Entscheidungstext 6Ob156/09y

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

jusIT 2010/12 S 25 (Kastelitz/Leiter) - jusIT 2010,25 (Kastelitz/Leiter) = ÖBA 2010,253/1618 - ÖBA 2010/1618 = MMR 2010,437 = Grassner, ÖJZ 2010/95 S 899 - Grassner, ÖJZ 2010,899 = RdW 2010/308 S 289 - RdW 2010,289

Geschäftszahl

6Ob156/09y

Entscheidungsdatum

12.11.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** E*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, wegen Datenlöschung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Mai 2009, GZ 12 R 3/09p-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Oktober 2008, GZ 18 Cg 74/08x-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 445,82 EUR (darin 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt die Gewerbe der Kreditauskunftei nach § 152 GewO und des Adressverlags nach § 151 GewO.

Nach Punkt 5. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten dürfen personenbezogene Daten ausschließlich dann (durch Kunden) abgerufen werden, wenn der Abrufende zum Zeitpunkt des Abrufes ein überwiegendes berechtigtes Interesse iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 (in der Folge: DSG) oder die Zustimmung des Betroffenen nachzuweisen vermag. Eine Bestellung, eine Angebotsaufforderung oder eine offene Rechnung gelten als ausreichender Interessennachweis in diesem Sinne. Der Kunde ist verantwortlich, den physischen Interessennachweis für eine mögliche Stichprobenkontrolle durch die Datenschutzkommission jederzeit bereit zu halten. Der Kunde übernimmt die volle Verantwortung für jede getätigte Anfrage und verpflichtet sich, lediglich Abfragen im Rahmen seiner Berechtigungen durchzuführen. Der Kunde darf bei der Beklagten abgerufene Informationen weder an Dritte weitergeben noch zu Marketingzwecken verwenden.

Die Beklagte verfügt über und verarbeitet im Rahmen ihres Gewerbes den Kläger betreffende Daten, und zwar den Namen, das Geburtsdatum, drei verschiedene Adressen sowie Angaben über die Herkunft der Daten („Datenquellen").

Es handelt sich nicht um sensible Daten iSd § 4 Z 2 DSG.

Die Datenquellen sind „P***** Direktmarketing Ges.m.b.H." und „D***** Direktmarketing Ges.m.b.H.". Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte alle oder einzelne dieser Daten vom Konkursgericht bezogen hat. Die Beklagte hat den Kläger nie von der Verarbeitung dieser Daten verständigt.

Der Kläger forderte die Beklagte zweimal auf, die ihn betreffenden Daten zu löschen. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf ihre „nicht-öffentlich-zugängliche" Datenanwendung und die fehlenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Klägers ab.

Das Erstgericht gab der auf Löschung der den Kläger betreffenden Datensätze gerichteten Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es handle sich um eine öffentlich zugängliche Datei im Sinne der Entscheidung 6 Ob 195/08g. Die Kostenersatzpflicht für eine Abfrage, die Notwendigkeit, sich zum Nachweis des entrichteten Entgelts zu identifizieren, und ein mit Passwort geschützter Benutzer-Zugang änderten an der Eigenschaft der Datei als „öffentlich zugänglich" nichts, weil das Service der beklagten Partei einem unbestimmten Personenkreis angeboten werde. Auch das Verbot der Weitergabe an Dritte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei stünde dem nicht entgegen. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Datei als „öffentlich zugänglich" sei letztlich, ob der Abfragende zur Einsicht ein rechtliches Interesse nachzuweisen habe, oder ob er, auch wenn er einmal erklärt haben möge, nur bei entsprechendem überwiegendem Interesse künftig Abfragen vorzunehmen, jedenfalls auch ohne Einzelfallprüfung Einsicht erhalte. Der Öffentlichkeitsbegriff des § 28 Abs 2 DSG sei jedenfalls dann erfüllt, wenn nicht in jedem Einzelfall geprüft werde, ob der Abfragende tatsächlich ein berechtigtes Interesse an der jeweiligen Abfrage habe. Dem Löschungsbegehren komme daher bereits nach § 28 Absatz 2, DSG Berechtigung zu, sodass nicht zu prüfen sei, ob die Beklagte auch nach dem § 27 Abs 1 DSG wegen Verletzung der Informationspflichten des Paragraph 24, Absatz eins, DSG zur Datenlöschung verpflichtet wäre.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob es für die Qualifikation einer Datei als öffentlich zugänglich auch darauf ankomme, dass einem Abfragenden auch ohne Prüfung seines rechtlichen Interesses im Einzelfall Abfrageergebnisse zur Verfügung gestellt würden.

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat die vom Berufungsgericht für entscheidungswesentlich gehaltene Frage bereits in der Entscheidung 6 Ob 195/08g beantwortet. Diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem der dort Beklagte die von ihm gesammelten Daten ausschließlich der nunmehr beklagten Partei weitergab. In dieser Entscheidung billigte der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Datei der beklagten Partei um eine öffentlich zugängliche Datei handle, weil sie einem nicht von vornherein bestimmten, nicht nach außen hin begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werde und der Zugang zur Datei nur von der Entscheidung des Auftraggebers über das ausreichende „berechtigte Interesse" des Abfragenden abhängig sei. Damit hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung - insoweit in Übereinstimmung mit der Datenschutzkommission - die Entgeltpflicht ebenso wenig als Hindernis für eine öffentlich zugängliche Datei iSd § 28 Abs 2 DSG angesehen wie das Erfordernis der Behauptung eines entsprechenden rechtlichen Interesses durch anfragende Personen.

Diese Entscheidung wurde im Schrifttum teilweise kritisiert vergleiche etwa Leissler, apropos: Aktuelles zum Datenschutz bei Bonitätsauskünften, ecolex 2009, 181; Forgó/Kastelitz, Das Widerspruchsrecht gemäß § 28 Absatz 2, DSG 2000, jusIT 2009, 18; Janel, Widerspruchsrecht gegen Aufnahme in eine Bonitätsdatenbank, jusIT 2008, 184 [zur vom Obersten Gerichtshof in 6 Ob 195/08g bestätigten zweitinstanzlichen Entscheidung]), teilweise ausdrücklich gebilligt vergleiche Dörfler, Datenschutz: OGH auf Abwegen? ecolex 2009, 636).

Die in der Revision angestellten Überlegungen bieten keinen Anlass, von der in der Entscheidung 6 Ob 156/09y geäußerten Rechtsansicht abzugehen. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist für die öffentliche Zugängigkeit einer Datei nicht erforderlich, dass „jedermann" im wörtlichen Sinne Einsicht in eine bestimmte Datei nehmen kann; es reicht vielmehr aus, dass es einen entsprechend großen Kreis an Abfrageberechtigten gibt und das berechtigte Interesse an der Einsichtnahme im Einzelfall nicht überprüft wird (vgl 6 Ob 275/05t; 6 Ob 195/08g).

Soweit die Revisionswerberin darauf verweist, dass nach der Entscheidung 4 Ob 259/05z „in aller Regel" die Äußerung eines Auskunftsbüros als nicht öffentlich zu bezeichnen sei, ist dem entgegen zu halten, dass es sich dabei bloß um eine Zweifelsregel handelt. Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Auskunftsbüro die von ihm gesammelten Daten in Wahrheit jedermann, der zur Zahlung des entsprechenden Entgelts bereit ist, zur Verfügung stellt. Soweit sich die Revision gegen die Anwendbarkeit der §§ 27 Abs 1 und 28 Absatz eins, DSG wendet, ist ihr entgegen zu halten, dass sich die Berechtigung des Klagebegehrens bereits aus § 28 Abs 2 DSG ergibt.

Die Revision bringt sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Absatz eins, ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E92564

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00156.09Y.1112.000

Im RIS seit

12.12.2009

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2011

Dokumentnummer

JJT_20091112_OGH0002_0060OB00156_09Y0000_000

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