Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext E860/2016

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Geschäftszahl

E860/2016

Entscheidungsdatum

27.06.2017

Index

L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe, Umweltabgabe
L6930 Wasserversorgung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
KanalgebührenO 2010 der Marktgemeinde Völs vom 20.05.2010 §2
Wasserleitungssatzung und WassergebührenO 2010 der Marktgemeinde Völs vom 20.05.2010 §5
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall wegen Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung einer Anschlussgebühr ohne Abzug für den Abbruch

Spruch

römisch eins. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

römisch II. Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

römisch eins.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Das Land Tirol beschloss im Jahr 1964 in Abstimmung mit der Stadtgemeinde Innsbruck und der Marktgemeinde Völs das Siedlungsprojekt "Völsersee". Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde von der Tiroler Landesregierung mit der Aufschließung des Projektgeländes beauftragt und führte in weiterer Folge die Aufschließung bezüglich Kanalanschlüssen, Wasseranschlüssen und Straßen – entsprechend der Beauftragung durch das Land Tirol – auf eigene Kosten durch. Soweit es um Projekte von anderen Bauträgern ging, verrechnete die beschwerdeführende Gesellschaft diesen die Aufschließungskostenbeiträge unter Berücksichtigung der Grundstücksfläche und der Bebauungsdichte nach den Vorgaben der Marktgemeinde Völs und des Landes Tirol weiter. Die weiterverrechneten Sätze entsprachen hiebei jenen, die von der Marktgemeinde Völs nach den einschlägigen Bestimmungen für Bauvorhaben in anderen Ortsteilen vorgeschrieben wurden. Soweit die Aufschließungskosten eigene Projekte der beschwerdeführenden Gesellschaft betrafen, wurden diese von der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Gänze selbst getragen.

1.1.    Von 1964 bis Mitte der 1980er Jahre hatte die beschwerdeführende Gesellschaft hinsichtlich der von ihr umgesetzten Bauvorhaben keine Aufschließungsbeiträge für Kanal, Wasser oder die verkehrsmäßige Aufschließung an die Marktgemeinde Völs zu entrichten. Diese Vorgehensweise gründete sich laut dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 22. März 2016 auf die von den politischen Entscheidungsträgern (des Landes Tirol und der Stadtgemeinde Innsbruck) gemachten Vorgaben. Die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" erfolgte danach im Einvernehmen zwischen der Marktgemeinde Völs und der beschwerdeführenden Gesellschaft.

1.2.    Im Zuge der Projektumsetzung errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft 1972 auf einem näher bezeichneten Grundstück ein Wohnheim. Entsprechend der unter 1. und 1.1. beschriebenen Vorgehensweise nahm die Marktgemeinde Völs auch hinsichtlich dieses Projektes von einer Vorschreibung von Aufschließungskosten Abstand.

1.3.    Auf Grund der Bewilligung für den Neubau eines Wohnheimes auf diesem Grundstück durch Baubescheid vom 24. Jänner 2014 errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft – nach Abbruch des 1972 errichteten Wohnheimes – das bewilligte Bauvorhaben.

1.4.    Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Völs vom 18. Februar 2014 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft für den Anschluss des mit Baubescheid vom 24. Jänner 2014 genehmigten Bauvorhabens an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage eine einmalige Wasseranschlussgebühr in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Dabei wurde die gesamte Neubaumasse des neu errichteten Gebäudes der Gebührenbemessung zugrunde gelegt.

2.       Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. März 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen diesen Bescheid nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass nach §5 der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Völs mit Beschluss vom 20. Mai 2010 gemäß §15 Abs3 Z4 FAG 2008 in Verbindung mit §18 Tiroler Gemeindeordnung 2001, Landesgesetzblatt 36 aus 2001, in der Fassung Landesgesetzblatt 90 aus 2005,, beschlossenen Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung (in der Folge: Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010) keine Wasseranschlussgebühr für den Altbestand entrichtet worden sei. Die Tatsache, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Rahmen der Umsetzung des Projektes "Völsersee-Siedlung" Aufwendungen für die Erschließung bezüglich Kanal und Wasser übernommen habe, stelle nach dem klaren Wortlaut des §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 keine im Wege einer Anrechnung zu berücksichtigende Entrichtung der Wasseranschlussgebühr dar.

3.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:

3.1.    Die Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass nach §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 eine Anrechnung der für den Altbau angefallenen Aufschließungskosten in jenen Fällen ausscheide, in denen der Bauwerber die Aufschließungsleistungen für die Gemeinde "auf eigene Kosten und Namen" erbracht habe und die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung bezüglich Wasser damit jenen Fällen gleichzusetzen sei, in denen gar keine Aufwendungen für die Erschließungsmaßnahmen getragen worden seien, lasse sich sachlich nicht rechtfertigen. Sowohl die Abgeltung der Aufschließungsmaßnahmen als auch die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung durch den Bauwerber führe zu einer Deckung der Errichtungskosten für die Gemeinde. Eine sachgerechte Lösung erfordere sohin, auch die tatsächliche Übernahme von Aufwendungen für den Altbau bei einem Wiederaufbau anzurechnen. Andernfalls komme es zu einer Bereicherung der Gemeinde, nachdem sie keine Aufwendungen für die Errichtung tätigen musste, aber dennoch über eine öffentliche Wasserversorgungsanlage im Bereich der "Völsersee-Siedlung" verfüge. Da die einmalige Wasseranschlussgebühr lediglich der Deckung der Kosten für die Errichtung und Erweiterung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage diene, verstoße die vorliegende Regelung der Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010, die die Anrechnung bei tatsächlicher Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung ausschließe, gegen das Gleichheitsgebot.

3.2.    Der Zweck der Anrechnungsregelung des §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 sei eindeutig auf die Vermeidung von "Doppelvorschreibungen" gerichtet, weshalb die Bemessung der einmaligen Wasseranschlussgebühr "auf Basis der Neubaumasse[,] in denen die Wasseranschlussgebühr bereits entrichtet wurde[,]" ausscheide. "Entrichtet" seien nach VfSlg 17.163/2004 auch jene Beiträge, die bereits verjährt seien, weshalb auch in solchen Fällen nur der "Ergänzungsbetrag" vorzuschreiben sei. Im konkreten Fall sei der tatsächliche Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage in den 1970er Jahren erfolgt, weshalb die einmalige Wasseranschlussgebühr zweifellos verjährt sei, ungeachtet dessen sei die Wasseranschlussgebühr für den Wiederaufbau ermittelt worden, ohne den Umfang der früheren Baumasse zu berücksichtigen. Insofern sei §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 vom Landesverwaltungsgericht Tirol ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden.

Ferner lasse sich aus dem Gleichheitssatz der Grundsatz der Einmalbesteuerung ableiten (VfSlg 10.101/1984). In einem Schreiben vom 19. Oktober 1981 habe die Marktgemeinde Völs wie folgt ausgeführt:

"Der Gemeinderat ist sich sehr wohl im Klaren darüber, dass die Erschließung des Gesamtgebietes und vor allem jene vom Völser See West ungeheure Kosten verursacht. Es hängt dies jedoch mit der grundsätzlichen Bestimmung zusammen, in der eben festgehalten wurde, dass die gesamten Erschließungsarbeiten die Aufschließungsgesellschaft macht und dafür auch keinerlei Abgaben, Erschließungskosten, Wasseranschlussgebühren und Kanalanschlussgebühren an die Gemeinde Völs zu entrichten sind."

Die Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung der "Völsersee-Siedlung" durch die beschwerdeführende Gesellschaft sei damit offenkundig im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs erfolgt. Es bestehe – entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol – kein sachlicher Unterschied, ob die Aufwendungen für die Aufschließung unmittelbar durch eine Aufschließungsgesellschaft im eigenen Namen getragen oder der Gemeinde die Aufwendungen für die Errichtung der Wasserversorgungsanlage ersetzt werden, nachdem der öffentlichen Hand in beiden Fällen keinerlei Aufwendungen erwachsen würden. Eine dem Gleichheitssatz Rechnung tragende Interpretation der Anrechnungsbestimmung in §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 erfordere daher, dass auch die tatsächlich getätigten Aufwendungen für die Erschließung der Anrechnungsregelung unterliegen. Andernfalls benachteiligte man die beschwerdeführende Gesellschaft nur deshalb, weil sie der Marktgemeinde Völs damals neben der tatsächlichen Aufschließungsleistung keinen "fiktiven" finanziellen Kostenersatz für eine nicht erbrachte Aufschließungsmaßnahme (den Wasserversorgungsanschluss) geleistet habe. Einerseits habe die beschwerdeführende Gesellschaft die Kosten der Erschließung übernommen und die Marktgemeinde Völs aus diesem Umstand 40 Jahre hindurch von der Vorschreibung der einmaligen Wasseranschlussgebühr abgesehen und andererseits vertrete die Gemeinde nun die Ansicht, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die einmalige Wasseranschlussgebühr überhaupt nicht geleistet habe. Das führe zu einer Doppelbesteuerung und verstoße gegen Treu und Glauben.

3.3.    Die Höhe der Benützungsgebühren sei nach VfSlg 11.197/1986 mit der Höhe der Aufwendungen, die für die öffentliche Anlage oder Einrichtung erforderlich seien, begrenzt. Die erneute Vorschreibung der einmaligen Wasseranschlussgebühr – bemessen an der gesamten Neubaumasse – führe daher zur zweifachen Abgeltung der Errichtungskosten. Dadurch werde das Äquivalenzgebot und das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

4.       Das Landesverwaltungsgericht Tirol erstattete eine Gegenschrift, in der es den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegenhält:

Es sei darauf zu verweisen, dass die Errichtung der "Völsersee-Siedlung" und die Tragung diverser Aufwendungen für die Erschließung sowie die Weiterverrechnung an andere Bauträger auf Grundlage politischer Willensbekundungen erfolgt sei. Insofern seien die Aufschließungsmaßnahmen durch die beschwerdeführende Gesellschaft ohne den Rahmen einer zivilrechtlichen Vereinbarung erfolgt. Abgesehen davon, dass der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung über die Durchführung von Aufschließungsmaßnahmen in Bezug auf die Wasseranschlussgebühr nicht vorgesehen sei, sei zu bedenken, dass die tatsächliche Übernahme von Aufwendungen für die Erschließung durch den Bauwerber keineswegs bei der Vorschreibung berücksichtigt werden müsste. Ansonsten würde es der Bauwerber in der Hand haben, nach seinem eigenen Gutdünken und nach der von ihm als richtig angesehenen Qualität Erschließungsmaßnahmen durchzuführen und diese Aufwendungen im Rahmen der Vorschreibung angerechnet zu erhalten.

Dass bei der Berechnung der einmaligen Wasseranschlussgebühr die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage herangezogen worden sei, gründe sich darauf, dass seitens der Gemeinde für den Altbestand keine Wasseranschlussgebühr entrichtet [wohl gemeint: vorgeschrieben] worden sei. Die Vorschreibung solcher Gebühren sei bei der Umsetzung des Bauprojektes "Völsersee-Siedlung" in den 1970er Jahren auch nie in Betracht gezogen worden.

Es mache einen sachlichen Unterschied, ob der Aufwand der Aufschließung unmittelbar durch die Gemeinde oder den Bauwerber getragen werde: Ohne klare Festlegung, in welchem Ausmaß Erschließungsmaßnahmen durch den Bauwerber durchzuführen seien und welche Qualität diese aufzuweisen hätten sowie ohne Rechtsverpflichtung würde eine Anrechnung der vom Bauwerber getätigten Aufwendungen von vorneherein nicht in Betracht kommen. Die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen, welche ohne Rechtspflicht (zivilrechtliche Vereinbarung) vor 40 Jahren getätigt worden seien, würde sich daher nicht als unsachlich erweisen.

5.       Die Marktgemeinde Völs legte die Unterlagen hinsichtlich der Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 vor.

römisch II.      Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§5 und §6 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 lauten auszugsweise:

"§5

Allgemeine Vorschriften über die Benützungsgebühren

und Fälligkeit der Gebühren

Zur Deckung des Aufwandes der Wasserversorgung erhebt die Marktgemeinde Völs Benützungsgebühren, und zwar eine

einmalige Gebühr

für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage

(einmalige Anschlussgebühr)

und

als Jahresgebühr mit vierteljährlicher Vorschreibung

eine Gebühr für den laufenden Wasserbezug (laufende Wassergebühr)

Die einmalige Wasseranschlussgebühr entsteht mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses an die Gemeindewasserleitung.

Bei Erweiterungsbauten, wie Zubau, Aufstockung, udgl., wo kein Neuanschluss oder weiterer Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage vorgesehen ist, entsteht die Gebührenschuld mit dem Zeitpunkt der Bauvollendungsmeldung.

Bei Erweiterungsbauten, wie Zubau, Aufstockung, udgl. entsteht die Beitragspflicht nur für die durch den Zubau oder die Aufstockung neu geschaffene Baumasse.

Bei Wiederaufbau von Abbruchgebäuden, für die zu einem früheren Zeitpunkt eine einmalige Wasseranschlussgebühr entrichtet wurde, entsteht die Beitragspflicht nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage (Baumasse) den Umfang der früheren Baumasse (Abbruch) übersteigt. Wurde zu einem früheren Zeitpunkt keine einmalige Wasseranschlussgebühr für den Altbestand entrichtet, wird bei Wiederaufbau die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Wasseranschlussgebühr herangezogen (kein Abzug für den Abbruch).

Die einmalige Wasseranschlussgebühr ist mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Vorschreibungsbescheides[,] zur Zahlung fällig[,] und wird dem/der Bauwerber/in des betreffenden Bauvorhabens zugestellt.

Der Jahresaufwand der Wasserleitung umfasst das Jahreserfordernis für den laufenden Betrieb und die laufende Erhaltung der Wasserversorgungsanlage, für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten, sowie zur Ansammlung einer Rücklage für die Erneuerung der Anlage. Diese Gebühr wird vom Gemeinderat alljährlich festgesetzt. Die jährliche Gebührenfestsetzung wird öffentlich kundgemacht.

Die laufende Wassergebühr ist vierteljährlich zu entrichten, wobei in den ersten drei Quartalen ein nach dem Vorjahresverbrauch berechneter Pauschalbetrag zur Vorschreibung gelangt und ist mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabebescheides fällig. Die Endabrechnung erfolgt im vierten Quartal des Jahres nach Ablesung des tatsächlichen Verbrauches laut Wasserzähler. Der Bescheid wird dem/der Grundstücks- Objekteigentümer/in zugestellt und ist mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabebescheides fällig.

Zur Entrichtung der laufenden Wassergebühren ist der/die Eigentümer/in des an die Wasserversorgungsanlage angeschlossenen Grundstückes verpflichtet. Bei einem Wechsel im Eigentum geht die Gebührenpflicht mit Ablesung (Bekanntgabe des Zählerstandes in der Marktgemeinde Völs) auf den/die neue/n Eigentümer/in über.

Für einmalige und laufende Gebühren im Zusammenhang mit der Benützung der Wasserversorgungsanlage haftet gemäß §13 Tiroler Abgabengesetz – TAbG idgF – auf dem Grundstück (Bauwerk Baurecht) ein gesetzliches Pfandrecht.

[…]

§6

Bemessungsgrundlage und Höhe der Gebühren

Die einmalige Wasseranschlussgebühr für bebaute Grundstücke, die an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen werden, beträgt zum Zeitpunkt der Erlassung der Wasserleitungssatzung pro Kubikmeter Bemessungsgrundlage (pro m3 Baumasse)                                                    € 0,36

Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Wasseranschlussgebühr ist die Baumasse des Neubaus, bei Zubau und Aufstockung jener Teil, der die bestehende Baumasse vergrößert.

Die Baumasse ist der umbaute Raum des Gebäudes bzw. der baulichen Anlage. Die Baumasse ist geschoßweise zu ermitteln, wobei bei Räumen mit einer lichten Höhe von mehr als 3,50 Meter der diese Höhe übersteigende Teil nicht berechnet wird. Der umbaute Raum ist jener Raum, der durch das Fußbodenniveau des untersten Geschoßes und durch die Außenhaut des Gebäudes oder, soweit eine Umschließung nicht besteht, durch die gedachte lotrechte Fläche in der Flucht der anschließenden Außenhaut begrenzt wird.

[…]"

römisch III.    Erwägungen

1.       Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2.       Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

3.       Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterlaufen:

3.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. Juni 2017, V2/2017, folgenden Textteil des §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 nicht als gesetzwidrig aufgehoben:

"Bei Wiederaufbau von Abbruchgebäuden, für die zu einem früheren Zeitpunkt eine einmalige Wasseranschlussgebühr entrichtet wurde, entsteht die Beitragspflicht nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage (Baumasse) den Umfang der früheren Baumasse (Abbruch) übersteigt. Wurde zu einem früheren Zeitpunkt keine einmalige Wasseranschlussgebühr für den Altbestand entrichtet, wird bei Wiederaufbau die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Wasseranschlussgebühr herangezogen (kein Abzug für den Abbruch)."

Im Rahmen einer verfassungskonformer Auslegung ist der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass auch in solchen Fällen, in denen dem Grundeigentümer durch eine Aufschließungsgesellschaft die Kosten für die Errichtung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage im Zuge des Anschlusses an diese in einer der Erhebung einer Gebühr vergleichbaren Weise angelastet worden sind, davon auszugehen ist, dass die einmalige Wasseranschlussgebühr für den Altbestand "entrichtet wurde" vergleiche VfGH 21.6.2017, V2/2017, Rz 28 f.).

3.2.    Ein Abzug für den Abbruch hat somit nicht nur dann zu erfolgen, wenn für diesen eine von der Gemeinde vorgeschriebene Anschlussgebühr entrichtet wurde, sondern auch, wenn dem Grundeigentümer für den Abbruch die Kosten von einer Aufschließungsgesellschaft im Einvernehmen mit und unter Einbindung der Gemeinde vergleichbar einer Gebühr angelastet worden sind. Gleiches gilt, wenn die Aufschließungsgesellschaft die Kosten für eigene Bauprojekte vergleichbar der Anlastung einer Anschlussgebühr aus eigenem getragen hat vergleiche VfGH 21.6.2017, V2/2017, Rz 27).

3.3.    Im vorliegenden Fall ergibt sich unstrittig aus den Verwaltungsakten, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" (Kanalanschlüsse, Wasseranschlüsse und Straßen) im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs tatsächlich vorgenommen und die Kosten dafür ausgelegt hat. Die Marktgemeinde Völs hat für jedes einzelne Bauvorhaben der "Völsersee-Siedlung" – darunter Wohnanlagen, Tiefgaragen ua. – bestätigt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließungskosten für das jeweilige Grundstück getragen hat und bekannt gegeben, welche Gebührensätze für Kanal, Wasser und Erschließung in Kraft standen. Daraufhin teilte die beschwerdeführende Gesellschaft in einem Schreiben an die Marktgemeinde Völs mit, dass sie die Angaben der Marktgemeinde Völs als Kostenberechnungsgrundlage verwendet und so die Kosten der Erschließung (für die einzelnen Bauvorhaben) errechnet habe. Ferner ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Überprüfung (der weiterverrechneten Kosten für die Aufschließung) und schriftliche Zustimmung der Marktgemeinde Völs.

3.4.    Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass für die beschwerdeführende Gesellschaft ein Abzug für Abbruch schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil sie für diesen tatsächlich keine Anschlussgebühr an die Gemeinde entrichtete, und hat es in weiterer Folge unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob im konkreten Fall Umstände vorliegen, die einer Entrichtung der einmaligen Wasseranschlussgebühr für den Altbestand gleichzuhalten sind.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat damit aber §5 Wasserleitungssatzung und Wassergebührenordnung 2010 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

römisch IV.      Ergebnis

1.       Die beschwerdeführende Gesellschaft ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2.       Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall, Äquivalenzprinzip, Gebühr, Kanalisation Abgaben, Wasserversorgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E860.2016

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2017

Dokumentnummer

JFT_20170627_16E00860_00

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