Entscheidungstext 4Ob189/13t

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

Zak 2014/137 S 75 - Zak 2014,75 = iFamZ 2014/63 S 79 (Deixler‑Hübner) - iFamZ 2014,79 (Deixler‑Hübner)

Geschäftszahl

4Ob189/13t

Entscheidungsdatum

17.12.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** R*****, vertreten durch Dr. Peter Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei S***** H*****, vertreten durch Mag. Hannes Huber, Rechtsanwalt in Mank, wegen 50.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2013, GZ 13 R 98/13x-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1993 zog der Kläger in das Haus der Beklagten, seiner Lebensgefährtin. Die Streitteile vereinbarten aus diesem Anlass schriftlich, dass die Beklagte die vollen Lebenshaltungskosten (Kost und Logis) des Notstandshilfe beziehenden Klägers tragen werde, wofür der Kläger seine Arbeitskraft für Renovierungsarbeiten zur Verfügung stellen wird. Auch mündlich versicherten die Streitteile einander wiederholt, dass keiner dem anderen etwas schuldig sei, falls die Lebensgemeinschaft einmal auseinandergehen sollte. Nachdem der Kläger der Beklagten 2007 Goldbarren im Wert von 26.000 EUR entwendete, beendete die Beklagte die Lebensgemeinschaft.

Die Vorinstanzen verneinten das Bestehen einer Forderung des Klägers über 50.000 EUR für erbrachte Arbeitsleistungen. Die Leistungen des Klägers seien weder rechtsgrundlos erbracht worden, noch sei nachträglich deren Rechtsgrund weggefallen. Der Kläger habe sich verpflichtet, „im Gegenzug“ für die Versorgungsleistungen der Beklagten Arbeitsleistungen zu erbringen, was im Sinne einer Gleichwertigkeit zu verstehen sei. Einen Kondiktionsanspruch habe der Kläger treuwidrig vereitelt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung der Streitteile sei nicht sittenwidrig, weicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht ab.

1.2. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ist unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen es geschlossen wurde, anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung ankommt (RIS-Justiz RS0113653; RS0022884). Sittenwidrigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Vertrag eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie wird die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht (RIS-Justiz RS0045886). Bei den durch die guten Sitten umschriebenen Schranken der Rechtsausübung geht es letztlich darum, die zwischen den Parteien bestehenden Interessenlagen zu würdigen und die im Hinblick darauf angemessenen Rechtsfolgen in Abweichung von den Regelungsmustern der einschlägigen speziellen Rechtsnormen zu finden (RIS-Justiz RS0016478).

1.3. Der Kläger behauptet, die Vereinbarung mit der Beklagten sei infolge krassen Missverhältnisses der gegenseitig erbrachten Leistungen sittenwidrig, und verweist in diesem Zusammenhang auf einen angeblichen Wert seiner Leistungen von 200.000 EUR. Berücksichtigt man nur, dass der Kläger zwischen 1993 und 2007 (180 Monate) von der Beklagten mit Kost und Logis voll versorgt worden ist (ohne einzubeziehen, dass er noch bis 2009 unentgeltlich im Haus der Beklagten wohnen durfte), ergäbe dies (setzt man die monatliche Leistung der Beklagten mit rund 770 EUR an - das Existenzminimum beträgt derzeit 837,63 EUR) Leistungen der Beklagten für den genannten Zeitraum von zusammen rund 140.000 EUR. Eine schwerwiegende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts kann bei dieser Sachlage in der Verneinung der Sittenwidrigkeit auch unter dem Gesichtspunkt des Werts der gegenseitigen Leistungen nicht erblickt werden, zumal es regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob Sittenwidrigkeit vorliegt vergleiche RIS-Justiz RS0042881 [T8]).

2.1. Soweit der Rechtsmittelwerber einen bereicherungsrechtlichen Anspruch für berechtigt erachtet und sich in diesem Zusammenhang auf den „Geschäftszweck“ einer lebenslangen Versorgungsleistung beruft, hat das Berufungsgericht zutreffend auf den auch für den österreichischen Rechtsbereich geltenden Grundsatz des Paragraph 815, BGB verwiesen, wonach die Rückforderung des Geleisteten dann ausgeschlossen ist, wenn der Leistende den Eintritt des Geschäftszwecks gegen Treu und Glauben verhindert hat (RIS-Justiz RS0033767; RS0021833 [T3]; Rummel in Rummel³ Paragraph 1435, Rz 9).

2.2. Selbst wenn bei der Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Zurückhaltung geboten ist (RIS-Justiz RS0021833 [T1]), ist dem Berufungsgericht keine Überschreitung des ihm in dieser Frage eingeräumten Ermessens vorzuwerfen, wenn es ein strafbares Verhalten des Klägers gegenüber der Beklagten als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet hat.

Textnummer

E106439

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00189.13T.1217.000

Im RIS seit

10.02.2014

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2014

Dokumentnummer

JJT_20131217_OGH0002_0040OB00189_13T0000_000

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