Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B1213/01

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

16488

Geschäftszahl

B1213/01

Entscheidungsdatum

13.03.2002

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §23 Abs1
Tir GVG 1996 §31 Abs2
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Feststellung der rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit eines Kaufvertrages infolge ungenützten Verstreichens der zivilrechtlichen Zweijahresfrist zur Anzeige eines Kaufvertrages an die Grundverkehrsbehörde; kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren; keine nachvollziehbare Begründung seitens belangter Behörde

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1.1.1. Dem Beschwerdevorbringen zufolge haben die beschwerdeführenden Parteien mit Vertrag vom 23.6.1996 einen Teil des "Geschlossenen Hofes" EZ 90099, Grundbuch 87011 Vomp, gekauft, auf dem sich der Ansitz "Schloß Sigmundslust" befindet.

1.1.2. Mit einem weiteren Kaufvertrag vom 23.6.1996 erwarben der Erstbeschwerdeführer 2/3-Anteile und die Zweitbeschwerdeführerin 1/3-Anteil an der ebenso zum "Geschlossenen Hof" EZ 90099 gehörenden - in der Folge als "Burghügel" bzw. "Schloßhügel" bezeichneten - Waldparzelle Gst. 134/1 im Gesamtausmaß von 5026 m². Mit einem bei der Grundverkehrsbehörde (eingerichtet bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz) am 30.8.2000 eingelangten Schreiben beantragten die beschwerdeführenden Parteien, diesen Kaufvertrag nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im folgenden: TGVG 1996) grundverkehrsbehördlich zu genehmigen (Anzeige gemäß §23 Abs1 TGVG 1996).

Sie bringen in ihrem Antrag unter anderem vor, daß bereits beim Ankauf des Ansitzes "Schloß Sigmundslust" der Landeskonservator für Tirol den dringenden Wunsch geäußert habe, daß die Käufer gleichzeitig mit dem Ansitz auch den Burghügel miterwerben, um eine Zersiedelung zu verhindern und damit das Ensemble des Schlosses zu bewahren.

In einem weiteren Schreiben vom 5.10.2000 bringen die beschwerdeführenden Parteien die Gründe vor, die für die verspätete Vorlage des Kaufvertrages ausschlaggebend gewesen seien:

Der Ankauf des Waldes (Schloßhügel) sei ohne Erwerb des Schlosses nicht "begründet", weil der Wald dem Schutz des Erscheinungsbildes des Schlosses diene. Infolge eines Rechtsstreits, der erst mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 15.4.1999 beendet worden sei, sei (erst) mit Beschluß des Bezirksgerichts Schwaz vom 18.10.1999 der das Schloß betreffende Kaufvertrag im Grundbuch eingetragen und diese Eintragung am 29.11.1999 als rechtskräftig bestätigt worden.

Überdies sei ein Antrag auf Umwidmung der verfahrensgegenständlichen Parzelle (von "Wald" in "Sonderfläche Schloßareal") am 4.11.1999 bei der Gemeinde Vomp eingebracht worden; die zur Vorlage bei der Grundverkehrsbehörde erforderliche "gemeindeamtliche Bestätigung über die Widmung und Verwendung eines Grundstückes (...)" hätten die beschwerdeführenden Parteien erst am 25.8.2000 erhalten.

1.2. Der Vorsitzende der bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde römisch eins. Instanz stellte mit Bescheid vom 28.9.2000 fest, daß der verfahrensgegenständliche Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 litd TGVG 1996 keiner grundverkehrsrechtlichen Genehmigung bedürfe. Das derzeit noch als Freiland (Wald) gewidmete Grundstück sei im Raumordnungskonzept der Gemeinde Vomp als Sonderfläche Schloßareal vorgesehen; das gesamte Raumordnungskonzept für die Gemeinde Vomp bedürfe noch der aufsichtsbehördlichen Genehmigung; wann diese erteilt werde, stehe noch nicht fest. Anzumerken sei, daß das Bundesdenkmalamt ein öffentliches Interesse am Kauf des Schloßhügels durch den Besitzer des Schlosses "Sigmundslust" bekundet habe. Im Sinne einer raschen Erledigung sei daher der Ausnahmetatbestand des §5 Abs1 litd TGVG 1996 (s. dazu unten, Pkt. 4) gewählt worden. Bei zu erwartender Genehmigung des Raumordnungskonzepts sei der Kauf des Grundstücks ohnedies genehmigungsfähig.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung und führte begründend u.a. aus, daß im Hinblick auf die Größe (5026 m2) und den Kaufpreis (S 500.000,--) des Grundstücks nicht davon auszugehen sei, daß es für die forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes bedeutungslos sei; zudem sei das Waldgrundstück verkehrsmäßig gut aufgeschlossen. Eine Genehmigungsfreiheit des Rechtserwerbs im Sinne des §5 Abs1 litd TGVG 1996 könne daher nicht angenommen werden. Es sei auch zu klären, inwieweit eine Unzuständigkeit der Erstbehörde anzunehmen sei, weil der am 23.6.1996 abgeschlossene Kaufvertrag erst am 30.8.2000 der Grundverkehrsbehörde angezeigt wurde und folglich von einer rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des Vertrags im Sinne des §31 Abs2 TGVG 1996 auszugehen sei.

1.4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im folgenden: LGVK) gab der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten mit Bescheid vom 20.7.2001 Folge und behob den Bescheid des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz. Begründend führte die LGVK insbesondere folgendes aus:

"Im vorliegenden Fall wurde das Rechtsgeschäft am 23.6.1996 (...) abgeschlossen. Die Anzeige nach §23 Tiroler Grundverkehrsgesetz wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz am 30.8.2000 eingebracht. Entgegen dem Schreiben der Rechtserwerber vom 5.10.2000 geht aus dem Kaufvertrag nicht hervor, dass dieser unter der Bedingung des rechtskräftigen Erwerbes des Schlosses 'Siegmundslust' oder sonst unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen worden wäre. Der gegenständliche Kaufvertrag hätte daher 8 Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages am 23.6.1996 bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz angezeigt werden müssen. Mit dem Ablauf von 2 Jahren nach diesem Zeitpunkt wurde das Rechtsgeschäft nach §31 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 rückwirkend rechtsunwirksam. Eine meritorische Erledigung der Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft war daher mangels Vorliegens eines gültigen Rechtsgeschäftes unzulässig. Der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission hat insofern mangels einer entsprechenden Zuständigkeitsnorm seine Zuständigkeit zu Unrecht wahrgenommen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Die im vorliegenden Fall insbesondere maßgebenden Bestimmungen des TGVG 1996, Landesgesetzblatt Nr. 61 aus 1996, in der Fassung Landesgesetzblatt Nr. 75 aus 1999,, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen

Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

  1. Absatz einsDer Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

b) ...

§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

  1. Absatz einsIn folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

a) ...

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht;

e) ...

8. Abschnitt

Verfahren

§23

Anzeigepflicht

  1. Absatz einsJedes Rechtsgeschäft und jeder Rechtsvorgang, das (der) nach den §§4, 9 und 12 Abs1 der Genehmigungspflicht bzw. der Erklärungspflicht unterliegt, ist vom Rechtserwerber binnen acht Wochen nach Abschluss des betreffenden Rechtsgeschäftes oder Rechtsvorganges der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel das betreffende Grundstück liegt, schriftlich anzuzeigen; (...)

  1. Absatz 2...

10. Abschnitt

Zivilrechtliche Bestimmungen, Klagerecht des

Landesgrundverkehrsreferenten

§31

Zivilrechtliche Wirkung der Verkehrsbeschränkung

  1. Absatz eins...

  1. Absatz 2Wird für einen Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung oder Bestätigung versagt oder wird nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Ablauf der im §23 Abs1 festgelegten Frist das Rechtsgeschäft oder der Rechtsvorgang der Grundverkehrsbehörde nach §23 angezeigt, so wird das Rechtsgeschäft bzw. der Rechtsvorgang rückwirkend rechtsunwirksam.

  1. Absatz 3..."

römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) liegt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

2. Solches ist der belangten Behörde hier vorzuwerfen:

2.1. Die Behörde stützte ihre Entscheidung auf §31 Abs2 TGVG 1996, wonach ein Vertrag rückwirkend rechtsunwirksam wird, wenn er nicht binnen zwei Jahren nach Ablauf der in §23 Abs1 leg. cit. festgelegten (achtwöchigen) Frist der Grundverkehrsbehörde angezeigt wird. Der zu beurteilende Kaufvertrag sei am 23.6.1996 abgeschlossen, jedoch erst am 30.8.2000 der Grundverkehrsbehörde angezeigt worden; es sei daher die rückwirkende Rechtsunwirksamkeit des Vertrages eingetreten.

2.2. Wie sich aus dem oben (Pkt. römisch eins.1.) dargestellten Sachverhalt ergibt, ist für die Frage der Rechtzeitigkeit der Anzeige an die Grundverkehrsbehörde im vorliegenden Fall entscheidend, ob der verfahrensgegenständliche Kaufvertrag - wie von den Beschwerdeführern behauptet - an die Bedingung des rechtskräftigen Erwerbs des Schlosses "Sigmundslust" geknüpft war oder nicht.

2.3. Zu dieser Frage wird im bekämpften Bescheid lediglich ausgeführt, daß "aus dem Kaufvertrag nicht hervor(gehe), dass dieser unter der Bedingung des rechtskräftigen Erwerbes des Schlosses 'Siegmundslust' oder sonst unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen worden wäre". Eine Begründung für diese Ansicht läßt der Bescheid aber gänzlich vermissen, obwohl etwa in Pkt. römisch II. des Vertrages ausdrücklich festgehalten wird, daß die Käufer "den unter Denkmalschutz stehenden Ansitz 'Schloß Sigmundslust' erworben" haben und der Ankauf des Schloßhügels erfolge, "(d)a die(ser) für die Erhaltung des Ensembles des Schlosses Sigmundslust erforderlich ist". Die Behörde hat es in diesem Zusammenhang auch unterlassen, den hinter dem schriftlichen Vertragstext stehenden Willen der Vertragsparteien zu ermitteln und der Frage nachzugehen, ob - nach Absicht der Vertragspartner - die beschwerdeführenden Parteien an den Kaufvertrag über den Schloßhügel erst mit Rechtswirksamkeit des Erwerbs des Schlosses gebunden sein sollten. Im Hinblick auf das (mehrfache) Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, daß der Kaufvertrag über den Schloßhügel nur abgeschlossen worden sei, um das Ensemble des - mit Kaufvertrag vom selben Tag erworbenen - Schlosses zu bewahren, und daß auch von seiten des Bundesdenkmalamtes ein öffentliches Interesse an dieser "eigentumsmäßigen Zusammenführung" bekundet worden sei, wäre sie dazu aber gehalten gewesen.

Dadurch, daß die belangte Behörde somit in einem entscheidenden Punkt ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen hat und eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben ist, hat sie die beschwerdeführenden Parteien in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie die entrichtete Eingabegebühr im Betrag von € 181,68 enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegründung, Grundverkehrsrecht, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1213.2001

Dokumentnummer

JFT_09979687_01B01213_00

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