Entscheidungstext 9ObA605/93

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

9ObA605/93

Entscheidungsdatum

11.08.1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Martin Duhan und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Chemiearbeiter, ***** wider den Antragsgegner Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs in der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, *****, vertreten durch den Geschäftsführer ***** über den gemäß Paragraph 54, Absatz 2, ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird festgestellt, daß den Dienstnehmern, auf die der Rahmenkollektivvertrag der Arbeiter und Arbeiterinnen in der chemischen Industrie (RahmenKV) zur Anwendung gelangt, für an Sonntagen geleistete Überstunden, die nicht unter Punkt 59 RahmenKV fallen, neben dem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung gemäß Punkt 53 RahmenKV ein Überstundenzuschlag von 50 % auf die Grundvergütung gemäß den Punkten 52 und 55 RahmenKV gebührt.

Das Mehrbegehren auf Feststellung, für derartige Überstunden gebühre neben dem Normallohn ein Zuschlag von 50 % gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AZG, wird abgewiesen.

Der Antrag auf Feststellung, daß den Dienstnehmern, auf die der RahmenKV zur Anwendung gelangt, für Sonntagsüberstunden, die über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, neben dem Zuschlag für Sonntagsarbeiten gemäß Punkt 53 RahmenKV ein Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung gemäß Punkt 59 RahmenKV gebührt, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der genannte RahmenKV vom 15.1.1987 enthält unter anderem folgende

Regelungen:

"II. Normalarbeitszeit

b) Arbeitszeit bei zwei- oder mehrschichtiger Arbeitsweise:

(14) Bei mehrschichtiger oder kontinuierlicher Arbeitsweise ist aufgrund einer Betriebsvereinbarung ein Schichtplan zu erstellen. Die Arbeitszeit ist so einzuteilen, daß die gesetzlich gewährleistete Mindestruhezeit eingehalten und im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb eines Schichtturnusses nicht überschritten wird....

römisch IV. Entlohnung

Monatsbezug

(31) Der Monatsbezug ist der effektiv gezahlte laufende Bezug einschließlich allfällig gewährter Zulagen, jedoch mit Ausnahme von Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszulagen, Schichtzulagen, Nachtarbeitszulagen, Dienstalterszulagen und Sozialzulagen. Variable Entgeltsbestandteile und nicht auf den Bezug bezogene Zuwendungen gehören nicht zum Monatsbezug.

Schicht- und Nachtarbeitszulagen.

(32) Arbeitnehmer, die im Dreischichtbetrieb oder im nicht kontinuierlichen Zweischichtbetrieb arbeiten, erhalten während der Schicht Schichtzulagen, deren Höhe in der jeweils geltenden Tabelle Beilage E geregelt ist...

Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit

Grundvergütung

(52) Für die Zwecke der Berechnung der Grundvergütung bei Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit ist der Monatsbezug im Sinne des Punktes 31 durch 165 zu teilen.

Sonntagsarbeit

(53) Sonntagsarbeit wird sowohl bei kontinuierlicher als auch bei nicht kontinuierlicher Arbeitsweise mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

Feiertagsarbeit

(54) Für die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, welche nicht auf einen Sonntag fallen, ist neben der im Paragraph 9, Absatz eins, Arbeitsruhegesetz vorgesehenen Fortzahlung des regelmäßigen Entgeltes das Doppelte des auf die geleistete Arbeit entfallenden Entgeltes zu zahlen.

Überstundenarbeit an Wochentagen

(55) Für Überstunden gebührt ein Zuschlag von 50 % auf die Grundvergütung, soweit es sich nicht um besonders qualifizierte Überstunden handelt, für welche in der Folge ein höherer Zuschlag als 50 % vorgesehen ist.

(56) Soweit Überstunden in die Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr früh fallen, werden sie mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

(57) Jene Überstunden, die der Dienstnehmer nach erfolgtem Verlassen des Betriebes am gleichen Tag zu leisten hat, werden mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

(58) Überstunden, die während einer arbeitsfreien Zeit, die als vereinbarte Wochenruhe oder Ersatzruhe gilt, zu leisten sind, werden mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

Überstundenarbeit an Sonntagen

(59) An Sonntagen geleistete Überstunden, das sind jene Stunden, die über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, sind mit einem Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung zu entlohnen.

Überstundenarbeit an gesetzlichen Feiertagen

(60) Überstunden an gesetzlichen Feiertagen werden mit einem Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung entlohnt. An Feiertagen gilt jene Arbeitszeit als Überstundenarbeit, die über die Arbeitszeit hinausgeht, die nach der für den Betrieb auf Basis der 38stündigen Wochenarbeitszeit vereinbarten Arbeitszeit an diesem Tag gelten würde, wenn er ein Werktag wäre....

(62) Bei Zusammentreffen mehrerer Überstundenzuschläge gebührt nur der jeweils höchste Zuschlag."

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des Paragraph 4, Absatz 2, ArbVG. Der Antragsgegner ist eine zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber berufene Körperschaft im Sinne des Paragraph 4, Absatz eins, ArbVG. Antragsteller und Antragsgegner sind daher im Sinne des Paragraph 54, Absatz 2, letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Der Antragsteller begehrt folgende Feststellungen:

1. Es werde festgestellt, daß den Dienstnehmern, für die der Rahmenkollektivvertrag der Arbeiter und Arbeiterinnen in der chemischen Industrie zur Anwendung gelangt, für an Sonntagen geleistete Arbeit gemäß Punkt 53 des Rahmenkollektivvertrages ein Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung gebührt und zusätzlich für geleistete Überstunden, die unter der Grenze des Punktes 59 des Rahmenkollektivvertrages liegen, neben dem Normallohn ein Zuschlag von 50 % gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AZG gebührt.

2. Es werde festgestellt, daß den Dienstnehmern, für die der Rahmenkollektivvertrag der Arbeiter und Arbeiterinnen in der chemischen Industrie zur Anwendung gelangt, für Sonntagsüberstunden, die über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, neben dem Zuschlag für Sonntagsarbeit gemäß Punkt 53 des Rahmenkollektivvertrages ein Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung gemäß Punkt 59 des Rahmenkollektivvertrages gebührt.

Die im Antrag relevierten Rechtsfragen seien für mehr als drei Arbeitnehmer von Bedeutung.

Zur Begründung des Feststellungsantrages brachte der Antragsteller vor:

Für die Überstunden an Sonntagen, die unter der Grenze des Punktes 59 RahmenKV liegen, bestehe keine kollektivvertragliche Regelung. Es komme daher die gesetzliche Regelung des Paragraph 10, Absatz eins, AZG zum Tragen. Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenzuschlages sei gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AZG der Normallohn, somit jenes Entgelt, das für die Arbeitsleistung gebührt hätte, wenn sie in der normalen Arbeitszeit erbracht worden wäre. Davon unabhängig gebühre für an Sonntagen geleistete Arbeit gemäß Punkt 53 RahmenKV ein Zuschlag von 100 % der Grundvergütung. Für ein Nebeneinanderbestehen der Überstundenzuschläge und des Sonntagsarbeitszuschlages gemäß Punkt 53 RahmenKV spreche, daß Sonntagsarbeit nicht von vorneherein Überstundenarbeit sein müsse und der verschiedene Zweck der Zuschläge.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages.

Bei Auslegung eines Kollektivvertrages sei auf den Zweck der Regelungen und auf die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe zu achten und auch die Entstehungsgeschichte des Kollektivvertrages zu berücksichtigen. Die in den Punkten 53 und 59 RahmenKV getroffenen Regelungen seien gleichlautend bereits im KV vom 12.6.1961 bzw in vorausgehenden KVen enthalten gewesen. Mit diesen Bestimmungen sei bewußt eine abschließende Regelung der Sonntagsarbeit dahin getroffen worden, daß Punkt 59 die außerhalb der für Werktage vereinbarten bzw üblichen Arbeitszeit liegende Sonntagsarbeit regelte, während Punkt 53 die Entlohnung der unter dieser Grenze liegenden Sonntagsarbeit festlege. Damit seien auch Überstunden, die innerhalb der vereinbarten bzw üblichen Arbeitszeit lägen, erfaßt und würden hinsichtlich des Zuschlages gleich wie normale Sonntagsarbeit entlohnt. Somit gebühre für an Sonntagen geleistete Arbeit, die innerhalb der täglichen vereinbarten bzw üblichen Arbeitszeit an Werktagen liege, ein Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung. Ein Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung gebühre ausschließlich für jene an Sonntagen geleistete Überstunden, die über die tägliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgingen.

Für eine Auslegung, wonach für Sonntagsarbeit unter dieser Grenze mehr als 100 % Zuschlag zustünde fänden sich keine Anhaltspunkte. Eine Regelungslücke bestehe nicht. Dem Argument, daß der Arbeitnehmer auch bei Gewährung von Ersatzruhe in der folgenden Arbeitswoche als erschwerend empfinde, wenn er an einem Sonntag, an dem der überwiegende Teil der arbeitenden Bevölkerung die Freizeit genieße, arbeiten müsse, komme unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß Kollektivverträge im Zweifel verfassungs- und gesetzeskonform auszulegen seien, keine ausreichende Bedeutung zu. Die kollektivvertragliche Regelung dürfe nur so verstanden werden, daß sie im Einklang mit den Bestimmungen des ARG stehe, so daß von einem dem Zweck der Ersatzruhe entsprechenden vollständigen und gleichwertigen Ersatz der Wochenruhe auszugehen sei. Auch der den Kollektivverträgen innewohnende soziale Schutzgedanke könne die Rechtsposition des Antragstellers nicht unterstützen. Grundlage sicherer Arbeitsplätze seien wirtschaftlich gesunde Unternehmen. Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, die zu einem nicht unwesentlichen Teil durch hohe Personalkosten gefährdet sei, sei es in zunehmendem Ausmaß erforderlich, Rationalisierungsmaßnahmen zu treffen, oder - wo dies nicht im erforderlichen Ausmaß möglich sei - Arbeitsplätze in Billiglohnländer zu verlagern. Daraus, daß die ansteigende Arbeitslosigkeit auch in Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwunges kaum zurückgehe, werde erkennbar, daß überzogene Entlohnungsbestimmungen einem letztlich immer kleiner werdenden Teil von Dienstnehmern auf Kosten einer zunehmenden Anzahl anderer Dienstnehmer, die ihren Arbeitsplatz wegen der Einsparungsmaßnahmen verlören, zugutekämen.

Für das Ergebnis der grammatikalischen Interpretation durch den Antragsgegner spreche auch der Regelungszusammenhang des Kollektivvertrages: Aus der Gewährung eines höchstens 100 %igen Zuschlages auf die Grundvergütung von Überstunden an Wochentagen gemäß Punkt 55 RahmenKV sei erkennbar, daß mit der Gewährung des 200 %igen Zuschlages nicht nur die Erschwernis durch Überstundenarbeit, sondern auch jene durch Sonntagsarbeit abgegolten werden solle. Eine nochmalige Berücksichtigung des Zuschlages für Sonntagsarbeit würde zu ungewollten Multiplikatoreffekten führen. Dies würde bedeuten, daß für qualifizierte Sonntagsüberstunden ein Zuschlag von insgesamt 300 % zusätzlich zur Grundvergütung gebühren würde; eine derart exzessive Überstundenentlohnung sei weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der Regelung ableitbar.

Schließlich sei durch die bestehende kollektivvertragliche Regelung eine Besserstellung der Arbeitnehmer gegenüber der Normallohnregelung des Paragraph 10, Absatz eins, AZG getroffen worden. Gegen die allfällige Auffassung, daß der im Paragraph 10, Absatz eins, AZG vorgesehene Nomallohn für die Arbeitnehmer günstiger als die im Punkt 31 RahmenKV vorgesehene Grundvergütung sei, werde eingewendet, daß die Bestimmungen über Schicht- und Nachtarbeitszulagen (Punkt 32 ff), Akkorde (Punkt 41 ff) Schutzbestimmungen für langjährige Arbeitnehmer (Punkt 51), Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit (Punkte 52 ff) und zusätzliche Vergütung (Punkt 63) auf die Grundvergütung abstellten und mit dieser Bestimmung im Zusammenhang stünden. Ein Günstigkeitsvergleich sei daher unter Berücksichtigung all dieser Bestimmungen anzustellen; eine die Grundvergütung betreffende Nichtigkeit würde sich auf alle diese Kollektivvertragsnormen erstrecken. Der Antragsgegner hätte dieser als Einheit zu betrachtenden kollektivvertraglichen Regelung nicht zugestimmt, wenn anstelle der im Kollektivvertrag definierten Grundvergütung der Normallohn als Basis für Zuschläge anzusehen gewesen wäre.

Der Feststellungsantrag ist nur teilweise berechtigt.

1. Zu Punkt 1 des Feststellungsantrages:

Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (Paragraphen 6 und 7 ABGB), auszulegen. Die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrages zur Verfügung steht, müssen sich darauf verlassen können, daß die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat. In erster Linie ist daher der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (siehe Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161 ff [167 und 169]; Arb 10.815 = SZ 62/135 mwH, zuletzt 9 Ob A 603/92).

In Punkt 59 RahmenKV wird unter der Überschrift "Überstundenarbeit an Sonntagen" eine Regelung nur für die Überstunden getroffen, die über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen. Hingegen wird in Punkt 53 RahmenKV unter der Überschrift "Sonntagsarbeit" ein genereller Zuschlag für an Sonntagen geleistete Arbeit festgelegt. Schließlich findet sich unter dem Titel "Überstundenarbeit an Wochentagen" in Punkt 55 RahmenKV eine Regelung, wonach für Überstunden, soweit es sich nicht um besonders qualifizierte Überstunden handelt, für welche in der Folge ein höherer Zuschlag als 50 % vorgesehen ist, ein Zuschlag von 50 % auf die Grundvergütung gebührt.

Voraussetzung der analogen Anwendung einer gesetzlichen und

dementsprechend auch einer kollektivvertraglichen Regelung auf einen

dort nicht aufgezählten Fall (hier Anwendung des Punktes 55 RahmenKV

auf Überstunden an Sonntagen, die nicht unter Punkt 59 RahmenKV

fallen) ist eine Gesetzeslücke. Eine Lücke im Rechtssinn ist gegeben,

wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage

enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt

werden müßte. Eine Lücke ist anzunehmen, wo das Gesetz (der

Kollektivvertrag) gemessen an seiner Teleologie, unvollständig, also

ergänzungsbedürftig ist und so seine Ergänzung nicht etwa einer vom

Normgeber gewollten Beschränkung entspricht. Bei der "logischen" oder

"echten" Lücke erweisen sich ausdrücklich gegebene Bestimmungen als

nicht anwendbar (siehe Bydlinski in Rummel ABGB2 I § 7 Rz 2). Eine

solche Lücke liegt hier vor, weil Punkt 59 RahmenKV eine Regelung nur

für an Sonntagen geleistete Überstunden trifft, die über die tägliche

vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, nicht

aber für an Sonntagen geleistete Überstunden, die nicht infolge ihrer

zeitlichen Lage außerhalb der üblichen Tagesarbeitszeit, sondern

infolge Überschreitung der Wochenarbeitszeit als Überstunden zu

werten sind. Analogie ist geboten, wenn der nicht besonders

angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle

enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihrem Tatbestand

ähnlichen Fall Beachtung erfordert.  Nur wenn vom Normgeber für einen

bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewußt nicht

angeordnet worden ist, fehlt es an der Gesetzeslücke und daher an der

Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (siehe Arb 10.560 = SZ 59/177 =

EvBl 1987/9 = DRdA 1987/19, [Cerny] mwH; auch SZ 60/172).

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 Ob A 287/90 (= RdW

1991, 184) ausgesprochen hat, liegt eine solche Regelungslücke für die an Sonntagen geleisteten Überstunden vor, die nicht über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, weil Punkt 53 RahmenKV einen einheitlichen Zuschlag für Sonntagsarbeit - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Überstunden handelt oder nicht - vorsieht. Daß der Normgeber entgegen dem sich aus Paragraph 10, Absatz eins, AZG ergebenden Grundsatz mit der Regelung des Punktes 53 RahmenKV nicht unter Punkt 59 RahmenKV fallende Überstundenarbeit an Sonntagen nicht anders honorieren wollte als in die Normalarbeitszeit fallende Arbeit an Sonntagen, läßt sich dem Kollektivvertrag nicht entnehmen (Punkt 62 RahmenKV schließt nur eine Kumulierung von Überstundenzuschlägen aus). Da Punkt 53 RahmenKV keine Regelung über die Abgeltung von Überstunden enthält, sondern, wie in der Entscheidung 9 Ob A 287/90 ausführlich dargelegt wurde, die mit der Arbeit an Sonntagen generell gegebene Beeinträchtigung des Dienstnehmers ausgleicht, fehlt es an einer Regelung für die Abgeltung der an Sonntagen geleisteten, nicht unter Punkt 59 RahmenKV fallenden Überstundenarbeit. Damit liegt aber eine verdeckte Regelungslücke vor, die durch Analogie zu schließen ist, um erhebliche Wertungswidersprüche durch Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu vermeiden. Die Rechtsfolgenanordnung des Punktes 55 RahmenKV ist daher auch auf den Fall der nicht unter Punkt 59 RahmenKV fallenden Überstundenarbeit an Sonntagen, die innerhalb der täglichen vereinbarten bzw üblichen Arbeitszeit an Werktagen liegt, anzuwenden.

Soweit in der Entscheidung 9 Ob A 287/90 generalisierend auf den Normallohn Bezug genommen wurde, ist dies im Zusammenhang mit der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zu sehen, der Zuschlag für Sonntagsarbeit sei in die Basis für die Berechnung des Überstundenzuschlages einzubeziehen; mangels Regelung dieser Frage im RahmenKV war eine Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung erforderlich. Da der Antragsteller offenbar aus dieser Passage der Entscheidung 9 Ob A 287/90 folgert, daß mangels ausdrücklicher kollektivvertraglicher Regelung der nicht unter Punkt 59 RahmenKV fallenden Sonntagsüberstunden die gesetzliche Regelung anzuwenden sei, aber keine Einwände gegen die in den Punkten 52 und 55 RahmenKV geregelte Berechnung des Überstundenzuschlages erhebt, richtet sich der Feststellungsantrag nicht gegen diese Regelungen. Es erübrigt sich daher, den vom Antragsgegner ins Treffen geführten Günstigkeitsvergleich anzustellen und bei Berechnung des Zuschlages für an Sonntagen geleistete Überstunden von der generellen kollektivvertraglichen Regelung der Punkte 52 und 55 RahmenKV abzugehen.

Dem ersten Feststellungsbegehren war daher mit der Einschränkung stattzugeben, daß ein Überstundenzuschlag von 50 % gemäß den Punkten 52 und 55 RahmenKV gebührt, und das auf den Normallohn und Paragraph 10, Absatz 2, AZG Bezug nehmende Mehrbegehren abzuweisen.

2. Zu Punkt 2 des Feststellungsantrages:

Nach Punkt 59 RahmenKV "Überstundenarbeit an Sonntagen" sind an Sonntagen geleistete Überstunden, die über die tägliche vereinbarte bzw übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, mit einem Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung zu entlohnen. Nach Punkt 53 RahmenKV "Sonntagsarbeit" wird Sonntagsarbeit sowohl bei kontinuierlicher als auch bei nicht kontinuierlicher Arbeitsweise mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

Da Punkt 62 RahmenKV nur die Kumulierung von Überstundenzuschlägen ausschließt, könnte man, wenn man nur vom Wortlaut des RahmenKV ausginge, zur Auffassung gelangen, daß für die in Punkt 59 RahmenKV genannten Überstunden auch noch der Zuschlag für Sonntagsarbeit nach Punkt 53 RahmenKV gebühre.

Da bei Auslegung eines Kollektivvertrages grundsätzlich anzunehmen ist, daß die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen Interessen herbeiführen wollten (siehe Kuderna aaO 169 f; Arb 10.815 = SZ 62/135 mwH), ist darauf Bedacht zu nehmen, ob das aufgrund dieser nur am Wortlaut orientierten Auslegung gewonnene Ergebnis mit diesen Grundsätzen vereinbar ist. Da sich bei Kumulierung der Zuschläge nach den Punkten 53 und 59 RahmenKV eine im Vergleich zur Honorierung der sonstigen Sonntagsarbeit sowie der in den Punkten 55, 56 und insbesondere 58 RahmenKV genannten Überstunden sachlich nicht gerechtfertigte, exorbitant hohe Entlohnung für die unter Punkt 59 RahmenKV fallenden Überstunden ergäbe, und die sowohl in der Sonntagsarbeit als auch in der Leistung besonders gelagerter Überstunden liegende Belastung des Dienstnehmers durch den 200 %igen Zuschlag nach Punkt 59 RahmenKV ausreichend abgegolten ist, ist Punkt 59 RahmenKV als abschließende Regelung für die Honorierung der dort genannten Überstunden an Sonntagen zu werten.

Das zweite Feststellungsbegehren war daher zur Gänze abzuweisen.

Anmerkung

E34768

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00605.93.0811.000

Dokumentnummer

JJT_19930811_OGH0002_009OBA00605_9300000_000

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