(Übersetzung)
Anlage zum Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929.
Mustervereinbarung, betreffend die unmittelbare Heimsendung der Kriegsgefangenen und ihre Unterbringung in neutralem Lande aus gesundheitlichen Gründen.
I. Leitende Gesichtspunkte für die unmittelbare Heimsendung und für die Unterbringung in neutralem Lande.
A. Leitende Gesichtspunkte für die unmittelbare Heimsendung.
Es werden unmittelbar heimgesandt:
1.Ziffer eins Kranke und Verwundete, deren Wiederherstellung nach ärztlicher Voraussicht innerhalb Jahresfrist nicht erwartet werden kann, wenn ihr Zustand Behandlung erfordert und ihre geistige oder körperliche Leistungsfähigkeit in erheblichem Maße beeinträchtigt erscheint;
2.Ziffer 2 unheilbar Kranke und Verwundete, deren geistige oder körperliche Leistungsfähigkeit in erheblichem Maße beeinträchtigt erscheint;
3.Ziffer 3 geheilte Kranke und Verwundete, deren geistige oder körperliche Leistungsfähigkeit in erheblichem Maße beeinträchtigt erscheint.
B. Leitende Gesichtspunkte für die Unterbringung in neutralem Lande.
Untergebracht werden:
1.Ziffer eins Kranke und Verwundete, deren Heilung innerhalb Jahresfrist zu erwarten ist, wenn diese Heilung durch die in neutralem Lande zur Verfügung stehenden Mittel schneller und sicherer erscheint als bei Fortdauer der eigentlichen Kriegsgefangenschaft;
2.Ziffer 2 Kriegsgefangene, die in ihrer körperlichen oder geistigen Gesundheit durch die Fortdauer der Kriegsgefangenschaft nach ärztlichem Ermessen ernsthaft gefährdet erscheinen, dagegen voraussichtlich durch die Unterbringung in neutralem Lande dieser Gefährdung entzogen werden können.
C. Leitende Gesichtspunkte für die Heimsendung der in neutralem Lande Untergebrachten.
Heimgesandt werden die in neutralem Lande untergebrachten Kriegsgefangenen, die nachstehenden Kategorien angehören:
1.Ziffer eins solche, deren Zustand sich so erweist oder gestaltet, daß sie in die Kategorien der aus Gesundheitsrücksichten Heimzusendenden fallen;
2.Ziffer 2 Geheilte, deren geistige oder körperliche Leistungsfähigkeit in erheblichem Maße beeinträchtigt erscheint.
II. Besondere Gesichtspunkte für die unmittelbare Heimsendung und für die Unterbringung in neutralem Lande. A. Besondere Gesichtspunkte für die Heimsendung.römisch II. Besondere Gesichtspunkte für die unmittelbare Heimsendung und für die Unterbringung in neutralem Lande. A. Besondere Gesichtspunkte für die Heimsendung.
Es werden heimgesandt:
1.Ziffer eins alle Kriegsgefangenen mit folgenden tatsächlichen oder funktionellen auf organischen Verletzungen beruhenden
Veränderungen: Gliederverlust, Lähmungen, Gelenkveränderungen und dergleichen, sofern der Schaden mindestens einen Fuß oder eine Hand betrifft oder dem Verlust einer Hand oder eines Fußes gleichkommt;
2.Ziffer 2 alle verwundeten oder verletzten Kriegsgefangenen, deren Zustand ein Siechtum bedeutet, dessen Heilung nach ärztlichem Ermessen innerhalb Jahresfrist nicht zu erwarten ist;
3.Ziffer 3 alle Kranken, deren Zustand ein Siechtum bedeutet, dessen Heilung nach ärztlichem Ermessen innerhalb Jahresfrist nicht zu erwarten ist.
In diese Kategorie fallen insbesondere:
fortgeschrittene Tuberkulose irgendwelcher Organe, welche nach ärztlichem Ermessen durch eine Kur in neutralem Lande nicht mehr geheilt oder wenigstens erheblich gebessert werden kann;
nichttuberkulose Erkrankungen, voraussichtlich unheilbarer Natur, der Atmungsorgane (so vor allem hochgradiges Emphysem mit oder ohne Bronchitis, Bronchiektasien, schweres Asthma, Gasvergiftung usw.);
schwere chronische Erkrankungen der Zirkulationsorgane (so Herzklappenfehler mit Neigung zu Kompensationsstörungen, schwere Herzmuskel-, Herzbeutel- und Gefäßerkrankungen, insbesondere inoperable Aneurysmen großer Gefäße usw.);
schwere chronische Erkrankungen der Verdauungsorgane;
schwere chronische Erkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane, so vor allem alle Fälle von nachgewiesener chronischer Nephritis mit vollem Symptomenbild und insbesondere bei bereits vorhandenen Veränderungen von Herz und Gefäßen, chronische Pyelitis und Zystitis usw.;
schwere chronische Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, so vor allem schwere Neurasthenie und Hysterie, alle Fälle von sicher nachgewiesener Epilepsie, schwerer Basedow usw.;
Blindheit beider oder Blindheit eines Auges, wenn die Sehschärfe des anderen nicht auf 1 zu korrigieren ist;
Verminderung der Sehschärfe, wenn diese nicht auf wenigstens einem Auge auf 1/2 zu korrigieren ist; andere in diese Kategorie fallende Augenerkrankungen (Glaukom, Iritis, Chorioiditis usw.);
totale Taubheit auf beiden Ohren oder totale Taubheit auf einem Ohr, wenn auf dem anderen die gewöhnliche Sprechstimme auf 1 m nicht mehr gehört wird;
alle unzweifelhaften Fälle geistiger Störungen;
schwere Fälle chronischer Metall- und anderer Vergiftungen (Blei, Quecksilber, Morphium, Kokain, Alkohol, Gase usw.);
chronische Erkrankungen der Fortbewegungsorgane (Arthritis deformans, Gicht, Rheumatismus mit klinisch nachweisbaren Organveränderungen), wenn die Erkrankungen schwer sind;
alle bösartigen Neubildungen, sofern sie nicht durch verhältnismäßig leichte operative Eingriffe ohne Lebensgefahr beseitigt werden können;
alle Fälle von Malaria mit nachweisbaren Organveränderungen (chronische erhebliche Vergrößerung von Leber oder Milz, Kachexie usw.);
schwere chronische Hautkrankheiten, sofern ihre Art nicht die Unterbringung in neutralem Lande ärztlich angezeigt erscheinen läßt;
alle schweren Krankheiten, die auf Fehlen der Vitamine in der Nahrung beruhen (Beriberi, Pellagra, chronischer Skorbut).
B. Besondere Gesichtspunkte für die Unterbringung in neutralem Lande.
Die Kriegsgefangenen müssen in neutralem Lande untergebracht werden, wenn sie nachstehende Krankheiten haben:
1.Ziffer eins Alle Formen von Tuberkulose irgendwelcher Organe, die nach den bestehenden ärztlichen Erfahrungen durch die in neutralem Lande zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (Hochgebirge, Sanatoriumsbehandlung usw.) der Heilung oder wenigstens erheblichen Besserung zugeführt werden können.
2.Ziffer 2 Alle Formen von behandlungsbedürftigen Erkrankungen der Atmungs-, Zirkulations-, Verdauungs-, Urogenital-, Nerven-, Sinnes-, Fortbewegungs- und Hautorgane, jedoch unter der Bedingung, daß diese Krankheitserscheinungen nicht unter die für die unmittelbare Heimsendung bestimmten Kategorien fallen oder zu voraussichtlich glatt in Heilung übergehenden eigentlichen akuten Krankheiten gehören. Gemeint sind in diesem Absatz solche Krankheiten, bei denen die Anwendung der in neutralem Lande verfügbaren Heilfaktoren wesentlich bessere Aussichten zur Heilung des Patienten bietet als die Behandlung in der Gefangenschaft.
Insbesondere sind die durch die Kriegsereignisse oder die Gefangenschaft selbst verursachten oder ausgelösten nervösen Störungen in Berücksichtigung zu ziehen, wie die sogenannten Stacheldraht- oder Gefangenschaftspsychosen und dergleichen.
Alle derartigen, gehörig festgestellten Fälle sollen zur Unterbringung in neutralem Lande führen, soweit sie nicht wegen ihrer Schwere oder ihres konstitutionellen Charakters die unmittelbare Heimschaffung begründen.
Bei Fällen von sogenannter Stacheldraht- oder
Gefangenschaftspsychose oder Neurose, welche nach dreimonatigem Aufenthalt in neutralem Lande nicht geheilt sind oder sich nicht sichtlich auf dem Wege zur endgültigen Heilung befinden, muß Heimsendung erfolgen.
3.Ziffer 3 Alle Verwundungen, Verletzungen oder deren Folgen, die in neutralem Lande bessere Aussichten auf Heilung haben als in der Gefangenschaft, soweit sie nicht die unmittelbare Heimschaffung begründen oder nicht unerheblich sind.
4.Ziffer 4 Alle Fälle von gehörig festgestellter Malaria ohne klinisch nachweisbare Organveränderungen (chronische Leber- und Milzschwellung, Kachexie usw.), wenn für deren endgültige Heilung der Aufenthalt in neutralem Lande besonders günstige Aussicht bietet.
5.Ziffer 5 Alle Fälle von Vergiftungen (insbesondere durch Gase, Metalle, Alkaloide), für welche die Heilungsaussichten in neutralem Lande besonders günstig sind.
Von der Unterbringung in neutralem Lande sind ausgeschlossen:
1.Ziffer eins Alle gehörig festgestellten Geisteskrankheiten.
2.Ziffer 2 Alle als unheilbar geltenden organischen und funktionellen Nervenkrankheiten (diese beiden Kategorien gehören zu denjenigen, die zur unmittelbaren Heimsendung berechtigen).
3.Ziffer 3 Schwerer chronischer Alkoholismus.
4.Ziffer 4 Alle ansteckenden Krankheiten im Stadium der Übertragbarkeit (die akuten Infektionskrankheiten, Lues I und II, Trachom, Lepra usw.).Alle ansteckenden Krankheiten im Stadium der Übertragbarkeit (die akuten Infektionskrankheiten, Lues römisch eins und römisch II, Trachom, Lepra usw.).
III. Allgemeine Bemerkungen.römisch III. Allgemeine Bemerkungen.
Die oben festgesetzten Bedingungen sollen im allgemeinen in möglichst weitherziger Weise ausgelegt und angewendet werden.
Diese Weitherzigkeit der Auslegung soll insbesondere bei den durch die Kriegsereignisse oder die Gefangenschaft selbst hervorgerufenen oder ausgelösten neurotischen und psychopathischen Zuständen (Gefangenschaftspsychose) sowie für die Tuberkulose in allen Stadien angewendet werden.
Es ist selbstverständlich möglich, daß den Lagerärzten und gemischten Ärztekommissionen eine Menge Fälle vorgeführt werden, die unter den in Ziffer II angeführten Beispielen nicht erwähnt sind oder die sich diesen Beispielen nicht anpassen lassen. Die Beispiele sind daher nur als besonders typisch angeführt worden; von einer analogen Aufstellung chirurgischer Beispiele ist deshalb Abstand genommen worden, weil, abgesehen von den ohne weiteres klaren Fällen, wie Amputierte und dergleichen, besondere Typen schwer aufzustellen sind; die Erfahrung hat gezeigt, daß eine Aufstellung dieser Einzelfälle sich in der Praxis als nachteilig erwiesen hat.Es ist selbstverständlich möglich, daß den Lagerärzten und gemischten Ärztekommissionen eine Menge Fälle vorgeführt werden, die unter den in Ziffer römisch II angeführten Beispielen nicht erwähnt sind oder die sich diesen Beispielen nicht anpassen lassen. Die Beispiele sind daher nur als besonders typisch angeführt worden; von einer analogen Aufstellung chirurgischer Beispiele ist deshalb Abstand genommen worden, weil, abgesehen von den ohne weiteres klaren Fällen, wie Amputierte und dergleichen, besondere Typen schwer aufzustellen sind; die Erfahrung hat gezeigt, daß eine Aufstellung dieser Einzelfälle sich in der Praxis als nachteilig erwiesen hat.
Alle Fälle, welche in die angeführten Beispiele nicht genau hineinpassen, sind sinngemäß nach den aufgestellten leitenden Gesichtspunkten zu beurteilen.