Entscheidungstext 4Ob285/97h

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

4Ob285/97h

Entscheidungsdatum

28.10.1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R***** KG, ***** vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 490.000,--), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 9. Juni 1997, GZ 2 R 69/97y-32, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 7. Jänner 1997, GZ 6 Cg 30/96k-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Die Revision wird, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wird, verworfen.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Streitteile erzeugen (ua) Schalungselemente, die im Baugewerbe verwendet werden. Die Beklagte war schon vor der Klägerin mit einer dreiankerigen Alu-Leichtschalung auf dem Markt, welche zwar bereits die durch die übliche Raumhöhe bedingte Rahmenhöhe von 2700 mm aufwies, im übrigen aber den von den Streitteilen derzeit erzeugten Schalungen nicht gleich war.

Die Klägerin hat nach entsprechender Forschungs- und Entwicklungsarbeit und der Installation eines Vertriebssystems 1985 die sonderrechtlich nicht geschützte zweiankerige "F*****"-Rahmenschalung aus Stahl auf den Markt gebracht. Diese Schalungselemente gibt es in verschiedenen Höhen und Breiten.

Im Juni 1987 begann die Klägerin mit der Erzeugung einer mit der Stahl-Rahmenschalung kompatiblen Alu-"F*****"-Rahmenschalung. In der Regel liefert die Klägerin Bauunternehmen zunächst eine Grundausstattung von Schalungselementen, die zumeist auf ein gerade zu realisierendes Bauvorhaben abgestimmt sind. Dabei sind Folgegeschäfte geradezu "vorprogrammiert", weil die Klägerin bei diesem ersten Geschäft ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen kann und weil "mit diesem ersten Geschäftsabschluß vorgegeben wird, daß durch regelmäßige Ankäufe von weiteren Schalungselementen die dem jeweiligen Bauunternehmen zur Verfügung stehenden Kapazitäten erweitert und mit mehr Variationsmöglichkeiten ausgestattet werden". Tatsächlich ist es regelmäßig zu einem oder mehreren Folgegeschäften mit Erstkunden gekommen. Die Klägerin hat auf dem österreichischen Markt einen Marktanteil von mehr als von 50 %.

1992 hat die Beklagte - durchaus nach einem auch eigenen Entwicklungsaufwand - erstmals mit den Schalungen der Klägerin kompatible Schalungen auf den Markt gebracht. Die Schalungen stimmen in den Abmessungen, in der Rahmenprofilhöhe und -breite, in der Lage und Form der Sicke der Spannvorrichtung, der Position der Funktionsleisten im Queraussteifungssystem und der Ankerlochabstände überein. Sie weisen aber folgende Unterschiede auf: Die Schalhaut ist bei der "F*****"-Schalung 21 mm dick, bei der "M*****"-Schalung der Beklagten 18 mm; die Querprofile sind bei der "M*****"-Schalung breiter ausgebildet, beim Rahmenprofil ist die Sickenschrägfläche durch einen inneren Steg ausgesteift; die Profilnase führt zu einer Verzahnung und die Alu-"Master"-Schalung ist mit Handgriffen versehen. Die Klägerin beschichtet die Metallteile ihrer Schalungselemente mit farblosem Lack. Die Beklagte lackiert die Stahlschalung rot und die Alu-Schalung weiß; auf Wunsch des Bestellers ist die Schalung auch in anderen Farben erhältlich. Die Schalungselemente tragen regelmäßig zwei Aufkleber; die Klägerin verwendet gelbe Aufkleber mit blauem Aufdruck "A*****-F*****, d*****"; die Beklagte rote Aufkleber mit weißem Aufdruck "M*****" und "R*****". Auf allen Schalungselementen befindet sich außerdem eine Pflegeanleitung, deren Text die Beklagte von der Klägerin übernommen hat.

Die Kompatibilität der Schalungselemente entfiele schon bei Änderung auch nur eines der Merkmale, in dem die Elemente übereinstimmen. Ihre Gesamtkonstruktion würde dadurch nicht beeinträchtigt.

Die Beklagte hat die Kompatibilität mit Absicht herbeigeführt und auch als Verkaufsargument benutzt. Sie hat ihr Erzeugnis zunächst billiger angeboten; ihre Stahl-Schalungselemente sind nach wie vor billiger. Tatsächlich haben Bauunternehmen, welche zunächst "F*****"-Schalungen gekauft hatten, ihren Ergänzungsbedarf bei der Beklagten gedeckt.

Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu untersagen, Elemente für Rahmenschalungen - insbesondere "M*****"-Rahmenelemente aus Stahl oder Aluminium - anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, deren Form und Abmessungen mit der Form und den Abmessungen der "F*****"-Schalungen aus Stahl laut Blg. ./A1 bzw der "A*****-F*****"-Schalungen laut Blg. ./A2, die einen integrierenden Bestandteil dieses Urteils bilden, derart übereinstimmen, daß die Elemente der Beklagten auch mit "F*****"- bzw "A*****-F*****"- Rahmenelementen verbaut werden können. Die Klägerin stellt darüber hinaus ein Rechnungslegungs- und ein Veröffentlichungsbegehren.

Die "F*****"-Schalung werde auf dem österreichischen Markt mit dem Unternehmen der Klägerin identifiziert und habe Verkehrsgeltung erreicht. Der volle Markterfolg werde erst durch die Befriedigung des Ergänzungsbedarfs erreicht. Die Schalungen der Streitteile seien nicht nur kompatibel, sondern einander auch sonst zum Verwechseln ähnlich. Die Übereinstimmung sei nicht konstruktiv bedingt. Die Schalung der Beklagten sei von schlechterer Qualität als die der Klägerin; sie gefährde den Ruf der Klägerin. Durch die Einsparung eigenen Entwicklungsaufwands habe die Beklagte einen erheblichen Kostenvorteil; sie habe ihre Schalung deshalb billiger anbieten können. Der Beklagten sei eine sittenwidrige vermeidbare Herkunftstäuschung, eine sittenwidrige unmittelbare Leistungsübernahme und damit ein schmarotzerisches Ausbeuten einer fremden Leistung und schließlich ein sittenwidriges Einschieben in eine fremde Serie vorzuwerfen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Schalungselemente in der verwendeten Höhe habe zuerst die Beklagte auf den Markt gebracht; die Elementbreiten seien marktüblich. Die Beklagte biete eine größere Vielfalt als die Klägerin an. Die Dimensionen der Profile seien funktionell bedingt und nicht produktspezifisch. Bei den technischen Details der Rahmenprofile bestünden wesentliche Unterschiede, die auf eigene aufwendige Entwicklungen der Beklagten zurückzuführen seien. Die Beklagte verwende eine völlig andere Klemmvorrichtung, die der der Klägerin technisch überlegen sei. Vor allem durch die unterschiedliche Unterteilung der Anbringungsprofile sowie die Rahmengriffe bei der "M*****"-Schalung aus Aluminium sowie durch völlig verschieden gestaltete Firmenaufkleber sei die Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Die Klägerin habe durch ihr Erzeugnis keinen isolierten Ergänzungsbedarf geschaffen, sondern es habe sich ein Markt entwickelt, der auf der Kompatibilität verschiedener Elemente mehrerer Anbieter beruhe. Auch die Schalungselemente von zwei weiteren Konkurrenzunternehmen seien mit den Schalungselementen der Streitteile kompatibel. Von einem Einschieben in eine fremde Serie könne keine Rede sein, weil der Bedarf an Schalungselementen im Regelfall schon bei einem einmaligen Kauf gedeckt werde.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, Elemente für Rahmenschalungen - insbesondere "M*****"-Rahmenelemente aus Stahl oder Aluminium - anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, deren Form und Abmessungen mit der Form und den Abmessungen der "F*****"-Schalungen aus Stahl derart übereinstimmen, daß die Elemente der Beklagten auch mit "F*****"- bzw. "A*****-F*****"-Rahmenelementen verbaut werden können. Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin über den Umfang der bisher vertriebenen Elemente von "M*****"-Rahmenschalungen unter Bekanntgabe der Einstandspreise und/oder der Herstellkosten sowie der Verkaufspreise Rechnung zu legen und die Rechnungslegung von einem Sachverständigen nach Wahl der Klägerin unter sinngemäßer Anwendung des Paragraph 151, PatG überprüfen zu lassen, soweit diese Geschäftsabschlüsse der Beklagten Kunden betreffen, die zuvor schon "F*****"-Schalungen bei der Klägerin gekauft haben. Dem Urteilsveröffentlichungsbegehren gab das Erstgericht insoweit statt, als die Veröffentlichung in der Tageszeitung "Neue Kronen Zeitung" und in der Fachzeitschrift "Österreichische Bauzeitung" begehrt worden war; das Mehrbegehren wies es ab.

Es sei bereits das Einschieben des Erzeugnisses der Beklagten in die fremde Serie - die "F*****"-Schalung der Klägerin - sittenwidrig, auch wenn für die Schalung der Klägerin kein Sonderrechtsschutz bestehe. Die Klägerin habe mit dem Verkauf einer Erstausstattung den Grundstein für Folgegeschäfte gelegt, welche ihr die Beklagte mit der voll kompatiblen "M*****"-Schalung streitig machen wolle. Das sei mit dem Ersatzteilgeschäft nicht zu vergleichen. Für die Klägerin werde damit kein Monopol geschaffen, weil es der Beklagten ja unbenommen sei, eine nicht kompatible Schalung auf den Markt zu bringen. Ob auch eine Herkunftstäuschung beabsichtigt sei oder eine schmarotzerische Leistungsübernahme vorliege, sei zweifelhaft; müsse aber nicht mehr geprüft werden. Da der Verstoß in einem Einschieben in eine fremde Serie liege, hätten die Hinweise auf die Beilagen ./A1 und ./A2 zu entfallen; Konstruktionsdetails seien bei diesem Tatbestand nur von untergeordneter Bedeutung. Ein Anspruch auf Rechnungslegung stehe der Klägerin nur in jenen Fällen zu, in denen sich die Beklagte in ein von der Klägerin durch einen Erstverkauf schon vorprogrammiertes Erweiterungsgeschäft gedrängt habe.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die vom Erstgericht vorgenommene Einschränkung des Rechnungslegungsbegehrens beseitigte und die Urteilsveröffentlichung auf die Fachzeitschrift "Österreichische Bauzeitung" einschränkte. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Beklagte habe mit dem Einschieben ihrer Schalung in eine fremde Serie gegen Paragraph eins, UWG verstoßen. Durch den Entfall des Hinweises auf dokumentarische Unterlagen erhalte die Klägerin einen zeitlich unbeschränkten und dynamischen Schutz. Damit habe das Erstgericht zwar gegen Paragraph 405, ZPO verstoßen; die Beklagte habe den Verstoß aber nicht als Mangelhaftigkeit gerügt.

Auf das Rechnungslegungsbegehren sei Paragraph 151, PatG analog anzuwenden. Die Beklagte sei durch das Einschieben in die Serie der Klägerin insofern bereichert, als Kunden der Klägerin ihren Ergänzungsbedarf bei der Beklagten gedeckt hätten. Die durch das Erstgericht vorgenommene Einschränkung des Rechnungslegungsbegehrens habe zu entfallen, weil sie dazu führe, daß die Rechnungslegungsverpflichtung praktisch unüberprüfbar sei. Zwar sei die Beklagte nur bereichert, soweit sie an Kunden der Klägerin geliefert habe; dies werde jedoch erst bei der Festsetzung der Höhe zu berücksichtigen sein. Die Veröffentlichung des Urteiles in einer Fachzeitschrift reiche aus.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob das Einschieben in eine fremde Serie gegen Paragraph eins, UWG verstößt; die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes als nichtig, aktenwidrig und mangelhaft. Ein Verstoß gegen Paragraph 405, ZPO mache die Entscheidung nichtig; das Berufungsgericht habe die gerügten Mängel des Ersturteils zu Unrecht verneint. In der Sache selbst ist die Beklagte der Auffassung, daß die Kompatibilität allein nicht ausreiche, um ihr Verhalten als sittenwidrig zu beurteilen. Nach der "Klemmbaustein-Doktrin" sei für die Wettbewerbswidrigkeit maßgebend, ob durch die Eigenart der Ausgangsware bewußt Fortsetzungsbedarf neu und in unbegrenztem Ausmaß geschaffen werde. Weder habe die Klägerin den Markt neu erschlossen, noch seien ihre Rahmenschalungen eine "revolutionäre Neuentwicklung". Bei den Übereinstimmungen handle es sich zum Teil um technische Notwendigkeiten, teilweise um Maße und Anordnungen, die in einem gewissen Rahmen willkürlich gewählt werden könnten, aber nicht das Produkt einer speziellen geistigen Leistung des Herstellers seien oder Entwicklungsarbeiten und Entwicklungskosten erforderten. Soweit Konstruktionsdetails eine eigenständige geistige Leistung seien, hätten sie die Streitteile verschieden gelöst. Die Beurteilung der Herstellung kompatibler Schalungen als sittenwidrig widerspreche sowohl den Verbraucherinteressen als auch den Standardisierungsbemühungen. Das Erstgericht hätte Feststellungen über die Eigenentwicklungen der Beklagten und über die technische Bedingtheit einzelner Übereinstimmungen treffen müssen. Rechnungslegung könne nur bei direkter Leistungsübernahme begehrt werden. Die Klägerin habe weder behauptet noch bewiesen, daß ihr durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sei. Es liege eine entsprechende Eigenentwicklung der Beklagten vor; die Klägerin habe das Verhalten der Beklagten durch vier Jahr hindurch unbeanstandet gelassen. Ihr sei sittenwidrige Rechtsausübung vorzuwerfen.

römisch eins.

Ein Verstoß gegen Paragraph 405, ZPO begründet nach ständiger Rechtsprechung keine Nichtigkeit, sondern macht die Entscheidung mangelhaft (ua SZ 42/138; MR 1989, 143 = ÖBl 1989, 149). Der Verstoß kann daher nur wahrgenommen werden, wenn er gerügt wird. Da dies die Klägerin in der Berufung unterlassen hat, war es dem Berufungsgericht verwehrt, die Fehlbeurteilung des Erstgerichtes zu korrigieren.

römisch II.

Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit der Herstellung und des Vertriebs kompatibler Produkte hatte sich der Oberste Gerichtshof bisher nur mit der Frage zu befassen, ob die Herstellung und der Vertrieb von Ersatzteilen für fremde Erzeugnisse wettbewerbswidrig sind. Diese Frage wurde mit der Begründung verneint, daß der Erzeuger einer Maschine oder eines Apparates weder ein Monopol für die Herstellung und den Vertrieb von Ersatzteilen noch ein Monopol für die Wartung seines Produktes hat. Die grundsätzliche Zulässigkeit des Ersatzteilgeschäftes findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Erzeuger des Ausgangsproduktes seinen vollen Markterfolg bereits durch das erste Umsatzgeschäft verwirklicht hat und daher das Ausnützen einer durch Einführung eines neuen Produktes erfolgten fremden Markterschließung durch einen Mitbewerber für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig sein kann.

Andernfalls bestünde ein dem Leistungswettbewerb widersprechender

besonderer Leistungsschutz für den Markterschließer, den aber als

solchen nur der Gesetzgeber begründen könnte (SZ 62/207 = MR 1990,

101 - Ersatzteilproduktion, mit Nachweisen aus der deutschen

Rechtsprechung und Lehre). Nach der Entscheidung ecolex 1991, 403 =

MR 1991, 161 = ÖBl 1991, 221 - Nachschlüssel dürfen Ersatzteile für

fremde Erzeugnisse auch dann hergestellt werden, wenn die Ersatzware ein eigenartiges Erzeugnis ist oder ein Ersatzteilbedarf häufig auftritt. Das Herstellen und Vertreiben von Ersatzteilen verstößt nur dann gegen die guten Sitten, wenn besondere Umstände hinzutreten. Das ist (ua) dann der Fall, wenn beim Publikum der irrige Eindruck einer gemeinsamen Herkunft des Ersatzteiles und der Hauptware entsteht oder wenn durch die Ersatzteile die Gefahr einer Entwertung der Hauptware hervorgerufen wird (ecolex 1991, 403 = MR 1991, 161 = ÖBl 1991, 221 - Nachschlüssel mwN; s auch Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 Paragraph 33, Rz 75).

Von der Herstellung und dem Vertrieb von Ersatzteilen unterscheidet die deutsche Lehre und Rechtsprechung den Fall, daß eine Fertigware nach ihrer Zweckbestimmung von vornherein auf Ergänzung, Erweiterung und Vervollständigung durch weitere Gegenstände der gleichen Art angelegt ist, wodurch sich Gebrauchszweck und Wert der Ausgangsware erhöhen, so daß der volle Markterfolg erst durch den laufenden Ergänzungsbedarf erreicht wird. Das Einschieben eigener Erzeugnisse in die fremde Serie und in den durch die Eigenart der Ausgangsware bewußt geschaffenen Fortsetzungsbedarf kann wettbewerbswidrig sein, ohne daß eine vermeidbare Herkunftstäuschung vorzuliegen braucht (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 Paragraph eins, dUWG Rz 492 mwN). In diesem Sinn hat der BGH den Nachbau von Lego-Bausteinen als sittenwidrig beurteilt und dazu ausgeführt, daß es mit den kaufmännischen guten Sitten nicht vereinbar sei, wenn ein Nachahmer sein Produkt gleichsam in die fremde Serie einschiebe und dadurch den Erfolg der fremden Leistung auf sich ableite und für sich ausbeute, obwohl ihm eine Fülle von Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stünde, um bei unverminderter technischer Brauchbarkeit des eigenen Erzeugnisses dieses Einhängen in ein fremdes Arbeitsergebnis zu vermeiden (BGHZ 41, 55 - Klemmbausteine römisch eins).

Mit der Entscheidung GRUR 1992, 619 - Klemmbausteine römisch II hat der BGH den oben wiedergegebenen Rechtssatz auch auf den Fall angewandt, daß die mit den Bauelementen des Systems kompatiblen Elemente des Konkurrenzerzeugnisses nicht in der Form von Bausätzen, sondern ausschließlich in Form fertig zusammengesetzter, aber zerlegbarer Spielzeugeisenbahnen vertrieben werden. Demgegenüber haben sowohl der norwegische Oberste Gerichtshof (Hoyesterett GRUR Int. 1995, 508 - Lego/Tomy-Train) als auch das französische oberste Gericht (Cour de cassation GRUR Int. 1995, 505 - Lego/Tomy-Train) die Wettbewerbswidrigkeit der kompatiblen Spielzeugeisenbahnen verneint. In beiden Entscheidungen wird auf das Interesse der Verbraucher hingewiesen, Produkte verschiedener Erzeuger zusammenbauen zu können. Die Erzeugung kompatibler Produkte entspreche dem Trend zur Standardisierung; der Wettbewerb verschiedener Hersteller trage zum technischen Fortschritt bei und verbessere das Dienstleistungsangebot gegenüber den Kunden.

Kur (Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz gegen kompatible Produkte?, GRUR Int. 1995, 469) verweist darauf, daß schon die Entscheidung BGHZ 41, 55 - Klemmbausteine römisch eins in der Literatur zum Teil auf Kritik gestoßen ist, weil der Gesichtspunkt des freien Wettbewerbs auf dem Markt für Ergänzungsprodukte nicht genügend beachtet worden sei und damit den Interessen der Konkurrenten, aber auch der Abnehmer geschadet werde. Die Rechtsprechung des BGH negiere den Grundsatz, daß es grundsätzlich zulässig sei, kompatible Produkte herzustellen und zu vertreiben (Kur aaO GRUR Int. 1995, 471f).

Diesem Grundsatz entspricht die oben wiedergegebene Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Herstellung und des Vertriebes von Ersatzteilen. Zu prüfen bleibt, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn eine Fertigware nach ihrer Zweckbestimmung von vornherein auf Ergänzung, Erweiterung und Vervollständigung durch weitere Gegenstände der gleichen Art angelegt ist und ob die Betonschalungselemente der Klägerin Fertigwaren dieser Art sind.

Wird die Wettbewerbswidrigkeit bejaht, so wird damit ein Schutz für eine durch Erschließung eines neuen Marktes eingetretene Umsatzerwartung anerkannt (Baumbach/Hefermehl aaO). Gerechtfertigt wird dieser Schutz damit, daß der Erzeuger des Ausgangsprodukts seinen vollen Markterfolg, anders als beim Ersatzteilgeschäft, nicht durch das erste Umsatzgeschäft verwirklicht hat, sondern erst durch die Folgegeschäfte (s aber Koppensteiner aaO Paragraph 33, Rz 77, der darauf verweist, daß im Wettbewerb niemand Anspruch auf Kompensation seiner Kosten und Mühen hat).

Anders als der Erzeuger der Lego-Bausteine hat die Klägerin mit ihren Betonschalungselementen nicht einen Markt neu erschlossen, sondern (nur) ein Produkt auf den Markt gebracht, das den schon vorher gegebenen und auch befriedigten Bedürfnissen des Marktes besonders gut entsprach. Daß es sich dabei um eine "revolutionäre Entwicklung" gehandelt habe, hat die Klägerin zwar behauptet, aber nicht zu beweisen vermocht. Ein Beweis wäre zu erbringen gewesen, weil die Beklagte, anders als die Klägerin in der Revisionsbeantwortung meint, ihre Behauptung sehr wohl substantiiert bestritten hat. Die ganze Verantwortung der Beklagten war darauf ausgerichtet, daß die Klägerin mit ihren Rahmenschalungen nur technischen Gegebenheiten und Markterfordernissen entsprochen habe, soweit sie sich nicht ohnehin an bereits bestehenden Vorbildern orientiert habe.

Der durch den Verkauf einer Erstausstattung an Betonschalungselementen geschaffene Fortsetzungsbedarf kann nicht dem Fortsetzungsbedarf gleichgehalten werden, wie er beim Verkauf eines Spielbaukastens oder einer Kindereisenbahn (s Baumbach/Hefermehl aaO) entsteht. Während der "Fortsetzungsbedarf" bei einem Spielbaukasten oder einer Kindereisenbahn praktisch unbegrenzt ist, wird ein Unternehmen nur so viele Schalungselemente erwerben, wie es für seine verschiedenen, zur gleichen Zeit abgewickelten Baustellen braucht. Daß in vielen Fällen nicht gleich die gesamte Menge erworben werden wird, liegt auch daran, daß oft mit einer Art Testkauf die Leistungsfähigkeit des Lieferanten geprüft wird; die Folgegeschäfte haben ihre Ursache auch in der (mit etwa 6 Jahren) begrenzten Lebensdauer der Schalungselemente. Entschließt sich ein Bauunternehmen zur Umstellung auf ein neues System von Schalungselementen, so wird die Umstellung auch nicht auf einmal, sondern nach und nach erfolgen, indem unverwendbar gewordene Elemente gegen Elemente des neuen Systems ausgetauscht werden. Die mangelnde Kompatibilität hindert den sukzessiven Austausch nicht, weil auf verschiedenen Baustellen durchaus verschiedene Systeme eingesetzt werden können.

Die Klägerin hat demnach mit ihren Schalungselementen weder einen neuen Markt erschlossen noch einen bisher nicht vorhanden gewesenen Fortsetzungsbedarf geschaffen. Wie auch sonst bei der Einführung eines Produktes, das die an ein Erzeugnis dieser Art gestellten Anforderungen besonders gut erfüllt und daher erfolgreich ist, ist es der Klägerin mit ihren Schalungselementen gelungen, einen hohen Markanteil zu Lasten der anderen Anbieter von Betonschalungen zu erreichen. Daß es zu Folgegeschäften gekommen ist und kommt, liegt nicht an einem besonderen Fortsetzungsbedarf, den erst die Schalungselemente der Klägerin geschaffen hätten, sondern an den Gegebenheiten des Marktes, die sowohl durch den Testcharakter von Erstkäufen als auch durch die von betrieblichen Erfordernissen bestimmten Investitionsgewohnheiten der Abnehmer gekennzeichnet sind.

Der Klägerin Schutz vor kompatiblen Produkten zu gewähren, liefe auf eine Bestandsgarantie für die von ihr aufgebauten Kundenbeziehungen hinaus. Die Klägerin hätte sich allein dadurch, daß sie ein Produkt auf den Markt gebracht hat, das die an ein Erzeugnis dieser Art gestellten Anforderungen besonders gut erfüllt, einen vor dem Eindringen von Mitbewerbern geschützten Bereich geschaffen.

Die Beklagte hat sich zwar an den Erfolg der Klägerin "angehängt"; es fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, daß sie die Klägerin um eine Leistung gebracht hätte, die noch nicht voll abgegolten ist. Das Verhalten der Beklagten liegt, soweit es nur um das Herbeiführen der Kompatibilität geht, im Rahmen des Leistungswettbewerbs. Die Beklagte hat nicht das Produkt der Klägerin "ohne nennenswerte eigene Leistung maßstabgetreu kopiert", sondern mit auch eigenem Entwicklungsaufwand ein Produkt geschaffen, das durch die Kompatibilität mit den Schalungselementen der Klägerin die Wahlmöglichkeiten des Abnehmers von Betonschalungselementen vergrößert. Der von der Klägerin der Beklagten vorgeworfene "Beratungsdiebstahl" (Ausnützen des teuren Vertriebs- und Beratungsnetzes der Klägerin; von der Klägerin beratene Kunden kaufen bei der Beklagten) reicht nicht aus, um das vom Spruch erfaßte Verhalten der Beklagten sittenwidrig erscheinen zu lassen.

Die Unterschiede zwischen den Schalungselementen der Streitteile und die verschiedene Aufmachung schließen es aus, daß die Elemente miteinander verwechselt werden oder daß auf besondere Beziehungen zwischen den beiden Erzeugungsunternehmen geschlossen wird. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung ist daher ebenso zu verneinen wie, angesichts des eigenen Entwicklungsaufwands der Beklagten, eine glatte Leistungsübernahme (zu beidem s Koppensteiner aaO Paragraph 33, Rz 67ff mwN). Insoweit ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Mangels einer verwechselbaren Ähnlichkeit der Schalungselemente der Streitteile ist es für die Entscheidung unerheblich, ob die Klägerin für ihre Schalungen Verkehrsgeltung erreicht hat und daher Ausstattungsschutz im Sinne des Paragraph 9, Absatz 3, UWG in Anspruch nehmen kann. Ein Verstoß gegen Paragraph 9, UWG setzt Verwechslungsgefahr voraus. Daran fehlt es, wenn sich die beiden Erzeugnisse, wie im vorliegenden Fall, in Konstruktion und Aufmachung in zahlreichen Punkten unterscheiden.

Die Klägerin hat schon in erster Instanz behauptet, daß die "M*****"-Schalung der Beklagten ihrer "F*****"-Schalung qualitativ weit unterlegen sei. Die dünnere Schalhaut der "M*****"-Schalung führe zu stärkerer Durchbiegung und damit zu stärkerer Aufwölbung des Betons. Der Anwender bemerke diesen qualitativen Unterschied frühestens beim Einsatz der Schalung, regelmäßig sogar erst nach dem Entfernen der Schalung. Zu diesem Zeitpunkt könne nicht mehr festgestellt werden, welche Schalung jeweils verwendet wurde. Der Durchschnittsanwender führe die unterschiedliche Aufwölbung auf einen vermeintlichen Fehler der Schalung der Klägerin zurück. Die mindere Qualität der "M*****"-Schalung beeinträchtige somit den guten Ruf der Erzeugnisse der Klägerin und den guten Ruf ihres Unternehmens; ihr Unternehmen werde ausgebeutet und behindert.

In der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung ÖBl 1997, 176 - Manz-Rot wurde ausgesprochen, daß ein von einem Kennzeichenmißbrauch betroffenes Unternehmen unmittelbar durch Absatzminderung und allenfalls auch mittelbar dadurch Schäden erleiden könne, daß der Gebrauch des Kennzeichens für minderwertige Erzeugnisse das geschäftliche Ansehen des Kennzeicheninhabers untergrabe. Ein solches Vorgehen führe zur Ausbeutung und Behinderung des betroffenen Unternehmens (ÖBl 1997, 176 - Manz-Rot). Dieser Rechtsgedanke liegt auch der Rechtsprechung zugrunde, wonach das Nachahmen sonderrechtlich nicht geschützter Erzeugnisse sittenwidrig ist, wenn die Muster des Konkurrenten in allen Einzelheiten nachgeahmt und in billigerer Ausführung auf den Markt gebracht werden, so daß die Gefahr besteht, daß die schlechte billige Ware des Nachahmers die teuren nachgeahmten Waren vom Markt verdrängt (SZ 27/337 = ÖBl 1955, 5 ua). Nichts anderes kann gelten, wenn die Waren nicht durch ein verwechselbar ähnliches Kennzeichen oder durch die Übereinstimmung in allen Einzelheiten, sondern durch ihre (bloße) Kompatibilität in Zusammenhang gebracht werden. Auch in diesem Fall ist es sittenwidrig, wenn ein Produkt dadurch im Absatz behindert wird, daß ein minderwertiges kompatibles Produkt seinen Ruf gefährdet.

Die Schalungselemente der Streitteile sind einander nicht verwechselbar ähnlich. Das schließt aber nicht aus, daß durch die stärkere Durchbiegung von Schalungen bedingte stärkere Aufwölbungen der Betonoberfläche dem Konkurrenzprodukt zugeschrieben werden. Zwar wird es, anders als vielleicht bei Gerüsten, grundsätzlich immer feststellbar sein, welche Schalungen sich an stärker aufgewölbten Stellen befunden haben; diese Feststellung setzt jedoch voraus, daß die Betonoberfläche schon beim Entfernen der Schalungen kontrolliert und auch festgehalten wird, welche Schalung jeweils verwendet wurde. Geschieht dies nicht, so kann nicht ausgeschlossen werden, daß Mängel des kompatiblen Konkurrenzproduktes dem anderen Erzeugnis zugeschrieben werden.

Das Erstgericht hat nicht festgestellt, ob die Behauptungen der Klägerin über die mindere Qualität der "M*****"-Schalungen zutreffen, weil nach seiner Rechtsansicht schon die bloße Kompatibilität genügte, um das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig nach Paragraph eins, UWG zu beurteilen. Da diese Rechtsansicht vom erkennenden Senat nicht geteilt wird, liegt ein (sekundärer) Feststellungsmangel vor, der dazu führt, daß die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden müssen und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen werden muß.

Das Erstgericht wird, allenfalls durch ergänzende Vernehmung des Sachverständigen, im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, ob die dünnere Schalhaut der "M*****"-Schalung tatsächlich dazu führt, daß sich die Schalung stärker durchbiegt und die Betonoberfläche stärker aufgewölbt ist. Der Sachverständige hat im ersten Rechtsgang dazu ausgeführt, daß seiner Einschätzung nach die Durchbiegungen in beiden Fällen so gering sind, daß sie keinen schädlichen Einfluß auf die Betonoberfläche ausüben können; er habe dies aber nicht durchgerechnet und keine rechnerische Grundlage für diese Einschätzung.

Treffen die Behauptungen der Klägerin zu, so wird nicht nur das - dem als sittenwidrig erachteten Sachverhalt anzupassende - Unterlassungsbegehren und - im vom Berufungsgericht für berechtigt erkannten Umfang - das Urteilsveröffentlichungsbegehren, sondern auch das Rechnungslegungsbegehren berechtigt sein. Nach der Entscheidung ÖBl 1995, 116 - Schuldrucksorten muß das Fehlen einer Regelung über einen Rechnungslegungsanspruch im UWG für die sittenwidrige Nachahmung fremder Arbeitsergebnisse als planwidrige Lücke des wettbewerbsrechtlichen Schutzes gegen Nachahmung gewertet werden, die durch analoge Anwendung verwandter Vorschriften des Immaterialgüterrechts zu schließen ist, weil diese Bestimmungen unmittelbar dem Gedanken Rechnung tragen, dem wegen eines Eingriffes in eine geschützte Rechtsposition Verletzten die Verfolgung seines Anspruches gegen den Verletzer auf Herausgabe der Bereicherung zu erleichtern.

In eine geschützte Rechtsposition greift nicht nur ein, wer fremde Arbeitsergebnisse glatt übernimmt, sondern jeder, der unter sittenwidrigen Begleitumständen fremde Arbeitsergebnisse nachahmt. Aus den Leistungen eines anderen zieht auch derjenige einen ungerechtfertigten Nutzen, der unter sittenwidrigen Begleitumständen kompatible Produkte erzeugt. Auch in diesem Fall ist die Bereicherung herauszugeben; zur Vorbereitung des Bereicherungsanspruches steht dem Verletzten ein Anspruch auf Rechnungslegung zu.

Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit liegen nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Der Revision war Folge zu geben. Die angefochtene Entscheidung war aufzuheben und die Rechtssache war zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E47782 04A02857

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0040OB00285.97H.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19971028_OGH0002_0040OB00285_97H0000_000

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