Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext WI-10/80 WI-33/80

Entscheidungsart

Beschluss

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

8975

Geschäftszahl

WI-10/80; WI-33/80

Entscheidungsdatum

01.12.1980

Index

36 Wirtschaftstreuhänder
36/01 Wirtschaftstreuhänder

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Wirtschaftstreuhänder-KammerG §11 Abs1
Wirtschaftstreuhänder-KammerG §14
Wirtschaftstreuhänder-KammerG §15
  1. B-VG Art. 141 heute
  2. B-VG Art. 141 gültig ab 01.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016
  3. B-VG Art. 141 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  4. B-VG Art. 141 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  5. B-VG Art. 141 gültig von 01.04.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 12/2012
  6. B-VG Art. 141 gültig von 01.01.2004 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  7. B-VG Art. 141 gültig von 01.01.1995 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 1013/1994
  8. B-VG Art. 141 gültig von 01.07.1989 bis 31.12.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  9. B-VG Art. 141 gültig von 01.01.1989 bis 30.06.1989 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  10. B-VG Art. 141 gültig von 01.10.1975 bis 31.12.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 409/1975
  11. B-VG Art. 141 gültig von 07.02.1958 bis 30.09.1975 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 12/1958
  12. B-VG Art. 141 gültig von 19.12.1945 bis 06.02.1958 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  13. B-VG Art. 141 gültig von 05.04.1931 bis 30.06.1934 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 103/1931
  14. B-VG Art. 141 gültig von 03.01.1930 bis 04.04.1931

Leitsatz

Art141 Abs1 lita B-VG, Wahl in den Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist keine Wahl zu einem satzungsgebenden Organ einer gesetzlichen beruflichen Vertretung

Spruch

Die Wahlanfechtungen werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

römisch eins.1. Am 19. April 1980 fand eine Wahl in den Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder statt, an der ua. die anfechtende Interessengemeinschaft für unabhängige Standespolitik der Wirtschaftstreuhänder (künftig: IUS) teilnahm. Gestützt auf Art141 Abs1 lita B-VG und §67 VerfGG ficht die IUS diese Vorstandswahl mit der zu WI-10/80 protokollierten Eingabe unmittelbar beim VfGH an. Die Anfechtung wird auf behauptete Rechtswidrigkeiten gestützt, die auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen seien.

2. Im Hinblick auf einen in der Wahlordnung für die Durchführung der Wahlen der Kammerorgane der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorgesehenen Instanzenzug erhob die IUS, obwohl nach ihrer Ansicht dieser Instanzenzug weder im Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz vom 10. Dezember 1947, Bundesgesetzblatt 20 aus 1948, idgF (künftig: WT-KG) noch im B-VG eine Deckung finde, "vorsichtshalber" Einspruch gegen das Wahlergebnis an die Hauptwahlkommission. Mit Bescheid vom 27. Mai 1980 wies diese den Einspruch ab. Die dagegen von der IUS erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 24. Juli 1980, Ziffer 38 Punkt 601 /, 3 -, römisch III /, 10 /, 80,, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhebt die IUS Beschwerde gemäß Art144 B-VG, welche den Gegenstand des beim VfGH zu B396/80 anhängigen Verfahrens bildet.

3. Die IUS ficht die Wahl in den Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder überdies auch noch unter Einbeziehung des unter

2. genannten, das Wahlverfahren abschließenden Bescheides des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 24. Juli 1980 gemäß Art141 B-VG an; diese Anfechtung ist beim VfGH zu WI-33/80 protokolliert. Auch hier werden - ua. - die in der zu WI-10/80 protokollierten Anfechtung vergleiche oben 1.) vorgebrachten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens geltend gemacht und behauptet, daß sie auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen seien.

römisch II.1. Nach Art141 Abs1 B-VG erkennt der VfGH ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern und zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen sowie über Anfechtungen von Wahlen in die Landesregierung und in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde.

Die Möglichkeit, Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen beim VfGH anzufechten, wurde durch das Bundesverfassungsgesetz vom 22. Jänner 1958, Bundesgesetzblatt 12, eröffnet. Die Materialien (315 BlgNR römisch VIII. GP) verweisen hiezu auf die Forderung,

"daß auch die Wahlen zu den gesetzlichen Interessenvertretungen, die in der Gestaltung des Wahlverfahrens den Wahlen zu den territorialen Selbstverwaltungskörperschaften weitestgehend angeglichen sind, in gleicher Art wie die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern nach Art141 des Bundes-Verfassungsgesetzes beim VfGH angefochten werden können. ... Gegenstand der Wahlanfechtung bei den beruflichen Vertretungen (gesetzlichen Interessenvertretungen) sollen lediglich die Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) dieser Einrichtungen bilden. Unter Vertretungskörper sind nicht die verwaltenden Organe zu verstehen."

Die Möglichkeit der Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH sollte somit nur hinsichtlich jener Gremien gesetzlicher beruflicher Vertretungen eröffnet werden, die auf der breitesten demokratischen Legitimation beruhen, demnach parlamentsähnlich sind.

Wie der VfGH bereits ausgesprochen hat (VfSlg. 3895/1961), sind als Satzung einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) die generellen, autonomen Normen anzusehen, die für die Funktion und die Gebarung einer solchen Vertretung als Selbstverwaltungseinrichtung entscheidend sind. Die Qualifikation eines "satzungsgebenden Organes" iS des Art141 Abs1 lita B-VG kommt demnach allen wie immer genannten Gremien zu, die aus allen Angehörigen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung bestehen oder deren Mitglieder von den Angehörigen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung gewählt werden, sofern - in beiden Fällen - deren Aufgabe die Beschlußfassung über die wesentlichen, dh. grundlegenden Selbstverwaltungsagenden ist (VfSlg. 6751/1972).

Anderen vom Gesetzgeber bei der Errichtung einer gesetzlichen beruflichen Vertretung eingerichteten kollegialen (als Ausschuß, Vorstand oder ähnlich bezeichneten) oder monokratischen (als Präsident, Obmann oder ähnlich bezeichneten) Organen, denen die Besorgung sonstiger Aufgaben einer gesetzlichen beruflichen Vertretung übertragen ist, kommt die Eigenschaft eines satzungsgebenden Organes einer Körperschaft nicht zu; ihre Wahl ist vom VfGH nicht überprüfbar (VfGH 4. 10. 1979 WI-3/78).

2. a) Organe der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind gemäß §7 WT-KG der Präsident, das Präsidium, der Vorstand, die Rechnungsprüfer und der Kammertag.

b) Gemäß §14 WT-KG ist der Kammertag von den Mitgliedern der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu wählen; die Wahl der Vorstandsmitglieder und der Rechnungsprüfer obliegt dem Kammertag (§15 WT-KG), der Präsident und die Vizepräsidenten und damit das Präsidium sind aus der Mitte des Vorstandes zu wählen (§§8 Abs1 und 9 Abs1 WT-KG).

c) Der Präsident ist der gesetzliche Vertreter der Kammer, er leitet und überwacht ihre gesamte Geschäftsführung und besorgt die laufenden Geschäfte (§8 Abs2 WT-KG).

Dem Präsidium steht bei besonderer Dringlichkeit und in den Fällen, in denen der Vorstand innerhalb von der von den Behörden gestellten Frist keinen Beschluß fassen kann, die Entscheidung gegen nachträgliche Kenntnisnahme durch den Vorstand zu. Im übrigen hat es für die Einhaltung des Wirkungskreises der Kammer, die Befolgung der Geschäftsordnung und den Vollzug der Beschlüsse der Kammerorgane zu sorgen (§9 WT-KG).

Die Rechnungsprüfer haben den Jahresabschluß der Kammer zu prüfen und über das Ergebnis dem Kammertag Bericht zu erstatten (§12 WT-KG).

Der Wirkungskreis des Vorstandes umfaßt gemäß §11 Abs1 WT-KG alle Aufgaben und Befugnisse, die weder dem Kammertag, dem Präsidium noch dem Präsidenten oder einem besonderen Ausschuß vorbehalten sind. Gemäß Abs4 dieser Bestimmung ist er berufen, für den Wirkungsbereich der Kammer Kollektivverträge abzuschließen. Gemäß §17 Abs2 WT-KG kann der Vorstand außerdem eine von den einzelnen Berufsgruppen zu beobachtende Honorarordnung, eine Regelung betreffend Beschränkungen der Werbung und des Wettbewerbes sowie Rahmenbedingungen für die Übernahme beruflicher Aufträge festsetzen. Er hat überdies bei besonderer Dringlichkeit und in den Fällen zu entscheiden, in denen der Kammertag innerhalb der von den Behörden gestellten Frist keinen Beschluß fassen kann (§11 Abs1 WT-KG).

Dem Kammertag sind schließlich gemäß §15 WT-KG ua. die Beschlußfassung über den Haushaltsplan, die Festsetzung der von den Kammermitgliedern und Berufsanwärtern zu zahlenden Umlagen bzw. sonstigen Jahresbeiträge sowie die Beschlußfassung über Verfügungen, die das Kammervermögen betreffen, soweit sie nicht im genehmigten Haushaltsplan vorgesehen sind, vorbehalten. Dem Kammertag obliegen weiters die Festsetzung der Wahlordnung, der Haushaltsordnung, der Umlagenordnung und der Geschäftsordnung sowie die Durchführung der Wahlen der Kammerorgane.

3. Werden anhand der Bestimmungen des WT-KG die Kreationsmethoden bei der Wahl des Vorstandes und des Kammertages verglichen und ein Konnex zur Kreation der gesetzgebenden Organe von Gebietskörperschaften hergestellt, so kommt als satzungsgebendes Organ der Kammer der Wirtschaftstreuhänder nur der Kammertag in Frage. Diesem kommt eindeutig die breiteste demokratische Legitimation zu.

Aber auch ein Vergleich zwischen den Funktionen des Vorstandes und des Kammertages führt zu dem gleichen Schluß. Die für die Funktion der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als Selbstverwaltungseinrichtung grundlegenden Selbstverwaltungsagenden, nämlich insbesondere die Beschlußfassung über den Haushaltsplan, die Festsetzung der Umlagen und Jahresbeiträge sowie der Wahl-, Haushalts-, Umlagen- und Geschäftsordnung obliegen dem Kammertag. Wenn auch dem Vorstand als Organ Aufgaben übertragen sind, die für die Kammermitglieder erhebliche Bedeutung besitzen, wie zB die Festsetzung der Honorarordnung sowie der Rahmenbedingungen für die Übernahme beruflicher Aufträge, so handelt es sich hiebei nicht um Bereiche, die für die Funktion der Kammer als Selbstverwaltungseinrichtung vergleichsweise die bedeutensten sind. Beim Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder handelt es sich somit nicht um ein satzungsgebendes Organ einer gesetzlichen beruflichen Vertretung iS des Art141 Abs1 lita B-VG. Der VfGH ist daher nicht zuständig, über die von der Antragstellerin eingebrachte Anfechtung der Wahl in den Kammervorstand zu entscheiden.

4. Mangels Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über die eingebrachten Wahlanfechtungen sind diese zurückzuweisen.

Schlagworte

Wirtschaftstreuhänder Kammern, berufliche Vertretungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:WI10.1980

Dokumentnummer

JFT_10198799_80WI0010_00

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