Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B755/98

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

15326

Geschäftszahl

B755/98

Entscheidungsdatum

30.11.1998

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6620 Bringungsrecht, Güter- und Seilwege

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Nö Güter- und Seilwege-LandesG 1973 §24 Abs5
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung der agrarbehördlichen Genehmigung eines Beschlusses über die Auflösung einer Weggemeinschaft mangels Errichtung des Güterweges; verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung des Nö Güter- und Seilwege-LandesG 1973 über die Genehmigung einer Auflösung infolge Wegfall des Zwecks der Gemeinschaft geboten

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit öS 29.700,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1.a) Die NÖ Agrarbezirksbehörde schloß mit Bescheid vom 12. August 1992 die beiden Beschwerdeführer und vier weitere Grundeigentümer aufgrund ihres Antrags gemäß §24 Abs1 des NÖ Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1973, Landesgesetzblatt 6620-O (NÖ GSLG) zur Güterweggemeinschaft Streimelweger-Hochrieß zusammen.

Die Güterweggemeinschaft wurde wegen Meinungsverschiedenheiten ihrer Mitglieder über den Bau des Güterweges nicht tätig.

Deshalb beschloß die Vollversammlung am 15. Februar 1997 mehrheitlich (nämlich mit den Stimmen der beiden Beschwerdeführer, die die Mehrheit in der Vollversammlung repräsentieren) die Auflösung der Weggemeinschaft.

b) Der NÖ Landesagrarsenat (LAS) versagte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. Feber 1998 gemäß §24 Abs5 NÖ GSLG diesem Beschluß die Genehmigung.

Diese Gesetzesbestimmung lautet:

"§24 (1) ...

  1. Absatz 5Zur Auflösung der Güterweggemeinschaft ist ein Beschluß dieser Gemeinschaft und dessen Genehmigung durch die Agrarbehörde erforderlich. Diese hat die Genehmigung zu erteilen, wenn der Zweck der Gemeinschaft weggefallen ist, alle Verbindlichkeiten der Gemeinschaft erfüllt sind und ihr Vermögen liquidiert ist."

Die Berufungsbehörde bezieht sich in der Bescheidbegründung auf diese Vorschrift, nach der ein Gemeinschaftsbeschluß der Genehmigung durch die Agrarbehörde bedürfe, andernfalls er keine Rechtsgültigkeit erlangen könne. Sodann fährt sie fort:

"Die Erstbehörde versagte die agrarbehördliche Genehmigung, da der Zweck der Gemeinschaft (noch) nicht erfüllt sei.

Die Berufungswerber vertreten demgegenüber die Auffassung, daß die Güterweggemeinschaft trotz rechtskräftigem Bestand und innerer Organisation bisher nicht tätig wurde und mit einer Tätigkeit in Bezug auf die Errichtung des Güterweges Streimelweger-Hochrieß in Zukunft auch nicht zu rechnen sei.

Gemäß §1 Abs2 der rechtsgültigen Satzungen der Güterweggemeinschaft Streimelweger-Hochrieß bezweckt diese Gemeinschaft die Errichtung, Ausgestaltung, Benützung, Erhaltung und Verwaltung der Bringungsanlage Güterweg Streimelweger-Hochrieß.

Die im Berufungsbegehren enthaltene Feststellung, die Güterweggemeinschaft sei bislang nicht tätig geworden, deckt sich mit den im Zuge örtlicher Erhebungen durch abgeordnete Senatsmitglieder gewonnenen Erkenntnissen. Bis heute wurde mit dem Bau des Güterweges Streimelweger-Hochrieß, wie er im Projekt der Abteilung B/6 des Amtes der NÖ Landesregierung vom 15. Juli 1991 vorgesehen ist, nicht begonnen. Gerade die Errichtung dieses Güterweges ist aber die erste Aufgabe, zu deren Erfüllung die gegenständliche Güterweggemeinschaft gebildet wurde. Dazu ist anzumerken, daß bisher auch keine agrarbehördliche Bewilligung (§5 GSLG) zur Errichtung dieses Güterweges erteilt wurde. Die Auffassung der Berufungswerber, durch interne Streitigkeiten werde der Zweck der Gemeinschaft nicht erfüllt, ist nicht geeignet, die Güterweggemeinschaft von den in ihren Satzungen niedergeschriebenen Verpflichtungen zu befreien.

Aus diesen Gründen schließt sich der Landesagrarsenat der Auffassung der Erstbehörde an, wonach im vorliegenden Fall der Zweck der Güterweggemeinschaft Streimelweger-Hochrieß, nämlich vorrangig die Errichtung des Güterweges Streimelweger-Hochrieß, nicht weggefallen ist.

Dem Auflösungsbegehren der Berufungswerber konnte daher nicht stattgegeben werden."

2. Gegen den erwähnten Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums, die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §24 Abs5 NÖ GSWG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der LAS legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin begehrt er, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -Beschwerde erwogen:

1.a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

b) Der LAS hat §24 Abs5 NÖ GSLG (Text s.o. römisch eins.1.b) dahin ausgelegt, daß die behördliche Genehmigung eines Beschlusses über die Auflösung einer Weggemeinschaft dann nicht zulässig sei, wenn der Güterweg noch nicht errichtet ist; dies auch dann nicht, wenn - wie hier - mit Gewißheit vorhersehbar ist, daß wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten der Weg niemals errichtet werden wird.

c) Diese Interpretation mag zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausgeschlossen sein. Hätte das Gesetz aber tatsächlich diesen Inhalt, so wäre es sachlich nicht begründbar und verstieße daher gegen den - auch den Gesetzgeber bindenden - Gleichheitsgrundsatz.

Es wäre nämlich widersinnig, eine Weggemeinschaft gegen ihren Willen behördlich zu verhalten, weiterhin rechtlich existent zu bleiben, obgleich sie bestimmt ihren statutenmäßigen Zweck freiwillig niemals erfüllen wird und die Behörde keine Möglichkeit hat, die Errichtung des Güterweges zu erzwingen. (Siehe die zahlreichen Gesetzesbestimmungen, die in derartigen Fällen die Auflösung der Vereinigung gebieten oder zumindest nahelegen, etwa §16 Abs4 Kärntner GSWG, §22 Abs1 litc O.ö. BringungsrechteG, §13 Abs5 Salzburger GSWG, §14 Abs4 Stmk. GSWG, §14 Abs4 Tiroler GSWG, §13 Abs9 Vlbg. GSWG; §24 Vereinsgesetz 1951.)

d) Der Wortlaut des §24 Abs5 NÖ GSWG erlaubt aber auch eine andere Auslegung, die dieses gleichheitswidrige Ergebnis vermeidet. Bei Bedachtnahme auf seinen Sinn kann das Gesetz nämlich auch dahin verstanden werden, daß "der Zweck der Gemeinschaft" auch dann "weggefallen ist", wenn der Zweck nicht mehr erreicht werden kann und daß die Genehmigung der Auflösung der Weggemeinschaft daher auch in solchen Fällen zu erteilen ist.

e) Der LAS hat also dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und damit die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen aufzuheben, ohne daß untersucht zu werden brauchte, ob die Beschwerdeführer auch noch in sonstigen verfassungsgesetzlich garantierten Rechten (etwa in jenem auf Unversehrtheit des Eigentums) verletzt wurden.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von öS 2.250,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von öS 4.950,-- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Bodenreform, Güter- und Seilwege, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B755.1998

Dokumentnummer

JFT_10018870_98B00755_00

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