Entscheidungstext 6Ob33/71

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

6Ob33/71

Entscheidungsdatum

24.03.1971

Kopf

SZ 44/35

Spruch

Der Bürgermeister einer Vorarlberger Gemeinde kann ohne Genehmigung durch den Gemeinderat rechtswirksam einen Vermittlungsauftrag an einen Realitätenvermittler erteilen

OGH 24. 3. 1971, 6 Ob 33/71 (OLG Innsbruck 1 R 223/70; LG Feldkirch 2 Cg 421/69)

Text

Der Kläger begehrt Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Provision von S 20.00O- für die Vermittlung des Ankaufs der Liegenschaft EZ 29 KG Bl, die die Beklagte von Erich W erwarb. Die Beklagte beruft sich darauf, daß ihr die Kaufmöglichkeit bereits bekannt gewesen sei, als der Kläger in dieser Sache tätig geworden sei. Die Liegenschaft Erich W"s sei hoch belastet gewesen und es sei nur den umfangreichen Bemühungen des Rechtsanwaltes Dr P zu danken, daß es nicht zur Zwangsversteigerung, sondern zum Kauf der Liegenschaft gekommen sei. Ihm sei ein Übereinkommen mit den Pfandgläubigern gelungen, durch das die lastenfreie Übertragung der weit über den Wert belasteten Liegenschaft ermöglicht worden sei. Im übrigen sei der Bürgermeister N gesetzlich nicht befugt gewesen, einen Vermittlungsauftrag für die Beklagte zu erteilen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im wesentlichen statt und stellte fest:

Der Bürgermeister der Beklagten N erklärte in der ersten Hälfte Oktober 1966 dem Kläger, daß er am Erwerb eines Hauses des Erich W zum Zwecke der Errichtung eines Kindergartens für die Gemeinde interessiert sei, der Kläger also trachten solle, dieses Haus "zum Verkauf zu erhalten". Dem Bürgermeister war damals die Eigenschaft des Klägers als Realitätenvermittler bekannt. Bis zum Zeitpunkt der Vorsprache des Klägers beim Bürgermeister war es noch niemals zu einer Fühlungsnahme zwischen Vertretern der Gemeinde und Erich W gekommen. Dies einerseits deshalb, weil man mit Rücksicht auf die hohen Belastungen der Liegenschaft nicht an die Möglichkeit eines Kaufvertrages glaubte und andererseits deshalb, weil zwischen dem Bürgermeister und Erich W unverkennbar ein Spannungsverhältnis bestand.

Bei der erwähnten Unterredung mit dem Bürgermeister sagte der Kläger zu, sich mit Erich W in Verbindung zu setzen. Dies tat er auch unverzüglich und erreichte dabei, daß Erich W am nächsten Tage den Bürgermeister ersuchte, sich für den Kauf seines Hauses zu verwenden. In der Folge besprach der Kläger mit Erich W die Höhe des Kaufpreises. Zunächst dachte W an einen Betrag von S 1.267.000.-, doch wendete der Kläger ein, daß ein solcher Preis nicht erreichbar sei. W beauftragte ihn aber, seine Bemühungen dahin fortzusetzen, daß die Beklagte die Liegenschaft um S 1.100.000.- kaufe. Diesen Preis nannte der Kläger in den folgenden Besprechungen gegenüber dem Bürgermeister N. Dieser bezeichnete den Preis als viel zu hoch, doch erklärte er dem Kläger, er möge die Angelegenheit dennoch weiter verfolgen, er selbst wolle bis zum Vorliegen eines Gemeinderatsbeschlusses nicht mehr in Erscheinung treten. Bei diesen Besprechungen ließ der Kläger den Bürgermeister nicht darüber im Unklaren, daß er im Falle des Zustandekommens eines Kaufvertrages von der Beklagten eine Provision von 2% des Kaufpreises verlangen werde. Der Kläger richtete im Auftrag und im Namen des Erich W an die Beklagte ein Schreiben vom 2. 11. 1966 Beil A, worin er verbindlich die Liegenschaft um den Preis von S 1.100.000.- zum Kauf anbot und auch klar zum Ausdruck brachte, daß bei Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes eine Vermittlungsgebühr von 2% an ihn entrichtet werden müsse.

Am 1. 12. 1966 kam es in der Gemeindekanzlei zu einer Besprechung, an der der Kläger, der Bürgermeister, der damalige Gemeindevorstand und heutige Vizebürgermeister We und der Verkäufer Erich W teilnahmen. Dabei wurde ein Kaufpreis von S 1.000.000.- ausgehandelt und auch eine Übereinstimmung darüber erzielt, daß die Beklagte auf diesen Kaufpreis eine Forderung von S 87.000.- aufrechnet, für den Restbetrag von S 913.000.- Hypothekarschulden übernimmt, wogegen die darüber hinausgehende hypothekarische Belastung gelöscht werden müsse. Ein entsprechender Gemeinderatsbeschluß lag damals noch nicht vor und im übrigen war auch noch die Zustimmung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung einzuholen.

Zu dieser Zeit hatte bereits Erich W den Rechtsanwalt Dr P mit der Ordnung seiner finanziellen Verhältnisse beauftragt. Dieser brachte es zustande, daß die Liegenschaft zu den vorerwähnten Bedingungen an die Beklagte verkauft werden konnte. Die Gemeindevertretung der Beklagten hat den Ankauf der Liegenschaft des Erich W zu den vorhin erwähnten Bedingungen im Dezember 1966 beschlossen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht auf der Grundlage dieses Sachverhaltes die Tätigkeit des Klägers für das Zustandekommen des Kaufvertrages als ursächlich und verdienstlich. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß sich auch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes Dr P eindeutig zugunsten der Sache ausgewirkt habe. Der Bürgermeister der Beklagten habe den Kläger beauftragt, von dem er wußte, daß er in seiner Eigenschaft als gewerbsmäßiger Realitätenvermittler handelte. Die Tätigkeit des Bürgermeisters sei nicht nur durch die Bestimmungen des Paragraph 60, des Gemeindegesetzes gedeckt, sondern sei auch von der Gemeindevertretung nachträglich genehmigt worden.

Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Zahlung einer Provision von S 20.000.- ab. Gleich dem Erstgericht beurteilte das Berufungsgericht die Tätigkeit des Klägers als ursächlich und verdienstvoll und es ging auch davon aus, daß zwischen dem Bürgermeister N und dem Kläger ein Vermittlungsvertrag zustandegekommen sei. Zu seiner abweichenden rechtlichen Beurteilung gelangte das Berufungsgericht dadurch, daß es die Bestimmungen des Vorarlberger Gemeindegesetzes hinsichtlich der Vertretungsmacht des Bürgermeisters anders auslegte als das Erstgericht. Das Berufungsgericht gelangte zu der Auffassung, daß der Beklagte aus dem vom Bürgermeister in Überschreitung der ihm nach dem Gesetz zustehenden Vertretungsmacht dem Kläger erteilten Vermittlungsauftrag eine Verpflichtung nicht entstanden sei, es wäre denn, daß die Beklagte die Auftragserteilung ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt habe. Diese Voraussetzung sei schon erfüllt, wenn sich die Beklagte in Kenntnis der vom Kläger für sie entwickelten Tätigkeit den dadurch entstandenen Nutzen zugewendet habe. In diesen zuletzt aufgezeigten Richtungen vermißte aber das Berufungsgericht entsprechende Behauptungen und überhaupt eine Tatsachengrundlage.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gerechtfertigt. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Tätigkeit des Klägers als für das Zustandekommen des Kaufvertrages ursächlich und verdienstlich beurteilt, was in der Revisionsbeantwortung zu Unrecht bekämpft wird. Die Tätigkeit eines Maklers besteht entweder a) in der Nachweisung der bloßen Vertragsgelegenheit, b) in der Zuführung von Vertragsinteressenten oder c) in der Vermittlung im engeren Sinne, wobei der Makler die Verhandlungen nicht nur einleitet, sondern auch fördert (Ehrenzweig System[2] II/1 532; EvBl 1950/474 HS 2401). Mit einer Tätigkeit dieser Art wurde der Kläger vom Bürgermeister N beauftragt und er hat sie auch insofern erfolgreich ausgeführt, als Erich W. an den sich die Gemeindevertreter persönlich nicht wenden wollten, durch die Tätigkeit des Klägers veranlaßt wurde, der Beklagten ein verbindliches Offert zu stellen, auf dessen Grundlage schließlich verhandelt und nach Erzielung eines Übereinkommens über Einzelheiten ein Abschluß erreicht wurde. Wenn der Rechtsanwalt Dr P gleichfalls eine Tätigkeit für Erich W gegenüber dessen Gläubigern entfaltete, die zum Gelingen des Kaufvertrages beitrug, so ändert dies nichts an der Ursächlichkeit und Verdienstlichkeit auch der Tätigkeit des Klägers. Dem Bürgermeister war bekannt, daß der Kläger in seiner beruflichen Eigenschaft als gewerbsmäßiger Realitätenvermittler auftrat. Nicht nur zwischen ihm und dem Kläger wurde der Provisionsanspruch erwähnt, sondern er wurde mit jeder wünschenswerten Deutlichkeit im Offertschreiben Beil A noch einmal hervorgehoben. Dieses Offertschreiben war an die Beklagte zu Handen des Bürgermeisters adressiert.

Was die Vertretungsmacht des Bürgermeisters für die Beklagte nach den Bestimmungen des Vorarlberger Gemeindegesetzes (GG) LGBl 1965/45 betrifft, so ist von den Bestimmungen dessen Paragraph 60, auszugehen, wo die Aufgaben des Bürgermeisters im eigenen Wirkungskreis geregelt sind. Gemäß Paragraph 60, Absatz eins, Litera a, vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen und gemäß Paragraph 60, Absatz eins, Litera e, obliegt ihm die laufende Verwaltung der Gemeinde als Trägerin von Privatrechten.

Diese allgemein gehaltenen positiven Bestimmungen räumen dem Bürgermeister die grundsätzliche Vertretungsmacht im Außenverhältnis ein. Es ist daher die weitere Untersuchung der Rechtslage nicht darauf abzustellen, ob der dem Kläger vom Bürgermeister erteilte Vermittlungsauftrag positiv unter die einzelnen Obliegenheiten des Bürgermeisters fällt, sondern darauf, ob ein Vertrag dieser Art negativ aus den Verwaltungsagenden des Bürgermeisters herausfällt. In diesem Zusammenhang ist zu erwägen, daß in Paragraph 45, GG Angelegenheiten aufgezählt sind, die eines Beschlusses der Gemeindevertretung bedürfen. Ein Vermittlungsauftrag der hier vorliegenden Art fällt aber nicht unter die dort angeführten und daher der persönlichen Entscheidungsmacht des Bürgermeisters entzogenen Angelegenheiten. Wohl gehört der Ankauf von Liegenschaften zu den Angelegenheiten, die eines Beschlusses der Gemeindevertretung bedürfen. Ob der Vermittlungsauftrag in diesem Sinn rechtlich selbständig ist oder zum gesamten Komplex des Liegenschaftserwerbes gehört, braucht gar nicht erwogen zu werden, weil die Gemeindevertretung den Ankauf der Liegenschaft des Erich W jedenfalls beschlossen hat. Ob anläßlich der Behandlung dieser Sache der Bürgermeister den Sachverhalt vollständig oder in Hinsicht seiner Verabredungen mit dem Kläger unvollständig referiert hat, ob also die Mitglieder der Gemeindevertretung von dem Provisionsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten Kenntnis hatten, ist eine Frage der inneren Verwaltung der Gemeinde. Davon kann der Anspruch des Klägers nicht abhängen. Jedenfalls ist durch den Beschluß der Gemeindevertretung der Erfolg der Vermittlungstätigkeit des Klägers eingetreten.

Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf Paragraph 54, Absatz eins, GG ist verfehlt, weil es sich um eine subsidiäre Bestimmung handelt, hier aber die primäre Bestimmung des Paragraph 60, Absatz eins, Litera a, GG anzuwenden ist.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines vom Bürgermeister befugterweise erteilten Vermittlungsauftrages ursächlich und verdienstlich entfaltet wurde, daß der Kläger durch seine Tätigkeit zum Zustandekommen des Kaufvertrages persönlich beigetragen hat und daß die Gemeindevertretung gemäß den Bestimmungen des Gemeindegesetzes den Ankauf der vom Kläger vermittelten Liegenschaft beschlossen hat.

Anmerkung

Z44035

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0060OB00033.71.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19710324_OGH0002_0060OB00033_7100000_000

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