Entscheidungstext 3Ob2090/96s

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

3Ob2090/96s

Entscheidungsdatum

27.03.1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner S*****, vertreten durch Dr.Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter S*****, vertreten durch Dr.Peter Csoklich, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 230.000,- s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Juni 1995, GZ 13 R 94/95-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.Jänner 1995, GZ 16 Cg 204/93z-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Unterpächter eines Kleingartens. Auf Grund seiner Erklärungen schloß der Kleingärtnerverein, der Generalpächter der Kleingartenanlage ist, mit dem Beklagten über den vom Kläger in Unterbestand genommenen Kleingarten einen Unterpachtvertrag ab. Der Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger aus diesem Anlaß S 530.000,-

zu bezahlen; tatsächlich bezahlte er nur S 300.000,-.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung des restlichen Entgelts in der Höhe von S 230.000,- sA.

Der Beklagte wendete, soweit es für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, ein, daß die Vereinbarung über das Entgelt gemäß dem sinngemäß anzuwendenden Paragraph 27, MRG ungültig sei, soweit dem Entgelt keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe. Aus dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten gehe hervor, daß der Gesamtwert vom Kläger gemachten Investitionen nur S 154.160,- betrage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte aus dem wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich, daß der Kläger vom Beklagten die Erfüllung der gesamten Vereinbarung verlangen könne. Da die Nichterwähnung von Ablösen im Kleingartengesetz eine vom Gesetz gewollte Beschränkung darstelle, liege, "gemessen an der immanenten Absicht des Gesetzes", keine Lücke vor. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertige die Annahme einer Gesetzeslücke nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten dieses Urteil in der Hauptsache und zum Teil auch bezüglich der Nebengebühren und wies nur einen Teil des Zinsenmehrbegehrens ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Paragraph 11, Absatz 5, des Kleingartengesetzes BGBl 1959/6 in der Fassung BGBl 1990/158 zeige wie schon Paragraph 11, Absatz 6, dieses Gesetzes in der Fassung vor der Novelle, daß der Gesetzgeber die Problematik verbotener Ablösezahlungen keinesfalls übersehen habe. Es liege vielmehr ein Indiz dafür vor, daß der Schutz der Kleingärtner nicht so weit wie jener der Mieter nach dem Mietrechtgesetz gehen solle. Der diesem Gesetz immanente Schutzzweck ziele letztlich darauf ab, akute Wohnungsnot zu vermeiden, und sei somit wesentlich weiter als jener des Kleingartengesetzes. Durch Vergleich der beiden Gesetze immanenten Teleologie sei eine planwidrige Unvollständigkeit des Kleingartengesetzes nicht erkennbar und es finde sich auch in der übrigen Rechtsordnung kein Hinweis, der eine analoge Anwendung des Paragraph 27, MRG im Kleingartenbereich rechtfertigen würde.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zwar entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über Anlaßfall hinausgehenden Frage, ob Paragraph 27, MRG auf Bestandverhältnisse, die dem Kleingartengesetz unterliegen, analog anzuwenden ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Nach dem im Schuldrecht herrschenden Grundsatz der Privatautonomie (Koziol/Welser I10 201; Rummel in Rummel2 Rz 15 zu Paragraph 859, ABGB mwN) stand es den Parteien frei, für die vom Kläger abgegebenen Erklärungen, die dazu führten, daß mit dem Beklagten ein Unterpachtvertrag über einen Kleingarten abgeschlossen wurde, ein Entgelt zu vereinbaren. Die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung dieses Entgelts hängt daher davon ab, ob die Vereinbarung gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoßen hat, weil sie dadurch in dem entsprechenden Umfang ungültig wäre. Wie schon die Vorinstanzen richtig erkannten, käme hier nur die Bestimmung des Paragraph 27, Absatz eins, MRG in Betracht. Da sie unmittelbar bloß für die im Paragraph eins, Absatz eins, MRG angeführten Rechtsverhältnisse gilt, ist zu fragen, ob sie auf Rechtsverhältnisse, die dem Kleingartengesetz BGBl 1959/6 zgd BGBl 1990/158 unterliegen, analog anzuwenden ist.

Die analoge Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung setzt voraus, daß eine Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, vorliegt (SZ 57/194 ua; Bydlinski in Rummel2 Rz 2 und 3 zu Paragraph 7 ;, derselbe, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 473 ff; Koziol/Welser I10 24 ff; Posch in Schwimann Rz 1, 2 und 6 zu Paragraph 7,). Die hier allein in Betracht kommende "teleologische" ("unechte" Lücke) liegt vor, wenn die ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgen- anordnung (bzw der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm (oder auch mehrerer Vorschriften) auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall erfordert (Bydlinksi aaO). Wie schon das Berufungsgericht richtig erkannte, läßt bereits der Wortlaut des Kleingartengesetzes selbst daran zweifeln, ob es eine planwidrige Unvollständigkeit darstellt, daß eine Regelung für Ablösen fehlt, die der neue Unterpächter eines Kleingartens dem früheren Unterpächter dafür bezahlt, daß dieser seine Rechte aufgibt. Im Kleingartengesetz in der Stammfassung befand sich nämlich im Paragraph 11, Absatz 6 und findet sich nunmehr im Absatz 5, dieser Gesetzesstelle in der Fassung BGBl 1990/158 eine Regelung über Ablöseleistungen, die der Generalpächter vom Unterpächter verlangt. Es liegt daher nahe, daß der Gesetzgeber auch andere Ablöseleistungen erwähnt hätte, wenn er sie verbieten hätte wollen.

Noch deutlicher steht aber ein Vergleich des Zweckes beider Gesetze der analogen Anwendung des Paragraph 27, Absatz eins, MRG entgegen. Ausgangspunkt dafür, daß den Kleingärtnern der besondere Schutz des Gesetzes vor ungerechtfertigten Pachtzinsforderungen und willkürlicher Aufkündigung gewährt wurde, war nämlich die Bedeutung der Kleingartenbewirtschaftung für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln vergleiche Draxler in Das österreichische Recht römisch IX f 30, 1). Dieser Zweck hat heute kaum mehr Gewicht. Im Vordergrund stehen nunmehr Zwecke der Erholung oder Freizeitgestaltung. Auf die Miete von Wohnungen oder Wohnräumen, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu diesen Zwecken gemietet werden, ist aber gemäß Paragraph eins, Absatz 2, Ziffer 4, MRG das Mietrechtsgesetz nicht anzuwenden. Der Schutzzweck dieses Gesetzes erfaßt daher solche Mieten nicht. Eine Vereinbarung, wonach der neue Mieter einer zu den angeführten Zwecken gemieteten Wohnung oder eines zu diesen Zwecken gemieteten Wohnraumes dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt, etwas zu leisten hat, wäre demnach unabhängig von der Gegenleistung des früheren Mieters nicht nach Paragraph 27, MRG ungültig. Es läßt sich aber nicht rechtfertigen, warum etwas anderes gelten müßte, wenn jemand statt einer Wohnung einen Kleingarten zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung in Bestand nimmt. Jemand, der einen Bestandvertrag zu den angeführten Zwecken abschließen will, befindet sich, wenn überhaupt, in einer ungleich geringeren und daher weniger schutzwürdigen Zwangslage als jemand, der eine Wohnung zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses mieten muß. Nur die Ausnützung einer solchen Zwangslage soll aber durch den in Paragraph 27, MRG festgelegte Verbot bestimmter Vereinbarungen verhindert werden. Ob es sich anders verhält, wenn der Kleingarten in Bestand genommen wird, um das darauf errichtete Haus nicht als Zweitwohnung, sondern als einzige Wohnmöglichkeit zu verwenden, muß nicht erörtert werden, weil kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß dies hier der Fall war.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits mehrfach mit der analogen Anwendung des Verbotskatalogs des Paragraph 27, MRG auseinandergesetzt und sie bisher stets abgelehnt. So hat er in der Entscheidung Miet 42.284 = WoBl 1991/160 die Meinung vertreten, die Anwendung dieses Verbotskatalogs setze stets ein voll dem Mietrechtgesetz unterliegendes Mietverhältnis voraus und hat es abgelehnt, Paragraph 27, MRG auf die Benützung einer Dienstwohnung auf Grund eines Hausbetreuerdienstvertrages analog anzuwenden. In den Entscheidungen SZ 60/101 und JBl 1987, 319 = Miet 38.665 wurde die analoge Anwendung des Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins, oder 5 MRG verneint, wenn nicht nur Miet- oder genossenschaftliche Nutzungsrechte, sondern Eigentumsanwartschaftsrechte an einer Eigentumswohnung aufgegeben werde. In der - bereits längere Zeit zurück- liegenden noch zum Mietengesetz ergangenen - Ent- scheidung SZ 35/101 hat er allerdings ausgesprochen, daß die damals geltende Bestimmung des Paragraph 20, MG, wonach die Kündigungsbeschränkungen dieses Gesetzes auch Anwendung zu finden hatten, wenn ein Mietvertrag zwar auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, vereinbarungsgemäß aber mangels rechtzeitiger Kündigung oder ähnlicher Parteierklärung als stillschweigend erneuert zu gelten hatte, auf Pachtverträge über Kleingärten analog anzuwenden sei. Er hat dies damit begründet, daß das Kleingartenrecht dem Mietengesetz nachgebildet sei, den gleichen Zweck verfolge und zahlreiche Bestimmungen sogar wörtlich übernehme. Soweit dabei auf den Zweck der Regelungen abgestellt wird, kann dem aber, wie bereits dargelegt wurde, für den Bereich des Mietrechtsgesetzes nicht mehr gefolgt werden. Das Argument, daß zahlreiche Bestimmungen sogar wörtlich übernommen werden, spricht nach Ansicht des erkennenden Senates gegen eine analoge Anwendung von nicht im Kleingartengesetz enthaltenen Bestimmungen. Daraus muß nämlich abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber des Kleingartengesetzes andere im Mietengesetz enthaltenen Regelungen nicht übernehmen wollte und deren Fehlen daher keine planwidrige Unvollständigkeit darstellt. Dasselbe gilt aber dann auch für Regelungen, die bloß in dem nunmehr geltenden Mietrechtsgesetz enthalten sind.

Die dargestellten Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß Paragraph 27, MRG auf Pacht- und Unterpachtverträge, die dem Kleingartengesetz unterliegen, nicht anzuwenden ist. Die Vereinbarung, auf die das Klagebegehren gestützt wird, ist demnach gültig zustande gekommen. Da in der Revision zu den anderen Einwänden, die der Beklagte im Verfahren erster Instanz erhob, nichts mehr ausgeführt wird, sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, dazu Stellung zu nehmen, zumal sie durch die im Urteil des Erstgerichtes enthaltenen Tatsachenfeststellungen widerlegt sind.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den Paragraphen 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E42055 03A20906

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1996:0030OB02090.96S.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19960327_OGH0002_0030OB02090_96S0000_000

Navigation im Suchergebnis