Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B1840/98

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

16156

Geschäftszahl

B1840/98

Entscheidungsdatum

11.06.2001

Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 1997 §113 Abs3
BundesvergabeG 1997 §115 Abs5 Z1
EG Art234
Richtlinie des Rates vom 21.12.89. 89/665/EWG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentl Liefer- und Bauaufträge Art1
Richtlinie des Rates vom 18.06.92. 92/50/EWG, über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentl Dienstleistungsaufträge Art41
VfGG §88
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 83 heute
  2. B-VG Art. 83 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 83 gültig von 01.01.2014 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 83 gültig von 29.02.1968 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 73/1968
  5. B-VG Art. 83 gültig von 19.12.1945 bis 28.02.1968 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  6. B-VG Art. 83 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 88 heute
  2. VfGG § 88 gültig ab 01.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VfGG § 88 gültig von 01.07.1976 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung von Anträgen auf Nichtigerklärung von Entscheidungen der ÖBB betreffend die Vergabe von Anwaltsmandaten wegen fehlender Angabe eines bestimmten Vergabeverfahrens und durch die Zurückweisung von Feststellungsbegehren infolge Unzulässigkeit eines gesonderten Feststellungsbescheides

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, den Österreichischen Bundesbahnen, zuhanden ihres Rechtsvertreters, die mit S 27.000,-- und dem Bund (Finanzprokuratur) die mit S 22.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1. Die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eines Rechtsanwaltes richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA), mit dem zum einen seine Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der Österreichischen Bundesbahnen

(ÖBB),

  • Strichaufzählung
    hinsichtlich der Vergabe von Anwaltsmandaten seit dem 19. März 1996 kein Vergabeverfahren durchzuführen,
  • Strichaufzählung
    die in Losen (Akten und Mandaten) anfallende laufende Anwaltstätigkeit zur Vermeidung der Anwendung des Vergaberechtsregimes nicht zusammenzurechnen und
  • Strichaufzählung
    die Finanzprokuratur mit den seit dem 19. März 1996 zur Vergabe heranstehenden Rechtsanwaltsmandaten zu beauftragen,

gemäß §115 Abs5 Z1 BVergG 1997 wegen inhaltlicher Antragsmängel zurückgewiesen werden (Spruchpunkt römisch eins).

Zum anderen werden die vom Beschwerdeführer weiters gestellten Anträge auf Feststellung, daß die ÖBB im Bereich der Herstellung der Eisenbahninfrastruktur und in allen anderen Unternehmensbereichen öffentliche Auftraggeber sind, daher allen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes unterliegen und verpflichtet sind, für alle Dienstleistungsaufträge, auch für Anwaltsmandate, das materielle Vergaberecht, wie es sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, anzuwenden, ebenso wie seine Anträge, den ÖBB bei der Vergabe von Anwaltsmandaten "insoweit die Veranstaltung eines Preiswettbewerbes zu untersagen, als hiedurch die tariflichen Honorare gemäß Rechtsanwaltstarifsgesetz unterschritten werden", und ihnen aufzutragen, sämtliche seit dem 19. März 1996 vergebene Anwaltsmandate und Aufträge an Rechtsanwälte im EU-Amtsblatt und in der Wiener Zeitung zu veröffentlichen, gemäß §113 Abs1, 2 und 3 BVergG 1997 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt römisch II).

a) Die Zurückweisung wegen inhaltlicher Antragsmängel stützt das BVA darauf, daß der inhaltlichen Behandlung der Anträge das Fehlen der Angabe eines bestimmten Vergabeverfahrens entgegenstünde. Unter Verweis auf seine (in WBl. 1998, S 323, veröffentlichte) Entscheidung vom 12. November 1997, Z F-22/97, mit welcher inhaltlich gleichlautende Anträge des Beschwerdeführers wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen worden sind, führte es aus:

§115 Abs1 BVergG 1997 gewähre den vergaberechtlichen Rechtsschutz jenen Unternehmen, die Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich des BVergG 1997 unterliegenden Vertrages behaupten. Das BVA sei daher nur zur Überprüfung eines konkreten Vergabeverfahrens berufen, wenn dieses zum Abschluß eines dem BVergG 1997 unterliegenden Vertrages führen sollte. Fehle die Angabe eines konkreten Vergabeverfahrens, wäre es dem BVA nicht möglich zu prüfen, ob die der Antragstellung zugrundeliegende Auftragsvergabe dem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 1997 unterliege. Das Fehlen der Bezeichnung eines bestimmten Vergabeverfahrens mache daher die inhaltliche Beurteilung eines Nachprüfungsantrages geradezu unmöglich.

Auch eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation des §115 Abs5 Z1 BVergG vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern; zwar müsse das nationale Verfahrensrecht die effektive Durchsetzung der durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten subjektiven Rechte auch tatsächlich ermöglichen, doch auch die hier einschlägige Bestimmung des Art1 Abs3 erster Satz der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in der Fassung des Art41 der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG verpflichte die Mitgliedsstaaten (nur), das Nachprüfungsverfahren jedem zur Verfügung zu stellen, der Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte. Daraus folge, daß auch das Gemeinschaftsrecht somit seinem klaren Wortlaut nach den vergaberechtlichen Rechtsschutz auf Unternehmen, die ein Interesse an einem (individuell) bestimmten Auftrag haben, beschränke.

Das Vorbringen des Einschreiters, das Erfordernis der Bezeichnung eines bestimmten Vergabeverfahrens sei unzulässig, weil ihm hiedurch die probatio diabolica auferlegt würde - mangels jeglicher Information durch die ÖBB sei ihm eine diesbezügliche Beweisführung objektiv unmöglich -, übersehe, daß §115 Abs5 Z1 BVergG 1997 keine Beweis-, sondern eine Behauptungslast des Antragstellers normiere. Da die Verpflichtung zur Bezeichnung eines bestimmten Vergabeverfahrens sowohl dem Gesetz als auch dem Gemeinschaftsrecht entspreche, könnte die Behauptungslast daher nur unzulässig sein, wenn sie der österreichischen Bundesverfassung widerspräche, jedoch kenne diese keine besondere Verpflichtung des Gesetzgebers, die Durchsetzung subjektiver Rechte in jeder denkmöglichen Konstellation einfach zu gestalten und dem Träger eines subjektiven Rechtes von jeglicher Behauptungslast zu befreien, falls ihm diese praktische Schwierigkeiten bereite. Sei die Durchsetzung eines subjektiven Rechtes von einer Antragstellung abhängig, so sei die Normierung inhaltlicher Antragserfordernisse zulässig, sofern diese Erfordernisse dem Sachlichkeitsgebot entsprächen. Das vergaberechtliche Rechtschutzsystem diene im hohen Maße der Durchsetzung der rechtlich geschützten Individualinteressen der betroffenen Unternehmen, denen es aufgrund ihrer Sachnähe in der Regel möglich ist, die notwendigen Erhebungen anzustellen, um die für die Antragstellung notwendige Information zu erlangen. Daher sei es sachlich gerechtfertigt, wenn §115 Abs5 Z1 BVergG 1997 den Unternehmen die diesbezügliche Behauptungslast auferlege, auch wenn dies im Einzelfall zu Härten führen möge. Hinzu komme, daß das BVA selbst dem Einschreiter am 27. Jänner 1998 ohne weiteres Auskunft über ein von den ÖBB erteiltes anwaltliches Mandat für ein Nachprüfungsverfahren vor dem BVA erteilt habe. Dem Antragsteller wäre es also durchaus möglich gewesen, ein bestimmtes Vergabeverfahren zu bezeichnen.

b) Zur Begründung der (mit Spruchpunkt römisch II erfolgten) Zurückweisung der vom Einschreiter gestellten Feststellungsbegehren sowie seiner weiteren Anträge führt das BVA aus, daß das BVergG 1997 nur Feststellungsbescheide nach §113 Abs3 BVergG vorsehe, die Feststellungsbegehren aber Rechtsfragen beträfen, die in einem allfälligen Nachprüfungsverfahren zu klären wären, sodaß daher ein gesonderter Feststellungsbescheid hierüber unzulässig sei. Weiters verfüge das BVA über keine gesetzliche Grundlage, um Untersagungsbescheide zu erlassen oder Aufträge an den Auftraggeber zu richten, wie dies der Antragsteller begehre.

2. Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie die Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes (§3 Abs2 und 3 sowie §13 Abs2 BVergG).

3. Die belangte Behörde übermittelte die Verwaltungsakten und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Weiters haben die mitbeteiligten ÖBB und die Finanzprokuratur Äußerungen erstattet, in denen sie den Beschwerdebehauptungen entgegentreten und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

römisch II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Das BVA ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §99 Abs1 letzter Satz BVergG 1997 nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also ausgeschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist aber nicht begründet.

a) Gemäß §115 Abs1 BVergG 1997 kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Unter "Vergabeverfahren" sind gemäß §15 Z1 leg.cit. alle Vorgänge, die zum Abschluß eines Vertrages zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer führen sollen, zu verstehen. Gemäß §115 Abs5 hat ein Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu enthalten:

  1. "1
    die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen Entscheidung,
  2. Ziffer 2
    die genaue Bezeichnung des Auftraggebers,
  3. Ziffer 3
    eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluß,
  4. Ziffer 4
    Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
  5. Ziffer 5
    die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und
  6. Ziffer 6
    ein bestimmtes Begehren."

Als Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrages fordert das BVergG 1997 demnach u.a. die genaue Bezeichnung eines Vergabeverfahrens.

b) aa) Der Beschwerdeführer beanstandet die unter Berufung auf §115 Abs5 Z1 leg.cit. erfolgte Zurückweisung der Anträge auf Nichtigerklärung und erachtet sich dadurch im Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, und zwar zum einen wegen Nichtvorlage einer vorlagepflichtigen Frage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und zum anderen, weil das BVA seine Zuständigkeit in rechtswidriger Weise abgelehnt habe.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verletzt ein Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter u.a. dann, wenn eine als Gericht iSd Art234 EG zu qualifizierende Verwaltungsbehörde entgegen der Anordnung des Art234 Abs3 EG eine vorlagepflichtige Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts dem Europäischen Gerichtshof nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, wobei nicht nur eine grobe, sondern jede Verletzung der Vorlagepflicht zu dieser Konsequenz führt vergleiche VfSlg. 14.390/1995, 14.889/1997), aber auch dann, wenn die bescheiderlassende Verwaltungsbehörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa in dem sie eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert vergleiche VfSlg. 12.125/1989).

bb) Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß das BVA aus Anlaß des vom Beschwerdeführer anhängig gemachten Verfahrens verpflichtet gewesen wäre, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage zur (Vorab-)Entscheidung vorzulegen, "wie der innerstaatliche Rechtsschutz auszugestalten ist, wenn ein Auftraggeber ... im maximal möglichen Ausmaß gegen tragende Grundprinzipien des Vergaberechts überhaupt verstößt" (worunter sie den Fall versteht, daß ein Auftraggeber keinen öffentlichen Wettbewerb für die von ihm zu vergebenden Anwaltsmandate - weder über noch unter dem Schwellenwert - durchführt und die Vergabe nicht so organisiert, daß eine nachprüfende Kontrolle möglich ist).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (zB EuGH 6.10.1982, Rs. 283/81, CLIFIT, Slg. 1982, 3415 ff.) hat ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EG im Falle einer klärungsbedürftigen Auslegungsfrage seiner Vorlagepflicht nachzukommen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechtes stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt".

Zwar ist die vom nunmehrigen Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BVA angeregte, oben wiedergegebene Fragestellung, so wie sie formuliert ist, nicht auf die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerichtet, doch wurden in diesem Verfahren - entgegen der Behauptung der Finanzprokuratur im verfassungsgerichtlichen Verfahren - der Sache nach sehr wohl Fragen der Auslegung des Art1 der Allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie aufgeworfen. Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch keine klärungsbedürftige, für die Entscheidung relevante Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts erkennen. Insbesondere hat der Gerichtshof keine Bedenken, daß §115 Abs5 Z1 BVergG 1997 dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, oder auch nur Zweifel ob des in concreto relevanten Inhalts des Art1 der Allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie 89/665 EWG, ABl. 1989 L 395, S 33, in der Fassung des Art41 der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG, ABl. 1992 L 209, S 1. Diese Bestimmung lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/EWG, 77/62/EWG und 92/50/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von

Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

  1. Absatz 2Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und den übrigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Schaden geltend machen könnten.

  1. Absatz 3Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, daß derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muß."

Ausdrücklich stellt Abs3 dieser Bestimmung auf ein Interesse an einem bestimmten Auftrag ab - freilich werden dabei nur Liefer- und Bauaufträge genannt. Ob die Nichterwähnung der Dienstleistungsaufträge auf ein Versehen bei der Formulierung des Art41 der Dienstleistungsrichtlinie (durch den bloß Abs1 des Art1 der Rechtsmittelrichtlinie geändert wurde) zurückzuführen ist, oder die Dienstleistungsaufträge hier bewußt nicht erwähnt wurden, ist freilich nicht relevant. Denn angesichts der Formulierung des Abs1 ist es auszuschließen anzunehmen, die Rechtsmittelrichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, im Dienstleistungsbereich anders als bei Bau- und Lieferaufträgen neben Nachprüfungsverfahren im Zusammenhang mit konkreten Auftragsvergaben auch die rechtliche Überprüfung des Verhaltens der öffentlichen Auftraggeber im allgemeinen, also ohne Bezug zu einem konkreten Vergabeverfahren, zu ermöglichen. Es bestehen somit keine begründeten Zweifel in die Richtung, daß der Inhalt der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der Erlassung und Anwendung einer Bestimmung nach Art des §115 Abs5 Z1 BVergG entgegensteht.

cc) Der Verfassungsgerichtshof ist aber auch nicht der Auffassung, daß die bekämpfte Zurückweisung der Anträge als unzulässig nicht dem Gesetz entsprach.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt, sind inhaltliche Erfordernisse, die an Eingaben gestellt werden, dem innerstaatlichen Recht nicht fremd.

Welche Anforderungen im einzelnen an die Bezeichnungspflicht zu stellen sind, kann im gegenständlichen Fall jedoch dahingestellt bleiben, da dem Beschwerdeführer ein bestimmtes Vergabeverfahren bekanntgegeben worden ist, was im übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten wird. Daß er diese Angaben nicht zum Anlaß eines Antrags genommen hat, kann der Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde das Vorliegen der (Zulässigkeits-)Voraussetzung des §115 Abs5 Z1 BVergG zu Recht verneint hat, sodaß dem Beschwerdeführer nicht gesetzwidrig eine Sachentscheidung verweigert wurde.

dd) Der Beschwerdeführer wurde somit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

b) Auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz, welche nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur dann vorliegen kann, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat, ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde u.a. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

Der Bescheid stützt sich auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§113 und 115 BVergG 1997. Bedenken gegen die Verfassungsmäßgikeit dieser Bestimmungen sind aus dem Blickwinkel des Beschwerdeverfahrens beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.

Die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Fehler betreffen nicht die Zurückweisung als solche, sondern wenden sich der Sache nach gegen die seines Erachtens rechtswidrige Nichtdurchführung von Vergabeverfahren seitens der ÖBB. Diese Frage ist aber gerade nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides.

c) Gleiches gilt für die in der Beschwerde gerügte Verfassungswidrigkeit der §§3 Abs2 und 3 sowie 13 Abs2 BVergG 1997. Diese Bestimmungen wurden von der belangten Behörde - zu Recht - bei ihrer Entscheidung nicht angewendet; es ist daher ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch ihre Anwendung in seinen Rechten verletzt wurde.

3. a) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

b) Der Kostenzuspruch an die beteiligten Parteien beruht auf §88 VerfGG. In den den ÖBB zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,-- enthalten.

Dem Begehren der belangten Behörde auf Zuspruch von Kosten war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil Barauslagen nicht verzeichnet wurden und der Ersatz sonstiger Kosten nach ständiger Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes der belangten Behörde nicht zusteht vergleiche VfSlg. 10.003/1984).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

EU-Recht, EU-Recht Richtlinie, Vergabewesen, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1840.1998

Dokumentnummer

JFT_09989389_98B01840_00

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