Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B3025/95

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

14561

Geschäftszahl

B3025/95

Entscheidungsdatum

23.09.1996

Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

StGG Art13
EMRK Art10
ÄrzteG §25
Richtlinien zu §25 ÄrzteG. Österr Ärztezeitung Nr 3 vom 10.02.93

Leitsatz

Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen des reklamehaften Herausstellens der eigenen Person durch zwei auf Veranlassung des Beschwerdeführers erschienene Artikel über neuartige Operationstechniken bei Knieverletzungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 29. September 1994 erschienen in der Kronen Zeitung und der Kärntner Tageszeitung zwei gleichgestaltete und gleichlautende Artikel. Sie sind mit "KREUZBANDOPERATION - NOCH

AM SELBEN TAG NACH HAUSE. DANK LASER- UND VIDEOEINSATZ MÖGLICH"

überschrieben und enthalten ein zwei Ärzte zeigendes Bild, unter dem sich der Text "Dr. ... E (Verbandsarzt des Kärntner Leichtathletikverbandes) und Dr. K..." befindet. Sie haben folgenden Wortlaut:

"Als ideales Instrumentarium bietet sich der Laserstrahl bei Operationen von Kreuzband- und Meniskusschäden am Kniegelenk an.

   Der Villacher Chirurg Dr. ... E... (ehemals mehrfacher

österreichischer Meister im Mittelstreckenlauf) entwickelte

gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen, dem ehemaligen

internationalen Fußballstar des FC Bayern München, Dr. K... aus

Deutschland, eine neuartige Operationstechnik zur Versorgung von Kreuzband- und Meniskusverletzungen. Mit Hilfe des Laserstrahles und unter Einsatz einer Videokamera ist ein genaues, punktuelles Operieren an den verletzten Gelenksstrukturen wesentlich vereinfacht.

Keine Kniegelenkseröffnung über große Schritte mehr erforderlich. Es blutet weniger, dadurch bessere Sicht und somit weniger Risiko für Setzen von Begleitschäden.

Vorteile für den Patienten: Nach der Operation nahezu keine Nachblutung und Ergußbildung im Gelenk - dadurch weniger Schmerzen - eine sofortige Mobilisierung und raschere Wiederaufnahme der sportlichen Tätigkeit möglich."

An diesen Text schließen sich nach dem Vermerk "Nähere Informationen:" in Fettschrift der Name Dr. Es, dessen Adresse und Telefonnummer.

1.2. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten, vom 8. März 1995 wurde der Facharzt für Chirurgie Dr. E nach mündlicher nichtöffentlicher Verhandlung für schuldig erkannt, dadurch Berufspflichten verletzt zu haben, daß entgegen der Vorschrift des §25 Abs1 ÄrzteG die über seine Veranlassung am 29. September 1994 in den Tageszeitungen "Kronen Zeitung" und "Kärntner Tageszeitung" mit der Überschrift "Kreuzbandoperation - noch am selben Tag nach Hause" erschienenen Artikel eine reklamehafte Herausstellung des Arztes darstellen und bei Laien den Eindruck einer medizinischen Exklusivität erwecken. Er habe hiedurch ein Disziplinarvergehen nach §95 Abs1 Z2 ÄrzteG begangen.

Hiefür wurde über ihn nach §101 Abs1 Z2 ÄrzteG eine Geldstrafe in der Höhe von S 30.000,-- verhängt, welche gemäß §101 Abs3 ÄrzteG unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Außerdem wurde der Arzt zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet.

1.3. Der dagegen erhobenen Berufung wegen Schuld wurde mit Erkenntnis des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 10. Juli 1995 nicht, jener wegen Strafe hingegen dahin Folge gegeben, daß über den Disziplinarbeschuldigten anstelle der Geldstrafe die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt wurde. Außerdem wurde dieser zur Tragung der Kosten auch des Berufungsverfahrens verpflichtet. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der in Rede stehende Artikel sich nicht auf eine erlaubte Information über die vom Disziplinarbeschuldigten und einem Kollegen entwickelten therapeutischen Methoden beschränke, sondern in Gestalt der Überschrift, des in den Artikel integrierten Bildes des Beschuldigten und seines Kollegen sowie durch Betonung der ehemaligen sportlichen Leistungen der beiden Ärzte Elemente aufweise, die nach Überzeugung des Disziplinarsenates als verpönte Selbstanpreisung iSd Art3 lite der von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer zu §25 ÄrzteG beschlossenen Richtlinien zu qualifizieren seien. Darüber hinaus erwecke der Artikel aber auch bei Laien insoweit den Eindruck einer medizinischen Exklusivität, als darin ausgeführt werde, der Disziplinarbeschuldigte habe gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen eine neuartige Operationstechnik zur Versorgung von Kreuzband- und Meniskusverletzungen entwickelt, wodurch keine Kniegelenkseröffnung über große "Schritte" mehr erforderlich sei, was auch nach der eigenen Verantwortung des Beschuldigten der Sache nach deshalb nicht zutreffe, weil die im fraglichen Artikel angepriesene Methode auch von anderen Ärzten praktiziert werde.

Aufgrund der bisherigen Unbescholtenheit des Beschuldigten und des Umstandes, daß er sich bezüglich der Größe der Artikel an der Vorschrift des Art5 lite der Richtlinien orientiert habe, sei die verhängte Geldstrafe nicht tatschuldgerecht. Vielmehr sei nach Auffassung des Disziplinarsenates bei den gegebenen Umständen ein schriftlicher Verweis eine zureichende Unrechtsfolge.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Die dem bekämpften Disziplinarerkenntnis inhaltlich zugrunde liegenden Rechtsvorschriften haben folgenden Wortlaut:

4.1. §25 ÄrzteG, Bundesgesetzblatt Nr. 373 aus 1984, in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994:

"§25. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.

  1. Absatz 2Der Arzt darf keine Vergütungen für die Zuweisung von Kranken an ihn oder durch ihn sich oder einem anderen versprechen, geben, nehmen oder zusichern lassen.

Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden.

  1. Absatz 3Die Vornahme der gemäß Abs1 und 2 verbotenen Tätigkeiten ist auch sonstigen physischen und juristischen Personen untersagt.

  1. Absatz 4Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs1 genannten Informationen erlassen."

4.2. Art3 und 5 der in Ausführung zu §25 Abs4 ÄrzteG ergangenen Richtlinien, verlautbart in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 3 vom 10. Februar 1993, haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 3

Das Standesansehen beeinträchtigend ist eine Information, wenn sie Ehre und Ansehen der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetzt.

Eine standeswidrige Information liegt insbesondere vor bei

a) vergleichender Bezugnahme auf Standesangehörige wie z.B. herabsetzende Äußerungen über Kollegen, ihre Tätigkeit und deren medizinische Methoden.

  1. Litera b
    Einbeziehung von Patienten.
  2. Litera c
    Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte.
              d)              Nennung des Preises für die eigenen privatärztlichen Leistungen in der Öffentlichkeit sowie die Ankündigung unentgeltlicher Behandlungen, wenn es zum eigenen Vorteil des Arztes erfolgt.
              e)              Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise.
              f)              Erwecken des Eindruckes einer medizinischen Exklusivität bei Laien.
  1. Litera g
    Unwahrer und ungerechtfertigter Titelführung.
  2. Litera h
    Verteilung von Flugblättern und Postwurfsendungen an die Bevölkerung und andere Formen der Telekommunikation."

"Artikel 5

Im Umgang mit Medien hat der Arzt Zurückhaltung zu üben und das Gebot der Sachlichkeit zu beachten. Insbesondere ist dabei einzuhalten:

a) Die Erwähnung des Namens des Arztes und der nach dem Ärztegesetz zulässigen Bezeichnungen ist erlaubt, hingegen bleibt die wiederholte betonte, auffällige und reklamehafte Nennung des Namens untersagt.

b) Auf Anfrage abgegebene individuelle Diagnosestellungen und Therapieanweisungen (Fernbehandlung) sind unzulässig. Die Besprechung von Behandlungs- und Operationsmethoden und deren Ergebnisse in unseriöser oder sensationeller Aufmachung sowie die Erteilung medizinischer Auskünfte und Ratschläge in aufdringlicher und reklamehafter Weise ist nicht gestattet.

c) Veröffentlichungen mit Bildern von Patienten dürfen nur mit Zustimmung des Patienten gegenüber dem Arzt oder dem Medium bzw. unter Wahrung der Anonymität des Patienten, d.h. ohne Namensnennung, durchgeführt werden.

d) Der Arzt hat bemüht zu sein, daß eine Publikation, die auf einem mit ihm geführten Interview beruht, rein sachbezogen und nicht reklamehaft aufgemacht wird.

e) Eine Anzeige in Printmedien darf maximal ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums betragen und nicht öfter als dreimal in Folge erscheinen."

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige vergleiche VfSlg. 10749/1986) - Beschwerde erwogen:

5.1. Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt vergleiche VfSlg. 6166/1970, 10700/1985, 11404/1987, 12796/1991). Eine nähere Bestimmung des Wesensgehaltes dieses Grundrechtes findet sich in Art10 EMRK vergleiche zB VfSlg. 11996/1989, 12796/1991, 13122/1992). Diese Verfassungsnorm bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen einschließt (Abs1), sieht aber vor, daß die Ausübung dieser Freiheiten im Hinblick darauf, daß sie Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden kann, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich sind (zur korrekten Übersetzung siehe VfSlg. 6288/1970).

Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf also nur aus den in Art10 Abs2 EMRK angeführten Gründen beschränkt werden (VfSlg. 10700/1985, 13035/1992, 13122/1992).

Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann dieses Recht nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung einem verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetz ein verfassungswidriger, gegen Art10 EMRK verstoßender Inhalt unterstellt oder wenn ein solches Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet wurde vergleiche zB VfSlg. 9909/1983, 12796/1991, 12822/1991).

5.2. Gegen das in Art3 lite der Richtlinien enthaltene Verbot der Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise bestehen vor dem Hintergrund des Eingriffstatbestandes des "Schutzes der Gesundheit" im Art10 Abs2 EMRK keine verfassungsrechtlichen Bedenken vergleiche die Aussage zum inhaltlich gleichartigen, im Hinblick auf den Tatbestand der "Gewährleistung des Ansehens der Rechtsprechung" im Art10 Abs2 EMRK gerechtfertigten ersten Halbsatz des §45 RL-BA 1977 im Erkenntnis VfSlg. 12467/1990). Da sich der bekämpfte Bescheid auf die in Rede stehende Bestimmung der Richtlinien stützt, könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung nur dann stattgefunden haben, wenn dieser Verordnungsvorschrift ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt oder wenn sie denkunmöglich angewendet worden wäre, was aber nur dann der Fall wäre, wenn die Behörde einen der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Fehler begangen hätte vergleiche zB VfSlg. 12796/1991).

Derartiges kann der belangten Behörde aber nicht vorgeworfen werden. Wenn sie den inkriminierten, auf Veranlassung des Beschwerdeführers in zwei Tageszeitungen erschienenen Artikel, in welchem hervorgehoben wird, daß es sich beim Beschwerdeführer um den Verbandsarzt des Kärntner Leichtathletikverbandes handle, daß er ehemals mehrfacher österreichischer Meister im Mittelstreckenlauf gewesen sei und daß er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen, einem ehemaligen internationalen Fußballstar, eine neuartige Operationstechnik entwickelt habe, dahin versteht, daß damit eine durch Art3 lite der Richtlinien verpönte Selbstanpreisung der Person des Beschwerdeführers durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise bewirkt werde, dann wird damit weder der Verordnungsvorschrift ein verfassungswidriger, gegen Art10 EMRK verstoßender Inhalt unterstellt noch denkunmöglich vorgegangen. In dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung ist der Beschwerdeführer somit nicht verletzt worden.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 8317/1978, 10565/1985, 11754/1988).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ärzte, Disziplinarrecht Ärzte, Meinungsäußerungsfreiheit, Werbeverbot (Ärzte)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B3025.1995

Dokumentnummer

JFT_10039077_95B03025_00

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