Verwaltungsgerichtshof (VwGH)

Rechtssatz für 82/14/0088

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

VwSlg 5734 F/1982;

Rechtssatznummer

1

Geschäftszahl

82/14/0088

Entscheidungsdatum

07.12.1982

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

FinStrG §34 Abs1 idF 1975/335;
FinStrG §8 Abs2 idF 1975/335;
  1. FinStrG Art. 1 § 34 heute
  2. FinStrG Art. 1 § 34 gültig ab 01.01.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 118/2015
  3. FinStrG Art. 1 § 34 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2010
  4. FinStrG Art. 1 § 34 gültig von 01.01.1976 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 335/1975
  1. FinStrG Art. 1 § 8 heute
  2. FinStrG Art. 1 § 8 gültig ab 01.01.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 118/2015
  3. FinStrG Art. 1 § 8 gültig von 01.01.1976 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 335/1975

Beachte

Besprechung in: AnwBl 1983/7, S 419;

Rechtssatz

Es geht über die zumutbare Grenze der Sorgfaltsanwendung hinaus, von einem Steuerpflichtigen zu fordern, daß er sich vor Abgabe seiner Abgabenerklärung über den Inhalt der ohnehin komplizierten und umfangreichen Rechtsvorschriften hinaus auch mit der zu diesen in konkreten Fragen ergangenen Judikatur der Höchstgerichte vertraut macht (daher bei in Widerspruch zu solcher Judikatur erstatteten Abgabenerklärungen in Fragen, die das Gesetz selbst ausdrücklich nicht beantwortet, kein Vergehen

der fahrlässigen Abgabenverkürzung).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1982140088.X01

Im RIS seit

07.12.1982

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2008

Dokumentnummer

JWR_1982140088_19821207X01

Entscheidungstext 82/14/0088

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

VwSlg 5734 F/1982;

Geschäftszahl

82/14/0088

Entscheidungsdatum

07.12.1982

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §34 Abs1 idF 1975/335;
FinStrG §8 Abs2 idF 1975/335;
  1. FinStrG Art. 1 § 34 heute
  2. FinStrG Art. 1 § 34 gültig ab 01.01.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 118/2015
  3. FinStrG Art. 1 § 34 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2010
  4. FinStrG Art. 1 § 34 gültig von 01.01.1976 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 335/1975
  1. FinStrG Art. 1 § 8 heute
  2. FinStrG Art. 1 § 8 gültig ab 01.01.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 118/2015
  3. FinStrG Art. 1 § 8 gültig von 01.01.1976 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 335/1975

Beachte

Besprechung in: AnwBl 1983/7, S 419;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Dr. HM in römisch fünf, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. Februar 1982, Zl. 845/1-2/B-1981, betreffend Bestrafung wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung (Paragraph 34, Absatz eins, FinStrG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf weiteren Aufwandersatz in der Höhe von S 850,-- wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein öffentlicher Notar, hat Einnahmen von S 76.417,--, die seinen Bankkonti am 30. bzw. 31. Dezember 1976 gutgebucht worden waren, während er von den erfolgten Gutschriften erst am 3. bzw. 4. Jänner 1977 verständigt worden war, als Einnahmen des Jahres 1977 verbucht. Mit Erkenntnis des Finanzamtes vom 8. Oktober 1980 wurde er schuldig erkannt, durch diese Handlungsweise das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach Paragraph 34, Absatz eins, FinStrG begangen zu haben und es wurde über ihn deshalb eine Geldstrafe von S 13.000,-- verhängt.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die von ihm eingeschlagene Vorgangsweise sei während 34 Jahren von keiner der zahlreichen Betriebsprüfungen beanstandet worden, sie sei nach der Sach- und Rechtslage durchaus vertretbar und müsse, wenn jetzt die Finanzverwaltung einen anderen Standpunkt einnehme, zumindest als entschuldbarer Irrtum angesehen werden.

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 10. Februar 1982 die gegen den Schuldspruch erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und die von der ersten Instanz verhängte Geldstrafe auf S 8.000,-- herabgesetzt. In der Begründung für die Abweisung der Berufung im oben genannten Ausmaß wurde ausgeführt, dadurch, dass der Beschwerdeführer ihm 1976 zugeflossene Einnahmen in den Abgabenerklärungen für dieses Jahr nicht bekannt habe, habe er bewirkt, dass die Abgaben für dieses Jahr verkürzt festgesetzt worden seien, woran der Umstand nichts ändere, dass dafür die Abgaben betreffend 1977 zu hoch festgesetzt worden seien, zumal die Veranlagung für 1976 im Dezember 1977 und die für 1977 erst im Februar 1979 erfolgt sei. Ein Verschulden des Beschwerdeführers wäre nur ausgeschlossen, wenn ein unterlaufener Irrtum als entschuldbar angesehen werden könnte, was allenfalls bejaht werden könnte, wenn das Finanzamt bei Kenntnis der unrichtigen Vorgangsweise diese ausdrücklich gebilligt hätte, nicht schon dann, wenn das Finanzamt die Vorgangsweise 34 Jahre lang nicht beanstandet habe. Die vom Beschwerdeführer bei der inkriminierten Vorgangsweise befolgte Auffassung sei auch keinesfalls eine vertretbare, zumal die Rechtslage durch die Rechtsprechung hinlänglich klargestellt sei. Ein die Fahrlässigkeit ausschließender entschuldbarer Irrtum liege daher nicht vor.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach Paragraph 34, Absatz eins, FinStrG macht sich schuldig, wer die im Paragraph 33, Absatz eins, leg. cit. bezeichnete Tat (das Bewirken einer Abgabenverkürzung unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht) fahrlässig begeht. Fahrlässig handelt nach Paragraph 8, Absatz 2, leg. cit., wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will. Demnach sind die Komponenten der Fahrlässigkeit a) objektive Sorgfaltspflicht; b) subjektive Befähigung und c) Zumutbarkeit der Sorgfaltsanwendung (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Wien 1974, TZ. 8 zu Paragraph 8,).

Die Frage, ob ein auf ein Bankkonto des Zahlungsempfängers eingezahlter Betrag diesem mit dem Zeitpunkt der Gutschrift seitens der Bank oder mit dem Zeitpunkt der Verständigung des Empfängers von dieser Gutschrift zugeflossen ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich beantwortet. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner Rechtsprechung (zuletzt in dem mit ausführlicher Begründung ergangenen Erkenntnis vom 9. März 1982, Zlen. 82/14/0011, 0018 bis 0020) die erste Ansicht, von der auch die Finanzbehörden in der Abgabensache des Beschwerdeführers ausgegangen sind. Da die entgegengesetzte Rechtsansicht aber nach dem Wortlaut der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen (besonders Paragraph 19, EStG 1972) nicht ganz unvertretbar ist, kann eine der letzteren Rechtsansicht gemäße Vorgangsweise einem Steuerpflichtigen nicht als Verschulden, selbst nicht in der Schuldform leichter Fahrlässigkeit, zugerechnet werden. Denn es geht über die zumutbare Grenze der Sorgfaltsanwendung hinaus, von einem Steuerpflichtigen zu fordern, dass er sich vor Abgabe seiner Abgabenerklärungen über den Inhalt der ohnehin komplizierten und umfangreichen Rechtsvorschriften hinaus auch mit der zu diesen in konkreten Fällen ergangenen Judikatur der Höchstgerichte vertraut macht. Dies gilt umsomehr dann, wenn es sich einerseits - wie in der vorliegenden Frage - um eine auf nicht ganz einfachen Auslegungsvorgängen beruhende Judikatur, und anderseits um einen Steuerpflichtigen handelt, bei dem einlässliche Spezialkenntnisse zu dieser Frage nicht vorausgesetzt werden können.

Mithin hat die belangte Behörde das Vorliegen eines Verschuldens seitens des Beschwerdeführers rechtsirrig angenommen, was zur Aufhebung ihres Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes (Paragraph 42, Absatz 2, Litera a, VwGG 1965) zu führen hatte, ohne dass auf die weitere Frage einzugehen war, wieweit der Tatbestand einer Abgabenverkürzung hier im Hinblick darauf objektiv verwirklicht war, dass der zugeflossene Betrag bloß 1977 statt 1976 einbekannt und versteuert worden war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den Paragraphen 47, ff VwGG 1965. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer neben den festgesetzten Pauschalsätzen ist in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen. Der Ersatz von Barauslagen für Porti und Kopien ist im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1977, Zlen. 2957 bis 2959/76, bzw. vom 12. Juni 1975, Zl. 134/75).

Wien, am 7. Dezember 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1982140088.X00

Im RIS seit

07.12.1982

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008

Dokumentnummer

JWT_1982140088_19821207X00