Entscheidungstext 5Ob119/17m

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

EvBl‑LS 2018/33 = Zak 2018/48 S 34 - Zak 2018,34 = ZLB 2018/17 S 37 - ZLB 2018,37 = iFamZ 2018/16 S 16 - iFamZ 2018,16 = Jus‑Extra OGH-Z 6347 = NZ 2018/110 S 341 - NZ 2018,341 = EF‑Z 2018/110 S 227 (Nigsch) - EF‑Z 2018,227 (Nigsch) = MietSlg 69.007 = MietSlg 69.532 = Kieweler, JEV 2023,202

Geschäftszahl

5Ob119/17m

Entscheidungsdatum

20.11.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Ing. F* W*, vertreten durch Dr. Heinz Tauschek, öffentlicher Notar in Mödling, wegen Grundbuchseintragungen ob den EZZ * und *, jeweils KG *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. April 2017, AZ 17 R 56/17g, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 22. März 2017, TZ 2317/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am * geborene A* S* ist Alleineigentümerin der Liegenschaften EZZ * und *, jeweils KG *. Am 9. 12. 2014 erteilte sie dem Antragsteller eine Vorsorgevollmacht im Sinne des Paragraph 284 f, ABGB.

Unter Vorlage dieser Vorsorgevollmacht und der Bestätigung über die Registrierung des Eintritts des Vorsorgefalles im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister (ÖZVV) vom 8. 2. 2017 beantragte der Antragsteller unter Bezugnahme auf Paragraph 20, GBG ob den EZZ * und *, jeweils KG * die Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls aufgrund der am 8. 2. 2017 rechtswirksam gewordenen Vorsorgevollmacht vom 9. 12. 2014.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, eine Anmerkung (Ersichtlichmachung) von persönlichen Beschränkungen könne (nur) nach den Vorschriften des GBG oder eines anderen Gesetzes erfolgen. Die Anmerkung der Bestellung eines Sachwalters sei in Paragraph 126, Absatz 2, AußStrG geregelt. Diese Bestimmung sei nicht analog auf die Anmerkung des Eintritts des Vorsorgefalles anzuwenden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Die grundbücherliche Anmerkung des Eintritts des Vorsorgefalles sei gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig. Anders als die – nach Paragraph 20, Litera a, GBG anmerkungstaugliche – Sachwalterbestellung habe die Vorsorgevollmacht keine Auswirkung auf die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers. Die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis habe nur deklarative Wirkung und führe nicht zu einer typisierten Beschränkung der Geschäftsfähigkeit. Der Vollmachtgeber könne also auch nach Registrierung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht für sich selbst handeln, sofern er nur in concreto die nötige Einsichtsfähigkeit habe. Schon aus diesem Grund komme eine Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles nicht in Frage.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit der grundbücherlichen Anmerkung des Eintritts eines Vorsorgefalles fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und die beantragte Anmerkung
– zufolge mittlerweiliger Veräußerung der anderen Liegenschaft und des damit verbundenen Wegfalls der Beschwer nur mehr – ob der Liegenschaft EZ * KG * zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Grundbücherliche Anmerkungen können zur Ersichtlichmachung persönlicher Verhältnisse (Paragraph 20, Litera a, GBG) oder zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften des GBG oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen eingetragen werden (Paragraph 20, Litera b, GBG). Anmerkungen, die in keinem Gesetz vorgesehen sind und deren Wirkungen auch gesetzlich nicht geregelt sind, sind unzulässig (5 Ob 10/09w mwN; RIS-Justiz RS0060628 [T2], RS0060679 [T2]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² Paragraph 20, GBG Rz 1; 42; Feil/Marent/Preisl2 Paragraph 20, Rz 1).

2. Zu den nach Paragraph 20, Litera a, GBG ersichtlich zu machenden persönlichen Verhältnissen zählen nach dem Gesetzestext „insbesondere“ Beschränkungen der Vermögensverwaltung, „zum Beispiel“ die Anmerkung der Minderjährigkeit, der Bestellung eines Sachwalters, des Eintritts der Volljährigkeit oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Anmerkung dieser im Paragraph 20, Litera a, GBG erwähnten Verhältnisse sowie die Löschung dieser Anmerkung erfolgt dabei auf Ansuchen der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter oder der hiezu berufenen Gerichte aufgrund beweiswirkender Urkunden (Paragraph 52, GBG). Ein unbeschränkter Vertrauensschutz im Sinne des Vertrauens auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs kommt diesen Anmerkungen nicht zu. Die sich etwa aus der Minderjährigkeit, Bestellung eines Sachwalters oder Insolvenzeröffnung ergebenden Verfügungsbeschränkungen wirken ungeachtet ihre Anmerkung im Grundbuch; umgekehrt kann eine unrichtige derartige Anmerkung keinen Vertrauensschutz insofern begründen, als der Vertrauende hinsichtlich der Anmerkung so gestellt wird, als entspräche sie der von ihm angenommenen Rechtslage (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² Paragraph 20, GBG Rz 11).

3. Die in Paragraph 20, Litera a, GBG enthaltene Aufzählung der anzumerkenden persönlichen Verhältnisse ist bloß beispielhaft. Die Tatsache, dass Anmerkungen nur zulässig sind, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz vorsieht, schließt daher eine Analogie zwar nicht aus, sie schränkt sie aber auf Umstände ein, die in Gegenstand und Funktion einer der Anmerkung zugänglichen Tatsache entsprechen (für die Klagsanmerkung RIS-Justiz RS0016506 [T1]).

4. Bei den in Paragraph 20, Litera a, GBG erwähnten persönlichen Verhältnissen Buchberechtigter geht es grundsätzlich um Verfügungsbeschränkungen aufgrund persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Buchberechtigten, nicht aber um rechtsgeschäftliche Willensbindungen (5 Ob 9/99f = RIS-Justiz RS0111416; Kodek aaO Paragraph 20, GBG Rz 11; vergleiche auch Kodek aaO Paragraph 20, GBG Rz 30, nach dem die Bestellung eines Abwesenheitskurators im Grundbuch deshalb nicht anzumerken ist, weil die Dispositionsfähigkeit des Abwesenden dadurch nicht beschränkt wird). Auch die – vom Revisionsrekurswerber im gegebenen Zusammenhang als Analogiebasis gesehene – Sachwalterbestellung hat (nach dem derzeit geltenden Recht) nach Paragraph 280, ABGB zur Folge, dass die betroffene Person mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Sachwalterbestellung innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten kann. In diesem Sinn ist die Sachwalterbestellung also konstitutiv (RIS-Justiz RS0125589; Feil/Marent/Preisl2 Paragraph 20, Rz 8).

5. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vorsorgevollmacht im Unterschied zur Bestellung eines Sachwalters selbst im Falle ihres Wirksamwerdens zu keiner solchen konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers führt. Eine Vorsorgevollmacht stellt vielmehr (nur) einen Anwendungsfall der zivilrechtlichen Vollmacht dar (5 Ob 47/13t). Soweit in den Paragraphen 284 f, ff ABGB keine Abweichungen vorgesehen sind, ist daher auch auf diese besondere Art der Vollmacht allgemeines Vollmachtsrecht (Paragraphen 1002, ff ABGB) anzuwenden (Stabentheiner in Rummel/Lukas, ABGB4 Paragraph 284 f, Rz 2; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 Paragraph 284 f, Rz 17). Die Vorsorgevollmacht ist darauf gerichtet, dass der Bevollmächtigte den (zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch entscheidungsfähigen) Vollmachtgeber dann vertritt, wenn dieser im weiteren Zeitverlauf die für die Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit (soweit es den vermögensrechtlichen Bereich betrifft) oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit (soweit es Agenden der Personensorge anlangt) oder auch seine Äußerungsfähigkeit verlieren sollte. Entsprechend diesem Zweck wird die Vorsorgevollmacht – grundsätzlich – erst zum Zeitpunkt des Verlustes der entsprechenden Fähigkeiten (also bei Eintritt des „Vorsorgefalls“) wirksam (5 Ob 47/13t; Stabentheiner aaO Paragraph 284 f, Rz 2). Auf Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses darüber, dass dem Vollmachtgeber die erforderliche Geschäftsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Äußerungsfähigkeit fehlt, kann gemäß Paragraph 140 h, Absatz 6, NO das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Diese Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) hat aber nur deklarative Wirkung, ist also keine Wirksamkeitsvoraussetzung (RIS-Justiz RS0125529). Der zur Registrierung befugte Notar (Paragraph 140 h, Absatz eins, Ziffer 4 und Absatz 6, NO) hat dem Bevollmächtigten eine Bestätigung über die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht auszuhändigen. Ein (gutgläubiger) Dritter, dem der Bevollmächtigte bei einer Vertretungshandlung diese Bestätigung vorlegt, darf auf den Eintritt des Vorsorgefalls (der das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht auslöst) und damit bei Vorlage der Vollmachtsurkunde grundsätzlich auch auf die darin ausgewiesene Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten vertrauen (Paragraph 284 h, Absatz 2, ABGB). Dieser besondere Vertrauensschutz gilt auch für das Grundbuchsgericht. Legt ein Machthaber die Vorsorgevollmacht samt Bestätigung über ihr Wirksamwerden vor, darf das Grundbuchsgericht auf die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht vertrauen (5 Ob 47/13t; Stabentheiner aaO Paragraph 284 h, Rz 5; Schauer aaO Paragraph 284 h, Rz 8 f). Der Bevollmächtigte kann den Vollmachtgeber also auch dann vertreten, wenn das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht nicht im Grundbuch eingetragen wird.

6. Die Paragraphen 284 f, ff ABGB sehen bei einer Vorsorgevollmacht abgesehen von der Registrierung im ÖZVV keine weiteren Publizitätsakte vor. Mit dieser Registrierung des Wirksamwerdens einer Vorsorgevollmacht ist auch keine Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Vollmachtgebers konstitutiv verbunden. Diese ist daher in Wesen und Funktion der in Paragraph 20, Litera a, GBG erwähnten Bestellung eines Sachwalters nicht gleich zu halten. Für die begehrte grundbücherliche Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles besteht somit weder direkt noch im Wege der Analogie eine Rechtsgrundlage.

Schlagworte

1 Generalabonnement;7 Grundbuchsachen

Textnummer

E120349

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:E120349

Im RIS seit

18.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2024

Dokumentnummer

JJT_20171120_OGH0002_0050OB00119_17M0000_000

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