Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz, Fassung vom 26.03.2020

§ 0

Langtitel

Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz – COVID-19-VwBG)
StF: BGBl. I Nr. 16/2020 (NR: GP XXVII IA 397/A AB 112 S. 19. BR: AB 10288 S. 904.)

Präambel/Promulgationsklausel

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1

Text

Unterbrechung von Fristen

§ 1.
  1. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950.
  2. (1a) Keine Fristen im Sinne des Abs. 1 sind die Fristen gemäß
    1. 1.
      § 80 Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 und
    2. 2.
      § 22a Abs. 2 und 4 des BFA-Verfahrensgesetzes – BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012.
  3. (2) Die Behörde (Art. II Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008) kann jedoch im jeweiligen Verfahren aussprechen, dass eine Frist nicht für die in Abs. 1 festgelegte Dauer unterbrochen wird. Diesfalls hat sie gleichzeitig eine neue angemessene Frist festzusetzen.
  4. (3) Nach Abs. 2 ist nur vorzugehen, wenn nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Verfahrens zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Partei (§ 8 AVG) dringend geboten ist und nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie der Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebes die Einzelinteressen überwiegen.

§ 2

Text

Sonderregelungen für bestimmte Fristen

§ 2.
  1. (1) Die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird nicht eingerechnet:
    1. 1.
      in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,
    2. 2.
      in Entscheidungsfristen mit Ausnahme von verfassungsgesetzlich festgelegten Höchstfristen und
    3. 3.
      in Verjährungsfristen.
    Im Anwendungsbereich der Z 2 verlängert sich die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen, wenn sie jedoch weniger als sechs Wochen beträgt, nur im Ausmaß der Entscheidungsfrist selbst.
  2. (2) Die Frist für die Zahlung des Strafbetrages beträgt
    1. 1.
      bei in der Zeit vom 22. März bis zum Ablauf des 30. April 2020 ausgefertigten Anonymverfügungen, abweichend von § 49a Abs. 6 VStG, sechs Wochen und
    2. 2.
      bei Organstrafverfügungen, wenn ein Beleg gemäß § 50 Abs. 2 VStG verwendet und dieser in der Zeit vom 22. März bis zum Ablauf des 30. April 2020 am Tatort hinterlassen oder dem Beanstandeten übergeben wird, abweichend von § 50 Abs. 6 VStG, vier Wochen.
    Im Anwendungsbereich des ersten Satzes beziehen sich Verweisungen auf die in den §§ 49a Abs. 6 und § 50 Abs. 6 VStG bezeichneten Fristen auf die im ersten Satz bezeichneten Fristen.

§ 3

Text

Mündliche Verhandlungen, Vernehmungen und dergleichen, mündlicher Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten

§ 3.

Wenn aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind mündliche Verhandlungen (§§ 40 bis 44 AVG; §§ 43 und 44 VStG), Vernehmungen (§§ 48 bis 51 AVG; § 24 VStG iVm. §§ 48 bis 51 AVG, § 33 VStG) mit Ausnahme von audiovisuellen Vernehmungen (§ 51a AVG; § 24 VStG iVm. § 51a AVG) und dergleichen nur durchzuführen, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich ist. Gleiches gilt für den mündlichen Verkehr zwischen den Behörden und den Beteiligten einschließlich der Entgegennahme mündlicher Anbringen sowie mit sonstigen Personen im Rahmen der Durchführung des Verfahrens. Ist die Durchführung einer Vernehmung oder einer mündlichen Verhandlung unbedingt erforderlich, so kann sie auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden.

§ 4

Text

Unterbrechung von Verfahren

§ 4.
  1. (1) Hört infolge des Auftretens und der Verbreitung von COVID-19 die Tätigkeit einer Behörde auf, so hat die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde dies bekanntzumachen.
  2. (2) Die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde hat auf Antrag eines Beteiligten eine andere sachlich zuständige Behörde desselben Landes zur Entscheidung der Sache zu bestimmen, wenn während der Unterbrechung Verfahrenshandlungen vorzunehmen sind, die zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens eines Beteiligten dringend geboten sind.

§ 5

Text

Verordnungsermächtigung

§ 5.

Der Bundeskanzler wird ermächtigt, durch Verordnung die in § 1 Abs. 1 angeordnete allgemeine Unterbrechung von Fristen zu verlängern, zu verkürzen oder weitere allgemeine Ausnahmen von der Unterbrechung vorzusehen, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Er kann insoweit auch die in § 2 festgelegten Fristen verlängern oder verkürzen und weitere Bestimmungen vorsehen, die den Einfluss der Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, auf den Lauf von Fristen und die Einhaltung von Terminen für anhängige oder noch anhängig zu machende Verfahren regeln. Er kann insbesondere die Unterbrechung, die Hemmung, die Verlängerung oder die Verkürzung von Fristen anordnen, Säumnisfolgen bei Nichteinhaltung von Terminen ausschließen sowie bestimmen, ob und auf welche Weise verfahrensrechtliche Rechtsnachteile, die durch die Versäumung von Fristen oder Terminen eintreten können, hintangehalten und bereits eingetretene wieder beseitigt werden. Dabei sind die Interessen an der Fortsetzung dieser Verfahren, insbesondere der Schutz vor Gefahren für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit der Verfahrensparteien oder die Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens von diesen, einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie am Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebes andererseits gegeneinander abzuwägen.

§ 6

Text

Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes

§ 6.
  1. (1) (Verfassungsbestimmung) Auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte sind die §§ 1 bis 5 dann sinngemäß anzuwenden, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. Im Fall des § 4 Abs. 2 hat der Verwaltungsgerichtshof ein anderes sachlich zuständiges Verwaltungsgericht, in Ermangelung eines solchen ein anderes Verwaltungsgericht zu bestimmen.
  2. (2) Auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sind die §§ 1 bis 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.

§ 7

Text

Verweisungen

§ 7.

Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

§ 8

Text

Vollziehung

§ 8.
  1. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 ist der Bundeskanzler betraut.
  2. (2) (Verfassungsbestimmung) Mit der Vollziehung des § 6 Abs. 1 ist der Bundeskanzler betraut.

§ 9

Text

Inkrafttreten und Außerkrafttreten

§ 9.
  1. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
  2. (2) (Verfassungsbestimmung) § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.