1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Bescheide betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gemäß § 299 BAO Folge und hob diese Bescheide (ersatzlos) auf (Spruchpunkt I.1.). Es sprach weiters aus, dass die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gemäß § 261 Abs. 1 BAO iVm § 278 BAO als gegenstandlos erklärt werden (Spruchpunkt I.2.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig (Spruchpunkt II.).
2 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe in den Jahren 2013 und 2014 mehrere Grundstücke an die ET GmbH, deren Gesellschafterin sie im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gewesen sei, verkauft. Die dabei herangezogenen Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der Immobilienertragsteuer seien von der Abgabenbehörde weder im Zuge der erstmaligen Einkommensteuerveranlagungen noch im Rahmen des bei der Mitbeteiligten durchgeführten (die Jahre 2012 bis 2014 betreffenden) Außenprüfungsverfahrens - nach dessen Abschluss im Jahr 2019 die Einkommensteuerverfahren für die verfahrensgegenständlichen Jahre wiederaufgenommen und neue Einkommensteuerbescheide erlassen worden seien - beanstandet worden.
3 Im Zuge einer bei der ET GmbH durchgeführten, die Grunderwerbsteuer betreffenden Außenprüfung habe die Prüferin festgestellt, dass die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise nicht den gemeinen Wert der Grundstücke wiedergeben würden und daher die Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der Grunderwerbsteuer unrichtig ermittelt worden seien. An Hand eines durchgeführten Fremdvergleichs sei das Finanzamt zu dem Ergebnis gelangt, der gemeine Wert der von der Mitbeteiligten an die ET GmbH veräußerten Grundstücke sei mit 1.100 € pro m² Nutzfläche anzusetzen. In der Folge habe das Finanzamt (im Jahr 2020) die - im Jahr 2019 nach Wiederaufnahme der Verfahren neu erlassenen - Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gemäß § 299 BAO aufgehoben und neue Sachbescheide erlassen. Dabei seien sämtliche transferierten Grundstücke neu bewertet und die Berechnungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer - in Anlehnung an die Ergebnisse der Außenprüfung betreffend die Grunderwerbsteuer - ermittelt worden.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dem in der Beschwerde erhobenen Einwand einer unzulässigen Ermessensübung bei der Aufhebung gemäß § 299 BAO komme keine Berechtigung zu. Bei Ermessensentscheidungen komme dem Prinzip der Rechtmäßigkeit Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu. Das Finanzamt habe Ermessen im Rahmen des Gesetzes ausgeübt. Eine Ermessensüberschreitung bzw. ein Ermessensmissbrauch liege trotz der Tatsache, dass das Finanzamt bereits im Zeitpunkt der Erlassung der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide in Kenntnis der Sachlage gewesen sein müsste und im Zuge der erfolgten Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2013 und 2014 keine entsprechende Änderung der Bemessungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer vorgenommen habe, nicht vor. Ein allfälliges Verschulden des Finanzamtes am Zustandekommen der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide stehe einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht entgegen, denn für die Ermessensübung sei grundsätzlich bedeutungslos, ob die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf ein Verschulden (der Abgabenbehörde und/oder der Partei) zurückzuführen sei.
5 Die Begründung des Aufhebungsbescheides habe allerdings das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen; dies sei unverzichtbar für die Beurteilung, ob die Aufhebung rechtmäßig sei. Die Aufhebung setze zudem die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus.
6 Das Finanzamt habe zur Begründung der Aufhebung auf die Begründung der Sachbescheide verwiesen. Demnach werde die Übertragung der Liegenschaft vom Gesellschafter auf die Gesellschaft aus ertragsteuerlicher Sicht als Tausch gemäß § 6 Z 14 EStG 1988 - mit der Folge der Aufdeckung der stillen Reserven - gesehen. Nach Ansicht des Finanzamtes sei demnach die Übertragung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaften durch die Mitbeteiligte an die ET GmbH als Tausch gemäß § 6 Z 14 EStG 1988 zu qualifizieren und die „Unrichtigkeit“ der aufgehobenen Bescheide offensichtlich darin zu sehen, dass bei der Veräußerung nicht der gemeine Wert zum Ansatz gelangt sei.
7 Aus welchen Erwägungen das Finanzamt die Veräußerungsvorgänge als unter den Tatbestand des § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 zu subsumierende Tauschvorgänge (Einlagen) angesehen habe, erschließe sich aus der angeführten Begründung nicht. Das Finanzamt habe es nämlich unterlassen, in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise darzulegen, auf Grund welcher konkreten Umstände bzw. Tatsachenfeststellungen es zu dem Ergebnis gelangt sei, dass es sich beim gegenständlichen Übertragungsvorgang um einen Tausch handeln solle.
8 Die Begründung der Aufhebungsbescheide bzw. der mit diesen verbundenen Sachbescheiden erfülle die gesetzlichen Erfordernisse nicht, weil daraus nicht ersichtlich sei, welche schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Erwägungen für die Behörde letztlich maßgeblich gewesen seien, dass die verfahrensgegenständlichen entgeltlichen Grundstücksübertragungen als Tauschvorgänge zu qualifizieren seien.
9 Bei einer gegen den Aufhebungsbescheid gerichteten Beschwerde habe das Bundesfinanzgericht lediglich zu beurteilen, ob die vom Finanzamt angeführten Gründe eine Aufhebung rechtfertigen würden. Im Beschwerdeverfahren dürfe daher kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden.
10 Die im Zuge einer bei der ET GmbH durchgeführten - die Grunderwerbsteuer betreffenden - Außenprüfung getroffene Feststellung, dass die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise nicht den gemeinen Wert der Liegenschaften wiedergeben würden, sei weder geeignet, die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide schlüssig und in nachprüfbarer Weise zu begründen noch vermöge diese Feststellung eine solche Begründung zu ersetzen. Dies habe zur Folge, dass nicht überprüfbar sei, ob die Bescheidaufhebung rechtmäßig erfolgt sei.
11 Abschließend führte das Bundesfinanzgericht mit Verweis auf § 261 Abs. 2 iVm § 278 Abs. 1 lit. b BAO aus, aufgrund der Aufhebung der Bescheide gemäß § 299 BAO würden die neu erlassenen Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 ex lege aus dem Rechtsbestand ausscheiden, womit die Beschwerde insoweit mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären sei.
12 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision, mit der nach ihrer Anfechtungserklärung (ausschließlich) Spruchpunkt I.1. (Aufhebung der gemäß § 299 BAO erlassenen Aufhebungsbescheide) des angefochtenen Erkenntnisses bekämpft wird. Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, die angefochtene Entscheidung weiche von der - näher genannten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung von Aufhebungsbescheiden gemäß § 299 BAO ab.
13 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat sich die Mitbeteiligte am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
16 Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Für eine Aufhebung nach § 299 BAO ist somit nur entscheidend, dass sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist (vgl. VwGH 16.4.2024, Ro 2022/13/0017, mwN).
17 Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen, also sowohl den Aufhebungsgrund als auch die Gründe für die Ermessensübung anzuführen (vgl. VwGH 4.11.2021, Ra 2021/13/0100, mwN). Allerdings sind Begründungsmängel des Erstbescheides im Beschwerdeverfahren sanierbar. Im Beschwerdeverfahren kann ein mangelhaft begründeter Aufhebungsbescheid (etwa hinsichtlich der Begründung der Ermessensübung) ergänzt bzw. richtig gestellt werden, es darf bloß kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden (vgl. VwGH 26.6.2024, Ra 2024/15/0023, mwN; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 93 Tz 16).
18 Im vorliegenden Fall geht das Bundesfinanzgericht selbst davon aus, dass sich aus den Begründungen der (neuen) Einkommensteuerbescheide - auf die in den Aufhebungsbescheiden gemäß § 299 BAO verwiesen wird - ergebe, das Finanzamt habe die verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsübertragungen als Tauschvorgänge gemäß § 6 Z 14 EStG 1988 beurteilt. Die Unrichtigkeit der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide liege somit offensichtlich darin, dass bei der Veräußerung nicht jeweils der gemeine Wert der Liegenschaften angesetzt worden sei.
19 War aber - wie im Ergebnis auch vom Bundesfinanzgericht angenommen - der Grund für die vom Finanzamt angenommene Unrichtigkeit der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide objektiv erkennbar, hätte das Bundesfinanzgericht die gemäß § 299 BAO erlassenen Bescheide nicht aus diesem Grund aufheben dürfen (vgl. dazu VwGH 22.5.2014, 2011/15/0190; 26.4.2012, 2009/15/0119). Das Bundesfinanzgericht hätte vielmehr allenfalls identifizierte fehlende Begründungsteile ergänzen und dabei insbesondere prüfen müssen, ob die angenommene Unrichtigkeit - somit, ob die vereinbarten Kaufpreise angesichts der Gesellschafterstellung der Mitbeteiligten fremdunüblich niedrig waren (vgl. zur Anwendbarkeit des § 6 Z 14 EStG 1988 bei verdeckten Einlagen VwGH 23.9.2005, 2002/15/0010; vgl. auch Mayr/Fritz-Schmied in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 6 Tz 61) - tatsächlich vorliegt. Weshalb sich das Finanzamt bei der Beurteilung, die vereinbarten Kaufpreise hätten nicht den gemeinen Werten der übertragenen Liegenschaften entsprochen, nicht auf die Ergebnisse einer die Grunderwerbsteuer betreffenden Außenprüfung bei der erwerbenden ET GmbH hätte stützen dürfen, was das Bundesfinanzgericht offenbar annimmt, ist im Übrigen nicht nachvollziehbar.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt I.1.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (zur Beseitigung des nicht angefochtenen Spruchpunktes I.2. aus dem Rechtsbestand siehe VwGH 3.9.2024, Ra 2023/13/0162, mwN).
Wien, am 26. März 2025