Entscheidungstext 8Ob19/92

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

8Ob19/92

Entscheidungsdatum

26.11.1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z-***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wider die beklagte Partei H***** M*****, Beschäftigter, ***** vertreten durch Dr.Johann Mayerhofer und Dr.Herbert Handl, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 250.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.Jänner 1992, GZ 2 R 90/91-10, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 28. März 1991, GZ 2 b Cg 513/91-5, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.882,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.813,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über Antrag der klagenden Bank erließ das Erstgericht einen Scheckzahlungsauftrag, womit dem Beklagten "aufgrund des Schecks vom 26.8.1990 und der darauf von der R*****kasse R*****-M***** als Bezogener gesetzten und unterschriebenen Erklärung vom 29.8.1990, wonach der Scheck an diesem Tag vorgelegt wurde, jedoch eine Zahlung nicht zu erlangen war, als rückgriffspflichtigem Aussteller des Schecks" aufgetragen wurde, an die klagende Bank S 250.000,- sA zu bezahlen.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen und brachte vor, er habe am 26.8.1990 auf einem Scheckformular der R*****kasse R*****-M***** einen Scheck über S 420.000 ausgestellt, welcher G***** D*****-S***** übergeben worden sei. Rechtsgrund dieser Übergabe sei die Zuzählung eines Privatdarlehens gewesen. Dieser sei damals Bankangestellter gewesen und mit einer Rückzahlung des Privatdarlehens habe gerechnet werden können. Noch vor Präsentation des Schecks habe er aber von der Entlassung des Schecknehmers und von angeblichen finanziellen Machinationen desselben erfahren. Unter diesen Umständen sei er nicht bereit gewesen, das Privatdarlehen auszuzahlen und habe deshalb seiner Bank den Auftrag erteilt, den Scheck "zu sperren". Über das Vermögen des G***** D*****-S***** sei zwischenzeitig der Konkurs eröffnet worden. Anläßlich der Präsentation des gegenständlichen Schecks bei der klagenden Bank habe diese bei der R*****kasse R*****-M***** nachgefragt. Diese habe auftragsgemäß die Auskunft erteilt, daß Deckung für den Scheck nicht gegeben sei, weil er, der Beklagte, die "Schecksperre" veranlaßt habe. Trotzdem habe die klagende Bank - nach seiner Ansicht wider besseres Wissen - dem Präsentator des Schecks S 250.000 bar ausbezahlt. Sie habe daher bewußt zu seinem Nachteil gehandelt, sodaß er ihr gemäß Artikel 22, ScheckG alle Einwendungen entgegensetzen könne, welche sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zum Schecknehmer gründen. Es scheine "höchst aufklärungsbedürftig", wieso eine Angestellte der klagenden Bank nach Mitteilung der nicht vorhandenen Deckung S 250.000 habe auszahlen können. "Eigenartig" erscheine es auch, daß die klagende Bank in einem Schreiben ihm gegenüber behauptet habe, sie hätte den von ihm ausgestellten Scheck "angekauft" und auf dem Konto des Schecknehmers im Betrag von S 250.000 vorfinanziert; diese Ausführungen widersprächen den Klagsbehauptungen, wonach der Betrag bar ausbezahlt worden sei. Es ergebe sich der "Verdacht", daß die klagende Bank versuche, eine Schuld des Kontoinhabers bei ihrem Institut auf seine Kosten abzudecken. Er beantrage daher die Aufhebung des Scheckzahlungsauftrages.

In der Folge hob das Erstgericht aus - wie nunmehr nicht mehr strittig ist - unrichtigen formalen Gründen den Scheckzahlungsauftrag auf und wies das Klagebegehren auf Zahlung von S 250.000 ab.

Das Berufungsgericht änderte in Stattgebung der Berufung der klagenden Bank das angefochtene Urteil dahin ab, daß es den Scheckzahlungsauftrag aufrechthielt und dem Beklagten als rückgriffspflichtigen Aussteller des Schecks auftrug, der klagenden Bank S 250.000 sA zu bezahlen.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß sich das Scheckmandatsverfahren auf die Prüfung der Berechtigung der Einwendungen des Beklagten beschränke. In diesen versuche der Beklagte als rückgriffspflichtiger Aussteller des Schecks darzutun, die klagende Bank hätte beim Erwerb des Wertpapiers bewußt zu seinem Nachteil gehandelt. In diesem Zusammenhang sei der Beklagte nicht nur behauptungs- und beweispflichtig dafür, daß beim Erwerb des Papiers Einwendungen bestanden haben, sondern auch, daß der Inhaber diese beim Erwerb gekannt habe. Bewußt zum Nachteil handle dabei nicht derjenige, der bloß Kenntnis von Umständen habe, die darauf hindeuteten, daß Einwendungen gegen den Scheck bestehen könnten, es sei vielmehr volle Gewißheit erforderlich. Der Inhaber müsse also beim Scheckerwerb die Beziehungen des Schuldners zum Vormann gekannt und - wenn auch nur nebenbei - die daraus fließenden Einreden abzuschneiden bezweckt haben. Ausreichend sei dabei, daß ihm der dem Schuldner entstehende Nachteil bekannt sei und er ihn trotzdem in Kauf nehme. Bewußt zum Nachteil des Schuldners handle aber der Erwerber dann nicht, wenn er ein eigenes berechtigtes Interesse am Erwerb des Schecks habe. Der Beklagte habe keine ausreichenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen schlüssig gefolgert werden könne, daß die klagende Bank beim Erwerb des Schecks bewußt zu seinem Nachteil gehandelt habe. Sein Vorwurf, die Angestellte der klagenden Bank habe anläßlich der Präsentation des Papiers bei der bezogenen Bank nachgefragt und dabei die Auskunft erhalten, daß Deckung für den Scheck nicht gegeben sei, weil der Beklagte die "Schecksperre" veranlaßt habe, reiche jedenfalls nicht aus, um - selbst bei Erweislichkeit dieser Behauptungen - die Voraussetzungen des Artikel 22, ScheckG zu erfüllen. Ein Widerruf eines Schecks durch den Aussteller könne berechtigt, aber auch zu Unrecht erfolgt sein. Darüber hinaus berühre der Widerruf nur das Verhältnis zwischen dem Aussteller und dem Bezogenen. Der Erwerb des Schecks in Kenntnis der Tatsache des Widerrufs gewähre dem Aussteller kein Einrede gegenüber dem Empfänger; eine solche habe daher durch die Weiterbegebung des Schecks auch nicht abgeschnitten werden können. Daß die klagende Bank beim Erwerb des Schecks auch den Inhalt dieser Einrede, die dem Widerruf zugrunde gelegen sein soll, gekannt hätte, habe aber der Beklagte nicht einmal behauptet. Da sich somit die Einwendungen des Beklagten als unschlüssig erwiesen, sei zu Recht von der Aufnahme der beantragten Beweise Abstand genommen worden. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil die Frage der Schlüssigkeit von Parteivorbringen in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgingen und überdies die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang stehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Aufhebung des Scheckzahlungsauftrages und der Abweisung des Klagebegehrens.

Die klagende Banki beantragt, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfswiese ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig. Der Beklagte weist nämlich zu Recht darauf hin, daß zur entscheidungswesentlichen Frage, ob eine Bank durch die Annahme und Auszahlung eines Schecks nach Anfrage beim bezogenen Kreditinstitut und Erhalt der Nachricht, daß keine Deckung vorhanden und der Scheck gesperrt sei, bewußt zum Nachteil des Ausstellers handle, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt und daß dieser Frage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Der Frage der Schlüssigkeit des Parteivorbringens kommt daher im vorliegenden Fall ebenfalls über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weil die Einwendungen des Beklagten in dieser Richtung nur dann nicht zu prüfen waren, wenn sie für den Nachweis des bewußt zum Nachteil des Ausstellers Handelns der Bank nicht ausreichend sein können.

Rechtliche Beurteilung

Hingegen entspricht es der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, daß das Gericht in Anwaltsprozessen nicht verpflichtet ist, die Parteien darüber zu belehren, welches Vorbringen zur Stützung ihres Begehrens oder ihrer Einwendungen nötig ist, und sie zu bestimmten Anträgen zu veranlassen (SZ 47/26 uva).

Die Revision ist aber sachlich nicht berechtigt.

Nach dem hier anzuwendenden, dem Artikel 17, WG wortgleichen Artikel 22, ScheckG kann der aus einem solchen Wertpapier in Anspruch Genommene dem nunmehrigen Inhaber des Papiers keine Einwendungen entgegensetzen, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zum Aussteller oder einem früheren Inhaber gründen, es sei denn, daß der Inhaber beim Erwerb des Wertpapiers bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Es kann daher auch der Aussteller eines Schecks nur unter diesen Voraussetzungen dem Inhaber Einwendungen entgegenhalten, die er persönlich gegen den Schecknehmer hat. Dafür ist er behauptungs- und beweispflichtig (SZ 54/117 uva). Er muß nicht nur die Einwendungen beweisen, die er gegen den Schecknehmer hat, sondern auch, daß die Bank von diesen positive Kenntnis hatte (SZ 54/117 uva; zuletzt 8 Ob 16/89). Bewußtes Handeln zum Nachteil des Schuldners erfordert kein arglistiges Einverständnis mit dem Vormann. Es reicht vielmehr hin, daß der Inhaber des Papiers bei seinem Erwerb die Beziehungen des Schuldners zum Vormann gekannt und den durch den Erwerb entstehende Nachteil für den Schuldner erwogen und mit dolus eventualis in Kauf genommen hat (SZ 45/6, 59/162 uva). Dagegen reicht nicht aus, daß er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt den Einredetatbestand und damit den Nachteil des Schuldners infolge des Abschneidens der Einrede hätte erkennen können (unbewußte Fahrlässigkeit) oder daß er zwar an die Möglichkeit des Vorliegens eines Einredetatbestandes dachte, diese Möglichkeit aber in der objektiv unrichtigen Erwägung abtat, sie würde dem Schuldner ohnehin keine erfolgversprechende Einrede liefern (bewußte Fahrlässigkeit) (SZ 45/6 ua). Den Scheckerwerber trifft keine Nachforschungspflicht über das Grundverhältnis oder sonstige Vereinbarungen (EvBl 1955/364; SZ 45/6; 54/117 uva). Die unter Artikel 17, WG und Artikel 22, ScheckG fallenden Einwendungen gehen den Erwerber grundsätzlich nichts an (Canaris Wertpapierrecht 106, 116 f). Eine Prüfungspflicht, für deren Verletzung der Erwerber schon bei grober Fahrlässigkeit haftet, besteht nur in der Richtung, ob das Wertpapier dem früheren Inhaber "irgendwie abhanden gekommen" ist (Artikel 21, ScheckG; Artikel 16, WG); sonst wird nur für bewußtes Handeln zum Nachteil des Schuldners gehaftet (SZ 47/19 ua).

Der Schuldner, im vorliegenden Fall der beklagte Scheckaussteller, muß also beweisen, daß der Inhaber, in unserem Fall die klagende Bank, die den Scheck hereingenommen und honoriert hat, beim Erwerb bewußt oder zumindest mit bedingtem Vorsatz zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Wenn es dem Schuldner gelingt, zu beweisen, daß der Erwerber des Schecks beim Erwerb die Tatsachen gekannt hat, die zu seiner Benachteiligung geführt haben, spricht die Lebenserfahrung für den (zumindest bedingten) Vorsatz des Erwerbers, sodaß sich dieser entlasten muß (EvBl 1977/55 ua). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte nicht behauptet, daß die klagende Bank von seinen Einwendungen gegen den Schecknehmer wußte - nämlich daß er nach Ausstellung des Schecks erfahren hatte, daß der Schecknehmer entlassen wurde und Machinationen begangen haben soll, sodaß er ihm das versprochene Darlehen nicht mehr habe gewähren wollen -; es kann daher nicht geschlossen werden, daß die klagende Bank deshalb wußte oder mit dolus eventualis in Kauf nahm, daß der Beklagte durch ihren einredefreien Erwerb geschädigt wurde.

Es ist zwar zuzugeben, daß es heute weitgehend üblich ist, daß die einen Scheck hereinnehmende Kreditunternehmung dem einreichenden Scheckinhaber den Scheck nur "vorbehaltlich des Eingangs" gutschreibt. Es mag auch weitgehend unüblich sein, daß eine Kreditunternehmung auf eingereichte Schecks Barzahlungen leistet oder endgültig den Betrag dem Konto des Einreichers gutbucht, wenn sie durch vorherige Anfrage bei der bezogenen Kreditunternehmung erfahren hat, daß der Scheck "nicht gedeckt" oder "gesperrt" sei. Verboten ist dies aber der Bank nicht; es kann auch ein "ungedeckter" oder "gesperrter" Scheck genommen und honoriert werden. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Schecksperre durch den Aussteller verschiedenste Gründe haben kann; die Tatsache allein, daß die klagende Bank von der "Nichtdeckung" und "Sperre" des Schecks durch den Beklagten, die nur sein Verhältnis zur bezogenen Bank betreffen und auch von dieser nur unter bestimmten Umständen beachtet werden müssen (SZ 25/175; 54/162), wußte, kann nicht zum Nachweis ausreichen, daß sie im Sinn des Paragraph 22, ScheckG bewußt zum Nachteil des Ausstellers gehandelt hat (so schon RGZ 96, 190, siehe Kapfer Wechsel- und Scheckgesetz8 E 4 zu Artikel 22, ScheckG), allein aus diesem Umstand kann auch nicht geschlossen werden, daß sie mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen hat, den Beklagten durch Abschneidung der Einreden, die dieser gegen den Schecknehmer hat, zu schädigen vergleiche EvBl 1969/395; 1977/55 ua).

Als nicht relevant kann daher die Meinung des Berufungsgerichtes dahingestellt bleiben, daß in allen Fällen, in denen der Erwerber ein eigenes Interesse am Erwerb des Schecks hat, etwa weil er einen bei ihm bestehenden Kreditsaldo des den Scheck einreichenden Scheckinhabers damit abdecken will, ein Handeln zum Nachteil des Schuldners ausscheidet (so BGHZ 5, 285; ablehnend und differenzierend Canaris, ZHR 151, 517 ff, insb 549 ff).

Das Berufungsgericht hat daher mangels Eignung der Einwendungen zum Nachweis des beim Erwerb des Schecks bewußt zum Nachteil des Schuldners Handelnden zu Recht von der Aufnahme der angebotenen Beweise Abstand genommen, den Scheckzahlungsauftrag aufrechterhalten und den Beklagten zur Zahlung von S 250.000 verurteilt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E33154

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00019.92.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19921126_OGH0002_0080OB00019_9200000_000

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