Entscheidungstext 7Ob627/93

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

7Ob627/93

Entscheidungsdatum

23.03.1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann B*****, vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr.Norbert S*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma Bauunternehmung Franz E*****, wegen S 90.000,-- sA, infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Handelgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22.Oktober 1993, GZ 1 R 375/93-28, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 18. Dezember 1992, GZ 9 C 1314/92m-17, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.April 1993, GZ 9 C 1314/92m-22, sowie die Berufungsbeantwortung der klagenden Partei zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beiden Rekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird, aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird eine Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte von der Bauunternehmung Franz E***** insgesamt S 90.000,-- sA für erbrachte Schlosserarbeiten. Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Sie behauptete, daß die Arbeiten weder ordnungsgemäß noch zeitgerecht durchgeführt worden seien, bestritt die Fälligkeit der Klagsforderung und wendete eine nicht näher konkretisierte Gegenforderung für mehrere von der klagenden Partei verursachte Schäden und auf Grund einer behaupteten Pönalevereinbarung ein.

Mit Urteil vom 18.12.1992 erkannte das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 90.000,-- sA. Die schriftliche Ausfertigung des Urteils wurde am 14.1.1993 der Geschäftsstelle übergeben und am 22.1.1993 an die im Akt ausgewiesenen Vertreter der Parteien zugestellt.

Am 18.1.1993 wurde über Vermögen der Firma Bauunternehmung Franz E*****, das Konkursverfahren eröffnet. Hievon erfuhr das Erstgericht durch eine am 1.2.1993 eingelangte Mitteilung des Masseverwalters. Es erklärte daraufhin mit Beschluß vom 1.2.1993 das Verfahren gemäß Paragraph 7, Absatz 2, KO für unterbrochen und wies darauf hin, daß das Verfahren gemäß Paragraph 7, Absatz 2, KO nur auf Parteienantrag fortgesetzt werde. Dieser Beschluß wurde den Parteien am 4.2.1993 zugestellt. Am 15.4.1993 langte ein Fortsetzungsantrag der klagenden Partei ein, in dem die klagende Partei darauf hinwies, daß der Masseverwalter die prozeßgegenständliche, im Konkursverfahren angemeldete Forderung bestritten habe. Der klagenden Partei sei mit Gerichtsbeschluß die Frist für die Fortsetzung dieses Verfahrens mit 15.4.1993 bestimmt worden. Zugleich begehrte die klagende Partei, den Urteilsspruch dahin zu "modifizieren", daß der klagenden Partei eine Konkursforderung in Höhe von S 126.039,70 zustehe. Letzterer Betrag resultierte nach dem Antragsvorbringen daraus, daß die Klagsforderung zuzüglich der kapitalisierten Zinsen und der im Urteil zuerkannten Verfahrenskosten angemeldet worden sei.

Mit seinem Beschluß vom 16.4.1993 "berichtigte" das Erstgericht den Urteilsspruch dahin, daß der klagenden Partei im Konkurs über das Vermögen der Firma Bauunternehung Franz E***** eine Konkursforderung in Höhe von S 126.039,70 zustehe. Dieser Beschluß wurde der klagenden Partei und dem gewählten Vertreter der ursprünglich beklagten Partei am 27.4.1993 zugestellt. Am 24.5.1993 gab der Masseverwalter eine Berufung zur Post, mit der er die Abänderung des Urteiles im Sinn einer Klagsabweisung, hilfsweise dessen Aufhebung begehrt. Die klagende Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung. Der "Berichtigungsbeschluß" blieb unbekämpft.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung und die Berufungsbeantwortung zurück. Da die eingeklagte Forderung keinen Ausnahmetatbestand des Paragraph 6, Absatz 3, KO betreffe, sei das Verfahren gemäß Paragraph 7, KO seit 18.1.1993 ex lege unterbrochen. Das Erstgericht habe keinen Aufnahmebeschluß gefaßt, sodaß über die nach dem Eintritt der Unterbrechung eingebrachten Rechtsmittelschriften nicht meritorisch entschieden werden könne.

Diesen Beschluß bekämpfen beide Parteien mit Rekurs.

Zum Rekurs der klagenden Partei:

Soweit sich der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite richtet, ist der klagenden Partei deshalb eine Beschwer zuzubilligen, weil sie mangels einer meritorischen Entscheidung über die Berufung nicht die Möglichkeit hat, bereits jetzt eine für sie günstigere Sachentscheidung zu erreichen (4 Ob 514/87), die auch exiquierbar ist. Denn die Zurückweisung der Berufung hat bei der hier vorliegenden Konstellation nicht die Wirkung, daß das klagsstattgebende Urteil in Rechtskraft erwächst. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beschwer auch in einem prozessualen Nachteil liegen (JBl 1951, 574 uva). Das Rechtschutzinteresse der klagenden Partei an der Anfechtung der die Berufung zurückweisenden Entscheidung ist daher zu bejahen.

Der Rekurs ist aus nachfolgenden, zum Rekurs der beklagten Partei angestellten Erwägungen auch berechtigt.

Im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang der Berufungsbeantwortung mit der Berufung war dem Rekurs der klagenden Partei auch insoweit Folge zu geben, als er sich gegen die Zurückweisung der Berufungsbeantwortung richtet vergleiche 4 Ob 514/87).

Rechtliche Beurteilung

Zum Rekurs der beklagten Partei:

Dieser ist gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO zulässig und berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß die während der Unterbrechung des Verfahrens von einer Partei vorgenommenen Prozeßhandlungen gemäß Paragraph 163, Absatz 2, ZPO der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkungen sind und daß daher die während der Unterbrechung eingebrachten Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wiederaufgenommen ist, zurückzuweisen sind (SZ 42/158 ua). Auch kann ein unterbrochenes Verfahren nur durch Gerichtsbeschluß aufgenommen werden (SZ 45/19 ua). Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits mehrfach ausgesprochen hat, muß ein Fortsetzungsbeschluß, durch den die durch die Konkurseröffnung eingetretene Unterbrechung beseitigt wird, nicht als solcher bezeichnet werden (JBl 1978, 433; EvBl 1982/119; 4 Ob 152/83; 4 Ob 12/85). Obgleich bei der Frage, ob ein nicht ausdrücklich die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens anordnender Beschluß als Aufnahmebeschluß iSd Paragraph 165, Absatz 2, ZPO anzusehen ist, dann ein strenger Maßstab anzulegen ist, wenn es um die Frage der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels geht (RZ 1986/40), mußten die Parteien den "Berichtigungsbeschluß" unter den hier gegebenen Umständen als Ausdruck des Willens des Erstgerichtes auffassen, das Verfahren dem Antrag des Klägers entsprechend fortzusetzen. Dieser Antrag enthielt auch alle Voraussetzungen für eine derartige Entscheidung. Ein durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des beklagten Gemeinschuldners unterbrochener Rechtsstreit kann gemäß Paragraph 7, Absatz 2, KO nicht nur vom Masseverwalter, sondern insbesondere auch vom Gegner wieder aufgenommen werden. Macht dieser, wie hier, eine Konkursforderung geltend, dann kann er die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erst nach dem Abschluß des Prüfungsverfahrens verlangen. Diese Voraussetzung wurde hier durch die dem Fortsetzungsantrag angeschlossenen Urkunden belegt. Die Feststellung einer bei der Prüfungstagsatzung bestrittenen Forderung hat stets durch Fortsetzung des schon anhängigen, durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Rechtsstreites zu geschehen. Da der beklagten Partei eine Gleichschrift dieses Antrages zugleich mit dem Beschluß, der die darin begehrte Prozeßhandlung des Gerichtes enthält, zugestellt wurde, sah sich die beklagte Partei zu Recht genötigt, innerhalb der ab Zustellung dieses Beschlusses laufenden Berufungsfrist die Berufung einzubringen. Hätte die beklagte Partei auf einen ausdrücklich die Verfahrensaufnahme anordnenden Beschluß des Erstgerichtes gewartet - der im übrigen bis heute nicht erlassen wurde, - hätte sie die Zurückweisung ihrer Berufung als verspätet riskiert.

An diesen Erwägungen vermag der Umstand nichts zu ändern, daß die Umstellung des Urteilsspruches im Sinne einer Feststellung der eingeklagten Forderung als Konkursforderung in jenen Fällen, in denen die Konkurseröffnung nach Fällung des Urteils erster Instanz erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung vom Rechtsmittelgericht vorzunehmen ist (SZ 24/90 ua). Daran, daß das Erstgericht der Ansicht war, daß aufgrund des Antrages des Klägers das Verfahren unverzüglich fortzusetzen ist, kann im übrigen auch deshalb kein Zweifel bestehen, weil das Erstgericht in der Folge der beklagten Partei auftrug, ihre Berufung durch den Anschluß einer Halbschrift zu verbessern, die Berufung der Gegenseite zur Erstattung der Berufungsbeantwortung zustellte und den Akt der Rechtsmittelinstanz zur Entscheidung über die Berufung vorlegte.

Das Gericht zweiter Instanz wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über das Rechtsmittel zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E35879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1994:0070OB00627.93.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19940323_OGH0002_0070OB00627_9300000_000

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