Entscheidungstext 1Ob9/95

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

SZ 68/155

Geschäftszahl

1Ob9/95

Entscheidungsdatum

06.09.1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin B*****, vertreten durch Dr.Peter Wilhelm, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19 und 2. Bundesland Niederösterreich, vertreten durch Dr.Stefan Gloß und Dr.Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen S 294.100 sA und Feststellung (Streitwert S 10.000) infolge der Revisionen und Rekurse der beklagten Parteien gegen das Teil-Zwischenurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21.November 1994, GZ 14 R 197/94-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 26.Mai 1994, GZ 4 Cg 40/94-11, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

römisch eins. zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teil-Zwischenurteil dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 294.100 samt 4 % Zinsen seit 1.10.1992 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu 50 % zu Recht.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten“.

römisch II. den

Beschluß

gefaßt:

1) Im übrigen wird das Teil-Zwischenurteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung (Haftung zu weiteren 50 %) zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

2) Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gendarmeriebeamten Karl W***** und Josef H***** versahen in der Nacht zum 29.3.1991 in K***** Patrouillendienst. Es war ihnen keine bestimmte Amtshandlung aufgetragen. H***** lenkte das Gendarmeriefahrzeug, W***** war Beifahrer und Patrouillenkommandant und sohin entscheidungsbefugt. Tatsächlich war es Übung, daß die beiden Beamten Entscheidungen stets gemeinsam trafen. Etwa um 4 Uhr fiel ihnen der vom Kläger gelenkte PKW vor einer Diskothek dadurch auf, daß er nach dem Ausparken mit quietschenden Reifen davonfuhr. Die Beamten beschlossen, eine Fahrzeug- und Personenkontrolle durchzuführen, insbesondere auch zur Feststellung einer allfälligen Alkoholisierung des Lenkers. Als der Kläger das ihm mit Blaulicht nachfolgende Gendarmeriefahrzeug bemerkte, beschleunigte er und versuchte davonzufahren. Er erreichte dabei im Ortsgebiet zum Teil eine Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h, mißachtete den Vorrang, überfuhr Sperrlinien, fuhr die Kurven nicht aus und blockierte durch Ausscheren nach links den linken Fahrstreifen. Letztlich geriet er auf der Hafenzufahrt in eine Sackgasse und mußte dort wegen eines geschlossenen Schrankens anhalten. Er versuchte noch zu wenden, doch versperrten ihm die Gendarmeriebeamten mit ihrem Dienstfahrzeug den Rückweg. Die Gendarmen begaben sich zum Fahrzeug des Klägers; dabei zog W***** seine Dienstpistole. Als die Beamten den Kläger aus dessen Fahrzeug herauszerrten, löste sich ein Schuß aus dieser Pistole; dabei kam es beim Kläger zu einem Durchschuß des Oberarmknochens.

Gestützt auf Paragraph eins, Absatz 3, AHG begehrte der Kläger den Ersatz seines mit insgesamt S 294.100 bezifferten Schadens samt 4 % Zinsen seit 1.10.1992 und die Feststellung, daß ihm die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für zukünftige Schäden, die er aufgrund des Vorfalls vom 29.3.1991 in K*****, bei dem er durch einen der Gendarmeriebeamten mit der Dienstpistole angeschossen und verletzt und weswegen dieser Beamte rechtskräftig verurteilt wurde, einzustehen hätten. Der Gebrauch der Schußwaffe sei nicht erforderlich und daher gesetzwidrig gewesen. Durch das Hantieren mit der nicht gesicherten Dienstwaffe habe sich ein Schuß gelöst, der den Kläger verletzt habe; dies stelle ein fahrlässiges Verhalten des Beamten W***** dar, der deshalb auch strafrechtlich verurteilt worden sei. Die Beamten seien als Organe der beiden beklagten Parteien (Verkehrsüberwachung und Überwachung einbruchsgefährdeter Objekte) tätig gewesen, weshalb beide Rechtsträger hafteten.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung.

Die erstbeklagte Partei wendete ein, der Kläger habe bei der Verfolgungsfahrt zahlreiche Vorschriften der Straßenverkehrsordnung mißachtet. Nachdem der Kläger mit seinem Fahrzeug infolge des Versperrens des Wegs durch das Gendarmeriefahrzeug nicht mehr habe fliehen können, sei H***** zur Wagentüre gelaufen, habe diese geöffnet und habe die Festnahme des Klägers ausgesprochen. W***** habe das Vorgehen seines Kollegen mit gezogener Waffe gesichert, um den offenbar alkoholisierten Kläger von einem allfälligen Angriff auf die Beamten abzuhalten. In der Folge habe H***** versucht, den Kläger unter Anwendung von Körperkraft aus dem Fahrzeug zu zerren, was ihm deshalb mißlungen sein, weil sich der Kläger am Lenkrad angeklammert habe. Deshalb habe W***** seinen Kollegen bei dessen Vorhaben unterstützt. Er habe den Kläger mit der linken Hand am linken Oberarm erfaßt, in der rechten Hand habe er weiterhin die Dienstpistole gehalten. Im Zuge des Handgemenges habe sich aus der Waffe ein Schuß gelöst. Der Kläger habe versucht, sich mit allen Mitteln einer Anhaltung zu entziehen, die Schußverletzung sei ausschließlich auf sein rechtswidriges Verhalten zurückzuführen. Demnach treffe ihn das alleinige Verschulden am Zustandekommen der Verletzung.

Die zweitbeklagte Partei bestritt ihre Haftung, weil die Fahrzeug-, Führerschein- und die Sicherheitskontrolle in die Vollziehung des Bundes fielen. Die Beamten seien sohin nicht als Organe der zweitbeklagten Partei tätig geworden. Im übrigen habe der Kläger die Ursache für die Verfolgung gesetzt, weshalb ihn ein Mitverschulden im Ausmaß von 75 % treffe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, die Beamten hätten zunächst nur eine Fahrzeugkontrolle, eine Kontrolle des Führerscheins und eine Überprüfung des Klägers auf eine allfällige Alkoholisierung vornehmen wollen. Aufgrund seiner spektakulären Flucht hätten sie angenommen, daß ein schwerwiegenderer Fluchtgrund vorhanden sei, weshalb sie den Kläger an der Weiterfahrt hätten hindern wollen. Des weiteren hätten sie versucht, die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu beseitigen. Nachdem der Kläger in der Sackgasse ein Wendemanöver versucht habe, ihm dieses aber nicht mehr möglich gewesen sei, habe H***** nach dem Öffnen der Wagentür des PKWs des Klägers dessen Festnahme ausgesprochen. Er habe ihn wiederholt zum Aussteigen aufgefordert, der Kläger habe sich jedoch mit beiden Händen am Lenkrad festgehalten. Der Versuch H*****s, den Kläger unter Anwendung von Körperkraft aus dem Fahrzeug zu zerren, sei mißlungen. W***** habe zwischenzeitig beim linken hinteren Fahrzeugrand des Fahrzeugs des Klägers Position bezogen und mit gezogener Pistole die Amtshandlung H*****s gesichert. Beim Ziehen der Pistole habe er möglicherweise unbewußt die Waffe gespannt. Da es H***** nicht gelungen sei, den Kläger aus dem PKW zu bringen, habe ihm W***** geholfen; der Kläger habe bis zuletzt passiven Widerstand geleistet. Die Beamten hätten eine Durchsuchung des Klägers beabsichtigt. Nachdem der Kläger aus seinem PKW gebracht worden sei, habe sich aus der Dienstwaffe W*****s ein Schuß gelöst, der den Kläger am rechten Oberarm schwer verletzt habe. Die Ursache für das Lösen des Schusses sei nicht feststellbar. Jedenfalls habe W***** nicht bewußt den Hammer seiner Pistole gespannt und auf den Abzug der Pistole gedrückt. Es sei allenfalls zur Abgabe des Schusses dadurch gekommen, daß die Entsicherung und der Abzug irgendwo angestreift oder hängengeblieben seien. Die Dienstpistole sei nicht defekt gewesen. W***** habe die Pistole deswegen gezogen, weil er angenommen habe, der Kläger wolle sich einer strafrechtlichen Verfolgung mit allen Mitteln entziehen und habe etwas zu verbergen. Er habe auch erwogen, daß der Kläger eine Waffe bei sich haben könnte und sich durch deren Verwendung der Festnahme zu entziehen versuchen werde. Das Ziehen der Schußwaffe sei aufgrund dieses Sachverhalts nicht gesetzwidrig gewesen. Das Lösen des Schusses beruhe auf einem Zufall, nicht aber auf dem „Gebrauch“ der Dienstwaffe. Die Handlungsweise W*****s sei weder rechtswidrig noch schuldhaft gewesen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es mit Teil-Zwischenurteil aussprach, daß das Leistungsbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe; im Anspruch über das Feststellungsbegehren hob es das Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die ordentliche Revision und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß erklärte es für zulässig. Es führte aus, es liege ein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten vor. Die Vorgangsweise sei nicht koordiniert gewesen. W***** habe mit der Waffe auf eine Weise gedroht, die vom Kläger nicht wahrnehmbar gewesen sei. Dadurch, daß er sich am Herauszerren des Klägers aus dessen PKW in der Form beteiligte, daß er die (entsicherte und gespannte) Pistole in der rechten Hand hielt, habe er alle beteiligten Personen gefährdet. Selbst wenn man im Sinne des Paragraph 4, des Waffengebrauchsgesetzes (WaffGG) die Androhung des Waffengebrauches als zulässige Maßnahme zur Überwindung eines auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes oder zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme (Paragraph 2, Ziffer 2 und 3 WaffGG) billigte, widerspreche die Durchführung nicht nur dem Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 24.9.1987 über die Eigensicherung beim Einschreiten, sondern sei die bei einem derartigen Vorgehen auftretende Gefahr für jedermann erkennbar. Die beklagten Parteien seien dafür beweispflichtig, daß der Waffengebrauch gerechtfertigt gewesen sei. Dieser Beweis sei ihnen nicht gelungen, weshalb von einer Haftung beider beklagten Parteien auszugehen sei. Die zweitbeklagte Partei hafte, weil die Gendarmeriebeamten funktionell auch für sie (Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs - fielen in die Vollziehung des Landes) tätig geworden sei. Ein Mitverschulden des Klägers sei zu verneinen, weil dessen Verhalten die unkoordinierte Vorgangsweise der beiden Beamten nicht rechtfertigen könne. Fahrlässigkeit sei ihm nicht anzulasten, weil ihm die Drohung mit einer Waffe nicht erkennbar gewesen sei. Zur Höhe des Anspruchs und zur Rechtfertigung des Feststellungsbegehrens fehle es an Feststellungen, weshalb einerseits ein stattgebendes Zwischenurteil und andererseits ein Aufhebungsbeschluß zu fassen seien.

Die Revisionen sind teilweise berechtigt, den Rekursen kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß die zweitbeklagte Partei ihre - bisher bestrittene - Passivlegitimation im Revisionsverfahren nicht mehr in Abrede stellt, sodaß sich weitere Erwägungen zu dieser Frage erübrigen.

Dem Berufungsgericht ist dahin zu folgen, daß das Vorgehen des Gendarmen, der die Waffe gebrauchte, rechtswidrig und schuldhaft war. Es führte in diesem Zusammenhang zutreffend aus, daß Organe der Bundesgendarmerie in Ausübung des Dienstes ua zur Überwindung eines auf Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstands und zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme von Dienstwaffen Gebrauch machen dürfen (Paragraph 2, Ziffer 2 und 3 WaffGG). Gemäß Paragraph 4, WaffGG ist der Waffengebrauch jedoch nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, die Androhung des Waffengebrauchs, die Verfolgung des Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde dem Kläger der Waffengebrauch von dem Beamten zu keiner Zeit angedroht; er konnte den Beamten auch, als dieser mit der gezogenen Waffe in Stellung ging, nicht wahrnehmen (S 13 des Berufungsurteils). Daß der Beamte die Schußwaffe „gebrauchte“, als sich aus der - möglicherweise nur unbewußt - entsicherten Waffe der schadensverursachende Schuß löste, kann wohl nicht ernstlich bezweifelt werden. Auch war das Verhalten des Beamten ein mit der Gefährdung von Leben verbundener Gebrauch einer Waffe gegen Menschen im Sinne des Paragraph 7, WaffGG. Wer sich mit entsicherter Schußwaffe in der einen Hand mit der anderen in ein Handgemenge einläßt, muß damit rechnen, daß sich dabei ein Schuß lösen kann, ist es doch eine Erfahrungstatsache, daß in solchen Fällen eine verläßliche Kontrolle der Arm- und Handbewegungsabläufe nicht mehr möglich ist. Von einem im Umgang mit Waffen besonders geschulten Gendarmeriebeamten kann auch erwartet werden, daß er sich der damit verbundenen Gefahr bewußt ist und dementsprechend vorgeht. Wie gefährlich das Verhalten des Beamten war, beweist der Umstand, daß er die Waffe in unmittelbarer Nähe des Körpers des Klägers hielt, als sich der Schuß löste, betrug doch die Schußentfernung bloß drei bis fünf Zentimeter (S 8 des Ersturteils).

Der lebensgefährdende Waffengebrauch ist nach der - hier allein in Betracht kommenden - Vorschrift des Paragraph 7, Ziffer 3, WaffGG nur zur Erzwingung der Festnahme (oder Verhinderung des Entkommens) einer Person zulässig, die einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, überwiesen oder dringend verdächtig ist, die für sich allein oder in Verbindung mit seinem Verhalten bei der Festnahme ihn als einen für die Sicherheit des Staats, der Person oder des Eigentums allgemein gefährlichen Menschen kennzeichnet. Der lebensgefährdende Waffengebrauch ist aber vor allem überhaupt nur dann zulässig, wenn Maßnahmen zu seiner Vermeidung im Sinne des Paragraph 4, WaffGG von vornherein ungeeignet schienen (SZ 59/113 mwN). Demnach war der Gebrauch der Schußwaffe auch in dem Zeitpunkt, da sich aus ihr der Schuß löste, jedenfalls unzulässig, weil den Feststellungen zufolge mit weniger gefährlichen Maßnahmen - vor allem mit der Anwendung von Körperkraft - das Auslangen hätte gefunden werden können, zumal dem Kläger zwei geschulte Beamte gegenüberstanden. Hätte im übrigen - wofür sich aus den Feststellungen indes keinerlei Anhaltspunkte gewinnen lassen - Gefahr für die beiden einschreitenden Beamten selbst bestanden, hätte sich der Gendarm, der die Waffe gebrauchte, jedenfalls nicht mit dieser in der Hand in das Handgemenge des anderen Beamten mit dem Kläger einmengen dürfen, weil er dabei nicht bloß - was sich in der Folge nur allzu deutlich manifestierte - den Kläger, sondern auch sich und seinen Amtskollegen aufs äußerste gefährdete. Es muß deshalb auf den Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 24.9.1987, der vorschreibt, wie die Eigensicherung beim Einschreiten vorzunehmen ist, gar nicht weiter eingegangen werden.

Demgemäß war das Vorgehen des Beamten rechtswidrig, weil es durch die Vorschriften des Waffengebrauchsgesetzes nicht gedeckt war; nur in diesem Fall wäre ein Rechtfertigungsgrund anzunehmen (SZ 59/113 mwN). Die Behauptungs- und Beweislast für den Rechtfertigungsgrund trifft denjenigen, der in fremdes Rechtsgut eingreift (SZ 59/113 mwN); diesen Beweis haben die beklagten Parteien nicht angetreten. Die Tatsache allein, daß sich der Kläger der Festnahme durch das Anklammern an das Lenkrad widersetzte, ließ ihn noch nicht als gefährlichen Verbrecher dringend verdächtig erscheinen. Überhaupt kann von einem Exekutivbeamten erwartet werden, daß er auch in anscheinend nicht ungefährlichen Situationen, mit welchen er nicht selten konfrontiert wird, seinem Wissensstand und seinen durch intensive Schulung erworbenen körperlichen Fähigkeiten entsprechend vorgeht bzw reagiert. Der Beamte hat bei der ihm überantworteten Entscheidung, ob er von seiner Schußwaffe Gebrauch macht, in ganz besonderem Ausmaß Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen; an seine darauf bezogene Sorgfaltspflicht muß daher ein besonders strenger Maßstab angelegt werden. Der Stellenwert des Menschenlebens in der gesellschaftlichen Wertskala als eines unersetzlichen Gutes gebietet ist, im Zweifel von der Schußwaffe nicht Gebrauch zu machen vergleiche auch Mayerhofer in ÖJZ 1977, 449). Damit kann nicht bezweifelt werden, daß der Beamte dadurch, daß er sich mit der Faustfeuerwaffe in der Hand in das Handgemenge einmischte, jedenfalls fahrlässig gehandelt hat.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf aber das von den beklagten Rechtsträgern eingewendete Mitverschulden des Klägers nicht verneint werden. Der Kläger hatte sich vorher zugestandenermaßen gravierend rechtswidrig verhalten; vor allem versuchte er, sich durch eine halsbrecherische Flucht mit dem PKW der Anhaltung zu entziehen. Er kam selbst nach dem Scheitern der Flucht der mehrmals ausgesprochenen Aufforderung, aus dem PKW zu steigen, nicht nach, sondern leistete hinhaltend passiven Widerstand. Das Verhalten des Klägers veranlaßte den Beamten, die Schußwaffe zu ziehen und sich mit dieser in der Hand am Versuch des anderen Gendarmen, den Kläger aus dem Wagen zu schaffen, zu beteiligen. Da der eine Beamte die Festnahme ausgesprochen hatte (S 6 des Ersturteils), mußte der Kläger damit rechnen, daß ihn die Beamten für gefährlich hielten und ihn möglicherweise eines Verbrechens verdächtigten. Er trug daher durch sein Verhalten ganz entscheidend dazu bei, daß sich der Beamte dazu entschloß, die Schußwaffe in Anschlag zu bringen; daß dieser dabei äußerst unvorsichtig vorging, kann am mitwirkenden Verschulden des Klägers nichts ändern. Auch scheint es gerechtfertigt, das Mitverschulden mit 50 % zu bemessen.

Demgemäß ist in teilweiser Bestätigung des Teil-Zwischenurteils des Berufungsgerichtes auszusprechen, daß das Leistungsbegehren jedenfalls zu 50 % dem Grunde nach zu Recht besteht. Ob das Leistungsbegehren des Klägers zur Gänze berechtigt ist, läßt sich derzeit noch nicht beurteilen. Ginge man von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt aus, wäre - wie oben ausgeführt - ein 50 %iges Mitverschulden des Klägers anzunehmen. Der Kläger hat aber in seiner Berufung Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung sowie unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht; auf diese Rügen ist das Berufungsgericht jedoch nicht eingegangen, weil es selbst ausgehend von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt das Klagebegehren als dem Grunde nach zur Gänze als zu Recht bestehend ansah. Es erweist sich daher die teilweise Aufhebung des Teil-Zwischenurteils des Gerichts zweiter Instanz als nötig, dieses wird auf die genannten Rügen einzugehen und im Umfang der Aufhebung neuerlich zu entscheiden haben.

Der Rekurs der beklagten Parteien ist im Hinblick auf obige Ausführungen nicht berechtigt, denn zur Rechtfertigung des Feststellungsbegehrens wurden unbestrittenermaßen keine Feststellungen getroffen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E40010

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1995:0010OB00009.95.0906.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2012

Dokumentnummer

JJT_19950906_OGH0002_0010OB00009_9500000_000

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