Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B1874/92 B1875/92 B1876...

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

13485

Geschäftszahl

B1874/92; B1875/92; B1876/92

Entscheidungsdatum

25.06.1993

Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art18
BefähigungsnachweisV für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl 175/1986 §1, §4, Anlage 1
BefähigungsnachweisV für die Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger sowie der Schönheitspfleger (Kosmetiker) und Masseure, BGBl 246/1965 §1, §2, §4
Verordnung über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit auf Grund schulmäßiger Ausbildung, BGBl 356/1985 idF BGBl 95/1989
GewO 1973 §22
GewO 1973 §375 Abs1 Z60
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. GewO 1973 § 22 gültig von 01.07.1993 bis 18.03.1994 wiederverlautbart durch BGBl. Nr. 194/1994
  2. GewO 1973 § 22 gültig von 01.01.1992 bis 30.06.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 686/1991
  3. GewO 1973 § 22 gültig von 01.07.1990 bis 31.12.1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 325/1990
  4. GewO 1973 § 22 gültig von 01.01.1989 bis 30.06.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 399/1988
  5. GewO 1973 § 22 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 196/1988
  6. GewO 1973 § 22 gültig von 01.07.1979 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 233/1978

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Untersagung der angemeldeten Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse mangels Nachweis der Befähigung; kein Verstoß der diesbezüglichen - zum Teil auf Gesetzesstufe gestandenen - Befähigungsnachweisverordnungen gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und die Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit infolge Berücksichtigung gleichwertiger Ausbildungsalternativen

Spruch

1. Die zu B1876/92 protokollierte Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 13. Oktober 1992, Zl. 315.449/4-III/4/92, richtet, zurückgewiesen.

2. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1. Die Beschwerdeführerin absolvierte nach Ablegung der Reifeprüfung die mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung und schloß sie im Mai 1989 ab. Vom 1. Juni bis zum 27. August 1988 war sie als medizinische Hilfskraft, vom 1. Juli 1989 bis zum 31. Oktober 1991 als Kosmetikerin, Masseuse sowie Fußpflegerin und vom 1. November 1991 bis zum 31. Mai 1992 als Masseuse tätig. Seit 1. Juni 1992 arbeitet sie als Gesundheitstrainerin. Am 28. Februar 1991 meldete sie die Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse mit dem Standort in Traun bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land an. Diese stellte mit drei Bescheiden fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die von ihr angemeldeten Gewerbe nicht erfülle und untersagte die gewerbliche Betätigung.

2. Den dagegen erhobenen Berufungen vom 17. September 1991 war kein Erfolg beschieden: Mit Bescheiden vom 18. Mai 1992 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufungen bezüglich der Gewerbe der Fußpflegerin und der Kosmetikerin als unbegründet ab; deren Zustellung ist per 9. Juli 1992 ausgewiesen. Eine Ausfertigung des dritten Bescheides vom 18. Mai 1992, betreffend das Gewerbe der Masseuse, wurde der Beschwerdeführerin hingegen nicht zugestellt.

3. Der zwischenzeitlich im Devolutionswege angerufene Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten behob mit drei Bescheiden vom 13. Oktober 1992 die drei angeführten Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich (wegen Unzuständigkeit) und gab seinerseits den Berufungen der Beschwerdeführerin keine Folge. (Die beim Verfassungsgerichtshof zu B 1103, 1104/92 anhängigen Beschwerdeverfahren, die die beiden der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich betrafen, wurden mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 22. März 1993 als gegenstandslos geworden erklärt und eingestellt.)

4. In den dagegen gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit, auf Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie des einfach-gesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gewerbeausübung wegen Anwendung der verfassungswidrigen Befähigungsnachweisverordnungen des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau Bundesgesetzblatt 246 aus 1965, und des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie Bundesgesetzblatt 175 aus 1986,, in der Fassung Bundesgesetzblatt 397 aus 1989,, geltend gemacht; hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich, der der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden war, wird überdies die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet. Schließlich wird die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt.

Die Beschwerden werden im wesentlichen damit begründet, daß die Verordnung, mit der ein strengerer Befähigungsnachweis für die Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger sowie der Schönheitspfleger (Kosmetiker) und der Masseure eingeführt wird, Bundesgesetzblatt 246 aus 1965,, - die im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung gemäß §375 Abs1 Z60 GewO 1973 als Bundesgesetz in Geltung stand (s. jeweils §9 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Fußpfleger, Bundesgesetzblatt 628 aus 1990,, und der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Kosmetiker (Schönheitspfleger), Bundesgesetzblatt 629 aus 1990,) - verfassungswidrig gewesen und daß die Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, Bundesgesetzblatt 175 aus 1986,, in der Fassung der Verordnung Bundesgesetzblatt 397 aus 1989,, gesetzwidrig sei.

Die auf Gesetzesstufe gestandene Verordnung Bundesgesetzblatt 246 aus 1965, habe den Zugang zum Gewerbe der Fußpflegerin (unter anderem) an den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden geknüpft; für das Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin) sei die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses und eine Dienstzeit in diesem Gewerbe zwingend vorgeschrieben gewesen, wobei die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) mindestens vier Jahre habe betragen müssen. Dem sei die von der Beschwerdeführerin in der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung absolvierte Ausbildung "gleichwertig, wenn nicht überlegen". Denn deren vom Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport genehmigter Lehrplan sehe 260 Unterrichtsstunden in den Fächern "Fachkunde Fußpflege", "Praktikum Fußpflege" und "Fußmassage und Fußgymnastik" vor; für das Fach Kosmetik seien 895 Unterrichtsstunden in "Fachkunde Kosmetik", "Praktikum Kosmetik", "Kosmetische Rezeptur und Präparatekunde" und "Dekorative Kosmetik" zu absolvieren.

Die Befähigungsnachweisverordnung für das gebundene Gewerbe der Masseure, Bundesgesetzblatt 175 aus 1986,, in der Fassung Bundesgesetzblatt 397 aus 1989,, schließlich sehe als Art des Nachweises der Befähigung ausschließlich eine Prüfung vor, die näher bestimmten Kriterien entspreche, und lasse die gleichwertige Ausbildungsalternative der von der Beschwerdeführerin absolvierten Salzburger Schule unberücksichtigt, die 590 Unterrichtsstunden in den Fächern "Fachkunde Massage", "Praktikum Massage", "Fußmassage und Fußgymnastik", "Anatomie, Physiologie, Pathologie", "Dermatologie und Hygiene" sowie "Erste Hilfe und Verbandlehre" umfasse. Die drei angeführten Befähigungsnachweisverordnungen verletzten daher die eingangs genannten Rechte.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die bekämpften Bescheide verteidigt und die Abweisung bzw. die Zurückweisung der Beschwerden beantragt. Sie weist insbesondere auf die Möglichkeit einer allfälligen Nachsichtserteilung gemäß §28 GewO 1973 sowie auf die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit aufgrund schulmäßiger Ausbildung, Bundesgesetzblatt 356 aus 1985,, in der Fassung der Verordnung Bundesgesetzblatt 95 aus 1989,, hin. In bezug auf den - nicht erlassenen, da der Beschwerdeführerin nicht zugestellten - "Bescheid" des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. Mai 1992, Zl. Ge-52.361/3-1992/Pan/Neu, räumt sie ein, daß er ohne rechtliche Wirkung geblieben sei. Die Aufhebung dieses "Bescheides" durch die belangte Behörde habe jedoch weder in Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen noch Rechte verletzt.

römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1.1. Die Erhebung einer auf Art144 Abs1, erster Satz, B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde hat unter anderem zur Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (VfSlg. 3304/1958, 3425/1958, 3455/1958, 3555/1959, 4305/1962, 4434/1963, 5544/1967, 5712/1968, 6683/1972, 6716/1972, 7226/1973, 8774/1980, 9002/1980, 9452/1982, 9471/1982, 9736/1983, 9915/1985, 10605/1985). Dieses subjektive Recht muß kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein (VfSlg. 3084/1956, 5583/1967).

Die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes ist dann gegeben, wenn der Bescheid subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (VfSlg. 8746/1980, 9107/1981, 9423/1982, 9771/1983, 10576/1985).

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein objektives Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Bescheides voraus. Ein solches objektives Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist, sei es, daß der Bescheid vom Antrag des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer), sei es, daß der Beschwerdeführer durch einen nicht auf seinen Antrag erlassenen Bescheid belastet wird (materielle Beschwer; siehe zu den Begriffen der formellen und der materiellen Beschwer zB VwGH 86/16/0125 vom 3.9.1987; 87/02/0081 vom 15.10.1987; 87/16/0119 vom 10.3.1988; ferner etwa Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1983, S 92). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (s. VfSlg. 11764/1988).

1.2. Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, Zl. 315.449/4-III/4/92, der einen, wie oben geschildert, nur vermeintlich, tatsächlich jedoch gar nicht erlassenen "Bescheid" des Landeshauptmannes von Oberösterreich aufhebt, kann die Beschwerdeführerin in einem subjektiven Recht nicht verletzen; damit fehlt ihr aber die Beschwer, sodaß die gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde, soweit sie sich auf dessen Spruchpunkt römisch eins. bezieht, mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen war.

2. Im übrigen jedoch sind die Beschwerden zulässig, da die Untersagung der von der Beschwerdeführerin am 28. Februar 1991 angemeldeten Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin eingreift und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

B. In der Sache:

Vorauszuschicken ist, daß für die Beurteilung der drei bekämpften, Anmeldungsgewerbe betreffenden Bescheide der Zeitpunkt der Anmeldung vergleiche zB VwGH 27.6.1989, 89/04/0032), hier also der 28. Februar 1991, maßgeblich ist.

1.1. §22 Abs1 GewO 1973 (hier und im folgenden in der Fassung vor der Novelle Bundesgesetzblatt 686 aus 1991,) ordnet an, daß die Befähigung für gebundene und, soweit durch besondere Vorschriften vorgesehen, für konzessionierte Gewerbe durch Belege der in den Z1 bis 5 dieser Bestimmung angeführten Art nachzuweisen ist. Gemäß §22 Abs3 GewO 1973 ist durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege der Befähigungsnachweis für ein bestimmtes gebundenes oder konzessioniertes Gewerbe erbracht wird. Die Nachsicht von den Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung im Sinne des §22 Abs1 Z3 GewO 1973 ist gemäß §28 Abs6 leg.cit. zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers eine erfolgreiche Ablegung der Prüfung erwartet werden kann. Nach §28 Abs1 GewO 1973 ist, soferne eine Verordnung gemäß §22 Abs4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis unter den dort angeführten Einschränkungen zu erteilen, "wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt".

1.2. Die für die vorliegenden Beschwerden wesentlichen Teile der gemäß §375 Abs1 Z60 GewO 1973 als Bundesgesetz in Geltung gestandenen sowie der auf Grund der §§22 Abs3 und 8, 103 Abs1 litb und Abs2 und 352 Abs13 leg.cit. erlassenen Befähigungsnachweisverordnungen lauten:

1.2.1. §§1, 2 und 4 der (auf Gesetzesstufe gestandenen, soweit sie das Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger bzw. der Kosmetiker (Schönheitspfleger) betraf, mit Ablauf des 28. Februar 1991 außer Kraft getretenen - s. §9 Abs2 der Verordnungen Bundesgesetzblatt 628 aus 1990, und 629/1990) Verordnung, mit der ein strengerer Befähigungsnachweis für die Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger sowie der Schönheitspfleger (Kosmetiker) und der Masseure eingeführt wird, BGBl. 246/1965:

"§1. Für den Antritt des gebundenen Gewerbes der Hühneraugenschneider und Fußpfleger (§1 a Abs1 litb Ziffer 19, der Gewerbeordnung) ist der Nachweis der Befähigung zu erbringen

  1. Litera a
    durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens fünf Jahre betragen; oder

  1. Litera b
    durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe sowie durch das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens vier Jahre betragen; oder

  1. Litera c
    durch das Zeugnis über eine mindestens sechsjährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe sowie durch das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden; oder

  1. Litera d
    durch den Nachweis der erfolgreichen Ablegung des ersten Rigorosums an einer medizinischen Fakultät einer inländischen Universität sowie durch das Zeugnis über eine mindestens zweijährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe.

§2. Für den Antritt des gebundenen Gewerbes der Schönheitspfleger (Kosmetiker) (§1 a Abs1 litb Ziffer 20, der Gewerbeordnung) ist der Nachweis der Befähigung zu erbringen

  1. Litera a
    durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens vier Jahre betragen; oder

  1. Litera b
    durch den Nachweis der erfolgreichen Ablegung des ersten Rigorosums an einer medizinischen Fakultät einer inländischen Universität sowie durch das Zeugnis über eine mindestens zweijährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe.

...

§4. Die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses im Sinne des §1 lita und b, §2 lita und §3 lita ist durch das Lehrzeugnis (oder den Lehrbrief) und das Zeugnis über die allenfalls vorgesehene, erfolgreich abgelegte Lehrabschlußprüfung (Lehrlingsprüfung) oder eine Bestätigung der zuständigen Fachgruppe, daß eine solche Prüfung zur Zeit der Beendigung des Lehrverhältnisses nicht vorgesehen war, nachzuweisen."

1.2.2. §§1 und 4 sowie die Anlage 1 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, Bundesgesetzblatt 175 aus 1986, (die Novelle durch die Verordnung Bundesgesetzblatt 397 aus 1989, ist hier nicht beachtlich):

"Art des Nachweises der Befähigung

§1. Die Befähigung für das gebundene Gewerbe der Masseure (§103 Abs1 litb Z34 GewO 1973) ist durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Prüfung (§§2 bis 8) nachzuweisen.

...

Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung

§4. (1) Zur Prüfung ist zuzulassen, wer durch Zeugnisse nachweist

  1. Ziffer eins
    den erfolgreichen Besuch der Studienrichtung Medizin an einer inländischen Universität und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder

  1. Ziffer 2
    die erfolgreich abgelegte Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Masseur und eine nachfolgende mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder

  1. Ziffer 3
    die erfolgreiche Ausbildung zum diplomierten Assistenten für physikalische Medizin und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder

  1. Ziffer 4
    den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 1 festgesetzten Lehrganges für Masseure und eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit oder

  1. Ziffer 5
    die erfolgreiche Ausbildung zum Heilbademeister und Heilmasseur und eine nachfolgende mindestens vierjährige fachliche Tätigkeit.

  1. Absatz 2Unter einer fachlichen Tätigkeit im Sinne des Abs1 ist eine hauptberufliche nicht im Rahmen eines Lehrverhältnisses zurückgelegte Beschäftigung im Rahmen einer befugten Berufsausübung zu verstehen; diese Beschäftigung muß überwiegend die im §2 Abs3 genannten Massagetätigkeiten zum Gegenstand haben.

                                                     Anlage 1

                                             --------------------

                                             (zu §4 Abs1 Z4)

Lehrgang für Masseure

1. Der Lehrgang ist am Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft oder an einer vergleichbaren nichtschulischen berufsbildenden Einrichtung zu absolvieren.

2. Der Lehrgang hat sich jedenfalls auf folgende Gegenstände mit der für den jeweiligen Gegenstand angegebenen Mindestzahl der Lehrstunden zu erstrecken:

                                                     Mindestzahl

Gegenstand                                                der

                                                     Lehrstunden

Allgemeine Anatomie und Physiologie ................       30

Hygiene .............................................      25

Anatomie und Pathologie, ausgerichtet auf die

Massagetätigkeit ....................................      30

Massage-Grundkurs mit praktischen Übungen ...........     160

Massage-Kurs mit praktischen Übungen über

   Reflexzonenmassage, Segmentmassage, Bindegewebsmassage,

   asiatische Massagetechniken (zB Akupunktmassage) und

   Lymphdrainage ....................................     300

Wärme- und Kälteanwendungen (trocken und naß) .......      35

Kenntnisse über die bei Massagetätigkeiten verwendeten

   Präparate und Hilfsmittel ........................      20

Erste Hilfe .........................................      20

Arbeitshygiene und Unfallverhütung ..................      10

3. Die Gesamtzahl der Lehrstunden des Lehrganges hat

mindestens ..........................................     650

zu betragen."

1.3. Gemäß der Anlage zur Verordnung über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit auf Grund schulmäßiger Ausbildung, Bundesgesetzblatt 356 aus 1985,, in der Fassung der Verordnung Bundesgesetzblatt 95 aus 1989,, ersetzt der erfolgreiche Besuch der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung (viersemestrig - nur bei erfolgreicher Absolvierung des dreimonatigen einschlägigen Praktikums) die Lehrzeit im Lehrberuf Schönheitspfleger (Kosmetiker) im Ausmaß von 1 1/2 Jahren, in den Lehrberufen Fußpfleger und Masseur im Ausmaß von je einem Jahr.

2. Die Untersagung der Ausübung von Gewerben greift in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG ein. Die Voraussetzungen für eine derartige Untersagung müssen daher vom Gesetzgeber von Verfassungs wegen so umschrieben werden, daß sie den Anforderungen des Art6 StGG genügen.

Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11625/1988, 11853/1988, 12094/1989, 12578/1990, u.a.) hat dargetan, daß gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Bereits nach der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vergleiche VfSlg. 2850/1955, 3191/1957, 9263/1981, 10413/1985, 11625/1988, 12578/1990) muß die Festsetzung von Bedingungen für die Ausübung eines Erwerbszweiges im Sinne des Art6 StGG ferner in Zusammenhalt mit der Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit gemäß Art18 StGG verstanden werden. Wenn es gemäß Art18 StGG jedermann freisteht, "seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will", so ist der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber wohl nicht gehindert, gemäß Art6 StGG für den Antritt eines Erwerbszweiges entsprechende, für die Ausübung des Erwerbszweiges erforderliche und adäquate Ausbildungsgänge vorzuschreiben; er ist jedoch verfassungsrechtlich verpflichtet - soll das im Art18 StGG gewährleistete Recht neben Art6 StGG nicht sinn- oder zumindest bedeutungslos sein -, sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen zu berücksichtigen. Der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber darf sohin auf Grund des Gesetzesvorbehaltes des Art6 StGG zweifelsohne Regelungen treffen, mit denen der Erwerbsantritt von der Absolvierung bestimmter Berufsausbildungsgänge abhängig gemacht wird, die (für die gehörige Ausübung und damit für den Antritt eines Erwerbszweiges) im öffentlichen Interesse gelegen, zu dessen Verwirklichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind. Er ist jedoch kraft Art18 StGG verhalten, dabei die Absolvierung ihrer Art nach gleichwertiger Ausbildungsgänge als Erwerbsantrittsvoraussetzungen nicht schlechthin auszuschließen. Verfassungswidrig wäre - weil sie Art6 in Verbindung mit Art18 StGG zuwiderlaufen würde - sohin eine rechtliche Regelung, welche Ausbildungsmöglichkeiten ausschließt, die in gleicher Weise wie die zur normierten Bedingung eines Erwerbsantrittes gemachte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lassen (s. VfSlg. 12578/1990).

Dabei besitzt der Gesetz- wie auch der Verordnungsgeber hinsichtlich des Ausbildungszieles ein beträchtliches Maß an Gestaltungsfreiheit. Sind jedoch im Hinblick auf das Ausbildungsziel sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen evidentermaßen, - insbesondere auch durch deren Anerkennung durch den Gesetzgeber -, vorhanden, so sind diese Ausbildungsalternativen kraft Art18 StGG ohne Diskriminierung zu berücksichtigen vergleiche VfGH 16.6.1992, G317/91, G318/91, G16/92).

3. Es ist - und blieb auch von den Beschwerden - unbestritten, daß angesichts des von der GewO 1973 normativ verwirklichten Systems zur Erreichung eines bestimmten Standards gewerblicher Leistungen, der ua. durch eine entsprechende Befähigung der Gewerbeberechtigten sichergestellt wird, gegen das normative Erfordernis einer fundierten Berufsvorbildung sowie einer ausreichenden praktischen Tätigkeit für die Ausübung von Gewerben, die unmittelbar auf die physische Gesundheit der Konsumenten einwirken, keine Bedenken bestehen; dies zumal dann, wenn diese Ausbildung an allen dafür geeigneten Schulen und Einrichtungen absolviert werden kann.

Diesem Erfordernis entsprechen die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Rechtsvorschriften über die Befähigungsnachweise, gegen welche die Beschwerden keine grundsätzlichen Bedenken vortragen. Vielmehr wenden sie sich nur dagegen, daß dort die Absolvierung der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung nicht gehörig berücksichtigt worden sei; sie sind damit aber nicht im Recht:

Es ist nämlich, wie die Gegenschrift zutreffend hervorhebt, auch die Verordnung über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit auf Grund schulmäßiger Ausbildung, Bundesgesetzblatt 356 aus 1985,, in der Fassung Bundesgesetzblatt 95 aus 1989,, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Diese nimmt auf die von der Beschwerdeführerin absolvierte Salzburger Schule Bedacht und präzisiert, inwieweit die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ausbildungsvariante mit dem standardisierten Ausbildungsgang übereinstimmt. Den darin enthaltenen Bewertungen verschiedener Ausbildungs-(lehr)gänge vermag der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle nicht entgegenzutreten.

Soweit die Beschwerden jedoch vermeinen, die genannten Regelungen seien insoweit bedenklich, als sie bei den Gewerben der Fußpfleger und Masseure den erfolgreichen Besuch von von Wirtschaftsförderungsinstituten abgehaltenen Lehrgängen in anderer Weise bzw. weitergehend berücksichtigen als die von der Beschwerdeführerin absolvierte Schule, ist ihnen entgegenzuhalten, daß die Regelungen deutlich zwischen dem erfolgreichen Besuch einer Schule einerseits und einer nichtschulischen berufsbildenden Einrichtung andererseits unterscheiden. Besonders deutlich bringt dies die Anlage 1 zu §4 Abs1 Z4 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, Bundesgesetzblatt 175 aus 1986,, zum Ausdruck, wobei nicht nur auf die Wirtschaftsförderungsinstitute, sondern auf vergleichbare nichtschulische berufsbildende Einrichtungen abgestellt wird. Diesen für die fachliche Befähigung eines Gewerbetreibenden wesentlichen Aspekt übergehen die Beschwerden.

Insgesamt hat deshalb der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten und es ist ihm nicht der Vorwurf zu machen, daß er gleichwertige Ausbildungsalternativen nicht gehörig berücksichtigt hätte; auch dem Verordnungsgeber kann solches nicht vorgeworfen werden. Vielmehr knüpften die Normgeber an unterschiedliche Fakten unterschiedliche Rechtsfolgen, weshalb für den Verfassungsgerichtshof keine Wertungswidersprüche erkennbar sind.

4.1. Die von den Beschwerden vorgetragenen Normbedenken treffen sohin nicht zu; auch sonst sind solche beim Verfassungsgerichtshof aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle nicht entstanden. Den angefochtenen Bescheiden liegen mithin keine rechtswidrigen generellen Normen zugrunde. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt. Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat nicht stattgefunden vergleiche oben römisch II.A.1.2.).

4.2. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

5. Die Beschwerden waren daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

römisch III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Bescheiderlassung, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit, Gewerberecht, Berufsausbildung (Gewerberecht), Gewerbeanmeldung, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Fußpfleger, Kosmetiker, Masseure, Gewerbeberechtigung, Befähigungsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1874.1992

Dokumentnummer

JFT_10069375_92B01874_00

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