Entscheidungstext 4Ob7/19m

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

MR 2019,123 (Walter) = RdW 2019/305 S 392 - RdW 2019,392 = ÖBl‑LS 2019/23 (Handig) = ZIIR‑Slg 2019/59 = ZUM‑RD 2019,563 ‑ Schlagersänger mit Kopftuch

Geschäftszahl

4Ob7/19m

Entscheidungsdatum

29.01.2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft m.b.H. & Co KG., *, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei o* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 41.000 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.200 EUR) und 1.440 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 15 R 137/18d-28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach Paragraph 42 c, UrhG dürfen Werke, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, zur Berichterstattung über Tagesereignisse in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden.

1.2. Ausgehend von der Überlegung, dass der Berichterstatter – will er über ein Tagesereignis aktuell berichten – die Wiedergabe von im Zuge des Tagesereignisses wahrnehmbaren Werke in aller Regel nicht vermeiden kann und dem Zweck der Ausnahmebestimmung, nämlich den Urheberrechtsschutz (nur) dort zu lockern, wo dies im Interesse einer tagesaktuellen Berichterstattung notwendig ist, muss Paragraph 42 c, UrhG eng ausgelegt werden (RIS-Justiz RS0108465). Schon nach seinem Wortlaut gilt die freie Werknutzung nur für Werke, die im Rahmen der Berichterstattung über ein Tagesereignis öffentlich wahrnehmbar werden. Eine allgemeine Rechtfertigung der Vervielfältigung von Lichtbildern, die Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen, kann weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck von Paragraph 42 c, UrhG abgeleitet werden (4 Ob 104/11i [B.3.3.]): Das Werk als solches darf nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein vergleiche 4 Ob 224/00w), es darf lediglich bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten (4 Ob 92/08w [3.2.]; 4 Ob 361/97k).

Ob die Vervielfältigung von Werken, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, zulässig ist, weil sie in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang erfolgt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0108466).

1.3. Das in Verletzung der Werknutzungsrechte der Klägerin von der Beklagten veröffentlichte Lichtbild war nicht bei einem Tagesereignis öffentlich wahrnehmbar, sondern wurde erst später aufgenommen und selbst zum Gegenstand gemacht. Die Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, warum hier die Ausnahmebestimmung des Paragraph 41 c, UrhG zum Tragen kommen sollte.

2.1. Nach Paragraph 42 f, Absatz eins, UrhG darf ein veröffentlichtes Werk zum Zweck des Zitats vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

2.2. Der Fachsenat hat sich bereits in der Entscheidung 4 Ob 81/17s mit dieser Bestimmung auseinandergesetzt und hierin an seiner früheren Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124069) festgehalten, wonach auch unter Berücksichtigung von Artikel 10, MRK für die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Lichtbildern als Bildzitat Voraussetzung ist, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (4 Ob 81/17s [3.3.2]). Ein nach Paragraph 42 f, UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden. Zu fragen ist immer, ob der Zitatzweck nicht auch anders gleichermaßen erreicht werden hätte können, zB durch Einholung einer Zustimmung des Rechteinhabers zur Übernahme des Schutzgegenstands oder durch dessen Darstellung mit eigenen Worten (RIS-Justiz RS0124069 [T3]). Befriedigt die Verwendung lediglich die Neugier oder Sensationslust des Betrachters und dient nicht der kritischen Auseinandersetzung mit dem Bild, ist ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt (4 Ob 81/17s [3.3.1.]; 4 Ob 105/03z).

Ein Widerspruch zu Artikel 10, EMRK besteht nicht, weil auch die Funktion der Berichterstattung in einer demokratischen Gesellschaft vergleiche RIS-Justiz RS0123667) das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigen darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistige Kommunikation eingeräumten Zitierfreiheit erfordert (4 Ob 224/00w); diese darf nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (RIS-Justiz RS0076725 [T1]; RS0114102). Die zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Urheberrecht im Einzelfall führenden Umstände hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung beruft. Er muss behaupten und beweisen, dass er in die Urheber- und Verwertungsrechte nicht über das im zu beurteilenden Fall erforderliche Ausmaß eingegriffen hat und die für den beabsichtigten Zweck unumgängliche Nutzung nicht anders hätte erreichen können vergleiche RIS-Justiz RS0115377 [insbes T9]).

2.3. Der hier relevanten Aussage der Entscheidung 4 Ob 81/17s, dass ein Bildzitat schon nach dem Gesetzeswortlaut in Umfang und Anlass nicht nur dazu dienen darf, die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken, wurde im Schrifttum nicht entgegengetreten:

Handig (ÖBl-LS 2018/9, 26) bezeichnet die Entscheidung in dieser Hinsicht als „gut nachvollziehbar“. Auch Appl (ZTR 2017, 211 [213]) betont, nicht jeder Zitatzweck heilige das eingesetzte Mittel. Insbesondere im Medienbereich dienten Bildzitate primär als „Blickfang zur Anziehung von Aufmerksamkeit (Befriedigung von Neugierde und Sensationslust)“, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk selbst trete oft völlig in den Hintergrund, was von Paragraph 42 f, UrhG nicht mehr gedeckt sei.

2.4. Von der Revision werden weder Argumente gegen diese vom Schrifttum nicht kritisierte Rechtsprechung aufgezeigt, noch wird darin dargelegt, dass die Vorinstanzen bei ihrer Anwendung im vorliegenden Einzelfall den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hätten. Die Einschätzung, dass die Beklagte das Bild als Blickfang verwandte, um die dem Foto entgegengebrachte Aufmerksamkeit für ihre eigenen Zwecke auszunutzen, hält sich ebenso im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Ermessensspielraums wie die Qualifikation einer solchen Nutzung des Lichtbildes als hier über das Recht auf entgeltfreies Zitat hinausgehend. Warum sonst die Wiedergabe des konkreten Lichtbildes – ein Prominenter mit Geschirr- oder Tischtuch auf dem Kopf und Schnapsglas in der Hand – an sich einen Beitrag zu einer öffentlichen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen Debatte liefern sollte, der im Lichte der oben dargelegten Rechtslage derart gewichtig und auf keinem anderen Weg zu erbringen wäre, sodass die urhebergesetzlich geschützten Interessen der (in direktem Wettbewerb mit der Beklagten um die Aufmerksamkeit der Leser stehenden) klagenden Rechteinhaberin dahinter zurückzutreten hätten, zeigt die Revision auch nicht auf.

3. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO war die Revision der Beklagten daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Schlagworte

Schlagersänger mit Kopftuch

Textnummer

E124259

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:E124259

Im RIS seit

14.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2022

Dokumentnummer

JJT_20190129_OGH0002_0040OB00007_19M0000_000

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