Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Entscheidungstext B1060/10

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

******

Geschäftszahl

B1060/10

Entscheidungsdatum

13.12.2011

Index

27 Rechtspflege
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch

              römisch eins. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

              Der Bescheid wird aufgehoben.

              römisch II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              römisch eins. Sachverhalt, Beschwerde und amtswegiges Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren

              1.1. Der Beschwerdeführer ist Beschuldigter in einer Strafsache wegen §88 Abs1 StGB (fahrlässige Körperverletzung). Am 25. März 2010 nahm ein Mitarbeiter des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in den diesen betreffenden Strafakt der Staatsanwaltschaft Linz Einsicht und fertigte dabei mittels eines eigenen, tragbaren Scangeräts 12 Kopien an. Der Aufforderung der Kanzleikraft, 0,50 € pro Kopie, sohin insgesamt 6 € zu bezahlen, kam der Mitarbeiter nicht nach.

              In der Folge erließ die Kostenbeamtin der Staatsanwaltschaft Linz am 5. Mai 2010 einen Zahlungsauftrag, mit welchem dem Beschwerdeführer 6 € an Kopierkosten (zuzüglich einer Einhebungsgebühr gemäß §6 Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 [GEG] in Höhe von 8 €, sohin insgesamt ein Betrag von 14 €) zur Zahlung vorgeschrieben wurden.

              1.2. Dem dagegen gemäß §7 Abs1 GEG erhobenen Berichtigungsantrag gab der Leiter der Staatsanwaltschaft Linz mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2010 unter Verweis auf Anmerkung 6 zu Tarifpost 15 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) keine Folge.

              1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die

vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

              2. Aus Anlass dieser (bzw. einer weiteren) Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof

              römisch eins. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit

              a) der Anmerkung 6 zu Tarifpost 15 des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz - GGG), BGBl. Nr. 501 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 52 aus 2009, sowie in der Fassung Artikel römisch eins Z17 litb der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Neufestsetzung von Gerichtsgebühren und Bemessungsgrundlagen, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 188 aus 2009,,

              b) des §29a des Gerichtsgebührengesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 501 aus 1984, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2008,,

              sowie

              römisch II. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit

              a) des Artikels römisch eins Z17 litb der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Neufestsetzung von Gerichtsgebühren und Bemessungsgrundlagen, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 188 aus 2009,,

              b) des §2 der Verordnung der Bundesministerin für

Justiz über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 390 aus 2007,,

              c) der drei letzten Absätze des Erlasses der Bundesministerin für Justiz vom 17. Juli 2009, Zl. BMJ-L390.002/0003-II 3/2009, betreffend Änderung des Gerichtsgebührengesetzes,

              d) der Z3 lita, c und d (samt Fußnoten) des Erlasses der Bundesministerin für Justiz vom 26. Juli 2010, Zl. BMJ-B18.000/0006-I 7/2010, über einzelne Aspekte zur Bestimmung der Rechtsmittelgebühren nach Tarifpost 12a GGG in Exekutionsverfahren sowie der Gebühren für Aktenabschriften, -ablichtungen und sonstige Kopien nach Tarifpost 15 Anmerkung 6 GGG,

entstanden.

              Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit

Beschluss vom 1. Juli 2011 gemäß Art140 Abs1 B-VG sowie gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmungen ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G85,86/11, V77-81/11, hob der Verfassungsgerichtshof die oben unter Pkt. römisch eins.b sowie römisch II.b bis d angeführten Bestimmungen als verfassungs- bzw. gesetzwidrig auf bzw. sprach er aus, dass die unter Pkt. römisch eins.a und römisch II.a genannten Bestimmungen verfassungs- bzw. gesetzwidrig waren.

              römisch II. Erwägungen

              1. Die Beschwerde ist begründet.

              Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung sowie eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

              Der Beschwerdeführer wurde also durch den

angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung sowie einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.404/1985, 10.515/1985).

              Der Bescheid war daher aufzuheben.

              2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

              3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B1060.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2012

Dokumentnummer

JFT_09888787_10B01060_00

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