Entscheidungstext 2Ob534/84

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

2Ob534/84

Entscheidungsdatum

29.02.1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa R*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Harry A*****, vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 242.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juli 1983, GZ 5 R 194/83-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. April 1983, GZ 13 Cg 39/83-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die zwischen den Streitteilen ob der Liegenschaft EZ ***** bestehende Miteigentumsgemeinschaft werde durch gerichtliche Feilbietung aufgehoben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 36.885,90 S bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten 3.360 S Barauslagen und 2.483,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken 300/1 Wohnhaus, 1327/3 Wiese und 1328/1 Acker. Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein altes Bauwerk mit sehr günstiger Ortslage. Der Beklagte erwarb seinen Liegenschaftsanteil am 8. 3. 1982 um 1 Mio S. Am 2. 7. 1982 wurde der Anteil der Klägerin aufgrund des Dienstbarkeitsvertrags vom 1. 7. 1982 mit dem lebenslänglichen Fruchtgenussrecht für ihren am 30. 3. 1961 geborenen Sohn U***** belastet. Darin erblickt der Beklagte ein Teilungshindernis, das er dem auf Zivilteilung gerichteten Begehren der Klägerin entgegensetzt. Durch das Fruchtgenussrecht werde die Liegenschaft erheblich entwertet, sodass nur ein wesentlich geringerer Erlös erzielt werden könne. Es werde die Zahl der Kaufinteressenten praktisch auf die Klägerin und den Fruchtgenussberechtigten eingeschränkt.

Beide Vorinstanzen erkannten im Sinne des Klagebegehrens. Sie folgten der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach nur Umstände vorübergehender Natur ein Teilungshindernis bilden könnten. Im vorliegenden Fall käme dem Fruchtgenussrecht, mit Rücksicht auf das jugendliche Alter des Berechtigten, diese Eigenschaft nicht zu. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschied, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision nach Paragraph 502, Absatz 4, Ziffer eins, ZPO nicht zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die vom Revisionswerber aufgeworfene und in der Rechtsprechung bisher nicht behandelte Frage, ob ein Miteigentumsgenosse auf Teilung dringen könne, wenn er kurz vorher seinen Anteil mit einem, in absehbarer Zeit, nicht wegfallenden Fruchtgenussrecht belastet habe, bedarf im Sinne der Rechtsentwicklung einer Erörterung. Es kommt dieser Frage daher erhebliche Bedeutung iSd Paragraph 502, Absatz 4, Ziffer eins, ZPO zu. Die Revision ist deshalb entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts und dem Standpunkt der Klägerin zulässig.

Der dem Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache nach Paragraph 830, ABGB zustehende Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein unbedingter, weil sich der Teilhaber grundsätzlich nur einen angemessenen Aufschub gefallen lassen muss (MietSlg 33.056, 32.045; SZ 47/119 uva; vergleiche auch Gamerith in Rummel ABGB Rdz 3 zu Paragraph 830,). „Unzeit“ und „Nachteile der übrigen“ bilden zwei selbständige Teilungshindernisse (JBl 1973, 466; SZ 39/51; Gamerith aaO Rdz 11; Frotz in ÖZW 1974, 30). Unzeit ist ein objektiver, außerhalb der Beteiligten bestehender, und für alle Beteiligten in gleicher Weise wirkender Umstand, der die Teilung zwar nicht hindert, aber sie zur gegebenen Zeit für unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht. Sie liegt insbesondere vor, wenn sich kein angemessener Preis erzielen lässt (SZ 47/119; JBl 1973/465).

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt erkannt, dass nur Umstände vorübergehender Natur, das sind solche, die in absehbarer Zeit wegfallen oder zu beseitigen sind, ein Teilungshindernis bilden können. Dieser Grundsatz gilt für beide Tatbestände des Paragraph 830, ABGB (MietSlg 33.055 f, 32.047; SZ 47/1; RZ 1973/62; EvBl 1969/407 ua; Gamerith aaO Rdz 6 und 11; Klang in Klang² römisch III 1099; Koziol-Welser, Grundriß6 römisch II 43; Frotz aaO). Dies wird damit begründet, dass die Teilung sonst nicht bloß aufgeschoben, sondern überhaupt ausgeschlossen wäre (MietSlg 33.056, 29.068, 29.069; vergleiche auch Klang aaO). Schwierigkeiten können sich, wie Frotz richtig hervorhebt, bei der Anwendung dieses Maßstabs ergeben.

Dass die Belastung mit einem Fruchtgenussrecht den erzielbaren Kaufpreis erheblich beeinträchtigen und daher insoweit jedenfalls einen Nachteil darstellen kann, wurde wiederholt ausgesprochen (G1UNF 3568, 4029; JBl 1931, 35; 3 Ob 626/76; 7 Ob 603, 604/83; vergleiche auch Klang aaO). In der Beurteilung der Belastung der Liegenschaft, mit einem lebenslänglichen Fruchtgenussrecht als Teilungshindernis, war die ältere Rechtsprechung schwankend. In der Entscheidung G1UNF 4029 wurde das Vorliegen eines Teilungshindernisses verneint und ausgesprochen, dass die mit dem Fruchtgenussrecht verbundene Wertminderung der Eigentümer der damit belasteten Anteile zu tragen habe. Die Entscheidung JBl 1931, 35, anerkannte die (gänzliche) Belastung der Liegenschaft mit einem Fruchtgenuss als Teilungshindernis. Der Aufschub, den Paragraph 830, ABGB anordne, sei nicht bloß auf einen kurzen Zeitraum zu beschränken, sondern müsse den jeweiligen Verhältnissen angepasst werden. Es wurde aber auch bereits auf das Alter des Fruchtgenussberechtigten Bedacht genommen und bei hohem Alter des Berechtigten ein Aufschub der Teilung als gerechtfertigt erkannt (G1UNF 3568). Nach der nunmehr ständigen und auch von der Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bildet die Belastung der Liegenschaft mit einem Fruchtgenuss grundsätzlich kein Teilungshindernis, außer bei einem Hochbetagten Berechtigten, in welchem Fall mit der Beseitigung der Belastung in absehbarer Zeit gerechnet werden kann (MietSlg 32.049 mwN; Ehrenzweig² II/1 751; Klang aaO; Gamerith aaO Rdz 13). Nach Klang (S 1100) soll die Belastung bloß einzelner Anteile mit einem Fruchtgenuss die Teilung keinesfalls hindern können, weil es sonst jeder Teilhaber in der Hand hätte, die Teilung durch Belastung seines Anteils willkürlich zu vereitlen vergleiche auch MietSlg 30.072). Demgegenüber weist Ehrenzweig² II/1 756 darauf hin, dass die Belastung eines Anteils durch einen Teilhaber sehr wohl auch in einer Weise geschehen kann, dass hiedurch das Meistbot zum Nachteil des anderen Teilhabers geschmälert wird. In einer jüngeren Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 603, 604/83) wurde hervorgehoben, dass es bei Beurteilung der Belastung eines Liegenschaftsanteils mit einem Fruchtgenussrecht auf die Umstände des Einzelfalls ankomme und hiebei auch der Umstand von Bedeutung sein könne, ob die Anteile des Teilungsklägers oder des Teilungsbeklagten belastet sind.

Der Oberste Gerichtshof hat in letzter Zeit wiederholt - folgend der Darstellung von Frotz in ÖZW 1974, 32 - dargelegt, dass der Aufhebungsanspruch des Miteigentümers dem Gemeinschaftsverhältnis entspringt und schuldrechtlicher Natur ist. Die im Paragraph 830, ABGB normierten Aufhebungshindernisse stellen sich demnach nur als die gesetzliche Anerkennung und Konkretisierung der innerhalb von Schuldverhältnissen nach Treu und Glauben geschuldeten Rücksichtnahme auf die Interessen der Partner dar (MietSlg 34.069, 33.055; 5 Ob 564/81). Jedes Schuldverhältnis begründet, je nach der Intensität der besonderen Art der Sonderverbindung, in verschiedenem Maß und Umfang, Pflichten zu wechselseitiger Rücksichtnahme und zur Beachtung der berechtigten Belange des anderen. Die Norm hiefür bildet der Grundsatz von Treu und Glauben (Larenz, Schuldrecht13 römisch eins, 9). Bei einem Gemeinschaftsverhältnis muss diese Rücksichtnahme aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat, nicht so weit gehen, dass auf den Aufhebungsanspruch für eine unabsehbare Zeit Verzicht zu leisten wäre (MietSlg 34.069). Es ist daher daran festzuhalten, dass Teilungshindernisse grundsätzlich nur Umstände vorübergehender Natur sein können. Der die Teilung anstrebende Teilhaber muss aber dennoch sein Begehren am Prinzip von Treu und Glauben messen lassen.

Im vorliegenden Fall streben beide Teilhaber die Aufhebung der Gemeinschaft durch Zivilteilung an vergleiche AS 21 f). Die Klägerin belastete jedoch ihren Anteil rund 4 ½ Monate vor der außergerichtlichen Geltendmachung des Teilungsbegehrens mit dem lebenslänglichen Fruchtgenussrecht für ihren damals erst 21 Jahre alten Sohn. Dem Beklagten ist darin beizupflichten, dass durch diese Belastung der Wert der Liegenschaft erheblich herabgedrückt wird. Es ist zu erwarten, dass nur ein erheblich geringerer Verkaufserlös zu erzielen sein wird als ohne diese Belastung. Die durch die Belastung bedingte Minderung des Verkaufserlöses und die Auswirkungen auf den, den Teilhabern zukommenden, Anteil am Erlös sind nur schwer abzuschätzen, da sich die Kaufinteressenten nicht allein nach dem für die Last ermittelten Schätzwert richten vergleiche 3 Ob 626/76). Es wurde auch für die Klägerin und ihren Sohn eine wesentlich günstigere Ausgangsposition bei einer Ersteigerung geschaffen, als sie dem Beklagten zukommt. Das Teilungsbegehren der Klägerin geht somit von einer von ihr knapp vor Erhebung des Teilungsbegehrens geschaffenen, krass ungleichen Interessenlage aus vergleiche EvBl 1969/234). Das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die einseitige Verschiebung dieser Interessenlage wurde nicht einmal behauptet. Ein solches Vorgehen stellt aber einen Verstoß gegen die von jedem Teilhaber zu fordernde Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils dar. Die Klägerin muss dann eine Beschränkung der Rechtsausübung auch auf einen längeren Zeitraum hinnehmen. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die von ihr selbst geschaffenen Nachteile für den anderen Teilhaber in absehbarer Zeit nicht wegfallen werden.

Bei der dargestellten Rechtslage bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob im vorliegenden Fall die Klägerin, oder nicht ausnahmsweise der Beklagte (3 Ob 636, 637/81), die Unmöglichkeit der Naturalteilung zu beweisen gehabt hätte.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Textnummer

E99730

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0020OB00534.84.0229.000

Im RIS seit

03.02.2012

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2012

Dokumentnummer

JJT_19840229_OGH0002_0020OB00534_8400000_000

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