Anlage Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an Hauptschulen und an der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen Bildungs- und Lehraufgaben:
Der Pflichtgegenstand Evangelische Religion ist in seinem Auftrag zweifach begründet. Von der Kirche besorgt, weiß er sich der biblischen Verkündigung, wie sie in der Heiligen Schrift und in den Bekenntnissen bezeugt wird, und der religiösen Bildung verpflichtet. Im Rahmen der öffentlichen Schule übernimmt er die Aufgabe, eine Begegnung mit dem Bildungsauftrag der Gesellschaft unter Herausforderung durch das Evangelium in einem gegenseitigen kritischen Dialog herbeizuführen. In dieser zweifachen Begründung liegt der spezifische Beitrag des evangelischen Religionsunterrichtes in der Erziehung zum mündigen Christen und Staatsbürger.
Der Religionsunterricht soll dem Schüler verhelfen
sich qualifiziert auseinandersetzen zu können,
sich vom Glaubensanspruch herausfordern zu lassen.
Dies geschieht in der Beachtung der folgenden Gegenstandsbereiche:
Biblische Schriften (Altes und Neues Testament) als Quelle der Offenbarung und der Geschichte Gottes mit den Menschen
Methoden des Umganges mit der Bibel
Tradition als Wirkungsgeschichte des christlichen Glaubens im sozial-politischen und kulturellen Kontext
Bekenntnisschriften der Evangelischen Kirche AB und HB in Österreich
Christliche Bekenntnisse (andere christliche Konfessionen), andere Religionen und Weltanschauungen
Christliche Glaubenslehre (Dogmatik) als Ausdruck des gläubigen Selbstverständnisses im Ringen um die Wahrheit
Entstehung und Geschichte der Kirche und der christlichen Glaubenslehre
Theologie und Philosophie
Weltbild der Einzel-(Natur-)wissenschaften
Christliche Anthropologie – das Verständnis des Menschen im Lichte der Offenbarung als Schöpfung und Erlösung
Anthropologische Konzepte der Humanwissenschaften
Christliche Ethik als Forderung des Guten und Einsicht in die Grenzen der verantwortlichen Selbstbestimmung (usus politicus et elenchticus)
Menschenrechte und Unverfügbarkeit des Heils
Christliche Praxis als Verwirklichung der Liebe zu Gott und den Menschen
Diakonie, Seelsorge, Mission, Ökumene
Humanität um das Problem der Wertfreiheit
Christliche Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen und als Institution
Menschliche Sozialformen als Verwirklichung und Hinderung von Gemeinschaften
Die Gestaltung des Christlichen (Poiesis)
Sakramentalität und die Sakramente der Kirche(n)
Gottesdienst, Riten, Feste
Literatur, Kunst, Musik, AV-Medien
Religionskritik – Anliegen, Berechtigung, Kritik der Kritik
Durch die gemeinsame Bearbeitung der angeführten Gegenstandsfelder durch Lehrer und Schüler sollen folgende Befähigungen und Haltungen erworben werden:
a) Befähigungen:
Basiswissen erwerben und sichern (1),
Entstehungszusammenhänge und geschichtliche Prozesse erkennen (2),
Erkenntnisschritte selbsttätig vollziehen (3),
Mißverständnisse und Vorurteile (zB gegenüber Kirche, Glaube und Religion) durchschauen und abbauen (4),
sich dem Prozeß der denkenden Aneignung des Glaubens stellen (5),
Intentionen und Methoden der verschiedenen Wissenschaften (Theologie, Philosophie, Natur- und Humanwissenschaften) unterscheiden, sachgemäß zuordnen und anwenden können (6),
Symbole kennen und wiedererkennen (7),
Kritik an Kirche und Religion als Suche nach der rechten Gestalt des Glaubens wahrnehmen (8),
die Struktur von Glaubensaussagen erkennen und wiedererkennen (9).
b) Haltungen:
Sich qualifiziert auseinandersetzen (10),
zu einer selbstverantworteten Einstellung finden (11),
sich vom christlichen Glaubenszeugnis betroffen machen und herausfordern lassen (12),
die Glaubensmotivation von Menschen aus Geschichte und Gegenwart wahrnehmen, ernstnehmen und achten (Toleranz) (13),
sich mit Wert- und Glaubenshaltungen auseinandersetzen (Dialogfähigkeit) (14),
die eigene Überzeugung vertreten und argumentieren können (Konfliktfähigkeit) (15),
sich der ethischen Forderung in Unterscheidung von Gut und Böse stellen und Umkehr als Erlösungsangebot verstehen können (16),
mit der gottesdienstlichen, sakramentalen und diakonischen Praxis der Kirche vertraut werden und daran teilhaben (17),
Mündigkeit und Verantwortung gegenüber sich selbst, dem Mitmenschen und der Umwelt (18),
ökumenische und interkulturelle Verständigungsbereitschaft (19),
sich in der Minderheitensituation bewähren (20).
Von dem Lehrer werden folgende Befähigungen und Haltungen erwartet:
a) Befähigungen:
Schülern anhand von Quellentexten eine eigenständige Arbeit und ein qualifiziertes Urteil ermöglichen,
verantwortliche Einschätzung der konkreten didaktischen Situation in der Klasse,
das erzieherische Gefälle und die Schutzbedürftigkeit der Heranwachsenden beachten,
offen sein für die Gegenseitigkeit von Lernprozessen,
Methoden wissenschaftlicher Theologie einbringen,
Methodenvielfalt praktizieren.
b) Haltungen:
Fragen und Suche der Schüler unterstützen,
Verantwortungs- und Vergebungsbereitschaft praktizieren und fördern,
Bereitschaft, über den eigenen Glauben offen zu sprechen,
Bereitschaft, den Glauben im Handeln zu bewähren,
Eingehen auf persönliche Probleme der Schüler,
Gewissensbindungen der Schüler achten,
Reifungsprozesse im Glauben berücksichtigen,
Kontakt mit der eigenen Gemeinde und anderen Gemeinden, sowie mit dem Elternhaus der Schüler pflegen,
mit den Kollegen anderer Fächer zusammenarbeiten (zB fächerübergreifender Unterricht),
aktuelle Anlässe berücksichtigen,
verantwortliche Teilnahme am schulischen Leben.
Evangelischer Religionsunterricht sieht sich im Rahmen des allgemeinen Lehrplans. Unter „aktueller Bezug“ sind Anregungen gegeben, die nicht als endgültige Norm gelesen werden dürfen. Sie sind in der Praxis zu überprüfen und zu erweitern. Zu der jedem Lehrer zustehenden Methodenfreiheit kommt für den evangelischen Religionsunterricht noch die Rücksichtnahme auf die jeweilige theologische, pädagogische und psychologische Position des Lehrers. Anordnung, Gliederung, Akzentuierung, exemplarische Einheiten, Reihenfolge und Stoffauswahl bleiben der Verantwortung der Lehrerin/des Lehrers ebenso anheimgestellt wie die Beachtung ihrer speziellen Unterrichtsgruppen, ihrer speziellen Schule, des Diasporacharakters und des Unterschieds von Unterricht in Großgruppen (Klasse), wie sie die Schüler meist erleben, zum Unterricht in der Kleingruppe mit ganz anderem Sozialcharakter.
Lehrstoff:
1. Klasse:
ICH UND DIE SPRACHE
Ziele:
Die Schüler können
(Vorrangige Ziele)
ihre bisherigen Erfahrungen mit Religion und dem Gebrauch religiöser Begriffe ausdrücken und darüber nachdenken;
den Zusammenhang zwischen religiösen Begriffen und religiöser Praxis verstehen;
und dabei auch die Bedeutung der Kommunikation mit Mitschülern und Lehrern begreifen.
(Weitere Ziele)
Ihre Erwartungen, Wünsche und Befürchtungen in bezug auf den Religionsunterricht bzw. „Religion“ überhaupt ausdrücken.
Inhalte: Religiöse Begriffe, religiöse Sprache – ihre Bedeutung und ihr Gebrauch.
Befähigung/Haltungen: 1, 3-6, 8-10, 12-15, 19.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Bedeutung der Sprache in Selbstdarstellung, Äußern von Gefühlen, Lebensbedürfnissen, Beschreiben von Erfahrungen, Aussprechen von Erwartungen, Wünschen, Befürchtungen, Eingehen auf die Worte der Mitschüler und des Lehrers, Sprache als Mittel der Kommunikation, Sprache und Sprachen, Inländer – Ausländer.
ICH UND DIE BIBEL
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
mit ihrer Bibel und den Karten, Tabellen und Verzeichnissen vertraut werden:
in wesentlichen Grundzügen einen Überblick über Inhalt, Aufbau und Einteilung der Bibel bekommen;
die existentielle Betroffenheit als Ausgangspunkt mündlicher Tradition kennen;
die Geschichte der Entstehung über Überlieferung der Bibel und ihrer Übersetzungen in Grundzügen wissen.
(Weitere Ziele)
den Unterschied von gottesdienstlichem Gebrauch, unterrichtlichem und sonstigen Gebrauch der Bibel verstehen und außerdem für den Mißbrauch der Bibel sensibel werden.
Inhalte: Entstehung und Geschichte der Bibel.
Befähigung/Haltungen: 1, 2, 4-6, 11, 12-15, 19.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Gesprochenes Wort – geschriebenes Wort, Lesen und Bibellesen, Gottesdienst.
ICH UND DIE GESCHICHTE
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Geschichte der Propheten in Grundzügen wissen und deren Bedeutung erkennen;
die Tradition vom Auszug aus Ägypten als Grundgegebenheit biblischen Glaubens erkennen.
(Weitere Ziele)
Die Väterüberlieferungen Israels in ihrer Entstehung, Bedeutung und Überlieferung an einem Beispiel wissen;
die Spannung von Priestertum, Tempel, König einerseits und Propheten andererseits wissen;
die prophetische Aufgabe der Christen kennenlernen als Kritik an ungerechten Verhältnissen und falscher Religion einerseits und als Mitarbeit an mehr Gerechtigkeit und Frieden andererseits;
„Vision“ historisch begreifen und als Ausdruck von Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Kritik an schlechter Gegenwart.
Inhalte: Patriarchen, Exodus, Wüstenzeit, Propheten.
Befähigung/Haltungen: 1, 2, 5, 6, 8-10, 12-15, 19, 20.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Eigene Erfahrungen von Geschichte: Biographie – Geschichte der Eltern – der Familie – der Freunde – der Gemeinde; sich erinnern und Neues wagen; Führungsansprüche und Machtkämpfe; Zustimmung und Widerspruch, für seine Überzeugung eintreten.
ICH UND DIE GEMEINSCHAFT
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die kulturellen, sozialen und religiösen Bedingungen zur Zeit der Landnahme und die daraus entstehenden Konflikte wissen;
die Konflikte um die Einführung des Königtums, sowie die Kritik und die Verheißung für den König kennenlernen.
(Weitere Ziele)
die Verhältnisse vor der Einwanderung in Kanaan kennenlernen;
eine wesentliche Tradition aus der Richterzeit kennenlernen,
den Übergang vom nomadischen Leben Israels zur seßhaften Lebensweise begreifen.
Inhalte: Landnahme, Richter, Könige, Gottesvolk, Bund.
Befähigungen/Haltungen: 1, 3, 9f., 15, 18–20.
Beziehungen zur Lebenswelt der Schüler: Leben in Gemeinschaften (Schulen, Familie, Staat). Umgehen mit anderen, Erkennen und Bewältigen von Konflikten, partnerschaftliche Beziehungen herstellen (sich entschuldigen, fair streiten, bedanken, ermuntern, trösten), Schulklassenbewußtsein, Einüben in Kleingruppengespräche. Spiele.
ICH UND MEINE VERANTWORTUNG
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
diedie Notwendigkeit sozialer Regeln verstehen;
den Beitrag des Glaubens dazu verstehen;
das Wesen von Gesetzestexten und einige exemplarische Traditionen im AT kennenlernen;
die 10 Gebote in ihrer biblischen und kirchlichen Überlieferung wissen;
die Freiheit als Voraussetzung für ethisches Handeln verstehen.
(Weitere Ziele)
die Unterschiede der katechismusartig gebrauchten 10 Gebote im Judentum und in den verschiedenen christlichen Konfessionen kennenlernen;
in Ansätzen die Problematik von Gesetz und Evangelium begreifen lernen.
Inhalte: 10 Gebote, Schöpfung, alte und neue Katechismen.
Befähigung/Haltungen: 1, 3-5, 9-16, 18-20.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Siehe „Ich und die Gemeinschaft“.
ICH UND DIE UMWELT
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
Schöpfung als Verheißungs- und Verantwortungszusammenhang kennenlernen und verstehen, und zwar gegenüber Menschen, Tieren, Pflanzen und unbelebter Schöpfung;
Schöpfung als Auftrag zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung begreifen;
sich selbst als gewolltes, einmaliges, ganzheitliches Geschöpf erleben.
(Weitere Ziele)
die Schöpfungsberichte lesen und deren Unterschiede wissen;
die historische Situation der Schöpfungsberichte kennenlernen und deren Aussage verstehen;
den Unterschied von naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien („wie es wahrscheinlich gewesen ist“) und biblischen Schöpfungsglauben (Sinn der Welt und des Lebens, Verantwortung und Praxis) verstehen.
Inhalte: Schöpfungstexte (Genesis 1 und 2, Psalm 8, 104, 139 ua., Hiob 38f., Jesaja 40).
Befähigungen/Haltungen: 1, 4–6, 10–15, 18.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Ökologie, Weltbilder, Haustiere, Tier – Mensch – Beziehung, Männlichkeit – Weiblichkeit, Evolution, Anthropologie.
WENN WIR FEIERN, DANN BRAUCHEN WIR
Ziele:
Die Schüler können:
Wesen und Bedingungen von Festen und Feiern verstehen;
die historischen und theologischen Beziehungen von Stiftshütte – Erstem und Zweitem Tempel – Synagoge – Kirche – Moschee kennenlernen;
das Kirchenjahr in seinen Bezügen zum jüdischen, moslemischen Jahr und dem Jahresablauf der anderen christlichen Kirche kennenlernen und als Chance zum Feiern begreifen;
Kirchenbau als Ausdruck gelebten Glaubens begreifen.
Inhalte: Stiftshütte, Erster und zweiter Tempel, Synagoge, Kirche, Moschee, Grundformen menschlicher Religiosität, Religionen in Österreich.
Befähigungen/Haltungen: 1, 3–5, 7–10, 12–15, 17, 18–20.
Beziehung zur Lebenswert der Schüler: Kirchenjahr, Feste verschiedener Religionen und Konfessionen (Mitschüler!), Lied, Kirchenmusik, Kirchenraum.
Didaktische Grundsätze:
Das erste Schuljahr ist für die Schüler geprägt von der Notwendigkeit der Einbindung in einen neuen Klassenverband und der Gewöhnung an eine andere Art von Schule (Lehrerwechsel, verschiedene Lehrer in verschiedenen Stunden, neue Mitschüler). Daher ist es auch gekennzeichnet von Unsicherheit. Eine neue Position in der neuen Großgruppe muß gefunden werden. Für den evangelischen Religionsunterricht kommt noch hinzu, daß sich der Schüler an eine neue Kleingruppe gewöhnen muß. Die Erfahrungen mit dem evangelischen Religionsunterricht werden für die Schüler möglicherweise sehr unterschiedlich sein. Daher ist den mitgebrachten Erfahrungen ebensosehr Aufmerksamkeit zu widmen, wie dem unterschiedlichen Wissen. Außerdem könnten einige Schüler bestimmte Sozialformen des Unterrichts kennen (zB Gruppenarbeit, Partnerarbeit), andere nicht. Ebenso muß Raum sein, damit die Schüler ihre sicherlich ganz unterschiedliche religiöse Sozialisation darstellen können. Die Lehrer werden wegen der Kleingruppenstruktur den biographischen Hintergrund der Kinder stärker als die Lehrer anderer Gegenstände mitbekommen und reflektieren müssen. Umgekehrt stehen die Lehrer, besonders in der Anfangsphase, im Zentrum der Aufmerksamkeit der sich bildenden Religionsunterrichtsgruppen. Die Kooperation mit anderen Kollegen legt sich nicht nur wegen inhaltlicher Bezüge nahe, sondern auch wegen der für alle anderen Lehrer bestehenden Notwendigkeit, den Schülern beim Hineinwachsen in die neue Klasse zu helfen.
Lehrstoff:
2. Klasse:
VON JESUS WIRD WEITERERZÄHLT UND AUFGESCHRIEBEN
Ziele:
Die Schüler können:
Inhalt und Umfang des Neuen Testaments kennenlernen und in seinen Gebrauch eingeführt werden;
die Geschichte der Entstehung des Kanons des Neuen Testaments im Überblick kennenlernen;
wissen, daß es auch andere frühchristliche Literatur außerhalb des Kanons gibt;
existentielle Betroffenheit als Grund zur mündlichen und schriftlichen Tradition von Jesus begreifen;
den Unterschied mündlicher und schriftlicher Tradition kennenlernen;
Gattungen mündlicher und schriftlicher Tradition kennenlernen;
Gründe für die schriftliche Redaktion mündlicher Tradition nennen können;
die Evangelien als schriftliche Redaktion begreifen;
die Evangelien in ihren gemeinsamen und unterschiedlichen Intentionen, in ihrem Aufbau und ihren Unterschieden von historischen Quellen begreifen;
die anderen literarischen Gattungen des Neuen Testaments in ihrer Eigenart und ihren Intentionen im Überblick wissen.
Inhalte: Mündliche und schriftliche Tradition, Redaktion, die Evangelien (Sprüche, Gleichnisse, Wundererzählungen, Streitgespräche, Ostertradition), der Kanon und die Apokryphen, die Briefe.
Befähigungen/Haltungen: 1–7, 9, 11, 12–15, 18.
Beziehungen zur Lebenswelt der Schüler: Verkündigung in Medien, Comics, Film, Rundfunk, Fernsehen, Kinderbibeln. Die Bedeutung des Streitens um Kanon und Apokryphe als Auseinandersetzung der Großkirchen, mit Sekten und religiösen Sondergruppen.
JESUS, DER MENSCH
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Hauptinhalte der Lehre Jesu kennenlernen;
die von Jesus überlieferte Lebenspraxis verstehen;
exemplarische Konflikte Jesu, deren Gründe und beteiligte Personen wissen;
die Darstellung des Prozesses Jesu nach den Evangelien in deren theologischer Absicht von der Frage nach der Historizität unterscheiden.
Inhalte: Reich Gottes, Umkehr, Toraverschärfung – Torarelativierung, Jesus und die Jesus-Gruppe, Jesus und „die anderen“ (Sünder, Zöllner, Kranke, Behinderte, Frauen, Kinder ...), die Konflikte Jesu, Bergpredigt, Feindesliebe, Gerechtigkeit, der Prozeß und sein Tod.
Befähigung/Haltungen: 1, 3, 8, 9-11.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Juden und Christen.
ZEIT UND UMWELT JESU
Ziele:
Die Schüler können:
die Datierungsversuche zur Geschichte Jesu und des Urchristentums kennenlernen, die sich auf historische Quellen stützen;
die Schwierigkeiten einer genauen historischen Darstellung des Lebens Jesu und der Geschichte des Urchristentums kennenlernen;
den Zusammenhang der neutestamentlichen Zeitgeschichte mit der Geschichte Israels vorher und nachher wissen;
wirtschaftliche, politische, kulturelle und religiöse Verhältnisse in Palästina zur Zeit Jesu kennenlernen;
Bevölkerungsschichten und Gruppen dieser Zeit kennenlernen.
Inhalt: Geschichte Israels bis heute, Juden und Christen, Neutestamentliche Zeitgeschichte. Datierungsfragen, die Suche nach dem „historischen Jesus“.
Befähigung/Haltungen: 1-3, 6, 12.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Hoffnung oder Resignation; wir und unsere Konflikte, wir und die Randgruppen, Probleme des Überlebens der Menschheit (Frieden, Ökologie, Gerechtigkeit in der Verteilung der Güter). Was kann Christ sein heute bedeuten?
GLAUBEN AN JESUS
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
den Unterschied von historischen Quellen zu der theologischen Intention der neutestamentlichen Schriften begreifen;
begreifen und an Beispielen aus Vergangenheit und Gegenwart verstehen lernen, daß Personen, das Leben, das Sterben und die Auferstehung Jesu immer wieder Glauben, neue Lebenspraxis und Lebensformen hervorgerufen haben;
an Beispielen erfahren, daß es auch nichtchristliche und nichtreligiöse Deutungen von Jesu gibt, die von Betroffenheit bestimmt sind;
die Darstellung des Lebens Jesu in den Evangelien in groben Zügen wissen.
(Weitere Ziele)
das Neue Testament als eine Sammlung mündlicher und schriftlicher Reaktionen des Glaubens an Jesus von Nazareth verstehen lernen;
die unterschiedlichen Auferstehungstraditionen in den Schriften des Neuen Testament in ihren Absichten verstehen lernen;
die unterschiedlichen Traditionen über das Kreuz Jesu kennenlernen;
die Hoheitstitel Jesu in ihrer Herkunft und Bedeutung kennen- und verstehenlernen;
begreifen, daß die Hoheitstitel ausdrücken, welche jeweils aktuelle Bedeutung Jesus für Christen hat.
Inhalte: Ostertraditionen, Hoheitstitel, Judenchristen und Heidenchristen, Jesus und die Geschichte des Christentums.
Befähigungen/Haltungen: 1, 2, 5–7, 12–15, 17.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Jesusdarstellungen in Kunst und Musik der Vergangenheit und Gegenwart, Popkultur, Spirituals.
GEMEINDE JESU
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Tradition von der Geisterfahrung im Neuen Testament kennenlernen;
Geisterfahrung als für die christliche Gemeinde konstitutiv verstehen;
die verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen in der Geschichte des Urchristentums kennenlernen;
wissen, daß es von Anfang an verschiedene Gruppen im Christentum gab.
(Weitere Ziele)
begreifen, daß der Heilige Geist Erinnerung an Jesu Worte, Taten, sein Kreuz und seine Auferweckung bedeutet (und damit Kriterium christlicher Gemeinde ist);
begreifen, daß Heiliger Geist Inkraftsetzung der Lehre, des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu für die jeweilige Gegenwart in ihren sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und historischen Bedingungen bedeutet;
Heiligen Geist ansatzweise als den „Neuschöpfer“ und das „Angeld“ des messianischen Reiches verstehen lernen;
die unterschiedlichen neutestamentlichen Gemeindemodelle kennenlernen;
begreifen, daß Glaube je nach kulturellen, historischen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen unterschiedliche Formen von „Kerygma, Diakonia, Koinonia“ schafft;
den Dialog als angemessene Form sozialen Verhaltens angesichts unterschiedlicher christlicher Konfessionen (Ökumene), verschiedene Gruppen in den Regionen, den Kulturen, dem eigenen Land und in der eigenen Lebenserfahrung begreifen.
Inhalte: Geisterfahrung, Pfingsten, Himmelfahrt, Gruppen im Urchristentum, Christentum in anderen Kulturen, Dialog mit den anderen Religionen.
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 8, 11, 12–16, 18–20.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Streit und Konflikt, Gruppen in der Schulklasse, Gruppen in der Gesellschaft und ihr Umgang miteinander, Ökumene in Österreich und in der übrigen Welt, andere Religionen, Aufgabe der Christen heute, die eigene Pfarrgemeinde und die Kirche, kirchliche Erneuerungsbewegungen.
Didaktische Grundsätze:
Das zweite Schuljahr an AHS könnte für die Schülerinnen und Schüler dadurch gekennzeichnet sein, daß die anfängliche Integrationsprobleme sich beruhigen und das Gruppenklima der Klasse durch feste Rollen sichtbar wird. Abgesehen von der Frage, ob eine phasenorientierte Entwicklungspsychologie ihr Recht hat, ist zu überlegen, ob sich in diesem Schuljahr nicht der Wechsel von der „Mitte der Kindheit“, einem ganzheitlichen Wirklichkeitsverständnis, zur Vorpubertät stattfindet. Existentielle Unsicherheit einerseits und das verstärkte Praktizieren von empirischem Denken und Erfahren der Wirklichkeit werden dann stärker als Gegensatz empfunden. In diesem Schuljahr werden Geschichte und Physik eingeführt. Für den evangelischen Religionsunterricht kann es sehr wichtig sein, naturwissenschaftliches uns historisches Denken und Arbeiten positiv zu würdigen, und gleichzeitig aufzuzeigen, daß die Wirklichkeit des Glaubens dies nicht nur verträgt, sondern daß es im Glauben um existentielle Betroffenheit, um Sinn und Verantwortung geht. Das könnte nicht nur von vornherein wissenschaftlich schon längst als falsch erwiesene Alternativen vermeiden, sondern die Schüler auch stützen und ihnen den Zugang zu einem ganzheitlichen Wirklichkeitsverständnis offen zu halten. Da Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Kleingruppe des evangelischen Religionsunterrichtes anders, weil wegen der Größe der Gruppe viel intensiver stattfindet, können vielleicht Veränderungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler schon viel früher sichtbar werden als in der Großgruppe. Das könnte für den Lehrer bedeuten, gerade mit diesem Hintergrund das Gespräch mit den anderen Klassenlehrern zu suchen, um seine Einschätzung der Gruppe zu ergänzen und zu korrigieren.
Lehrstoff:
3. Klasse:
WIE ENTSTEHT KIRCHE?
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die wesentlichen neutestamentlichen Texte zur Entstehung der Kirche lesen;
die Institution und Wirksamkeit der Kirche auf Jesus und seine Botschaft hin befragen;
Lehre, Leben, Sterben und die Auferweckung Jesu als Kriterium christlicher Selbsterkenntnis auf konkrete Situationen anwenden;
die Berührungspunkte zwischen der eigenen Lebensgeschichte und der Geschichte der Kirche aufzeigen und besprechen.
(Weitere Ziele)
Osterglaube, Geisterfahrung und Christuskult als gestaltbildende Elemente von Kirche wissen;
die unterschiedlichen neutestamentlichen und späteren Konzepte von Kirche und ihrer theologischen Begründung und praktischen Bedeutung kennenlernen;
die Frage nach der existentiellen Bedeutung der neutestamentlichen Texte über Kirche und deren Wirkungsgeschichte für sich selber stellen.
Inhalte: Jesus und seine Jünger/innen, Jesu Tod und Auferweckung, Geisterfahrung, Pfingsten, unterschiedliche Gemeindemodelle im Neuen Testament und in der Kirchengeschichte.
Befähigungen/Haltungen: 1–3, 5, 7, 8, 15–18.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Ich bin getauft, Konfirmation. Wie entsteht heute Kirche?
WIE ORGANISIERT SICH KIRCHE?
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
erste Glaubensbekenntnisse und Texte vom Tun aus Glauben im Neuen Testament und aus der Geschichte des Christentums lesen und verstehen;
Bekenntnis, Gemeindebildung und christliche Praxis als Antwort auf Geisterfahrung kennenlernen;
den Zusammenhang der Ämter in der Kirche mit der Aufgabe der Kirche in der Gesellschaft erkennen (zB Diakonie – Eintreten der Kirche für die Schwachen).
(Weitere Ziele)
dauernde Organisationsprobleme der Christen und ihre Hintergründe verstehen (Charisma – Institution, Enthusiasmus – geschichtliche Kontinuität);
die unterschiedlichen Gemeindekonzepte im Neuen Testament kennen und deren Unterschiede und Konflikte verstehen;
die historischen und theologischen Gründe der Kanonsbildung, der Formulierung fester Bekenntnisformeln und der Herausbildung des Amtes der Kirche wissen;
den konstitutiv sprachlich-kommunikativen und sozialen Charakter des christlichen Glaubens verstehen.
Inhalt: Jünger/Apostel/Diakone; Paulinische Gemeinde (ein Leib Christi – viele Gaben); Johanneische Gemeinde (Gemeinschaft aus der Liebe Gottes), Frühkatholizismus (Herausbildung des Bischofamtes, Hinausdrängung der Frau).
Befähigung/Haltung: 1-3, 5, 7-15, 17.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Neue Glaubensbekenntnisse, Schwarze Theologie, Basisgemeinden, neue Gemeindeformen, Ämter in der Kirche, Mitverantwortung in der Gemeinde. Und siehe „Gemeinde Jesu“
2. Klasse.
KIRCHE UND STAAT
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
den Konflikt Jesu mit den politischen und religiösen Autoritäten als maßgebenden Markstein für Kirche wissen;
die vielfältigen Konflikte von Christen mit den religiösen und politischen Autoritäten im Laufe der Geschichte kennenlernen;
die Bedeutung der „konstantinischen Wende“ für die weitere Geschichte des Christentums begreifen;
die Frage nach der Bedeutsamkeit christlichen Handelns in aktuellen politischen Verhältnissen stellen und diskutieren;
(Weitere Ziele)
Papismus, Cäsaropapismus, Theokratie und die verschiedenen Ausformungen der Zwei Schwerter-Theorie in der Kirchengeschichte kennenlernen und diskutieren;
neuere Versuche der theologischen Ethik und Politik kennenlernen, das Verhältnis von Kirche und Staat zu bestimmen;
die unterschiedlichen historischen Entwicklungen in der Ost- und Westkirche in Grundzügen wissen;
die Bedeutsamkeit der unterschiedlichen Konzepte des Verhältnisses von Staat und Kirche für die ökumenischen Bemühungen verstehen.
Inhalte: Christenverfolgungen, Konstantin, Kirche und Macht, Konzilien, Cäsaropapismus/Papismus/Theokratie, Zwei-Schwerte/Zwei Reiche/Zwei Regimenter – Lehre, Byzanz – Moskau, Papsttum, Barmer Theologische Erklärung, Ökumenischer Rat der Kirchen, Widerstand, Revolution oder Gehorsam?
Befähigung/Haltungen: 1-3, 5, 7, 9-15, 19.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Evangelisch in Österreich, Christen in Österreich, öffentliche Äußerungen der Kirchen. Gibt es eine „christliche“ Politik?
KIRCHE UND ANDERE RELIGIONEN
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
lernen, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, nach Gott und Lebenssinn zu fragen;
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Religionen wissen;
Haß auf den „anderen“ und Antijudaismus als dem christlichen Glauben widersprechend erkennen.
(Weitere Ziele)
lernen, daß der Maßstab zur Beurteilung von Religionen nicht in erster Linie in der eigenen Religion, sondern im Maßstab liegt, ob und inwieweit Religion der Identität eines Menschen und der Vermenschlichung der Gesellschaft dient;
die Entstehung, Theorie und Praxis bedeutsamer Religionen für Identität, zwischenmenschliches und politisches Verhalten untersuchen und wissen;
Gründe und Ausformungen des spezifisch christlichen Antijudaismus in Vergangenheit wissen und durchschauen;
ideologischen Mißbrauch von Religionen kennenlernen und diskutieren;
Alternativen zum Umgang mit „anderen“ in allen Lebensdimensionen erfragen.
Inhalte: Judentum – Christentum – Islam; andere große Religionen; Hinduismus, Buddhismus, neue Religionen; religiöser Antijudaismus vom NT bis heute – „Antisemitismus“ aus anderen Gründen; Kreuzzüge, Islam, Dschihad.
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 8–15, 18f.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Begegnung mit ausländischen Mitschülern, interkulturelles Lernen, Gastarbeiter, Asylanten, Fremdenhaß.
KIRCHE UND KETZER
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
erkennen, daß Gruppenbildung auch Ausgrenzung anderer und ihre Bezeichnung als „andersartig“ bedeuten kann;
einsehen, daß Feindbilder nicht der wirklichen Identität einer Gruppe dienen;
verstehen lernen, daß nicht nur einzelne, sondern auch Gruppen, Volks- und Glaubensgemeinschaften Buße tun müssen, um für die Gegenwart und Zukunft frei zu werden;
wissen, daß die kirchenkritischen Bewegungen das arme Leben Jesu und der Apostel, Jesu Machtlosigkeit und die Predigt der Bibel in der Landessprache als Maßstäbe für die Erneuerung der Kirche ansahen;
Projektionsmechanismen und Diskriminierungen auch in der eigenen Mitwelt wahrnehmen:
(Weitere Ziele)
an Beispielen aus der Kirchengeschichte erkennen, wie oft sich die Unfähigkeit zu Reue und Buße wiederholt hat;
den Wiederholungszwang als Folge kollektiver Verleugnung einer schuldhaften Vergangenheit verstehen;
historische Beispiele für Sündenbocksuche und -verfolgung in Kirche und Gesellschaft kennenlernen;
Meinungen und Urteile als interessensbestimmt sehen;
Grundlagen und Phasen der Inquisition kennen sowie Parallelen in der Gegenwart aufsuchen;
einsehen, daß die Kirchen durch den Geist Christi zu permanenter Erneuerung ihrer Lehre und ihres Lebens verpflichtet sind.
Inhalte: Kirche an der Macht, „Ketzer“ in der frühen Zeit und im Mittelalter, innerkirchlicher Reformbewegungen, Hexenverfolgungen, radikale Randgruppen und Sekten als Antwort auf die Mängel in Lehre und Leben in der Kirche.
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 7–15, 18–20.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Graffiti, jugendlicher Randgruppen, Verketzerungen und Aussteiger; als religiöse Minderheit leben.
DIE ERNEUERUNG DER KIRCHE (REFORMATION)
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Gerechtmachung des Gottlosen allein aus Glauben und allein durch Jesus Christus als zentrales theologisches Motiv der Reformation kennenlernen, verstehen und auch aktuell und existentiell erfahren und anwenden;
die Folgen dieser Erkenntnis für die Ekklesiologie erkennen;
die theologische und sprachgeschichtliche Bedeutung der Bibel und der Bibelübersetzungen kennenlernen;
umstrittene Punkte der Reformationsgeschichte diskutieren;
die Geschichte der Evangelischen Kirche in Österreich in ihrer Eigenart wissen.
(Weitere Ziele)
die historischen, kulturellen, gesellschaftlichen, ökonomischen und theologischen Gründe für die Reformation kennenlernen,
die Biografien der Reformatoren in Grundzügen wissen;
die Unterschiede zwischen den verschiedenen Strömungen der Reformation in Grundzügen wissen;
innerevangelische Konflikte und ihre Lösungen kennen;
die Verbindung von religiösen Aussagen und Tätigkeiten mit anderen Interessen durchschauen und anwenden;
die Bedeutung reformatorischer Tradition als Hinweis auf Christus in seiner aktuellen Bedeutung verstehen;
die ständige Erneuerung kirchlicher Theorie und Praxis als evangelischen Auftrag verstehen.
Inhalte: Luther, Calvin, Zwingli, Müntzer, Bauernkriege, Luther und die Juden, neues Gottesbild, neuer Gottesdienst, neues Verhältnis zur Politik, Bibel und Übersetzungen.
Befähigungen/Haltungen: 1–3, 7–20.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Evangelisch in Österreich, Erziehung, Leistungsgesellschaft, Unterscheidungen der Kirchen und ökumenische Bemühungen, Leuenberger Konkordie, Gewaltfrage, landläufige Kirchenkritik.
Didaktische Grundsätze:
Mit den Vorschlägen für die dritte und vierte Klasse steht in besonderer Weise der Kirchengeschichtsunterricht zur Debatte. Fachdidaktisch sind unterschiedliche Konzepte denkbar, die eine Vermittlung kirchengeschichtlicher Inhalte nach bestimmten Anschauungen von der Geschichte des Christentums beabsichtigen (zB heilsgeschichtlich, sozialgeschichtlich usw.). Wenn allgemein gilt, daß nur vermittelt werden kann, wovon der Lehrer selbst überzeugt und unterrichtet ist, so werden Schüler, die in der Pubertät sind, ganz besonders auf Glaubwürdigkeit und Sachkompetenzen achten. Auch wenn die phasenorientierte Entwicklungspsychologie nicht schematisch angewendet werden kann und auf die konkrete Lerngruppe geachtet werden muß, sollte doch auf ein verstärktes Hinterfragen alles Überlieferten durch die Schüler geachtet werden. Gerade das Thema Kirchengeschichte verbalisiert die Problematik der Auseinandersetzung mit allem Überlieferten. Da Schülern dieser Altersstufe erfahrungsgemäß der Zugang zur Geschichte nicht leicht fällt, ist besonders auf die aktuelle Bezugnahme, auf ihre Lebenswelt zu achten.
Lehrstoff:
4. Klasse:
GLAUBE FÜR DIE WELT
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Phasen der Missionsgeschichte in ihrer Charakteristik begreifen und diskutieren;
die Verbindung von Glauben, Wirtschaft und Politik erkennen und durchschauen;
verstehen, daß die Kirche nur Kirche ist als Instrument Gottes.
(Weitere Ziele)
verstehen, daß Kirche gesandt ist, der Sendung Gottes in die Welt zu folgen;
verstehen, daß Kirche nur Kirche ist, wenn sie für andere da ist;
siehe auch Ziele zu „Kirche und anderen Religionen“ 3. Klasse.
Inhalte: Missionsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart (zB Apostelgeschichte, Anfänge des Christentums in Österreich, Germanen, Lateinamerika, Afrika ...), Dialog mit den anderen Weltreligionen, Mission und Entwicklungshilfe, -politik, Kirche und Weltwirtschaftsordnung.
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 8–15, 18f.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Missionarische Praktiken von Sekten, Umgang mit anderen Überzeugungen und Kulturen, aktuelle Beispiele aus der Zeitgeschichte.
GLAUBE IN DER KIRCHE
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die Bedeutung des historischen Glaubens für das eigene Leben erfragen;
den sozialen Bezug des christlichen Glaubens erkennen;
eigene positive und negative Erfahrungen mit Kirche besprechen und bewältigen;
Modelle gelebten Christenseins in der näheren und ferneren Umwelt kennenlernen und verstehen.
(Weitere Ziele)
die Beziehung von Glauben und Gemeindebildung verstehen;
die Gemeinde als unverzichtbares Element des christlichen Glaubens verstehen;
die unterschiedlichen theologischen Konzepte von Gemeinde im Neuen Testament, in der Geschichte des Christentums und in der Gegenwart bzw. deren Konsequenzen in der Praxis kennenlernen und verstehen;
Ursachen und Auswirkungen der Säkularisierung für das Leben der Kirche kennenlernen und diskutieren.
Inhalte: Evangelische Kirche in Österreich, Kirche in Afrika, Asien, Lateinamerika, Nordamerika; ÖRK; Wirkungsgeschichte der Reformation; Allgemeines Priestertum; Gottesdienst und Aktion; Ämter in der Kirche; lebendige Gemeinde und Volkskirche. Warum sind Menschen in der Kirche?
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 8–20.
GLAUBE UND SOZIALE FRAGE
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
Beispiele aus der Geschichte der Diakonie genauer besprechen;
über neue Aufgaben der Diakonie in einer veränderten Welt nachdenken;
Möglichkeiten diakonischen Handelns für sich selber entdecken;
(Weitere Ziele)
die vielfachen biblischen und theologischen Begründungen sozialen Handelns aus Glaube kennenlernen und in ihrer praktischen Auswirkung diskutieren;
vergangene und gegenwärtige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Marxismus und Diakonie in der Analyse sozialer Probleme und deren Behebung kennen und diskutieren;
Möglichkeiten der Zusammenarbeit staatlicher und kirchlicher Stellen wissen und kennenlernen.
Inhalte: Geschichte der Diakonie, Einrichtungen und Einzelpersonen (zB Wichern, Bodelschwingh, Gallneukirchen, Waiern uvm.) Ursachen beseitigen oder Folgen lindern?
Befähigungen/Haltungen: 1–3, 6, 8–19.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Behinderte, Gastarbeiter, Heimkinder, Alte, jugendliche Randgruppen, Krankheit, Leiden und Sterben, Euthanasie.
GLAUBE UND DENKEN
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
Möglichkeiten der Verbindung von Glaube, Erkenntnis und Ethik kennenlernen und für sich selber diskutieren;
Glauben, Wissen und Handeln als unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit verstehen und unterscheiden können;
(Weitere Ziele)
den Unterschied zwischen Beschreibung von Fakten und Aussagen über Sinn und Verantwortung kenn- und verstehenlernen;
wesentliche Phasen und Persönlichkeiten der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft kennenlernen;
aktuelle Positionen der Frage Glaube und Naturwissenschaft kennen und diskutieren;
die wesentliche Verbindung zwischen Erkenntnis, Glaube und Ethik kennenlernen und für sich selber diskutieren;
nachvollziehen, daß auch Erwachsene glauben und daraus handeln können;
eigene Möglichkeiten erkennenden und verantwortungsvollen Handelns aus Glauben erfragen.
Inhalte: Kepler – Galilei – Pascal – Darwin, Aufklärung, Kreatianismus oder Evolution? Fundamentalismus oder historischkritische Bibellektüre? Glaube und Denken, Kinderglaube und Erwachsenenglaube, Schöpfungstexte und -glaube, Ökologie und Ethik.
Befähigungen/Haltungen: 1–6, 8–15, 18f.
Beziehung zum Leben der Schüler: Kritische Fragen an den Kinderglauben, kritischer Konsum, Ökologie im Haushalt, Suche nach eigenständigem Ausdruck des Glaubens, Faszination der Technik.
GLAUBE UND POLITIK
Ziele:
Die Schüler können:
(Vorrangige Ziele)
die vielen biblischen und theologischen Begründungsmodelle für ein politisches Handeln des einzelnen und der Kirchen kennenlernen und verstehen;
(Weitere Ziele)
erkennen, daß jedes menschliche Handeln auf das Zusammenleben der Menschen bezogen ist;
erkennen, daß in religiösen Aussagen immer auch politische Optionen stecken;
ideologischen Mißbrauch von Religion und bewußtes politisches Argumentieren und Handeln aus Glauben unterscheiden lernen;
siehe „Kirche und Staat“ 3. Klasse.
Inhalte: Christenverfolgung, Konstantin, Kirche und Macht, Konzilien, Cäsaropapismus/Papismus/Theokratie, Zwei-Schwerte/Zwei-Reiche/Zwei-Regimenter – Lehre, Byzanz – Moskau, Papsttum, Barmer Theologische Erklärung, Ökumenischer Rat der Kirchen, Widerstand, Revolution oder Gehorsam?, Karl der Große, Investiturstreit, Kreuzzüge, Inquisition, Reformation, Säkularisierung; Kirche und Kolonialismus, Kirche und Faschismus, Kirche in der 3. Welt, Modelle gelebten Christseins.
Befähigungen/Haltungen: 1, 2, 4, 5, 8–16, 18f.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit; tagespolitische Themen, Stellungnahme der Kirchen zu aktuellen Themen, Politik mit dem Einkaufskorb.
GLAUBE UND NEUE RELIGIOSITÄT (ERWEITERUNGSMÖGLICHKEIT)
Ziele:
Die Schüler können:
Phänomene neuer Religiosität und deren Ursachen erforschen und begreifen;
Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den religiösen Bedürfnissen und der christlichen Tradition herausarbeiten;
die unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten religiöser Phänomene kennenlernen und verstehen;
die befreiende oder unterdrückerische Rolle von Religion für Individuen und Gruppen wissen und diskutieren;
lernen, daß es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, nach Gott als Sinn des Lebens zu fragen und daraus zu leben;
Konfliktebenen zwischen kirchlich verfaßtem Christentum und anderen religiösen Sondergruppen kennenlernen und begreifen;
einen eigenen Standpunkt in der religiösen Szene der Gegenwart beziehen.
Inhalte: „Großkirche“ und „Sekte“; „alte“ und „neue“ Sekten; Formen der Verschmelzung verschiedener religiöser Traditionen.
Befähigungen/Haltungen: 1–5, 8–15, 18f.
Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Siehe Inhalte, aktuelle religiöse Gruppen und Konflikte.
GLAUBE ALS HILFE ZUM LEBEN
Ziele:
Die Schüler können:
den christlichen Glauben als Lebenshilfe für individuelle, soziale und politische Probleme verstehen;
eigene Probleme und Fragen artikulieren und Antworten des Glaubens dafür diskutieren;
die Bedeutung des christlichen Glaubens für ihr eigenes Leben erfragen;
wichtige Informationen zu Lebensfragen einholen.
Inhalte/Beziehung zur Lebenswelt der Schüler: Arbeit und Beruf, Arbeitslosigkeit, Sexualität, Partnerschaft, Ehe, Drogen, Medien, Technisierung, Ökologie, Zivildienst oder Waffengebrauch.
Befähigungen/Haltungen: 1f., 5f., 8–19.
Didaktische Grundsätze:
Wie für die dritte, ist auch für die vierte Klasse die Lebensphase der Pubertät bei den Schülern zu beachten. Außerdem ist für viele Schüler dieses Schuljahr ein Jahr des Nachdenkens über Schulwechsel und Berufswahl. Verunsicherung und Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens sowie nach lebbaren Konkretionen stehen im Vordergrund. Möglicherweise versuchen auch die Kollegen in den anderen Gegenständen, die Schüler auf den Schulwechsel oder den Übertritt ins Berufsleben vorzubereiten und auch die damit verbundenen existentiellen Fragen aufzugreifen. Traditionell werden die 14jährigen von ihren Gemeinden wegen des Konfirmandenunterrichts und wegen der Konfirmation angeschrieben. Damit stellt sich die Frage nach den religiösen und kirchlichen Erfahrungen intensiv. Es ist wichtig, die Gemeinsamkeit und Unterschiede zwischen schulischen und kirchlichem Unterricht aufzuzeigen, der Frage nach der Bedeutung des christlichen Glaubens und kirchlichen Lebens für das gegenwärtige und zukünftige Leben der Schüler nachzugehen.