Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B287/80

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

10018

Geschäftszahl

B287/80

Entscheidungsdatum

08.06.1984

Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs3
MRK Art3
StGG Art8
StPO §175 Abs1 Z2
StPO §177 Abs1 Z2
StPO §177 Abs2
StPO §447 Abs1
StPO §452 Z1
WaffGG 1969
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. StGG Art. 8 gültig von 23.12.1867 bis 31.12.1990 aufgehoben durch BGBl. Nr. 684/1988
  1. StPO § 175 heute
  2. StPO § 175 gültig ab 01.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2016
  3. StPO § 175 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2014
  4. StPO § 175 gültig von 01.09.2012 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 35/2012
  5. StPO § 175 gültig von 01.01.2008 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2004
  6. StPO § 175 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 526/1993
  7. StPO § 175 gültig von 01.07.1983 bis 31.12.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 168/1983
  1. StPO § 177 heute
  2. StPO § 177 gültig ab 01.06.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 26/2016
  3. StPO § 177 gültig von 01.01.2008 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2004
  4. StPO § 177 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 119/2005
  5. StPO § 177 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 526/1993
  6. StPO § 177 gültig von 31.12.1975 bis 31.12.1993
  1. StPO § 177 heute
  2. StPO § 177 gültig ab 01.06.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 26/2016
  3. StPO § 177 gültig von 01.01.2008 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2004
  4. StPO § 177 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 119/2005
  5. StPO § 177 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 526/1993
  6. StPO § 177 gültig von 31.12.1975 bis 31.12.1993
  1. StPO § 452 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.2007 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007
  2. StPO § 452 gültig von 01.01.1993 bis 31.12.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 455/1990
  3. StPO § 452 gültig von 01.08.1990 bis 31.12.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 455/1990

Beachte

in den Entscheidungsgründen ähnlich Erk. B288/80 vom selben Tag

Leitsatz

StGG Art8; Festnahme und Verwahrung durch §§175 Abs1 Z2, 177 Abs1 Z2, 177 Abs2 StPO iVm. §§447 Abs1 und 452 Z1 StPO gedeckt; keine Verletzung der persönlichen Freiheit MRK Art3; notwendige Fesselung - keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung

Spruch

römisch eins. Die Beschwerde wird abgewiesen.

römisch II. Der Antrag, die Beschwerde - soweit sie sich gegen die Festnahme und anschließende Anhaltung in Haft richtet - an den VwGH abzutreten, wird gleichfalls abgewiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Verwaltungsakt in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. R F begehrte in ihrer mit Berufung auf Art144 Abs1 B-VG an den VfGH gerichteten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch (der Bundespolizeidirektion Linz als bel. Beh. zuzurechnende) Amtshandlungen, nämlich ihre polizeiliche Festnahme, Fesselung und anschließende Verwahrung am 7. Mai 1980 in Linz, demnach durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und zwar auf persönliche Freiheit (Art8 StGG, Art5 MRK) und auf Unterlassung erniedrigender Behandlung (Art3 MRK) sowie im Recht auf Leben (Art2 MRK) verletzt worden sei; hilfsweise wurde gemäß Art144 Abs2 B-VG in der Fassung vor dem BVG Bundesgesetzblatt 350 aus 1981, in Verbindung mit §87 Abs3 VerfGG 1953) die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

1.1.2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Linz als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und begehrte darin die Abweisung der Beschwerde.

1.2. Aus den Verwaltungsakten geht hervor, daß (Polizei-)Revierinspektor J Sch. von der Bundespolizeidirektion Linz die Bf. am 7. Mai 1980 abends in Linz (ua.) wegen des Verdachtes des Vergehens der Sachbeschädigung nach §125 StGB aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr (§175 Abs1 Z2 StPO) ohne richterlichen Befehl festnahm und (vorübergehend) mit Hand- und Fußschellen fesselte; die Bf. wurde im weiteren Verlauf um 21.10 Uhr dieses Tages aus der Haft entlassen.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG in der Fassung der Nov. Bundesgesetzblatt 302 aus 1975, erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für die Festnehmung und anschließende Verwahrung (zB VfSlg. 7252/1974, 7829/1976, 8145/1977, 9860/1983), aber auch für die Fesselung einer Person (mit Hand- oder Fußschellen) zutrifft vergleiche VfSlg. 7081/1973, 7377/1974, 8146/1977, 9836/1983).

2.1.2. Demgemäß ist festzuhalten, daß sich die vorliegende Beschwerde gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG wendet.

2.1.3. Da hier ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde in vollem Umfang zulässig.

2.2. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens wurde als erwiesen festgestellt, daß der Zeuge F St. am 7. Mai 1980 abends den Polizeibeamten J Sch., der damals Funkstreifendienst versah, vor der Bacchus-Weinstube in Linz davon in Kenntnis setzte, die - sich zu dieser Zeit bereits auf der Straße entfernende, aber noch in Sichtweite befindliche - Bf. habe in der Gaststube "randaliert ... und Wein-Gläser ... zerschlagen" (Aussage des Zeugen Sch., s. auch Aussage St.). Daraufhin fuhr J Sch., begleitet von seinem Kollegen K L, der Verdächtigten im Funkstreifenwagen nach. Als die Bf. den nahenden Polizeiwagen bemerkte, begann sie fortzulaufen, wurde aber eingeholt und von J Sch. in einer (Haus-)Einfahrt in der Goethestraße für festgenommen erklärt. In der Folge "wild" um sich schlagend, mußte sie vorübergehend an Händen und Füßen geschlossen werden. Anschließend wurde die Bf. von den beiden Polizisten in das Gebäude der Polizeidirektion gebracht, dort von einem Kriminalbeamten einvernommen und um 21.10 Uhr desselben Tages aus der Haft entlassen.

2.3.1. Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 MRK (s. VfSlg. 7608/1975, 8815/1980) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung" (s. VfSlg. 3315/1958 ua.):

Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit RGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, bestimmt in seinem §4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. Gesetzliche Bestimmungen iS des §4 leg. cit. sind ua. die §§175 bis 177 StPO.

2.3.2. Der VfGH geht bei der rechtlichen Beurteilung des Falls unter dem Blickwinkel der geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit davon aus, daß Revierinspektor J Sch. die Bf. - der nach Lage der Verhältnisse eine mit Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten bedrohte, den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesene strafbare Handlung, nämlich das Vergehen der Sachbeschädigung nach §125 Abs1 StGB, vorgeworfen wurde - im Dienste der Strafjustiz ohne Vorliegen eines richterlichen Haftbefehls festnahm und verwahrte. Es ist daher zu prüfen, ob diese Freiheitsbeschränkung nach §§177, 447 Abs1, 452 Z1 (§9 Abs1) StPO in Verbindung mit §175 Abs1 Z2 StPO zulässig war.

2.3.3.1. Gemäß §§177 Abs1 Z2, 447 Abs1, 452 Z1 (§9 Abs1) StPO darf im bezirksgerichtlichen Verfahren (s. VfSlg. 3850/1960, 5232/1966) die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines den Bezirksgerichten zu Aburteilung zugewiesenen Vergehens verdächtig ist, in den Fällen des §175 Abs1 Z2 StPO - wenn der Beschuldigte also flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten - zum Zweck der Vorführung vor den (Untersuchungs-)Richter ausnahmsweise auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

2.3.3.2. Demgemäß war zunächst zu prüfen, ob das hier einschreitende Sicherheitsorgan mit gutem Grund - und damit vertretbar - zur Auffassung gelangen konnte, daß die Bf. sich das Vergehen der Sachbeschädigung nach §125 StGB zuschulden kommen ließ (s. Punkt 1.2.).

Diese Frage mußte angesichts der dem Beamten zugekommenen - nach Lage des Falles unbedenklichen - Mitteilung des F St. über das Verhalten der Bf. in der Bacchus-Weinstube eindeutig bejaht werden.

Es lag aber auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (§175 Abs1 Z2 StPO in Verbindung mit §452 Z1 StPO) vor, weil die Bf. wie der zu Punkt 2.2. festgestellte Sachverhalt zeigt, vor den Augen des später die Festnahme aussprechenden Sicherheitswachebeamten tatsächlich schon zu flüchten versucht hatte.

Für die Prüfung der - weiteren - Frage, ob Gefahr im Verzug bestand, gilt ein strenger Maßstab: Von der grundsätzlichen Regel, daß ein richterlicher (Haft-)Befehl einzuholen ist, darf nur in besonderen Fällen, dh. wenn besondere Umstände eine Einholung nicht erlauben, abgegangen werden vergleiche VfSlg. 8680/1979).

Diese Voraussetzungen waren hier aber offensichtlich zur Gänze erfüllt, denn die Tatsache, daß sich die Bf. sichtlich auf der Flucht befand, schloß die Einholung eines richterlichen (Haft-)Befehls naturgemäß aus, sollte der Haftzweck nicht vereitelt werden.

2.3.4. Unter all diesen Bedingungen war die Festnahme der Bf. durch §177 Abs1 Z2 StPO in Verbindung mit §452 Z1 StPO voll gedeckt, also gesetzmäßig vor sich gegangen.

2.3.5. Nach §177 Abs2 StPO in Verbindung mit §§447 Abs1, 452 Z1 StPO ist der durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht in Verwahrung genommene Verdächtige durch die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden ist, sogleich freizulassen, sonst aber binnen achtundvierzig Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

Diesen Voraussetzungen wurde hier durchaus entsprochen. Von einer unnötigen Verzögerung der Einvernahme und Entlassung der Festgenommenen aus der (Verwahrungs-)Haft kann - wie die Aktenlage ergibt - keinesfalls die Rede sein.

2.3.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Bf. im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde.

2.4.1. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt 210 aus 1958, (MRK), die gemäß dem Bundesverfassungsgesetz Bundesgesetzblatt 59 aus 1964, im Verfassungsrang steht, bestimmt in ihrem Art3, daß niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.

Aus dem WaffengebrauchsG 1969 ist abzuleiten, daß auch die als weniger gefährliche Maßregel eingestufte Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse, die sich als Mittel zur Überwindung eines auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes und zur Erzwingung einer Festnahme vom Waffengebrauch selbst nur graduell unterscheidet, denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie die Waffenverwendung unterliegt, also zur Erreichung der vom Gesetz vorgesehenen Zwecke nur dann Platz greifen darf, wenn sie notwendig ist und maßhaltend vor sich geht, dann aber, dh. unter diesen Voraussetzungen, wie der Waffengebrauch selbst keineswegs gegen Art3 MRK verstößt. So stellt eine notwendige Fesselung, wie der VfGH ua. bereits in seinen Erk. VfSlg. 7081/1973 und 8146/1977 aussprach, keine hier allein in Betracht kommende "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" iS des Art3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar.

2.4.2. Die Bf. setzte nach ihren eigenen Einlassungen dem einschreitenden Polizisten heftigen ("wilden") körperlichen Widerstand entgegen. Ihre Fesselung war darum - angesichts der konkreten Verhältnisse - geboten, und zwar zur Vermeidung einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit der dienstversehenden Polizeibeamten. Ob dabei in jeder Beziehung rechtmäßig vorgegangen wurde, hatte der VfGH nicht zu prüfen. Da die Fesselung nicht unter Umständen geschah, die eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung der Betroffenen als Person erkennen ließen, kommt eine vom VfGH allein wahrzunehmende Grundrechtsverletzung keinesfalls in Betracht.

2.5. Entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung scheidet hier eine Verletzung des Art2 MRK von vornherein aus, weil diese Verfassungsbestimmung nicht das Recht auf Freiheit, sondern ausschließlich das Recht auf Leben gewährleistet, in das hier nicht eingegriffen wurde (VfSlg. 7857/1976).

2.6. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde - da die Verletzung anderer verfassungsgestzlich gewährleisteter Rechte weder behauptet wurde noch im Verfahren hervorkam und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den bekämpften Verwaltungsakten zugrunde liegenden Rechtsvorschriften nicht entstanden - als unbegründet abzuweisen.

2.7. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war teilweise abzuweisen. Der VfGH hat die Gesetzmäßigkeit der Verhaftung und Haftanhaltung schlechthin zu untersuchen (VfSlg. 7427/1974, 7499/1975) und sich nicht etwa auf die Frage der Gesetzlosigkeit oder denkunmöglichen Gesetzeshandhabung zu beschränken (VfSlg. 8076/1977), sodaß für eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung sonstiger - einfachgesetzlich eingeräumter - Rechte kein Raum bleibt. Daraus ergibt sich aber, daß der VfGH zur Entscheidung der Sache im dargelegten Umfang ausschließlich zuständig ist (VfSlg. 8960/1980), eine Abtretung der Beschwerde an den VwGH also - insoweit - nicht in Betracht kommt.

Im übrigen war die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die Bf. durch die übrige angefochtene Amtshandlung (Fesselung) in einem sonstigen (einfachgesetzlichen) Recht verletzt wurde.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung, Mißhandlung, Waffengebrauch, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B287.1980

Dokumentnummer

JFT_10159392_80B00287_00

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