Entscheidungstext 9Ob56/08p

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

bbl 2010,26/23 - bbl 2010/23 = ZVB 2010/62 S 215 (Michl) - ZVB 2010,215 (Michl) = MietSlg 61.123 = MietSlg 61.661 = MietSlg 61.703

Geschäftszahl

9Ob56/08p

Entscheidungsdatum

26.08.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gunter Griss, Rechtsanwalt in Graz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Holzer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei „K***** GmbH, *****" (bisher: V***** GmbH, *****), vertreten durch Dr. Rudolf Deitzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Mai 2008, GZ 5 R 32/08b-55, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 2007, GZ 18 Cg 119/04a-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Parteibezeichnung der beklagten Partei wird von „V***** GmbH, *****" auf „K***** GmbH, *****" berichtigt.

2. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche Kosten der Beseitigung der am 11. 6. 2001 auf der Liegenschaft EZ 2040 Grundbuch ***** befindlichen Altablagerungen (insbesondere Aschen, Schlacken, mineralische Baurestmassen, Teer- und Schwermetallrückstände) haftet, die aufgrund eines behördlichen Auftrags oder aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen vom Grundeigentümer zu entsorgen sind, wobei die Kostenersatzpflicht insbesondere die Kosten des Geländeabtrags, des Abtransports und der Deponierung des abgetragenen Materials, der Wiederauffüllung des Geländes sowie die Kosten der örtlichen Bauaufsicht umfasst. Die Kostenersatzpflicht erfasst weiters alle Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass diese Materialien im Zuge von Baumaßnahmen aufgrund ihrer Beschaffenheit als Altablagerungen nicht als regulärer Bauaushub behandelt, entsorgt und deponiert werden können. In diesem Fall erfasst die Kostenersatzpflicht insbesondere den Unterschiedsbetrag zwischen den Kosten der Deponierung auf einer Bodenaushubdeponie („Sowieso-Kosten") und den tatsächlich anfallenden höheren Entsorgungs- und Deponierungskosten.

Das Mehrbegehren, dass das Feststellungsbegehren des vorletzten Satzes des Spruches auch auf Abbruchmaßnahmen bezogen werde, wird

abgewiesen."

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 38.564,88 EUR (darin 684,48 EUR USt und 34.458 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revision und die mit 3.566,88 EUR (darin 594,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

4. Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.:

Mit Verschmelzungsvertrag vom 3. 6. 2008, genehmigt mit Generalversammlungsbeschluss beider Gesellschaften vom 3. 6. 2008, eingetragen im Firmenbuch am 5. 7. 2008, wurde die V***** GmbH als übertragende Gesellschaft mit der K***** GmbH, FN ***** als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Die K***** GmbH ist damit Gesamtrechtsnachfolgerin der beklagten Partei. Über Antrag der beklagten Partei war daher die Bezeichnung der bisher beklagten Gesellschaft auf die der aufnehmenden Gesellschaft zu berichtigen (RIS-Justiz RS0039592).

Zu 2.:

Die hier in Rede stehende Liegenschaft, welche seit 130 Jahren als Standort für Schwerindustrie genutzt worden ist, sollte von der Beklagten, deren damalige Firma „I***** GmbH" (kurz: I*****) lautete, durch Verkauf verwertet werden. Zunächst zeigte sich die H***** GmbH kaufinteressiert, in der Folge trat die Nebenintervenientin als Kaufinteressentin auf den Plan. Die Nebenintervenientin führte die Vertragsverhandlungen im eigenen Namen und trat weder als direkter noch als indirekter Stellvertreter für die spätere Käuferin des hier strittigen Grundstückteils T***** GmbH (im Folgenden kurz: T*****) oder die Klägerin, die spätere Leasingnehmerin der T*****, auf. Die Kaufverhandlungen zwischen Beklagter und Nebenintervenientin waren von Anfang an dadurch geprägt, dass bekannt war, dass auf einem derart alten Industriegrundstück Verunreinigungen aus früherer Zeit sein könnten. Während die Beklagte interessiert war, ihre Gewährleistungspflichten möglichst gering zu halten, war es das Bestreben der Nebenintervenientin, den Gewährleistungsumfang der Verkäuferin möglichst auszudehnen. Ende Dezember 2000, das heißt noch vor Auftreten der T***** oder der Klägerin, war der Vertrag zwischen Nebenintervenientin, die immer noch im eigenen Namen auftrat, und der Beklagten ausverhandelt. In der Folge vereinbarte die T*****, für die es klar war, dass die Liegenschaft zur weiteren Verwertung an die Klägerin verleast würde, mit der Nebenintervenientin, dass sowohl die T***** als auch die Nebenintervenientin jeweils einen Teil der Gesamtliegenschaft von der Beklagten kaufen sollten. Diese war damit auch einverstanden, sodass es zum Abschluss getrennter Kaufverträge kam. Am 11. Juni 2001 unterfertigten die T***** als Käuferin einerseits und die Beklagte als Verkäuferin andererseits einen schriftlichen Kaufvertrag, dessen Inhalt, insbesondere hinsichtlich der Gewährleistungsregelungen, mit den Regelungen des parallel zwischen Beklagter und Nebenintervenientin abgeschlossenen Kaufvertrags ident war. Zuletzt hatte die Klägerin noch versucht, über die Nebenintervenientin andere Formulierungen betreffend Entsorgung, Sanierung des Grundstücks sowie der Kostentragung unterzubringen, doch war die Beklagte nicht mehr bereit, von dem Ende Dezember 2000 ausgehandelten Vertragsentwurf abzugehen. Die T***** hatte daher den Vertrag so zu übernehmen, wie er bereits entworfen war. Punkt 5. des schriftlichen Kaufvertrags lautet wie folgt:

„Gewährleistung

5.1. Die Verkäuferin leistet Gewähr dafür, dass der Kaufgegenstand frei von Geldlasten sowie sonstigen Rechten Dritter ist, soferne diese nicht in diesem Vertrag erwähnt sind.

5.2. Die Verkäuferin haftet nicht für ein bestimmtes Ausmaß oder irgendeine bestimmte Beschaffenheit, Verwend- und Verwertbarkeit sowie bestimmte Erträge aus dem Kaufgegenstand, sofern nicht in diesem Vertrag anders geregelt.

5.3. Die Verkäuferin sichert zu und steht dafür ein, dass die vertragsgegenständliche Liegenschaft zum Zeitpunkt der Übergabe frei von Kontaminationen jedweder Art und solcher Art verunreinigten Material, Erdreich und Grundwasser ist, das geeignet ist, eine Umwelt- oder Gesundheitsgefährdung herbeizuführen, weiters keine Abfälle oder Altlasten, insbesondere keine Erdölprodukte, Chemikalien, Sonderabfälle oder sonstige Schadstoffe im Bereich der Liegenschaft gelagert wurden oder vorhanden sind, die insbesondere

a) aufgrund eines behördlichen Auftrages oder aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen vom jeweiligen Liegenschaftseigentümer zu entsorgen sind, oder

b) im Zuge von Bau- und Abbruchmaßnahmen aufgrund von Kontaminationen gesondert zu entsorgen oder deponieren sind.

Sollte im Bereich der vertragsgenständlichen Liegenschaft derart kontaminiertes bzw belastetes Material, Abfälle oder Altlasten festgestellt werden, so hat die Verkäuferin der Käuferin jedenfalls sämtliche Kosten, die mit der fach- und gesetzesgerechten Entsorgung im Zusammenhang stehen, insbesondere solche für den Aushub, die Abtragung, den Abtransport, die Zwischenlagerung und die Beseitigung zu tragen und die Käuferin in jeder Hinsicht völlig schad- und klaglos zu halten, und zwar in jenem Ausmaß, in dem die tatsächlichen Entsorgungskosten den fiktiven Entsorgungspreis von derartigem nicht kontaminierten Aushub- und Abbruchmaterial überschreiten. Sofern der Verdacht des Vorhandenseins von kontaminierten Erdreich, Aushub- und Abbruchmaterial auftritt, ist die Verkäuferin unverzüglich zu informieren. ...

Diese Gewährleistungsverpflichtung der Verkäuferin endet am 31. 12. 2010, wobei es zur fristgerechten Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen genügt, dass diese von Seiten der Käuferin vor Ende der Frist schriftlich an die zuletzt genannte Adresse der Verkäuferin und unter Vorlage eines Sachverständigengutachtens angezeigt werden. ..."

Im Rahmen des Leasingvertrags zwischen T***** und Klägerin trat erstere der Klägerin insbesondere die Berechtigung zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber der Verkäuferin ab.

Die auf dem Grundstück bestandenen Hallen römisch eins bis römisch III waren bei Kaufvertragsabschluss schon abgebrochen, die weiteren Hallen sollten von der Klägerin noch abgebrochen werden. Dieser Abbruch und damit im Zusammenhang stehende Kosten sowie die Kosten für die Beseitigung bekannter Restfundamente sollten vereinbarungsgemäß die Klägerin treffen (und sind auch ausdrücklich nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens).

Bereits kurz nach Vertragsabschluss, nämlich im August 2001, nahm die Klägerin die Beklagte wegen des Fundes von Lacken und Sumpfkalk im Boden der Liegenschaft in Anspruch. Die Beklagte ließ sowohl die Lacke als auch den Sumpfkalk auf ihre Kosten entfernen. Ab Oktober bzw November 2001 nahmen die vorgefundenen Kontaminationen ein größeres Ausmaß an. Die Beklagte beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über die vorgefundenen Materialien, welches ergab, dass diese auf einer Baureststoffdeponie gelagert werden können. Ab diesem Zeitpunkt führte die Beklagte mit der Begründung, dass sie nicht für Baureststoffe hafte, keine weitere Entsorgung mehr durch. 90 bis 95 % der im Boden befindlichen Materialien konnten anhand von Schürfungen identifiziert werden. Aufgrund des konkreten Grundwasserspiegels und des darüber liegenden Materials ist insoweit derzeit keine Beeinträchtigung des Grundwassers zu befürchten. Hinsichtlich der restlichen 5 bis 10 %, welche allenfalls trotz Schürfungen unentdeckt im Boden geblieben sind, ist ein etwaiger Grad der Kontaminierung und auch eine mögliche Grundwasserbelastung nicht abschätzbar. Baurestmassen können nur dann vor Ort belassen werden, wenn von ihnen keine Grundwassergefährdung zu erwarten ist.

Die in der Folge über zwei Jahre hinweg währenden Verhandlungen zwischen den Streitparteien ergaben keine Einigung. Insbesondere nahm die Beklagte - wie auch im Verfahren - den Standpunkt ein, dass im Boden eingearbeitete Baurestmassen (Abbruchmaterial von früher abgerissenen Bauwerken) nicht von der Gewährleistungspflicht umfasst sind.

Die Klägerin begehrte zuletzt (AS 483 in Band römisch eins) die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung, mit der am Ende der Entscheidung näher erläuterten Abweichung, dass die Kostenersatzpflicht für die Entsorgung von nicht als regulärer Bauaushub zu wertenden Altablagerungen auf bei Bau- und Abbruchmaßnahmen aufgefundene Materialien bezogen wurde. Die Klägerin nimmt im Wesentlichen den Standpunkt ein, dass auch die im Boden vorgefundenen, nicht für Baumaßnahmen verwertbaren Baurestmassen vom Begriff der „Kontamination jedweder Art" umfasst sind und nicht auch das Kriterium der konkreten Umwelt- oder Gesundheitsgefährdung erfüllen müssen, um als Kontaminationen bewertet zu werden. Da diese Baurestmassen nicht auf einer normalen Bodenaushubdeponie, sondern auf einer höherstufigen (= teureren) Baurestmassendeponie untergebracht werden müssen, sei nach dem Vertragstext die Haftung der Beklagten aus dem Titel der Gewährleistung in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Mit der Klägerin bzw der T***** seien keine besonderen Verkaufsverhandlungen mehr geführt worden, insbesondere nicht solche, aus denen der umfassende Kontaminationsbegriff der Klägerin ableitbar sei. Aus dem Text ergebe sich überhaupt nur, dass auch Kontaminationen nur dann von der Gewährleistungspflicht umfasst sein sollten, wenn sie entweder per se umwelt- oder gesundheitsgefährdend seien und deshalb entsorgt werden müssten oder wegen ihrer Beschaffenheit bei Bau- und Abbrucharbeiten gesondert zu entsorgen oder zu deponieren seien. Keinesfalls seien die von der Klägerin im Boden vorgefundenen Fremdstoffe, wie Baurestmassen, von der Gewährleistungspflicht umfasst, weil von diesen Stoffen keine Umwelt- und Gesundheitsgefährdung ausgehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise Folge, und stellte fest, „dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche Kosten der Beseitigung der am 11. 6. 2001 auf der Liegenschaft EZ 2040 Grundbuch *****, vorhandenen Kontaminationen jedweder Art und solcherart verunreinigten Materials, Erdreich und Grundwasser ist (Anmerkung: dieses störende Wort wurde vom Berufungsgericht beseitigt), das geeignet ist, eine Umwelt- oder Gesundheitsgefährdung herbeizuführen (insbesondere Erdölprodukte, Chemikalien, Sonderabfälle und sonstige Schadstoffe), haftet, die aufgrund eines behördlichen Auftrages oder aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen vom jeweiligen Liegenschaftseigentümer zu entsorgen sind, wobei die Kostenersatzpflicht insbesondere die Kosten des Geländeabtrages, des Abtransports und der Deponierung des abgetragenen Materials, der Wiederauffüllung des Geländes sowie die Kosten der örtlichen Bauaufsicht umfasst. Die Kostenersatzpflicht erfasst weiters alle Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass diese Materialien im Zuge von Bau- und Abbruchmaßnahmen nicht als regulärer Bauaushub behandelt, entsorgt und deponiert werden können. In diesem Fall erfasst die Kostenersatzpflicht insbesondere den Unterschiedsbetrag zwischen den Kosten der Deponierung auf einer Bodenaushubdeponie („Sowieso-Kosten") und den tatsächlichen entfallenden höheren Entsorgungs- und Deponierungskosten." Das Mehrbegehren, „der Umfang der unter Punkt 1. dargestellten Haftung erstrecke sich auf sämtliche Altablagerungen", wies das Erstgericht ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass sich die Interpretation des Vertrags am Wortlaut zu orientieren habe. Die T***** als Käuferin bzw die Klägerin als Leasingnehmerin seien nicht in Vertragsverhandlungen involviert gewesen, vielmehr habe die T***** einen fertigen Vertragsentwurf unterfertigt, ohne dass sie Gelegenheit gehabt habe, dem Wortlaut des Vertrags eine von ihr gewünschte Bedeutung, sei es einschränkend oder über den Wortsinn hinausgehend, zu geben. Der im Klagebegehren gewählte Begriff der „Altablagerungen", sei es auch mit der Beschreibung „insbesondere" Aschen, Schlacken, mineralische Baurestmassen, Teer und Schwermetallrückstände, sei mit den im Vertrag genannten Begriffen der Kontaminationen und gesundheitsgefährdenden Stoffen, Abfällen und Altlasten nicht mehr deckungsgleich. Der Text des Vertrags beschränke die Haftung auf gesetzliche Bestimmungen und behördliche Aufträge, und zwar auch hinsichtlich der jeweils durchzuführenden Maßnahmen. Dem Klagebegehren könne daher nur im Umfang von „Kontaminationen jedweder Art und solcherart verunreinigtem Material, Erdreich und Grundwasser, das geeignet ist, eine Umwelt- und Gesundheitsgefährdung herbeizuführen (insbesondere Erdölprodukte, Chemikalien, Sonderabfälle oder sonstigen Schadstoffen)" als für die Beklagte haftungsbegründend stattgegeben werden, wenn diese Stoffe aufgrund eines behördlichen Auftrags oder aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen vom jeweiligen Liegenschaftseigentümer zu entsorgen seien. Dies treffe aber gerade auf die Baurestmassen nicht zu. Das Klagebegehren sei daher zu weit gefasst und im darüber hinausgehenden Umfang, nämlich soweit sich die Haftung auf sämtliche Altablagerungen erstrecken solle, abzuweisen.

Den dagegen erhobenen Berufungen der Klägerin und der Beklagten gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es im Spruch das störende Wort „ist", welches irrtümlich beigesetzt worden war (siehe oben), weg ließ. Es schloss sich gemäß Paragraph 500 a, ZPO der Rechtsauffassung des Erstgerichts an und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig, jedoch ist nur diejenige der Klägerin berechtigt.

Zur Revision der Klägerin:

Was den Nichtigkeitsgrund nach Paragraph 503, Ziffer eins, ZPO in Verbindung mit Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 9, zweiter Fall ZPO anlangt, ist dieser nur dann gegeben, wenn der Spruch davon betroffen ist, ein Widerspruch in den Gründen reicht hingegen nicht aus (RIS-Justiz RS0042171; Kodek in Rechberger ZPO³ Paragraph 477, Rz 12). Richtig ist, dass die Begründungslinien des Berufungsgerichts bei Behandlung der Berufung der Klägerin einerseits und derjenigen der Beklagten andererseits im Widerspruch stehen, sodass nur aus dem Hinweis auf Paragraph 500 a, ZPO hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts insoweit teilt, als es den Begriff der „Altablagerungen" als zu weit erachtet und insbesondere Baustoffrestmassen, die ohne Auftrag oder gesetzliche Verpflichtung nicht entsorgt werden müssen, als von der Gewährleistungspflicht der Beklagten nicht erfasst sieht.

Abgesehen davon, dass der von den Vorinstanzen gewählte Spruch keine Klarstellung im Sinne der eigenen Rechtsauffassung schafft, ist dieser auch nicht zu folgen. Zutreffend gehen beide Streitteile davon aus, dass der Vertrag aus seinem Wortsinn zu interpretieren ist vergleiche Bollenberger in KBB2 Paragraph 914, ABGB Rz 5 mwN uva), weil, wie auch von den Vorinstanzen richtig erkannt, zwar auf Seiten der Vertragspartner jeweils bestimmte Vorstellungen bestanden haben mögen, diese aber mangels gemeinsamer Definierung oder Artikulierung keinen vom Wortsinn abweichenden Parteiwillen darstellen können. Da die T***** nicht durch die Nebenintervenientin, von deren Vertreter der letzte Vertragstext stammt, vertreten war, ist auch der Hinweis der Beklagten auf die Regelung des Paragraph 915, zweiter Fall ABGB nicht zielführend.

Im Sprachgebrauch bedeutet der Fremdwort-Begriff „Kontamination" grundsätzlich eine Vermengung mit unerwünschten Stoffen, insbesondere ein „Verschmutzen, Verunreinigen" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache² Band 4 S 1949; so auch Brockhaus Enzyklopädie21 Band 15, 482 und Meyers Neues Lexikon, 5. Band S 380; Österreichisches Wörterbuch40, 378). Ausgehend davon, dass im Vertrag „Kontaminationen jedweder Art" genannt sind, ist grundsätzlich ein weiter Begriff von Verunreinigungen des Bodens zugrunde zu legen.

Aus Vertragspunkt 5 ergibt sich, dass den Parteien das mögliche Erfordernis der Deponierung von Aushubmaterial bewusst war. Nach Paragraph 2, der Deponieverordnung in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung sind Baurestmassen ein Gemenge von bei Bau- oder Abbrucharbeiten anfallenden Materialien, wie insbesondere Bodenaushub, Betonabbruch, Asphaltaufbruch und mineralischer Bauschutt (Ziffer 4,). Paragraph 4, Absatz 2, der Deponieverordnung in der damals geltenden Fassung sieht für die Ablagerung von Baurestmassen entsprechende Baurestmassendeponien vor, sofern nicht bestimmte Grenzwerte überschritten werden. Daraus wird deutlich, dass schon Vermengungen des Erdreichs mit Bauschutt höheren Deponieanforderungen unterliegen als normaler Erdaushub.

Die Ansicht der Beklagten, Baurestmassen seien schon deshalb nicht unter die vertragliche Gewährleistungspflicht zu subsumieren, weil von ihnen keine Umweltgefahr ausgehe, übersieht, dass der Vertrag eine derartige Voraussetzung für Kontaminierungen nicht generell fordert. Das ergibt sich schon aus dem grammatikalischen Aufbau des strittigen Satzes, in dem die Wörter „Kontaminationen" und verunreinigtes „Material" zwar durch ein „und" verbunden sind, jedoch der Nebensatz durch das Relativpronomen „das" klar nur auf letzteren Begriff Bezug nimmt. Es stehen sich somit gegenüber „Kontaminationen jedweder Art" und „solcher Art verunreinigten Material ..., das geeignet ist, eine Umwelt- oder Gesundheitsgefährdung herbeizuführen". Die zwischen den Parteien strittige Frage, ob sich der Begriff „Umwelt- und Gesundheitsgefährdung" (Punkt 5.3. des Vertrags) auch auf die Wortgruppe „Kontaminationen jedweder Art" bezieht, ist daher nach dem Vertragstext zu verneinen.

Ungeachtet der Frage der Umweltgefährdung sind schon nach der oben wiedergegebenen Definition auch Baurestmassen, somit bereits im Boden befindliche, nach früherem Abbruch von Gebäude(-teilen) in das Erdreich gelangte Materialien als „Kontaminationen", dh Verunreinigungen des gewachsenen Bodens, zu beurteilen. (Dies im Unterschied zu im Boden vorhandenen Fundamenten bei denen es zu keiner kleinteiligen Vermengung mit dem Erdreich gekommen ist, wie das die Klägerin selbst erkennt, weshalb sie auch ihr Feststellungsbegehren darauf nicht gerichtet hat.)

Darüber hinaus ist Folgendes zu erwägen: Wenngleich sich aus den Feststellungen ergibt, dass eine unmittelbare Gefahr der Verseuchung von Grundwasser durch Baurestmassen infolge der Gegebenheiten am konkreten Standort zu 90 bis 95 % nicht besteht, geht die Deponieverordnung ganz offensichtlich von einem Potential an Umweltgefährdung von Baurestmassen aus, indem sie für Baurestmassendeponien ganz bestimmte, insbesondere wasserschützende Voraussetzungen verlangt (Paragraph 12, Absatz 2,, Paragraph 15, Absatz 2,, Paragraph 18, Absatz 2,, Paragraph 19, Absatz eins,). Nach der Rechtsprechung des VwGH werden Geländeaufschüttungen mit Baurestmassen als unzulässige „Ablagerung" beurteilt, die nur auf einer Baurestmassendeponie zulässig ist, weil mit dem Ablagern der Baurestmassen Gefahren für umweltrelevante Güter verbunden sind (VwGH 2002/07/0134). Es sind somit auch Baurestmassen keinesfalls als neutraler Bestandteil des Bodens anzusehen und ist ihre Entsorgung wegen der Umweltrelevanz an besondere Bedingungen geknüpft. Ein mit Baurestmassen durchsetzter Boden ist daher auch wegen dieser Beschaffenheit als kontaminiert zu bezeichnen und stellt ungeachtet der besonderen Umstände des konkreten Standorts zumindest im Fall der Entsorgung eine potentielle Umweltgefährdung dar.

Losgelöst davon ist die Frage, ob auch ohne Bauführung eine gesetzliche Pflicht zur Entfernung der Baurestmassen aus dem Boden besteht. Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Der Verwaltungsgerichtshof judizierte schon zum Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) 1989, dass Materialien, die als Baurestmassen einzustufen sind, Abfälle darstellen (VwGH 2005/07/0012; 2005/15/0034 ua). Die mit 1. 1. 1993 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie über die Trennung von bei Bautätigkeiten anfallenden Materialien Bundesgesetzblatt 259 aus 1991,) ordnet in ihrem Paragraph eins, an, dass, wer die Ausführung einer Bau- oder Abbruchtätigkeit im Rahmen eines Bauvorhabens veranlasst, bei Überschreiten bestimmter Mengenschwellen das anfallende Material in Stoffgruppen zu trennen hat, nämlich: Bodenaushub, Betonabbruch, Asphaltaufbruch, Holzabfälle, Metallabfälle, Kunststoffabfälle, Baustellenabfälle, mineralischen Bauschutt. Wenn die genannten Materialien keiner Verwertung zugeführt werden können, war gemäß Paragraph 3, eine Behandlung gemäß Paragraph eins, Absatz 2, Ziffer 3, des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) vorzunehmen. Die letztgenannte Gesetzesstelle normiert auch in der Fassung des AWG 2002, dass nicht verwertbare Abfälle je nach ihrer Beschaffenheit durch biologische, thermische, chemische oder physikalische Verfahren zu behandeln sind. Feste Rückstände sind möglichst reaktionsarm und ordnungsgemäß abzulagern (Abfallbeseitigung). Die gerade genannte Verordnung fand Eingang in das AWG 2002, das in Absatz 7, seines Paragraph 16, (Besondere Behandlungspflichten für Abfallbesitzer) für Abfälle, die im Zuge von Bautätigkeiten anfallen, anordnet, dass verwertbare Materialien einer Verwertung und nicht verwertbare Materialien einer Behandlung im Sinne des bereits zitierten Paragraph eins, Absatz 2, Ziffer 3, AWG 2002 zuzuführen sind. Zu den in Paragraph 15, AWG 2002 aufgezählten „Allgemeinen Pflichten von Abfallbesitzern" gehört gemäß Absatz 5, die Übergabe der Abfälle an einen zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten, wenn der Abfallbesitzer selbst zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande ist.

Entgegen der nicht weiter belegten Annahme der Vorinstanzen kann somit keine Rede davon sein, es bestünde keine grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung, Baurestmassen vorschriftsgemäß zu entsorgen. Im Hinblick auf die zum Teil noch ungeklärte Frage der Grundwassergefährdung wäre zudem auch die Handlungspflicht des Paragraph 31, Absatz 2, WRG zu bedenken. In welchem Umfang die Klägerin von gesetzlichen Pflichten betroffen ist vergleiche hiezu auch Paragraphen 73,, 74 AWG 2002), ist im Gerichtsverfahren nicht zu klären. Dies ist ausschließlich Sache der Verwaltungsbehörde. Für die hier zu fällende Entscheidung ist lediglich bedeutsam, dass sich nach dem insoweit nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin Baurestmassen auf dem Grundstück befinden und dass diese grundsätzlich als Abfall zu qualifizieren und in der dargestellten Art zu behandeln sind.

Die Beklagte sicherte einerseits die Freiheit von Kontaminationen jedweder Art, worunter - wie dargestellt - jedenfalls auch Baurestmassen zu verstehen sind und andererseits das Fehlen von gesundheits- und umweltgefährdenden Verunreinigungen zu. Dass die Parteien hier zwei verschiedene Begriffe für Bodenbelastungen im Auge hatten, jedoch sowohl den weiteren, als auch den engeren erfassen wollten, ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „und". Dass die Parteien eine unterschiedliche Behandlung von kontaminierten und umwelt- und gesundheitsgefährdendem Material sowie von Abfällen und Altlasten nicht vereinbaren wollten, wird durch den folgenden Absatz belegt, der für alle diese Fälle (arg.: „... kontaminiertes bzw belastetes Material ...") die Kostentragung gleich regelt und generell die tatsächlichen Entsorgungskosten jenen für nicht kontaminiertes Aushub- und Abbruchmaterial gegenüberstellt. Dass auch mit Erdreich vermengtes im Boden befindliches Abbruchmaterial einer gesonderten aufwendigeren Deponierung bedarf, wurde bereits dargestellt.

Der Vertrag regelt somit den Kostenersatz für sich teilweise überschneidende Gruppen von Altablagerungen und in diesem Sinne folgt ihm auch das Klagebegehren: Es sind jene Lasten erfasst, die aufgrund eines behördlichen Auftrags oder aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen zu entsorgen sind, sowie solche, die im Zuge von Baumaßnahmen anfallen und aufgrund ihrer schon im Vertragserrichtungszeitpunkt gegebenen Beschaffenheit, nämlich unter anderem der Vermengung mit dem Erdreich, gesondert deponiert werden müssen.

Wie sich aus dem Vorbringen des Klagevertreters anlässlich der letzten Modifizierung des Klagebegehrens (AS 482 in Band römisch eins) ergibt, ist das Interesse an letzterer oben genannter Feststellung darin begründet, dass im Boden befindliche Altablagerungen vorhanden sind. Damit stimmt überein, dass Gegenstand des gesamten Verfahrens die Entsorgung von Baurestmassen ist. Auch die im Urteilsbegehren verwendeten Wortfolgen „regulärer Bauaushub" und „Bodenaushubdeponie" zeigen, dass Gegenstand dieses Teils des Begehrens der bei Bauarbeiten anfallende Aushub sein sollte. Hinweise, dass auch Abbrucharbeiten in diesem Sinne kontaminiertes Material zu Tage fördern könnten, sind dem Akt nicht zu entnehmen. Zur Klarstellung war daher in diesem Teil des Urteils der Wortteil „Abbruch" auszuschalten, sodass nunmehr auf im Zuge von Baumaßnahmen aufgefundene Materialien abgestellt wird.

Den Befürchtungen der Vorinstanzen, dass das Feststellungsbegehren vom Vertrag nicht gedeckte Sanierungsmaßnahmen umfassen könnte, ist entgegenzuhalten, dass der Spruch die Haftung der Beklagten mit dem Bezugszeitpunkt 11. 6. 2001 und nur für die Fälle behördlichen Auftrags, gesetzlicher Verpflichtung oder des Entstehens von Mehrkosten im Zuge von Baumaßnahmen, begrenzt, sodass willkürliche Maßnahmen der Klägerin ausgeschlossen sind. Der von den Vorinstanzen als zu weitgehend beurteilte Begriff der „Altablagerungen" entspricht der Terminologie des Paragraph 2, Absatz 2, AlSAG, wonach befugt oder unbefugt abgelagerte Abfälle als Altablagerungen bezeichnet werden. Die Verwendung dieses Ausdrucks im Klagebegehren ist daher nicht zu beanstanden und umfasst sowohl den oben erläuterten Begriff der „Kontaminationen" als auch denjenigen von „Abfällen oder Altlasten". Insoweit das Klagebegehren über die in Punkt 5.3. enthaltene Aufzählung hinaus auch die Kosten der Wiederauffüllung des Geländes und der örtlichen Bauaufsicht nennt, wird damit die vertragliche Verpflichtung „die Käuferin in jeder Hinsicht völlig schad- und klaglos zu halten" konkretisiert.

Da demgegenüber die Beklagte auf ihrer einschränkenden Auslegung des Vertragstextes beharrt, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen.

Zur Revision der Beklagten:

Diese versucht im Rahmen ihrer Rechtsrüge der ihrer Ansicht nach gebotenen einschränkenden Auslegung des Vertrags zum Durchbruch zu verhelfen. Dass ihre Argumente nicht zu überzeugen vermögen, wurde oben dargelegt, weshalb auf die Ausführungen zur Rechtsrüge der Klägerin verwiesen werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Die Übertragung der die Vorinstanzen betreffenden Kostenentscheidungen an das Berufungsgericht ergibt sich aus einem Größenschluss aus Paragraph 510, Absatz eins, letzter Satz ZPO. Wenn der Oberste Gerichtshof sogar die Entscheidung der Hauptsache dem Berufungsgericht übertragen kann, sofern die dafür erforderlichen eingehenden Berechnungen einen Zeitaufwand erfordern, der dem Höchstgericht nicht zugemutet werden soll, muss dies um so mehr für die Kostenfrage gelten, zumal sich auch aus den Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO (Paragraphen 519, Absatz eins,, 528 Absatz 2, Ziffer 3,) ergibt, dass der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (1 Ob 1/09t in RIS-Justiz RS0124588). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit eingehender Berechnungen unter anderem daraus, dass zunächst am Verfahren sowohl auf Klags- als auch auf Beklagtenseite eine weitere Partei beteiligt war, somit verschiedene Verfahrensabschnitte zu bilden sind und der Akt zwei Bände mit zusammen mehr als 730 Seiten umfasst.

Textnummer

E91702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0090OB00056.08P.0826.000

Im RIS seit

25.09.2009

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2012

Dokumentnummer

JJT_20090826_OGH0002_0090OB00056_08P0000_000

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