Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B1453/11 G143/11

Entscheidungsart

Beschluss

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

******

Geschäftszahl

B1453/11; G143/11

Entscheidungsdatum

27.02.2012

Index

24 Strafrecht
24/01 Strafgesetzbuch

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGB §21
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. ZPO § 63 heute
  2. ZPO § 63 gültig ab 01.01.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2011
  3. ZPO § 63 gültig von 01.07.2009 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  4. ZPO § 63 gültig von 01.01.1998 bis 30.06.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 140/1997
  5. ZPO § 63 gültig von 01.05.1983 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/1983

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Regelung des StGB betreffend Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher; Möglichkeit der Anregung eines Gesetzesprüfungsantrags im gerichtlichen Verfahren; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als offenbar aussichtslos

Spruch

              römisch eins. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

              römisch II. Der Antrag auf Abtretung des Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

              1. Mit selbstverfasster Eingabe vom 14. Dezember 2011 beantragt der nach seinen Angaben gemäß §21 Abs2 Strafgesetzbuch (StGB) in der Justizanstalt Mittersteig im Maßnahmenvollzug angehaltene Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den die Fortsetzung des Maßnahmenvollzuges betreffenden Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. November 2011. Ferner begehrt der Einschreiter die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages gemäß Art140 B-VG zwecks Aufhebung der Bestimmung des §21 Abs2 StGB, weil diese Regelung u.a. eine "doppelte Bestrafung eines bereits durch Strafurteil verurteilten Mitbürgers" darstelle; unter einem wird in eventu ein Antrag auf "Überweisung an den Verwaltungsgerichtshof" gestellt.

              2. Bei dem in Rede stehenden Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien handelt es sich um einen Akt der Gerichtsbarkeit.

              Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der Gerichtsbarkeit auf Grund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (zB VfSlg. 11.695/1988, 14.186/1995, 14.625/1996; VfGH 16.12.1998, B1596/98; 30.6.2000, B930/00 ua.). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung einer allenfalls erhobenen Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zu gewärtigen wäre.

              3. Soweit der Einschreiter die Gewährung von Verfahrenshilfe zur Einbringung eines auf Art140 B-VG gestützten Antrages begehrt, ist Folgendes zu bemerken:

              3.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

              Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder anhängig war, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet bzw. bot, eine amtswegige Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (zB VfSlg. 13.871/1994, 17.110/2004, 17.276/2004). Ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (zB VfSlg. 14.672/1996, 15.786/2000).

              3.2. Dem Einschreiter stand im vorliegenden Fall ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner Bedenken offen:

              Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig

abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 Abs2 StGB setzt unter anderem die Verurteilung wegen einer Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und damit ein gerichtliches Strafverfahren voraus. Dieses Verfahren bot dem Antragsteller jedenfalls Gelegenheit, beim - antragslegitimierten (Art140 Abs1 in Verbindung mit Art89 Abs2 B-VG) - Gericht zweiter Instanz seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des §21 Abs2 StGB mit der Anregung auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof zu unterbreiten; das Rechtsmittelgericht hätte im Fall von Bedenken seinerseits einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof einbringen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt eine solche Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor Gerichten einen zumutbaren Weg im Sinne des Art140 Abs1 B-VG dar vergleiche zB VfSlg. 15.418/1999, 18.667/2009, 18.991/2010; VfGH 23.6.2010, B725/10, G55/10).

              Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung

eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können, liegen hier nicht vor.

              Da der Einschreiter somit die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen hätte, erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof auch insoweit als offenbar aussichtslos.

              4. Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag war sohin zur Gänze mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

              5. Art144 Abs3 B-VG sieht nur eine Abtretung von - durch einen Rechtsanwalt eingebrachte - Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden, nicht aber von Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof vor. Der darauf abzielende Antrag auf "Überweisung" des Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof war daher zurückzuweisen.

              6. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO in Verbindung mit §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Strafrecht, Strafprozeßrecht, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:B1453.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2012

Dokumentnummer

JFT_09879773_11B01453_00

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