Entscheidungstext 4Ob136/16b

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

4Ob136/16b

Entscheidungsdatum

12.07.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch die Friedl & Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, gegen die beklagten Parteien 1. E***** H*****, 2. B***** S*****, 3. Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen J***** S*****, 4. M***** S*****, alle vertreten durch Held, Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung und Einverleibung (Streitwert jeweils 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. April 2016, GZ 6 R 18/16k-15, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 4. Dezember 2015, GZ 2 C 59/15f-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.330,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 203,50 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Mutter des (inzwischen verstorbenen) Drittbeklagten. Die Viertbeklagte war die Ehefrau des Drittbeklagten, die Erst- und die Zweitbeklagte sind die Töchter des Dritt- und der Viertbeklagten. Die Klägerin hatte 2007 gegen Entgelt auf ein zu ihren Gunsten verbüchertes Ausgedinge auf der Liegenschaft des Dritt- und der Viertbeklagten verzichtet, damit diese Liegenschaft verkauft werden konnte, und war in ein Haus der Erst- und der Zweitbeklagten gezogen. Bis 2014 lebten sie dort problemlos zusammen.

Die Klägerin begehrt (a) die Feststellung und Einverleibung eines Wohnungsgebrauchsrechts auf der Liegenschaft der Erst- und Zweitbeklagten und (b) die Feststellung des Bestehens schuldrechtlicher Ausgedingeverpflichtungen des Dritt- und der Viertbeklagten.

Die Beklagten wenden den Verzicht auf das Ausgedinge ein und bestreiten die Begründung eines Wohnrechts auf der Liegenschaft der Erst- und der Zweitbeklagten.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weil die Klägerin gegenüber dem Dritt- und der Viertbeklagten nach eigener Aussage gegen Entgelt auf das Recht verzichtet habe, „versorgt“ zu werden, und weil die Erst- und die Zweitbeklagte der Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt hätten. Zum zweitgenannten Punkt verwiesen sie auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach aus dem bloßen Gewähren einer Wohnmöglichkeit im Verhältnis zwischen Familienmitgliedern nicht auf die Begründung eines Wohnrechts geschlossen werden könne.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil es insofern noch keine Entscheidung zum Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln gebe.

Die Revision der Klägerin ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Auslegung einer Verzichtserklärung als auch die Frage, ob aus einem bestimmten Verhalten eine konkludente Willenserklärung abgeleitet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Regelfall keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0042936, RS0042776 [T11]). Eine zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf:

Aus den Feststellungen des Erstrichters ergibt sich, dass die Klägerin gegen Entgelt auf das Recht verzichtet hat, „versorgt zu werden“; das Entgelt sollte ihrer dadurch erforderlich werdenden „Absicherung“ dienen. Auf dieser Grundlage ist es jedenfalls vertretbar, den Verzicht nicht nur auf das Recht, im Haus des Dritt- und der Viertbeklagten zu wohnen, und auf die bücherliche Sicherstellung der übrigen Ausgedingepflichten (Pflege etc) zu beziehen, sondern ihn umfassend zu verstehen, sodass durch dessen Annahme die Ausgedingeverpflichtung zur Gänze erloschen ist.

Ein bloß auf familiärer Rücksichtnahme beruhendes Wohnverhältnis (RIS-Justiz RS0020503) kann selbstverständlich auch zwischen Großeltern und Enkeln bestehen. Für die Annahme der schlüssigen Einräumung eines Wohnrechts ist unter Familienmitgliedern ein strenger Maßstab anzulegen (5 Ob 214/10x). Angesichts des Umstands, dass die Klägerin gegen Entgelt auf das Ausgedinge im Haus des Dritt- und der Viertbeklagten verzichtet hatte, ist die Annahme jedenfalls vertretbar, dass sie die bloße Gewährung der Wohnmöglichkeit im Haus der Enkelkinder nicht als Einräumung eines diesbezüglichen Rechts verstehen durfte.

Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 50,, 41 ZPO.

Textnummer

E115289

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00136.16B.0712.000

Im RIS seit

03.08.2016

Zuletzt aktualisiert am

03.08.2016

Dokumentnummer

JJT_20160712_OGH0002_0040OB00136_16B0000_000

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