Anzeige der Versammlung und der Prüfung, ob diese zu untersagen ist VwGH 23.9.1998, 97/01/1065; vgl. zu den Zwecken der Versammlungsanzeige Eigner/Keplinger, Praxiskommentar Versammlungsrecht5 [2022] 62). Dies würde nämlich bedeuten, dass eine Verwaltungsbehörde darüber befindet, welche Personen als Besucher an Sitzungen der Gesetzgebungsorgane teilnehmen und ob diese dort Meinungsbekundungen treffen dürfen oder nicht. Dies zu unterbinden oder Besucher allenfalls trotz erwartbarer Meinungsbekundungen dennoch an Sitzungen der Gesetzgebungsorgane teilnehmen zu lassen sowie darüber zu befinden, inwieweit Störungen der Sitzung hingenommen und auf Grund welcher Störungen einzelne oder sämtliche Besucher von der Teilnahme ausgeschlossen werden, stellt sich aber als Ausübung der Sitzungspolizei dar, die nach der vorzitierten Rechtsprechung alleine den Organen der Gesetzgebung zusteht und daher nicht durch eine allfällige Untersagung nach § 6 VersG vorweggenommen werden darf.
23 Umgekehrt ist es der Versammlungsbehörde ebenso verwehrt, in dem der Staatsfunktion Gesetzgebung vorbehaltenen - also insbesondere deren Sitzungspolizei unterliegenden - Vollzugsbereich aus Eigenem Vorkehrungen im Interesse der reibungslosen bzw. ungestörten Durchführung der Versammlung zu treffen, wie dies bei andernorts abgehaltenen Versammlungen der Fall ist, die nicht untersagt werden (vgl. zu dieser Verpflichtung der Behörde erneut VwGH 23.9.1998, 97/01/1065, sowie VfSlg. 18.721/2009, wo beispielhaft der Schutz vor Gegendemonstrationen angeführt wird). Denn auch Maßnahmen im Interesse der Abhaltung der Versammlung - etwa die Beistellung von Versammlungsteilnehmer schützenden Parlamentsordnern im Besucherraum des Sitzungssaals - sind in den der Sitzungspolizei unterliegenden Räumlichkeiten der Staatsfunktion Gesetzgebung vorbehalten und haben von deren Organen verfügt zu werden (vgl. beispielsweise zur Zurechnung von Handlungen der Parlamentsordner zur Gesetzgebung VfSlg. 11.882/1988).
24 Nichtsdestotrotz bleiben - außerhalb des der Gesetzgebung vorbehaltenen Vollzugsbereichs - die Aufgaben der (Sicherheits-, insbesondere als Versammlungs-) Behörde unberührt, deren (erleichterter) Erfüllung die Verpflichtung zur Anzeige auch von zur Abhaltung in Sitzungen der Gesetzgebungsorgane in Aussicht genommenen Versammlungen dient. Zu denken ist hier beispielsweise an die Vollziehung des Verbots von Versammlungen unter freiem Himmel im Umkreis von 300 m während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung oder ein Landtag versammelt sind nach § 7 VersG („Verbotszone“).
25 So begründen die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu der die bis heute geltende Fassung dieser Bestimmung herstellenden Novelle BGBl. Nr. 392/1968 die Notwendigkeit der Verbotszone unter anderem damit, dass es „zweifelhaft [sei], ob im Ernstfall Sicherheitsorgane in entsprechender·Anzahl so zeitgerecht herbeigeführt werden können, um ein Eindringen von Demonstranten in das Sitzungslokal des gesetzgebenden Organs zu verhindern“ (vgl. 874 BlgNR 21. GP 2). Erkennbar verfolgt der Gesetzgeber demnach das Ziel eines vorausschauenden Schutzes der Sitzungen der gesetzgebenden Organe durch die Versammlungsbehörde. Diesem Anliegen dient auch die Verpflichtung zur Anzeige von zur Abhaltung in Sitzungen der Gesetzgebungsorgane in Aussicht genommenen Versammlungen, zumal dies der Behörde ermöglicht, Vorbereitungen auf die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Erfüllung der ihr außerhalb des Vollzugsbereichs der Gesetzgebung obliegenden Aufgaben zu treffen.
26 Indem das Verwaltungsgericht davon ausging, dass der Bestrafung wegen Unterlassung der Anzeige der zur Durchführung in der Sitzung des Tiroler Landestags in Aussicht genommenen Versammlung ein der Gesetzgebung vorbehaltener Vollzugsbereich entgegensteht, hat es die Rechtslage verkannt.
27 Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem im Spruch angeführten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Zur teilweisen Zurückweisung der Revision
28 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
29 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
30 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
31 Die vorliegende Revision enthält keine Zulassungsbegründung, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Bestrafung des Mitbeteiligten nach § 7 VersG (wegen Abhaltung der Versammlung innerhalb eines Umkreises von 300 m vom Sitz des Landtages) durch das Verwaltungsgericht wendet.
32 Somit werden diesbezüglich keine Rechtsfragen dargelegt, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher im genannten Umfang zurückzuweisen.
Wien, am 6. November 2024