Entscheidungstext Om5/10

Gericht

OPMS

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Geschäftszahl

Om5/10

Entscheidungsdatum

22.09.2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wolfgang BONT, Dr. Gerhard PRÜCKNER und Dr. Friedrich JENSIK als rechtskundige Mitglieder sowie den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma   R ***** G m b H ,  *****vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 17, 1014 Wien, wider den Antragsgegner Herrn   H *****, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Clemens THIELE, Imbergstraße 19, 5020 Salzburg, wegen Löschung der Marken Nr 225 194 und 228 366 über die Berufung der Antragstellerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 14. Oktober 2009, Zl Nm 89+90/2006-4,5 entschieden:

 

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

 

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten hat:

 

„Die für Waren der Klasse 32 (nicht alkoholische Getränke) registrierte Marke AT 225 194 wird mit Wirksamkeit vom 8. Juni 2005 (Tag der Registrierung) und die für Waren der Klassen 3 (Parfum) und 32 (nicht alkoholische Getränke) registrierte Marke AT 228 366 wird mit Wirksamkeit vom 21. November 2005 (Tag der Registrierung) gelöscht.

 

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 7.294,56 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 1.032,43 EUR Umsatzsteuer und 1.100 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

 

Der Antragsgegner ist weiters schuldig, der Antragstellerin die mit 3.921,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 453,65 EUR Umsatzsteuer und 1.200 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Text

G r ü n d e :

 

Der Antragsgegner hat am 3. Mai 2005 die nachstehend abgebildete Wortbildmarke

 

als österreichische Marke angemeldet. Die Marke wurde am 8. Juni 2005 unter AT 225 194 in der Klasse 32 (nicht alkoholische Getränke) registriert.

 

Mit Wirksamkeit vom 8. September 2005 wurde am 21. November 2005 die Wortmarke PITBULL unter der Nr AT 228 366 für die Klasse 3 (Parfum) und für die Klasse 32 (nicht alkoholische Getränke) registriert.

 

Die Antragstellerin ist Inhaberin folgender Marken:

 

- AT 129 363, Beginn der Schutzdauer 12. Dezember 1989

Die Marke ist für die Klasse 32 (Alkoholfreie Getränke, Mineralwässer, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte, Biere) eingetragen.

- CTM 52 803, RED BULL, Beginn der Schutzdauer 1. April 1996.

Die Marke ist für nachstehende Warenklassen eingetragen:

Klasse 3 (Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Parfumerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer), Klasse 32 (Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken); Klasse 33 (Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere).

- AT 167 266, RED BULL; Beginn der Schutzdauer 17. September 1996.

Die Marke ist für nachstehende Warenklassen eingetragen:

Klasse 32 (Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken); Klasse 33 (Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere).

- AT 206 313, BULL; Beginn der Schutzdauer 23. August 2002.

Die Marke ist für die Klasse 32 (Alkoholfreie Getränke, einschließlich Erfrischungsgetränke, Energy Drinks, Molkegetränke und isotonische (hyper- und hypotonische) Getränke (für den Gebrauch bzw. die Bedürfnisse von Sportlern); Bier, Malzbier, Weizenbier, Porter, Ale, Stout und Lager; alkoholfreie Malzgetränke; Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe, Essenzen und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken sowie Brausetabletten und Pulver für Getränke und alkoholfreie Cocktails) eingetragen.

- AT 182 460; Beginn der Schutzdauer 14. April 1999.

 

Die Marke ist für nachstehende Warenklassen eingetragen:

Klasse 32 (Alkoholfreie Getränke, insbesondere Erfrischungsgetränke, Energy Drinks, Molkegetränke und isotonische (hyper- und hypotonische) Getränke (für den Gebrauch bzw die Bedürfnisse von Sportlern) und mit Priorität vom 20. April 1999 für die Klasse 32 (Bier, Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe, Essenzen und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken sowie Brausetabletten und Pulver für Getränke und alkoholfreie Cocktails).

 

Die Antragstellerin begehrte am 14. August 2006 die Löschung dieser Marken gemäß Paragraph 30, Absatz eins, Ziffer 2,, Paragraph 30, Absatz 2,, Paragraphen 32 und 34 MSchG. Es bestehe Verwechslungsgefahr. Die angesprochenen Verkehrskreise fassten die angefochtenen Marken als Marken einer Zeichenserie auf, die die notorisch berühmte Marke RED BULL der Antragstellerin abwandelten. Dem Antragsgegner komme es darauf an, eine gedankliche Verbindung zur berühmten Marke der Antragstellerin herzustellen, um von der Verwechslung zu profitieren. Der Antragsgegner beute den Ruf der Marken der Antragstellerin aus und gefährde diese, indem sie verwässert würden. Auch das unterscheidungskräftige Firmenschlagwort BULL sei geschützt.

 

Dem Löschungsantrag waren zwei demoskopische Gutachten beigelegt; ein weiteres legte die Antragstellerin im Verfahren vor. Danach ordnen 92 % der Befragten das Zeichen der Antragstellerin zu.

 

Der Antragsgegner wendete ein, es fehle die Verwechslungsgefahr. Mit „Pitbull“ assoziiere der verständige Verbraucher eine Kampfhunderasse, nicht einen Stier. Auch sei die Wortbildmarke des Antragsgegners optisch völlig anders gestaltet als die Marken der Antragstellerin. Der Antragsgegner habe sich ernsthaft bemüht, von den Marken der Antragstellerin ausreichend Abstand zu halten. Er versuche nicht, die Marken der Antragstellerin auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

 

Die Nichtigkeitsabteilung wies die Löschungsanträge ab.

 

Es sei unstrittig, dass den Marken der Antragstellerin die bessere Priorität zukomme. Zwischen "nicht alkoholischen Getränken" (Klasse 32) und "alkoholfreien Getränken" (Klasse 32) bestehe Warenidentität, ebenso auch zwischen der Warenangabe "Parfum" (Klasse 3) und der ebenfalls in Klasse 3 enthaltenen Warenangabe "Parfumerien". Da beide Klagsmarken ausschließlich aus phantasiehaften Wörtern oder Bildelementen bestünden, handle es sich um für die gegenständlichen Waren unterscheidungskräftige Zeichen. Die Unterscheidungskraft werde durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit noch verstärkt. Dies ergebe sich aus den demoskopischen Gutachten und der bereits in anderen Verfahren festgestellten überragenden Bekanntheit der Marke RED BULL und werde durch die große mediale Präsenz der Marke noch bestätigt.

 

Wie sich aus einem Gutachten aus dem Jahr 2000 ergebe, hätten bereits zum damaligen Zeitpunkt 97 % der Befragten BULL mit der Marke RED BULL und 29 % mit dem Hersteller RED BULL in Verbindung gebracht. Es sei daher bei beiden Marken von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen und es könne auch auf eine bereits zum Prioritätszeitpunkt gegebene gesteigerte Kennzeichnungskraft geschlossen werden. Obwohl alkoholfreie Getränke, auch Energy Drinks, Produkte des täglichen Gebrauchs seien, sei davon auszugehen, dass die beteiligten Verkehrskreise beim Erwerb dieser Produkte trotzdem eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufwendeten. Insbesondere bei Jugendlichen werde verstärkt auf das mit den jeweiligen Produkten verbundene Image geachtet, was sich auch in der Wahrnehmung dieser Produkte niederschlage.

 

Ein Vergleich der streitverfangenen Marken zeige, dass weder in Bild, Klang noch im Sinn Ähnlichkeit bestehe. Abgesehen von dem ihnen gemeinsamen Bestandteil BULL und – in den Wortbildmarken – einer angenäherten räumlichen Anordnung der einzelnen Bestandteile wiesen die Marken keine Übereinstimmung auf. Die Wortbestandteile RED und PIT setzten sich zwar aus jeweils drei Buchstaben zusammen, stimmten aber weder optisch noch dem Sinn nach überein. Die Wortbildmarken bestünden jeweils aus einer Wortkombination oder einem zusammengesetzten Begriff, bestehend aus dem Bestandteil BULL und dem aus drei Buchstaben bestehenden englischen Adjektiv "RED" respektive "PIT", sowie einer Darstellung von Tieren bzw einem Tierkopf in einem Kreis. Die bildlichen Darstellungen unterstrichen jeweils den Sinngehalt der darüber stehenden Begriffe. Die in der Marke RED BULL dargestellten zwei roten Stiere in Seitenansicht verbinde man sofort mit einem Stier, was den Begriff RED BULL unterstreiche. Dagegen unterstütze die Darstellung eines Pitbull-(Terrier)kopfes in Verbindung mit dem Wort PITBULL das Verständnis dieses Begriffs als Bezeichnung dieser Hunderasse und führe somit von der Bedeutung des Wortes BULL im Sinne von "Stier" weg. Die farbliche Gestaltung des Hintergrundes als auch der Zusätze "Energy Drink" bzw "get the Power" sei unterschiedlich. Die Zusätze seien Bestandteile mit schwach ausgeprägter Kennzeichnungskraft, die nicht miteinander vergleichbar seien. Trotz hochgradiger Warenähnlichkeit oder sogar Warenidentität und der erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Klagsmarken RED BULL und BULL bestehe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.

 

Auch mittelbare Verwechslungsgefahr, wie bei Abwandlung eines Serienzeichens, sei mangels entsprechenden Vorbringens und Beweisführung hinsichtlich anderer – über die Klagsmarken RED BULL und BULL hinausgehender – eingetragener Marken zu verneinen. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens sei ausgeschlossen, wenn der Verkehr das angegriffene Zeichen als Gesamtbegriff mit einem eigenständigen Sinngehalt auffasse und den mit dem Klagskennzeichen identischen Wortbestandteil in dem zusammengesetzten Zeichen deshalb nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie ansehe. Dem Markenwort PITBULL komme ein solcher eigenständiger Sinngehalt zu.

 

Rufausbeutung und Verwässerung seien zu verneinen, weil es an einer der drei kumulativ erforderlichen Voraussetzungen mangle. Ähnlichkeit zwischen den streitverfangenen Marken liege nicht vor. Auch der Löschungsgrund nach Paragraph 32, MSchG komme mangels Verwechslungsgefahr nicht zum Tragen. Da der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin nicht zur Loyalität verpflichtet sei und es an einer Übereinstimmung zwischen den Marken der Antragstellerin und des Antragsgegners fehle, müsse auch eine Bösgläubigkeit des Antragsgegners bei der Markenanmeldung ausgeschlossen werden.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Antragstellerin ist berechtigt.

 

Es ist unstrittig, dass die Marken der Antragstellerin AT 129 363, CTM 52 803, AT 167 266, AT 206 313 und AT 182 460 früher angemeldet wurden und damit Priorität gegenüber den angegriffenen Marken des Antragsgegners genießen. Gleichfalls unstrittig ist, dass zwischen "nicht alkoholischen Getränken" (Klasse 32) und "alkoholfreien Getränken" (Klasse 32) Warenidentität besteht. Warenidentität besteht auch zwischen der Warenangabe "Parfum" (Klasse 3) und der ebenfalls in Klasse 3 enthaltenen Warenangabe "Parfumerien".

 

Die hier zu beurteilenden Marken kennzeichnen Waren, die als Konsumartikel für den allgemeinen Verbrauch bestimmt sind. Daraus folgt, dass bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen ist. Auch wenn es sich bei den gegenständlichen Waren bei objektiver Betrachtung um geringwertige Konsumgüter des täglichen Bedarfs handelt, bei denen der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers normalerweise als gering einzustufen ist, ist hier der Argumentation der Nichtigkeitsabteilung zu folgen. Energy Drinks wird vom angesprochenen Konsumentenkreis aufgrund eines Image- und Prestigedenkens sowie der wegen der aufputschenden Wirkung gegebenen Attraktivität mit einer Aufmerksamkeit begegnet, die höher ist als bei anderen Waren des täglichen Lebens. Energy Drinks werden von den überwiegend jugendlichen Konsumenten keineswegs achtlos ("im Vorübergehen") gekauft, sondern markenbewusst.

 

Bei den prioritätsälteren Klagsmarken ist von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen, die sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten demoskopischen Gutachten und der bereits in anderen Verfahren (etwa Om 6/05 = PBl 2006, 148, American Bull), festgestellten überragenden Bekanntheit der Marke RED BULL ableitet. Diese ist auch aufgrund der großen medialen Präsenz als gegeben anzunehmen.

 

Wenngleich grundsätzlich vom Vorliegen markenrechtlicher Verwechslungsgefahr auszugehen ist, wenn auch nur in klanglicher oder (schrift)bildlicher oder begrifflicher Hinsicht Ähnlichkeit zwischen den Zeichen besteht, so kann die Ähnlichkeit in einem Merkmal durch Abweichungen bei anderen Merkmalen ausgeglichen werden, sofern diese Abweichungen vom Verkehr sofort erfasst werden. Hier findet sich der Wortbestandteil BULL in allen Marken. Durch die getrennte Schreibweise von RED und BULL wird in den RED BULL-Marken der dem englischen Wort BULL innewohnende Sinngehalt (= Stier) in den Vordergrund gerückt. Dem gegenüber bildet der Wortbestandteil BULL bei der Marke PITBULL einen Teil eines zusammengesetzten Begriffs, so dass nicht der Sinngehalt eines einzelnen Wortbestandteils wahrgenommen wird, sondern der des gesamten Wortes. Mit PITBULL wird selbst bei oberflächlicher Wahrnehmung eine Kampfhunderasse in Verbindung gebracht. Eine klangliche Ähnlichkeit ist nur hinsichtlich des Wortbestandteils BULL gegeben. Da PITBULL als zusammengesetzter und bekannter Begriff auf der ersten Silbe betont wird und es zu keiner getrennten Aussprache des Bestandteils BULL kommt, ist diese unbeachtlich.

 

Auch die bildlichen Darstellungen der zu beurteilenden Wortbildmarken lassen keine Ähnlichkeiten erkennen. Die Hintergrundgestaltung der Klagsmarke Nr 182 460 ist durch acht unterschiedlich große, einander gegenüberliegende blaue und silberne Vierecke vergleichsweise aufwendig gestaltet, was durch die Überlagerung der Berührungspunkte der im oberen Bildteil angeordneten Vierecke durch einen im Verhältnis dazu sehr kleinen goldfarbenen Kreis (wie eine Sonnendarstellung) verstärkt wird. Vor diesem goldfarbenen Kreis befinden sich zwei von der Seite betrachtete, mit gesenkten Hörnern aufeinander zustürmende Stiere, deren Abbildung jeweils links und rechts aus dem Kreis in die dahinter liegenden, blauen und silberfarbenen, im oberen Bildteil befindlichen Vierecke hineinragt. Oberhalb der Tierdarstellung befindet sich die gänzlich in Rot gehaltene und in einer serifenlosen Schrift abgebildete Wortkombination RED BULL. Die Kombination aus zwei einzelnen Wörtern, denen jeweils ein eigener Sinngehalt zukommt, wird durch die im Hintergrund verlaufende Trennung von zwei farblich unterschiedlichen Flächen (blau bzw silberfarben) verstärkt. Unterhalb der Tierdarstellung befindet sich der Zusatz ENERGY DRINK, eine beschreibende Produktbezeichnung mit folglich geringer Kennzeichnungskraft.

 

Die Marke Nr 129 363 besteht aus der erwähnten Tierdarstellung vor weißem Hintergrund, wobei der goldfarbene Kreis durch einen dünnen schwarzen Rand ersetzt wird. Dem gegenüber weist die Wortbildmarke PITBULL ein durchgehend in Schwarz gehaltenes, einfärbiges Hintergrundbild mit einer relativ großen roten Kreisfläche auf, die einen gelben Rand hat. Innerhalb dieser roten Kreisfläche befindet sich die stilisierte Darstellung eines von vorne betrachteten weißen Kopfes eines Pitbull(terriers). Die rote Kreisfläche wird nicht durchbrochen. Darüber befindet sich das rot geschriebene und gelb umrandete Wort PITBULL. Die gewählte Schriftform enthält Serifen. Unterhalb der Tierdarstellung befindet sich – ebenfalls in einer Schrift mit Serifen – die Wortfolge „get the Power“. Dabei handelt es sich um eine werbliche Anpreisung mit schwach ausgeprägter Kennzeichnungskraft.

 

Es ist davon auszugehen, dass dem Durchschnittsverbraucher der unterschiedliche Sinngehalt der beiden Wortmarken RED BULL und PITBULL bewusst ist. Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise sowie der Erfassung von PITBULL als einzelnem Wort bzw RED BULL als aus zwei Worten bestehendem Begriff, deren jeweilige Bedeutung durch die grafische Ausgestaltung noch verstärkt wird, kommt dem Bestandteil BULL in der Marke PITBULL keine eigene kennzeichnende Stellung zu.

 

Die gravierenden Abweichungen im grafischen, klanglichen und begrifflichen Erscheinungsbild schließen eine Verwechslungsgefahr aus. Damit ist der Löschungstatbestand nach Paragraph 30, Absatz eins, Ziffer eins, MSchG zu verneinen.

 

Gemäß Paragraph 30, Absatz 2, MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke, die im Inland bekannt ist, die Löschung einer Marke auch begehren, sofern die beiden Marken gleich oder ähnlich, aber für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind und die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Die Bekanntheit der älteren Marke muss spätestens am Tag der Anmeldung der jüngeren Marke vorgelegen sein.

 

Der erweiterte Schutz der bekannten Marke nach Paragraph 10, Absatz 2, MSchG gilt aufgrund eines Größenschlusses auch dann, wenn der Dritte das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit den von der eingetragenen Marke erfassten gleich oder ähnlich sind (EuGH C-292/00 = Slg 2003, I-389, Davidoff; 17 Ob 15/09v, Styriagra; Om 8/09, mömax).

 

Der Schutz der bekannten Marke setzt zwar keine Verwechslungsgefahr voraus, wohl aber eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft (EuGH C-408/01 = Slg 2003, I-12537, Adidas-Salomon und Adidas Benelux; EuGH C-487/07, L`Oréal mwN), weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann (4 Ob 122/05b = SZ 2005/173, Red Dragon; RIS-Justiz RS0120364). Das Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH C-252/07, Intel Corporation).

 

Die Bekanntheit und die dadurch gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marken der Antragstellerin sind – auch bezogen auf den hier maßgeblichen Registrierungszeitraum für die angegriffenen Marken des Antragsgegners (2005) – nicht zu bezweifeln.

 

Die Ähnlichkeit im Sinn des Paragraph 10, Absatz 2, MSchG, also die gedankliche Verknüpfung beim Publikum, auch ohne die Gefahr der Verwechslung im Sinn einer Herkunftstäuschung, ist im Hinblick auf den Wortbestandteil BULL zu bejahen, weil dieser in der Zusammensetzung PITBULL nicht völlig untergeht und auch in der bildlichen Darstellung hervortritt. In den Augen der angesprochenen Verkehrskreise weist auch der bloße Wortbestandteil BULL bei einem nichtalkoholischen Getränk in Richtung Energy Drink und lässt an die bekannte Marke RED BULL denken.

 

Die bekannte Marke ist nach Paragraph 10, Absatz 2, MSchG nur gegen eine unlautere Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung geschützt (4 Ob 36/04d, Firn; 4 Ob 122/05b, Red Dragon;

RIS-Justiz RS0118990, RS0115930); das bloße Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung reicht dafür nicht aus (EuGH C-252/07, Intel Corporation, Rz 31 f; EuGH C-487/07, L'Oréal, Rz 37). Bei Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens liegt es allerdings wegen der bei bekannten Marken offenkundigen Möglichkeit einer Rufausnutzung nahe, unlautere Motive zu vermuten (4 Ob 122/05b, Red Dragon; 17 Ob 15/09v, Styriagra; RIS-Justiz RS0120365). Das trifft nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann zu, wenn ein Dritter versucht, "sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen" (EuGH C-487/07, L'Oréal, Rz 49).

 

Gleiches muss auch für das Ausnutzen nicht der Wertschätzung, sondern der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke gelten: Verwendet ein Dritter die bekannte Marke, um dadurch das Interesse des Publikums auf sein Produkt zu lenken, so profitiert er von der Bekanntheit dieser Marke, ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen; er hängt sich an die Bekanntheit der fremden Marke an, um den Absatz seiner eigenen Waren oder Dienstleistungen zu fördern (17 Ob 15/09v, Styriagra; Om 8/09).

 

Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass der Antragsgegner die hohe Bekanntheit der Marke der Antragstellerin ausnutzt, um mit Hilfe seiner den wesentlichen Wortbestandteil der überragend bekannten älteren Marke BULL auch enthaltenden Wortmarke PITBULL das Interesse auf seine eigenen Produkte zu lenken. Darauf deutet auch die Verwendung des Begriffs PITBULL, der an eine im Allgemeinen keine Sympathie auslösende Kampfhunderasse denken lässt und somit als Produktkennzeichnung für Konsumgüter wenig attraktiv erscheint. Den Anreiz für die Verwendung dieses Begriffs bildet offensichtlich die Assoziation mit der bekannten Marke RED BULL. Darin liegt nach der oben dargestellten Rechtsprechung ein unlauteres Ausnutzen (zumindest) der Unterscheidungskraft der bekannten Marke. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Benützung der Marke der Antragsgegnerin das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers künftig verändern wird, was als Nachweis für die Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft genügt (EuGH C-252/07, Intel Corporation; Om 8/09).

 

Der Löschungstatbestand des Paragraph 30, Absatz 2, MSchG ist damit erfüllt.

 

Der Berufung ist Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass den Löschungsanträgen stattgegeben wird.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 42, Absatz eins, MSchG in Verbindung mit Paragraph 122, Absatz eins und Paragraph 140, PatG sowie Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Schlagworte

Gewerblicher Rechtsschutz

Textnummer

OPM0000059

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OPMS002:2010:0000OM00005.1.0922.000

Im RIS seit

22.02.2013

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2013

Dokumentnummer

JJT_20100922_OPMS002_0000OM00005_1000000_000

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