Entscheidungstext 8ObA30/16v

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ARD 6500/6/2016 = RdW 2016/373 S 491 - RdW 2016,491 = RdM‑LS 2016/64 = Arb 13.313

Geschäftszahl

8ObA30/16v

Entscheidungsdatum

27.04.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M*****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Georg Wageneder, Rechtsanwälte in St. Florian, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, *****, vertreten durch die Jäger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 394.254 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2016, GZ 12 Ra 4/16v-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Nichtigkeit sowie die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen - wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat - nicht vor.

Im Zusammenhang mit der angeblichen Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts bei der Nichtverlängerung des befristeten Dienstverhältnisses bezieht sich die Klägerin in Wirklichkeit auf das Vorliegen eines sekundären Feststellungsmangels und nicht auf einen Nichtigkeitsgrund.

Auch wenn das Berufungsgericht in Pkt 2.5 seines Urteils den Begriff der „Vertragsgestaltung“ verwendet, bezieht es sich dabei ausreichend klar auf das - allerdings zu wenig konkrete - Vorbringen der Klägerin zum Themenkreis „Sittenwidrigkeit“ nach Maßgabe der Ausführungen in der Berufung (Pkt römisch II.6).

2.1 Inhaltlich steht die Klägerin zunächst auf dem Standpunkt, dass sie - mangels Mitteilung über die Weiterbestellung bzw mangels Einholung eines Gutachtens - im Sinn des Paragraph 12, Absatz eins, Oö ObjektivierungsG 1994 hätte weiterbestellt werden müssen.

Im Anlassfall ist unstrittig, dass die Tätigkeit der Klägerin unter das Oö Landesbediensteten-Zuweisungs-gesetz 2001 fällt. Dabei handelt es sich um ein Sondergesetz für die Zuweisung von Dienstnehmern (Landesbediensteten) an die Gesundheits- und Spitals-AG (Gespag) bzw an deren Tochtergesellschaften (Paragraph eins, leg cit). Paragraph 4, Absatz eins, leg cit normiert ausdrücklich, dass die Betrauung mit einer leitenden Funktion im Bereich der Gespag und allfälliger Tochtergesellschaften nach einer öffentlichen Ausschreibung nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat, sowie dass für diese Betrauung das Oö Objektivierungsgesetz 1994 nicht anzuwenden ist.

Diese Regelung ist eindeutig. In einem solchen Fall liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, auch wenn der Oberste Gerichtshof dazu noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat vergleiche RIS-Justiz RS0102181; 8 ObA 54/14w).

2.2 Weiters beruft sich die Klägerin auf die Strukturprinzipien des öffentlichen Dienstrechts. Danach sei im öffentlichen Dienst ein systemimmanenter höherer Bestandschutz gegeben.

Unstrittig ist, dass das Dienstverhältnis der Klägerin unter das Oö Landes-Vertragsbedienstetengesetz fällt und privatrechtlicher Natur ist. Das Dienstverhältnis kann entweder auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit eingegangen werden (Paragraph 4, Absatz eins, Ziffer 3, Oö Landes-VBG; vergleiche auch Paragraph 4, Absatz 2, Ziffer 4, VBG). Ein befristetes Dienstverhältnis ist nach den Rechtsfolgen dadurch charakterisiert, dass es automatisch durch Zeitablauf endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Anders als bei einem Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit ist zu seiner Beendigung keine rechtsgestaltende Auflösungserklärung erforderlich (Brenn in Reissner, AngG2 Paragraph 19, Rz 9).

Auf den erhöhten Kündigungsschutz von Vertragsbediensteten, demzufolge eine Kündigung an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden ist, kann sich die Klägerin nicht berufen, weil ihr Dienstverhältnis gerade nicht durch eine rechtsgestaltende Erklärung aufgelöst wurde. Mit dem Argument, hinsichtlich des Bestandschutzes könne es keinen Unterschied machen, ob ein unbefristetes Dienstverhältnis durch Kündigung beendet oder ein befristetes Dienstverhältnis nicht verlängert werde, ignoriert die Klägerin den prinzipiellen Unterschied zwischen befristeten und unbefristeten Dienstverhältnissen in Bezug auf deren Beendigung.

2.3 Letztlich ist auch dem Argument der Klägerin, Paragraph 4, Absatz eins, Oö Landesbediensteten-ZuweisungsG 2001 gelte nur für die Erstbetrauung, nicht aber für die Weiterbestellung, nicht zu folgen. Wie sich schon aus der Überschrift zu Paragraph 4, leg cit („Besetzung leitender Funktionen“) ergibt, werden die Begriffe „Besetzung“ und „Betrauung“ synonym verwendet. Regelungsgegenstand ist die Besetzung einer leitenden Funktion mit einer bestimmten Person. Die Weiterbestellung ist ebenfalls eine Besetzung und daher gleichbedeutend mit dem Begriff der „Weiterbetrauung“. Die Ausnahme vom Oö Objektivierungs-gesetz 1994 gilt damit für die Besetzungsformen Erstbetrauung und Weiterbetrauung gleichermaßen. Auch der sondergesetzliche Charakter des Oö Landesbediensteten-Zuweisungsgesetzes 2001 spricht deutlich gegen eine parallele Anwendbarkeit des Oö Objektivierungs-gesetzes 1994.

2.4 Die Auslegung der Bestimmung über die Dauer des Dienstverhältnisses im Dienstvertrag der Klägerin betrifft den Einzelfall (RIS-Justiz RS0042936). Das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis, wonach diese Vertragsbestimmung eine Absichtserklärung beinhalte, aber keine Verpflichtung zur Weiterbestellung begründe, erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Die Absichtserklärung ist zwar unverbindlich, geht aber doch über die in Paragraph 4, Absatz 2, Oö Landesbediensteten-ZuweisungsG 2001 formulierte „Möglichkeit“ der Weiterbestellung hinaus. In dieser Hinsicht kann der Klägerin insoweit zugestimmt werden, dass das zwingend befristete Dienstverhältnis im Weg der Absichtserklärung auf eine Verlängerung „angelegt“ war. Entgegen ihrer Ansicht wurde ihr nach den Feststellungen aber keine Verlängerungszusage gegeben. Mit Rücksicht auf die ihr gegenüber abgegebenen Erklärungen konnte sie sich auf eine Verlängerung des Dienstverhältnisses nicht verlassen.

2.5 Die in Rede stehende Vertragsbestimmung lässt sich auch nicht dahin auslegen, dass es im Prinzip, ohne gegenteilige Erklärung, automatisch zu einer Weiterbestellung kommen sollte. Demnach handelte es sich nicht etwa um ein befristetes Dienstverhältnis mit einer „Nichtverlängerungs-klausel“, wonach die Beendigung des Dienstverhältnisses nur bei Abgabe der Erklärung, den befristeten Dienstvertrag nicht fortsetzen zu wollen, eintreten soll vergleiche dazu Brenn in Reissner, AngG2 Paragraph 19, Rz 5 ff).

Grundsätzlich ist es richtig, dass eine Befristung eines Dienstverhältnisses auch an eine Bedingung (zB Erreichen eines Zieles) geknüpft werden kann, deren Eintritt nach der Vertragslage zu einem wesentlichen Teil vom Dienstnehmer beeinflussbar ist (Brenn in Reissner, AngG2 Paragraph 19, Rz 2; Reissner in ZellKomm2 Paragraph 19, AngG Rz 52). Eine derartige Vertragsbestimmung muss allerdings - als Abweichung vom typischen Fall eines befristeten Dienstverhältnisses - eindeutig getroffen werden. Dementsprechend muss klar angeordnet sein, dass das Dienstverhältnis ohne Kündigung endet, wenn ein bestimmtes Ziel nicht eintritt vergleiche 9 ObA 22/08p), bzw dass das Dienstverhältnis (gleichsam automatisch) verlängert wird, wenn ein bestimmter Grund nicht vorliegt.

Eine solche Regelung besteht hier nicht.

3.1 Wie bereits ausgeführt, kann im Anlassfall davon ausgegangen werden, dass das zwingend befristete Dienstverhältnis auf Basis der Absichtserklärung im Dienstvertrag auf eine Verlängerung „angelegt“ war. Dieser Umstand kann im Zusammenhang mit der von der Klägerin aufgeworfenen Diskriminierungsfrage von Bedeutung sein.

Die Überlegung des Berufungsgerichts, wonach die Namhaftmachung männlicher Kollegen, deren Betrauung mit einer leitenden Funktion verlängert worden sei, für einen Diskriminierungstatbestand nicht genüge, ist missverständlich formuliert. Damit sollte ausgedrückt werden, dass für das Vorliegen eines Diskriminierungstatbestands ein benachteiligender Zusammenhang zwischen der inkriminierten Entscheidung (hier Nichtverlängerung) und dem verpönten Motiv (hier Geschlecht) bestehen muss vergleiche 8 ObA 5/16t).

3.2 Eine unmittelbare Diskriminierung erfordert eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson), wobei die Ursache dafür im Schutzgrund (hier Geschlecht) bestehen muss. Es ist somit ein kausaler Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Schutzgrund erforderlich. Eine mittelbare Diskriminierung betrifft Maßnahmen, die zwar neutral formuliert sind, aber für eine bestimmte Gruppe dennoch unverhältnismäßige nachteilige Auswirkungen haben und diese Gruppe daher besonders nachteilig betreffen (8 ObA 68/13b).

In diesem Zusammenhang kann den Beweggründen des Dienstgebers, die ihn zur Nichtverlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses veranlasst haben, Bedeutung zukommen. Richtig ist auch, dass der Dienstnehmer das verpönte (geschlechtsspezifische) Motiv für die benachteiligende Entscheidung nur glaubhaft machen muss. Beruft sich also der Dienstnehmer auf einen Diskriminierungstatbestand, so hat er diesen Umstand glaubhaft zu machen. Ob die Glaubhaftmachung, also die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen, gelungen ist oder nicht, stellt das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung dar. Gelingt es dem Dienstnehmer, den Diskriminierungstatbestand glaubhaft zu machen, so kann der Dienstgeber das Gericht ebenfalls durch Glaubhaftmachung überzeugen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderer Grund (hier) für die Nichtverlängerung ausschlaggebend war vergleiche 8 ObA 62/15y; 8 ObA 5/16t).

3.3 Entgegen den Ausführungen der Klägerin liegen zur Frage der Diskriminierung allerdings keine sekundären Feststellungsmängel vor. Derartige Mängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Ein (relevanter) sekundärer Feststellungsmangel ist daher nur dann denkbar, wenn die begehrte Feststellung von einem konkreten Tatsachenvorbringen der Partei erfasst ist (8 ObA 20/14w; 8 ObA 68/14d).

Die Klägerin hat im gegebenen Zusammenhang vorgebracht, dass die befristeten Dienstverhältnisse (in Bezug auf leitende Funktionen bei der Gespag) von Männern verlängert worden seien, jenes der Klägerin aber nicht. Das Erstgericht hat dazu unter Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Grunddienstverhältnis und der befristeten Betrauung mit einer leitenden Funktion vergleiche dazu auch Paragraph 60, Oö Landes-VBG) die unterschiedlichen Gruppen von leitenden Funktionsträgern bei der Gespag festgestellt. In der Situation der Klägerin als externe Bewerberin befand sich demnach nur ein einziger Dienstnehmer, bei dem aber wiederum insofern ein Sonderfall vorlag, als er bereits zuvor Beamter einer Stadt gewesen war.

Die Klägerin befand sich demnach nicht in einer vergleichbaren Situation wie die von ihr namhaft gemachten Kollegen. Sie konnte damit nicht darlegen, dass der Beweggrund für die Nichtverlängerung ihres befristeten Dienstverhältnisses ihr Geschlecht betroffen hat.

3.4 Was die Klägerin aus der Bezugnahme auf das Frauenförderungsgebot (Paragraph 32, Absatz eins, Oö Landes-GlBG) konkret für sich ableiten will, bleibt unklar. In der Rechtsprechung ist dazu bereits geklärt, dass selbst die Nichteinhaltung des gesetzlich angeordneten Frauenförderungsgebots für sich allein noch keine ungünstigere Behandlung aufgrund des Geschlechts begründet vergleiche 8 ObA 35/10w; 8 ObA 5/16t).

4. Zu den Ausführungen der Klägerin, die Nichtverlängerung ihres Dienstverhältnisses sei darüber hinaus auch sittenwidrig, hat das Berufungsgericht auf das mangelnde Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren hingewiesen. Ob im Hinblick auf den Inhalt der prozessualen Erklärungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, und wie ein Vorbringen auszulegen ist, sind Fragen des Einzelfalls, denen im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung zukommt (8 ObA 68/13b; 8 Ob 53/14y).

Die Klägerin hat zwar in der Klage im Zusammenhang mit ihr obliegenden kaufmännischen Sorgfaltspflichten auf Meinungsverschiedenheiten mit anderen leitenden Personen bei der Gespag Bezug genommen. Das behauptete Mobbing bzw Bossing sah sie als Folge der Entscheidung des Aufsichtsrats, die Gesundheitsinformatik in die kaufmännische Direktion einzugliedern. Zudem führte sie aus, aufgrund der zusätzlichen Übernahme der IT-Funktionen ohne Gehaltserhöhung beim Entgelt diskriminiert worden zu sein. Ein Sittenwidrigkeitsurteil in Bezug auf die Nichtverlängerung ihres befristeten Dienstverhältnisses hat sie damit aber nicht verknüpft.

In Pkt römisch II der Klage, auf den die Klägerin im gegebenen Zusammenhang verweist, findet sich die Behauptung, die Nichtverlängerung ihres Dienstverhältnisses sei darauf zurückzuführen, dass sie die Zahlung ihrer Überstunden begehrt habe. In der Berufung hat die Klägerin dieses Vorbringen in rechtlicher Hinsicht auf den von ihr angesprochenen höheren Bestandschutz im öffentlichen Dienst und auf eine Säumigkeit des Landes Oberösterreich als Gesetzgeber bezogen. In dieser Situation ist die Sichtweise, die Klägerin habe die Behauptungen zum Themenkreis „Sittenwidrigkeit“ nicht, jedenfalls nicht deutlich, als ernsthaftes Motiv des Dienstgerbers für die Nichtverlängerung ihres befristeten Dienstverhältnisses vorgetragen, weshalb das Vorbringen in dieser Hinsicht zu unkonkret sei, nicht unvertretbar.

5. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die hier relevanten unionsrechtlichen Fragestellungen zur Richtlinie 2006/54/EG in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs geklärt sind und insofern keine Zweifel bestehen vergleiche 8 Ob 29/13t; 8 ObS 13/14s).

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E114475

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00030.16V.0427.000

Im RIS seit

12.05.2016

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2017

Dokumentnummer

JJT_20160427_OGH0002_008OBA00030_16V0000_000

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