Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B189/97 B468/97 B589/97

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

******

Geschäftszahl

B189/97; B468/97; B589/97

Entscheidungsdatum

11.03.1998

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Teilen des §33 und §34 AlVG mit E v 11.03.98, G363/97 ua. Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Spruch

Die beschwerdeführende Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die jeweils mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins.Die drei Beschwerdeführer sind ausländische Staatsangehörige, die in Österreich viele Jahre unselbständig erwerbstätig und damit arbeitslosenversichert waren.

1. a) Der Beschwerdeführer zu B189/97 bezog vom 3. Oktober 1995 bis 28. Jänner 1996 und vom 3. Februar bis 5. Oktober 1996 Notstandshilfe. Aufgrund eines (neuerlichen) Antrages vom 26. September 1996 wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe anerkannt, wobei auf dem im Verwaltungsakt einliegenden "Zahlungs- und Verrechnungsblatt" als Beginn der 1. Oktober 1996 und die Dauer von 364 Tagen vermerkt ist.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 15. November 1996 wurde der Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 6. bis 31. Oktober 1996 widerrufen, weil der Beschwerdeführer mit 5. Oktober 1996 bereits durch 364 Tage (52 Wochen) Notstandshilfe bezogen habe.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt: Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach §34 Abs3 Z6 in Verbindung mit Abs4 AlVG könnten "Personen, die zwar nicht die österreichische Staatsbürgerschaft aber einen gültigen Befreiungsschein besitzen, nur für eine einmalige, zeitlich begrenzte Anspruchsdauer (nämlich insgesamt 52 Wochen) zum Bezug der Notstandshilfe zugelassen" werden.

b) Die Beschwerdeführerin zu B468/97, die mit geringen Unterbrechungen seit 1971 in Österreich berufstätig war, bezog aufgrund eines 1989 erlittenen Arbeitsunfalles zeitweise eine befristete Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, zeitweise Arbeitslosengeld. Ab 3. Oktober 1995 bezog die Beschwerdeführerin Notstandshilfe, wobei im Karteiblatt des Verwaltungsaktes das Ende des Bezugs mit 30. September 1996 vermerkt wurde. Ihr am 23. September 1996 eingebrachter Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 11. Oktober 1996 abgelehnt.

Aufgrund einer Berufung bestätigte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) mit Bescheid vom 16. Jänner 1997 den erstinstanzlichen Bescheid. Eine der Voraussetzungen für den Bezug der Notstandshilfe sei die österreichische Staatsbürgerschaft des Arbeitslosen. Österreichischen Staatsbürgern seien im Besitz eines Befreiungsscheines befindliche Ausländer gleichzustellen, wobei diese jedoch höchstens für die Anspruchsdauer von 52 Wochen Notstandshilfe erhalten könnten.

c) Die Beschwerdeführerin zu B589/97 wiederum bezog nach Geburt ihres Kindes am 30. Jänner 1994 zunächst Karenzurlaubsgeld und im Anschluß daran Sondernotstandshilfe. Diese wurde mit 31. August 1996 eingestellt, weil für das Kind ab 1. September 1996 eine Unterbringungsmöglichkeit bestand, sodaß die gemäß §39 Abs1 AlVG erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Sondernotstandshilfe nicht mehr gegeben seien.

Ihr am 2. September 1996 gestellter Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe wurde abgewiesen, weil sie als ausländische Staatsangehörige mit Befreiungsschein gemäß §34 Abs4 Z1 AlVG nach Erschöpfung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld nur zum Bezug von Sondernotstandshilfe gemäß §39 oder von Notstandshilfe für ein Jahr berechtigt sei. "Ein Wechsel auf Notstandshilfe" sei "aufgrund der Einmaligkeitsbestimmung" nicht möglich.

Die mit Berufung angerufene Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) bestätigte mit Bescheid vom 13. Februar 1997 den erstinstanzlichen Bescheid: Nach dem Wortlaut des §34 Abs4 AlVG sei entweder der Bezug von Notstandshilfe oder von Sondernotstandshilfe möglich, ein Wechsel von einer Leistung zur anderen sei nicht vorgesehen. Da bereits Sondernotstandshilfe bezogen wurde, sei kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben.

2. Gegen diese Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien richten sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Ausländern untereinander sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmungen der §§33 und 34 AlVG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide begehrt wird.

römisch II.Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen zu G363-365/97 protokollierte Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §33 Abs2 lita sowie des §34 Abs2 bis 4 AlVG ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag hob er die in Prüfung genommenen Bestimmungen - mit Ausnahme des §34 Abs2 - als verfassungswidrig auf.

römisch III.Die Beschwerden sind

begründet:

Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

römisch IV.Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von je S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B189.1997

Dokumentnummer

JFT_10019689_97B00189_2_00

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