Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Geschlechtskrankheitengesetz, Fassung vom 14.09.2024

§ 0

Langtitel

Gesetz vom 22. August 1945 über die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Geschlechtskrankheiten (Geschlechtskrankheitengesetz)
StF: StGBl. Nr. 152/1945

Präambel/Promulgationsklausel

Die Provisorische Staatsregierung hat beschlossen:

§ 1

Text

Umfang des Gesetzes.

Paragraph eins,

Übertragbare Geschlechtskrankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind:

  1. Ziffer eins
    Tripper,
  2. Ziffer 2
    Syphilis,
  3. Ziffer 3
    Weicher Schanker,
  4. Ziffer 4
    Lymphogranuloma inguinale,
ohne Rücksicht auf den Sitz der Krankheitserscheinungen.

§ 2

Text

Allgemeine Behandlungspflicht.

Paragraph 2,
  1. Absatz einsJeder Geschlechtskranke ist verpflichtet, sich während der Dauer der Übertragbarkeit der Krankheit einer Behandlung durch einen in Österreich zur Berufsausübung berechtigten Arzt zu unterziehen. Bei Pflegebefohlenen hat jene Person für die ärztliche Behandlung des Kranken zu sorgen, welche die Aufsicht über den Pflegebefohlenen führt.
  2. Absatz 2Der Kranke (die über denselben aufsichtführende Person) hat der Sanitätsbehörde auf Verlangen den Nachweis der ärztlichen Behandlung zu erbringen.

§ 3

Text

Untersuchung Krankheitsverdächtiger.

Paragraph 3,
  1. Absatz einsPersonen, von denen mit Grund angenommen werden kann, daß sie geschlechtskrank sind und nicht in ärztlicher Behandlung stehen, können von der Sanitätsbehörde verhalten werden, ein ärztliches Zeugnis zu erbringen und sich erforderlichenfalls einer Untersuchung zu unterziehen.
  2. Absatz 2Anzeigen, deren Urheber nicht feststellbar ist, sind durch die Sanitätsbehörde nicht weiter zu verfolgen.

§ 4

Text

Beschränkte Meldepflicht.

Paragraph 4,
  1. Absatz einsJeder Arzt, der in Ausübung seines Berufes von einer Geschlechtskrankheit Kenntnis erhält, ist zur Meldung des Falles verpflichtet, wenn eine Weiterverbreitung der Krankheit zu befürchten ist oder sich der Kranke der ärztlichen Behandlung, beziehungsweise Beobachtung entzieht.
  2. Absatz 2Die Meldung ist an die für den Wohnort des Erkrankten zuständige Sanitätsbehörde nach dem als Anlage A *) abgedruckten Muster zu erstatten.

_______________

*) Auf Seite 214 abgedruckt.

§ 5

Text

Behandlung und Überwachung.

Paragraph 5,
  1. Absatz einsDer Amtsarzt hat auf Grund der ihm zugekommenen Anzeige den Kranken zum Gesundheitsamt vorzuladen.
  2. Absatz 2Der Amtsarzt entscheidet nach vorgenommener Untersuchung, ob der Kranke in der Behandlung eines zur Ausübung der Praxis in Österreich berechtigten Arztes verbleiben kann, in ambulatorische Behandlung eines Krankenhauses einzuweisen oder in ein Krankenhaus (Abteilung für die Behandlung von Geschlechtskrankheiten) aufzunehmen ist.
  3. Absatz 3Nach Abschluß der Behandlung [Abs. (2)] kann die Sanitätsbehörde die gesundheitliche Überwachung des aus der Behandlung Entlassenen anordnen. Der Amtsarzt hat in diesem Falle auszusprechen, ob die Überwachung durch einen zur Ausübung der Praxis in Österreich berechtigten Arzt, durch eine Beratungsstelle oder durch ein Krankenhaus zu erfolgen hat.
  4. Absatz 4Der aus der Behandlung Entlassene ist verpflichtet, der amtsärztlich angeordneten Überwachung gewissenhaft zu entsprechen.

§ 6

Text

Paragraph 6,
  1. Absatz einsGeschlechtskranken, die vom Amtsarzte in eine Krankenanstalt eingewiesen wurden, darf die Aufnahme in einem öffentlichen Krankenhaus während der Dauer der Übertragbarkeit – sofern statutarische Bestimmungen des Krankenhauses dem nicht entgegenstehen – nicht verweigert werden. Die Kranken haben während der Dauer der Behandlung im Krankenhaus zu verbleiben, es sei denn, daß der Leiter des Krankenhauses eine ambulatorische Behandlung zuläßt.
  2. Absatz 2Erklärt der Leiter des Krankenhauses eine ambulatorische Behandlung für zulässig, hat er dem Amtsarzt, der die Spitalsaufnahme angeordnet hat, sofort von seiner Anordnung Mitteilung zu machen.
  3. Absatz 3Der Kranke hat die vom zuständigen Arzte getroffene Anordnung gewissenhaft zu erfüllen.

§ 7

Text

Paragraph 7,

Aus dem Militärverband entlassene Geschlechtskranke und ansteckungsverdächtige Personen haben längstens innerhalb von zwei Wochen nach erfolgter Entlassung dem für sie zuletzt zuständig gewesenen Militärarzt den Nachweis darüber zu erbringen, daß sie in der Behandlung eines zur Ausübung der Praxis in Österreich berechtigten Arztes, in ambulatorischer Behandlung stehen oder in einem Krankenhause Aufnahme gefunden haben. Wird der Militärbehörde dieser Nachweis nicht innerhalb von längstens zwei Wochen nach Entlassung erbracht, hat diese der nach dem Wohnorte des Entlassenen zuständigen Sanitätsbehörde die Anzeige zu erstatten.

§ 8

Text

Belehrung Geschlechtskranker.

Paragraph 8,

Jeder Arzt, der einen Geschlechtskranken untersucht oder behandelt, ist zu einer eingehenden persönlichen Aufklärung und Beratung verpflichtet. Dabei hat der Arzt den Kranken insbesondere über die Infektionsmöglichkeiten sowie über die Verhaltensregeln zur Vermeidung einer solchen Infektion zu belehren.

§ 9

Text

Verbotene Behandlungsarten.

Paragraph 9,
  1. Absatz einsVerboten ist:
    1. Litera a
      die briefliche Behandlung von Geschlechtskrankheiten sowie von Krankheiten und Leiden der Geschlechtsorgane, ferner die Ankündigung, Zusendung oder öffentliche Zurschaustellung von Heilmitteln zur Bekämpfung dieser Erkrankungen,
    2. Litera b
      die Ankündigung der Behandlung von Geschlechtskrankheiten in der Tagespresse durch Ärzte sowie die Behandlung Geschlechtskranker durch Ärzte ohne eigener Wahrnehmung (Fernbehandlung).
  2. Absatz 2Zulässig ist:

    die Ankündigung von Mitteln, Gegenständen oder Verfahren zur Heilung oder Linderung von Geschlechtskrankheiten in der Fachpresse, sofern sie sich an Ärzte, Apotheker oder Personen wendet, die nach den geltenden Gesetzen berechtigt sind, mit solchen Mitteln, Gegenständen usw. Handel zu treiben.

§ 10

Text

Kostenbestreitung.

Paragraph 10,
  1. Absatz einsDie Kosten der Behandlung und der etwa angeordneten ärztlichen Überwachung der an einer anzeigepflichtigen Geschlechtskrankheit erkrankten mittellosen Person hat der örtlich zuständige Fürsorgeverband dann zu tragen, wenn der Erkrankte (zu Überwachende) nicht für den Krankheitsfall bei einem Träger der Sozialversicherung krankenversichert ist.
  2. Absatz 2Ist der Erkrankte (zu Überwachende) nach den Vorschriften über die Sozialversicherung krankenversichert (als Angehöriger mitversichert), so hat der Träger der Sozialversicherung alle aus der Behandlung und Überwachung erwachsende Kosten zu tragen, auch wenn dem Erkrankten im Einzelfall ein Anspruch auf die Leistung nicht zusteht.

§ 11

Text

Besondere Ermächtigungen.

Paragraph 11,
  1. Absatz einsDas Staatsamt für soziale Verwaltung wird ermächtigt, für das ganze Gebiet oder für bestimmte Gebietsteile der Republik Österreich eine über die Anordnung des Paragraph 4, hinausgehende Meldung der Erkrankungsfälle anzuordnen.
  2. Absatz 2Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres Vorschriften über gesundheitliche Vorkehrungen und zur Überwachung jener Personen erlassen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen.
  3. Absatz 3Das Staatsamt für soziale Verwaltung kann das in der Anlage A enthaltene Muster für die nach Paragraph 4, vorgeschriebene Meldung durch Verordnung abändern oder ergänzen.
  4. Absatz 4Durch Verordnung des Staatsamtes für soziale Verwaltung können ferner Vorschriften über die Zulassung und Inverkehrbringung von Mitteln, Gegenständen oder von Einrichtungen erlassen werden, die der Verhütung der Übertragung von Geschlechtskrankheiten dienen sollen.

§ 12

Text

Strafbestimmungen.

Paragraph 12,
  1. Absatz einsÜbertretungen der in Paragraph 9,, Abs. (1), dieses Gesetzes ausgesprochenen Verbote werden, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungsübertretung von der Bezirksverwaltungsbehörde (in Orten, wo eine staatliche Polizeibehörde besteht, von dieser) mit Geld bis zu 360 Euro oder mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft. Bei erschwerenden Umständen können Arrest und Geldstrafen nebeneinander verhängt werden.
  2. Absatz 2Übertretungen der sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund desselben ergehenden Verordnungen und Bescheide werden, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungsübertretung von der Bezirksverwaltungsbehörde (in Orten, wo eine staatliche Polizeibehörde besteht, von dieser) mit Geld bis zu 70 Euro oder mit Arrest bis zu zwei Monaten bestraft. Bei erschwerenden Umständen können Arrest und Geldstrafen nebeneinander verhängt werden.

§ 12a

Text

Paragraph 12 a,

Wer in Kenntnis des Umstandes, geschlechtskrank zu sein, diese Krankheit auf einen anderen überträgt, unterliegt den im Paragraph 393, des Strafgesetzes vorgesehenen Strafen.

§ 13

Text

Wirkung von Berufungen.

Paragraph 13,

Berufungen gegen die auf Grund dieses Gesetzes und der nach demselben erlassenen Verordnungen ergehenden Bescheide, ausgenommen die auf Grund des Paragraph 12, dieses Gesetzes erlassenen Strafbescheide, kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu.

§ 14

Text

Portobehandlung.

Paragraph 14,
  1. Absatz einsDie nach diesem Gesetze zur Erstattung von Anzeigen und Meldungen verpflichteten Personen haben für die nicht eingeschriebene und nicht mit Zustellungsnachweis erfolgende Postbeförderung solcher Anzeigen und Meldungen Briefumschläge oder Karten zu verwenden, die mit dem Vermerk „Gebührenpflichtige Dienstsache“ und dem Dienstsiegel der empfangenden Behörde zu versehen sind. Diese hat bei der Aushändigung der Meldung die einfache Postgebühr für die in Betracht kommende Briefpostsendung zu entrichten.
  2. Absatz 2Wenn die empfangende Behörde die entfallenden Gebühren nicht in jedem Einzelfall bezahlen will, so können diese Gebühren monatlich gestundet werden.

    Anmerkung, Absatz 3, aufgehoben durch Bundesgesetzblatt Nr. 54 aus 1946,)

§ 15

Text

Wirksamkeit des Gesetzes und Aufhebung älterer Vorschriften.

Paragraph 15,

Mit Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes treten außer Kraft:

  1. Ziffer eins
    Die Vollzugsanweisung des deutschösterreichischen Staatsamtes für Volksgesundheit vom 21. November 1918, St. G. Bl. Nr. 49, betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Geschlechtskrankheiten,
  2. Ziffer 2
    das Bundesgesetz, B. G. Bl. Nr. 478/1935, betreffend Abänderung der Vollzugsanweisung St. G. Bl. Nr. 49/1918,
  3. Ziffer 3
    das mit Verordnung des Reichsministers des Inneren vom 23. Jänner 1940, Deutsches R. G. Bl. römisch eins Sitzung 229, eingeführte deutsche Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. Februar 1927, Deutsches R. G. Bl. römisch eins Sitzung 61, in der Fassung der Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung vom 21. Oktober 1940, Deutsches R. G. Bl. römisch eins Sitzung 1459,
  4. Ziffer 4
    die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 16. November 1940, Deutsches R. G. Bl. römisch eins Sitzung 1514,
  5. Ziffer 5
    die zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 12. März 1941, Deutsches R. G. Bl. römisch eins Sitzung 128,
  6. Ziffer 6
    der Runderlaß des Reichsministers des Innern vom 5. Februar 1941, RMBLiV. Sitzung 239,
  7. Ziffer 7
    die Anordnung Nr. 8 des Reichsärzteführers vom 13. August 1942, Deutsches Ärzteblatt Sitzung 294.

§ 16

Text

Vollziehung.

Paragraph 16,

Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist das Staatsamt für soziale Verwaltung im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern betraut.

Anl. 1

Text

Anlage A.

Kartenbrief.