Entscheidungstext 2Ob541/81

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

2Ob541/81

Entscheidungsdatum

15.12.1981

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer, Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse W*****, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Rosa K*****, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 80.000,- sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1981, GZ 1 R 117/81-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. März 1981, GZ 8 Cg 127/80-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Beklagten die mit S 5.309,22 (darin S 357,72 Umsatzsteuer und S 480,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt in Z***** ein Lebensmittelgeschäft, das die Klägerin am 18. 11. 1979 um 08.30 Uhr zum Einkaufen aufsuchte. Durch einen Sturz auf den Boden des Geschäftes zog sie sich Verletzungen zu.

Mit der Behauptung, daß Ursache ihres Sturzes auf dem Boden liegende Trauben gewesen seien, die sie nicht habe sehen können, weil mehrere Personen im Geschäft gewesen seien, begehrt die Klägerin von der Beklagten infolge der erlittenen Verletzungen ein Schmerzengeld von S 80.000,- sowie die Feststellung der Haftung für künftige unfallsbedingte Schäden. Die Selbstentnahme von Obst durch Kunden widerspreche nicht nur den hygienischen Bestimmungen, sondern verlange in diesem Rahmen eine besondere Aufsicht, weil damit gerechnet werden müsse, daß Kunden Teile von Obst - also rutschige Ware - auf den Boden fallen lassen und dadurch andere Personen gefährdet würden.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil sie an diesem Unfall kein Verschulden treffe. Der Boden des von ihr geführten Selbstbedienungsgeschäftes, das ab 07.00 Uhr früh geöffnet sei, werde an jedem Abend nach Geschäftsschluß gründlich gereinigt. Bei Öffnung des Geschäftes am 18. 11. 1979 sei der Boden ebenfalls gesäubert gewesen. Das Obst werde von den Kunden aus der Obstabteilung selbst entnommen. Zum Unfallszeitpunkt seien etwa 12 Personen im Geschäft gewesen. Die Beklagte und ihr Personal könnten nicht ununterbrochen beobachten, ob von Kunden etwas auf den Boden falle. Tatsächlich sei die Klägerin auch nur auf einer einzigen Beere ausgerutscht. Es könne der Beklagten daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Erstgericht wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem gesamten Inhalt erhebt die Klägerin Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.

Die Beklagte, die eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Dem angefochtenen Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, wie er auf den Seiten 4 und 5 der Ausfertigung (= Seite 80 und 81 des Aktes) wiedergegeben wird.

Das Erstgericht urteilte rechtlich dahin, daß von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht gesprochen werden könne. Die Verkehrssicherungspflicht dürfe nicht überspannt werden. Die Beklagte habe die ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen, um Unfälle wie den gegenständlichen zu verhindern. Sie habe für eine entsprechende Reinigung gesorgt, habe ihren Bediensteten Anweisungen gegeben, Verunreinigungen zu beseitigen, und auch morgens vor dem Öffnen des Lokals sei nochmals kontrolliert worden. Es liege in der Natur der Sache, daß bei einem Obst- und Gemüsestand immer wieder etwas auf den Boden falle, gleichgültig, ob die Kundschaft sich selbst bediene oder sie bedient werde. Nur aus hygienischen Gründen sei vorgesehen, daß bei Obst und Gemüse keine Selbstbedienung stattfinden dürfe. Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang sei nicht gegeben. Es sei eine Erfahrung des täglichen Lebens, nach der sich eine das Geschäft aufsuchende Person zu richten habe, daß bei Obst- und Gemüseständen immer etwas auf dem Boden liegen könne. Es obliege jedem, entsprechende Vorsicht walten zu lassen. Die Klägerin selbst habe der Beklagten das Zeugnis ausgestellt, daß das Lokal stets gepflegt und sauber sei, und daß sie aus diesem Grunde schon mehrere Jahre bei ihr einkaufe. Daraus sei abzuleiten, daß die Beklagte der ihr zumutbaren Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Es sei einfach unmöglich, alles, was in einem Geschäft bei einem Obst- und Gemüsestand zu Boden falle, sofort zu entfernen. Der Beklagten könne daher keine Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht zum Vorwurf gemacht werden.

Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Auszugehen sei davon, daß eine einzige Traubenbeere auf dem Boden lag, auf der die Klägerin ausrutschte und zum Sturz kam. Nach den allgemeinen Gegebenheiten in Selbstbedienungsläden, die jedem geläufig seien, ergebe sich, daß auch in einem sauberen Geschäft nach kurzer Zeit Verunreinigungen am Boden auftreten können, die nicht unverzüglich beseitigt werden können, insbesondere, wenn einem Kunden ein Lebensmittel - wie offenbar hier eine Traubenbeere - auf den Boden fällt. Dies lasse sich nicht mehr als ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten oder ihrer Angestellten einstufen, wenn damit nicht ein Aufmerksamkeitsfehler verbunden sei. Nur wenn Verunreinigungen des Bodens, die zur Gefährdung von Kunden führen können und von Angestellten des Geschäftes wahrgenommen werden oder bei entsprechender Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können, nicht sofort beseitigt werden, müßte ihnen Fahrlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden. Der in Rede stehende Vorfall stelle sich aber als Gefahr dar, die die Beklagte und deren Bedienstete nicht zu vertreten hätten. Es sei nicht möglich, jede nur erdenkliche Gefahrenquelle auszuschließen, weshalb auch der Kunde ein abgegrenztes Risiko zu tragen habe und daher bestrebt sein müsse, dieses möglichst auszuschließen. Mit der Verkehrssicherungspflicht verbinde sich keine Erfolgshaftung, sondern es bleibe bei einer Verschuldenshaftung, bei der das Verschulden vom Geschädigten bewiesen werden müsse. Die Revision wirft dem Berufungsgericht vor, dieses habe die Frage, ob die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen sei, auf Grund der getroffenen Feststellungen unrichtig gelöst. Die Beklagte hätte ihre Verkaufsräume zu jeder Zeit in einem gefahrlosen Zustand halten und Verunreinigungen unverzüglich beseitigen müssen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die aus der Verkehrssicherungspflicht - siehe die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes Seite 8 bis 13 des Urteiles = Seite 84 bis Seite 89 des Aktes - erfließende Verpflichtung des Geschäftsinhabers zur Gefahrenabwehr setzt voraus, daß ihm eine Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist (JBl 1967, 34; EvBl 1974/109; JBl 1975, 544 u. a.). Nach ständiger Rechtsprechung dürfen aber die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden und die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit (ZVR 1973/155, ZVR 1980/342 u. a.; Koziol römisch II, 51). Im vorliegenden Fall ist auszugehen von der Feststellung, daß eine einzige Weinbeere auf dem Boden des Geschäftes lag und daß nicht festgestellt werden konnte, wann diese dahin gelangte. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die Weinbeere unmittelbar, bevor die Klägerin auf ihr ausglitt, zu Boden fiel und solchermaßen weder von der Beklagten noch von einer bediensteten Person bemerkt und beseitigt werden konnte. Die Beklagte unter den festgestellten Umständen für die Folgen des Unfalles der Klägerin haftbar zu machen, hieße somit im Sinne des Vorgesagten, die Verkehrssicherungspflicht zu überspannnen. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht ein Verschulden der Beklagten oder eines ihrer Betriebsgehilfen verneint. Demnach kann aber auch der Revision kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E74011 2Ob541.81

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0020OB00541.81.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19811215_OGH0002_0020OB00541_8100000_000

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