Entscheidungstext 1Ob313/98f

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

1Ob313/98f

Entscheidungsdatum

23.03.1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Natascha K*****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz als Verfahrenshelfer, wider die beklagten Parteien 1.) Dietmar F*****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in Eferding, und

2.) Manuela K*****, vertreten durch Dr. Albin Walchshofer, Rechtsanwalt in Linz als Verfahrenshelfer, wegen 313.768,11 S sA und Feststellung (Streitwert 20.000 S) infolge von Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Juni 1998, GZ 11 R 101/98x-46, womit infolge von Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 22. Dezember 1997, GZ 28 Cg 45/97d-36, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. März 1998, GZ 28 Cg 45/97d-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision wegen einer - seiner Ansicht nach - im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs "zu einem vergleichbaren Sachverhalt" fehle und "die Grenzen der objektiven Zurechnung von Folgeschäden bei Schutzgesetzverletzungen vor allem anhand von Grenzfällen wegen deren Indizwirkung auf vergleichbare Sachverhalte gezogen werden" könnten. Gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO nicht gebunden. Als Beurteilungsgrundlage für die Frage nach dem Vorliegen erheblicher Rechtsfragen dient folgender zusammengefaßter Sachverhalt:

Am 17. November 1993 explodierte in einem näher bezeichneten, als Jugendtreffpunkt dienenden Lokal ein vom damals 17jährigen Erstbeklagten an die damals 16jährige Zweitbeklagte weitergegebenes Pulver (Acetonperoxid, auch Triacetonperoxid, im folgenden auch nur Pulver), wobei die damals 16jährige Klägerin und die Zweitbeklagte schwer verletzt wurden. In Ansehung eines weiteren Verletzten wies der Oberste Gerichtshof die Revision des auch dort (Erst)Beklagten zurück (2 Ob 79/98a).

Acetonperoxid entspricht in seiner Leistungsfähigkeit etwa 90 % jener von TNT, gehört indes wegen seiner großen Empfindlichkeit gegenüber Schlag, Stoß und erhöhter Temperatur zu den nicht handhabungssicheren Sprengstoffen. Bei Temperaturen zwischen 80 und 1000 Celsius zersetzt es sich unter Explosion, unter ungünstigen Lagerbedingungen kann es ohne erkennbare äußere Einwirkung explodieren. Es verhält sich wie ein Sprengmittel, wird jedoch aus Sicherheitsgründen nicht als solches eingesetzt. Die Grundstoffe für die Herstellung (Aceton, Salzsäure und Wasserstoffperoxid) sind im Handel frei erhältlich. In der Literatur ist die Herstellung und Funktionsweise von Acetonperoxid wenig beschrieben, eine unmittelbare Erkennbarkeit der Gefährlichkeit des Produkts besteht nicht. Für einen Laien ist nicht erkennbar, daß Acetonperoxid in Form von Pulver oder in Form von Aluminiumkügelchen ein hoch explosives Material ist. Wer jedoch beobachtet, daß bei Entzündung einer geringen Menge des Pulvers eine Stichflamme entsteht sowie, daß es beim Anzünden von Zigaretten, in denen Aluminiumkügelchen mit dem Pulver enthalten sind, zum mechanischen Zerstören der Zigarette kommt, erkennt dabei, daß es sich um einen gefährlichen Vorgang handelt. Die Sprengkraft oder Explosionswirkung hängt von verschiedenen Umständen wie Konzentration, Dichte und Menge ab.

Der Erstbeklagte ist seit seiner Kindheit an Chemie interessiert, begann zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr einfache pyrotechnische Grundsubstanzen herzustellen und führte in den Folgejahren mehrfach Experimente mit selbst hergestellten Sprengkörpern durch. Bei einem solchen Experiment zog er sich einmal an seiner rechten Hand schwere Verbrennungen zu. Seit September 1992 ist der Erstbeklagte als Chemielaborant in einem Chemieunternehmen beschäftigt. Im Zuge seiner Ausbildung als Chemielaborant erfuhr der Erstbeklagte nichts über Sprengstoffe, wurde jedoch darauf hingewiesen, daß Aceton ein gefährlicher Stoff sei. Auf Acetonperoxid wurde der Erstbeklagte durch Mitschüler aufmerksam und erhielt von diesen auch die Rezeptur zur Herstellung. Nach ersten mißlungenen Herstellungsversuchen gelang dem Erstbeklagten erstmals im Jänner 1993 die Herstellung von Acetonperoxid. Der Erstbeklagte stellte etwa vier- bis fünfmal eine Handvoll Acetonperoxid her und bewahrte es in einem Gurkenglas mit Schraubdeckel auf. Er verwendete das von ihm hergestellte Acetonperoxid zu Juxzwecken. Ua wickelte er geringe Mengen, etwa dem Volumen eines Zündholzkopfs entsprechend, in Aluminiumfolien ein und preßte es zusammen. Diese Aluminiumkügelchen wurden sodann in Zigaretten geschoben, was beim Anzünden der Zigarette das Zerfetzen der Zigarettenspitze zur Folge hatte. Eine weitere Anwendungsart war, daß der Erstbeklagte einen halben Kaffeelöffel des Pulvers auf die Handfläche streute und mittels Zigarette oder Feuerzeug zum Verpuffen brachte, wobei Flammen von 20-40 cm Höhe entstanden. Diese Experimente führte der Erstbeklagte seinen Freunden und Bekannten vor und verteilte über deren Verlangen derartige Aluminiumkügelchen auch an sie. Zweimal gab er das Pulver in größeren Mengen ab, nämlich in etwa 10 cm hohen Glasfläschchen mit einem Durchmesser von etwa 3-4 cm und zu drei Vierteln gefüllt. Er wußte nicht, daß es sich beim Acetonperoxid um Sprengstoff handelte; es gab zwar von Schulkollegen Andeutungen über dessen Gefährlichkeit, v. a., daß es leicht entzündlich sei und daß Schulkollegen es verwendet hätten, um kleine Baumstümpfe zu sprengen. Er hatte jedoch keine Erfahrung, wie sich die Spreng- und Explosivwirkung zur angewandten Menge verhält, verfügte auch über keine Literatur über Acetonperoxid, war sich jedoch darüber im klaren, daß Acetonperoxid in größeren Mengen eine entsprechend größere Wirkung habe. Er wurde als Schüler von Lehrkräften mit dem Hinweis vor explosiven Mitteln gewarnt, die Schüler sollten "die Finger davon lassen".

Die Klägerin hatte mit Acetonperoxid erstmals etwa zwei Wochen vor dem Vorfall Kontakt. Sie befand sich damals mit Bekannten in dem Lokal, in dem sich der Vorfall ereignete, und rauchte eine Zigarette. Als sie die Asche am Aschenbecher abstreifen wollte, entzündete sich eine im Aschenbecher befindliche kleine Menge des Pulvers; die Klägerin nahm einen leichten Knall sowie eine kleine Stichflamme und eine kleine Rauchwolke wahr. Sie erschrak, kümmerte sich aber nicht weiter um den Vorfall; sie wußte weder, um welches Pulver es sich dabei handelte, noch war sie über dessen Eigenschaften informiert und interessierte sich auch nicht dafür.

Die Zweitbeklagte ersuchte den Erstbeklagten um Überlassung von Acetonperoxid zur Herstellung von pulvergefüllten Kügelchen in Aluminiumfolien; sie kam etwa zwei bis drei Tage vor dem Vorfall zum Erstbeklagten und erhielt von ihm ein etwa 10 cm hohes Plastikfläschen mit einem Durchmesser von etwa 3 cm, das etwa zu drei Vierteln mit Acetonperoxid gefüllt war. Anläßlich der Übergabe wies der Erstbeklagte die Zweitbeklagte darauf hin, daß sie die Aluminiumkügelchen nicht zu groß machen und das Pulver nicht in die Nähe von Wärmequellen bringen solle, das Fläschen nach Gebrauch wieder zu verschrauben habe und bei Verwendung größerer Mengen Explosionsgefahr bestehe. Am 17. November 1993 befand sich die Klägerin mit Freunden, darunter auch der Zweitbeklagten, in dem näher bezeichneten Lokal; sie waren um einen runden Tisch gruppiert. Die Zweitbeklagte nahm das vom Erstbeklagten erhaltene Fläschchen aus ihrer Jackentasche, leerte etwa einen halben Teelöffel des Pulvers auf ihre Innenhand und entzündete es mit einer Zigarette, wobei eine helle Stichflamme sichtbar wurde. Die Klägerin, die die Zweitbeklagte bei diesem "Experiment" beobachtet hatte, nahm das von der Zweitbeklagten am Tisch abgestellte Fläschchen - ob dieses verschlossen oder geöffnet war, ist nicht feststellbar - an sich, um das von der Zweitbeklagten vorgeführte "Experiment" nachzumachen. Als sie das Fläschchen bereits ergriffen hatte, wollte ihr die Zweitbeklagte dieses wieder wegnehmen. Hiebei wurde etwas Pulver verschüttet und gelangte in einen am Tisch stehenden Aschenbecher, worauf bei der folgenden Explosion ua die Klägerin und die Zweitbeklagte schwere Verletzungen erlitten.

Die Vorinstanzen erkannten, ausgehend von einer - von der Klägerin angestrebten - Verschuldens- und Schadensteilung von 3 : 1 zu deren Gunsten, die Klageforderung mit 313.768,11 S sA (Schmerzengeld, Veranstaltungsentschädigung und sonstige Schäden) sowie die von der Zweitbeklagten eingewendete Gegenforderung von 250.000 S (Schmerzengeld und Veranstaltungsentschädigung) der Höhe nach mit 240.000 S und somit mit 60.000 S als zu Recht bestehend, verhielten die Beklagten - unangefochten nicht zur ungeteilten Hand - zur Zahlung von 253.768,11 S sA und wiesen das Mehrbegehren von 98.625,02 S sA - letzteres gleichfalls unangefochten - ab. Weiters wurde festgestellt, daß die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für drei Viertel ihrer künftigen Schäden aus dem Vorfall hafteten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen der beklagten Parteien sind mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig.

a) Die Verpflichtung zum Schadenersatz setzt zunächst voraus, daß jener, dessen Ersatzpflicht zu prüfen ist, mit dem schadensursächlichen Ereignis in einem gewissen Konnex steht. Dieser liegt vor, wenn der Schaden vom potentiell Ersatzpflichtigen selbst verursacht wurde (Koziol/Welser, Grundriß10 römisch eins 441). Nach der im Zivilrecht vorherrschenden Adäquanztheorie, die nach moderner Auffassung keine Kausalitätstheorie ist, sondern (als besondere positive Haftungsvoraussetzung) die Zurechnung von Schadensfolgen begrenzt, deren Verursachung nach der conditio sine qua non-Formel schon feststeht, hat ein Schädiger nicht für jeden Erfolg seines rechtswidrigen Verhaltens, sondern nur für solche Schäden einzustehen, die er adäquat herbeigeführt hat (stRspr, zuletzt 4 Ob 154/98w = ecolex 1999, 92; Koziol/Welser aaO römisch eins 448 mwN). Dies ist der Fall, wenn die Ursache des Schadens ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muß und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde, wenn also ein Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umstände geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen (SZ 54/108, SZ 68/191 uva, zuletzt 1 Ob 16/97b = ZVR 1998/50; Reischauer in Rummel**2 Paragraph 1295, ABGB Rz 14; Harrer in Schwimann2, Paragraph 1295, ABGB Rz 8; Koziol/Welser aaO römisch eins 448; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/10, alle mwN). Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist objektiv und nicht danach zu beurteilen, was dem Schädiger subjektiv vorhersehbar war. Das Hinzutreten einer gewollten, rechtswidrigen Handlung eines Dritten ist adäquat, wenn diese nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (JBl 1974, 373 mwN ua, zuletzt SZ 70/11 und 2 Ob 79/98a; Koziol aaO Rz 8/13 mwN).

Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlaßfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung iSd angeführten Gesetzesstelle zukommt (2 Ob 162/98g mwN; RIS-Justiz RS0110361). Von einer auffallenden zweitinstanzlichen Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte vergleiche RZ 1994/15, kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der eingetretene Schaden war keine atypische, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegende Folge der noch darzulegenden Schutzgesetzverletzung. Denn der Erstbeklagte mußte angesichts seiner Kenntnis über die mit dem Pulver gesprengten Baumstümpfe und seiner eigene Versuche (abgesprengte Zigarettenspitzen etc) die Gefährlichkeit der Erzeugung und des Besitzes und ungeachtet seiner Warnung auch der Weitergabe des Sprengmittels in einer größeren Menge an die insoweit unerfahrene Zweitbeklagte - die nach ihrer Bekundung ihm gegenüber mit dem Pulver gefüllte Aluminiumkügelchen herstellen wollte - damit rechnen, daß diese bei Vornahme der ihr bekannten "Experimente" vor Freunden und Bekannten mit dem Sprengmittel auch ungeschickt oder unvorsichtig vorgehen werde, auch wenn er im Detail die mögliche Explosionswirkung der weitergegebenen größeren Menge des Pulvers nicht beurteilen und das unvorsichtiges Hantieren mit dem pulvergefüllten Fläschchen am Unfallsort nicht mehr beeinflussen konnte. Für die Zweitbeklagte gilt insoweit, gleiches als die Mitnahme des Fläschchens mit dem Pulver - und nicht bloß von bereits hergestellten Aluminiumkügelchen - in das Lokal und dessen Abstellen auf dem Tisch des Lokals in Gesellschaft einer Freundes- und Bekanntenrunde gewiß auch neugieriger Jugendlicher in Kenntnis der entsprechenden Warnungen des Erstbeklagten und der "Experimente" das Moment einer beträchtlichen Erhöhung der Gefahr in sich trug, auch wenn ihr die Eigenschaften des Pulvers im Detail unbekannt waren.

b) Die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens (Paragraph 1294, ABGB) ist nach der Verursachung das zweite Zurechnungskriterium; sie ist insbesondere bei der Verschuldenshaftung relevant (Koziol/Welser aaO römisch eins 449). Rechtswidrig ist menschliches Verhalten ua dann, wenn eine Schutzgesetzverletzung iSd Paragraph 1311, ABGB oder eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts vorliegt. Selbst aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechts durch ein positives Tun kann noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit geschlossen werden, der nachfolgende Erfolg indiziert diese bloß. Bei der zur Fällung des Rechtswidrigkeitsurteils bei Verletzung absolut geschützter fremder Rechte - wie hier der körperlichen Unversehrtheit - erforderlichen Interessenabwägung ist einerseits das allgemeine Interesse an der Bewegungsfreiheit und den Entfaltungsmöglichkeiten, also die Zumutbarkeit von Verhaltenspflichten, andererseits die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen (Gefährlichkeit), und schließlich der Wert der bedrohten Güter, jeweils aus einer ex-ante Betrachtung beurteilt, zu berücksichtigen (SZ 61/270, SZ 64/36 ua; RIS-Justiz RS0022899; Koziol/Welser aaO römisch eins 450). Dabei ist auch auf die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung fremder Interessen Bedacht zu nehmen, die auch durch das Ausmaß der Außerachtlassung der Sorgfalt mitbestimmt wird (SZ 61/270 mwN ua; RIS-Justiz RS0023175), und ferner zu berücksichtigen, welche Rechtspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können.

Die Beurteilung der zweiten Instanz, beide Beklagte hätten einen vorwerfbaren Eingriff in ein absolutes Recht und der Erstbeklagte überdies eine Schutzgesetzverletzung zu verantworten, entspricht der Rechtsprechung. Denn gemäß Paragraph eins, Absatz eins, Schiess- und SprengmittelG, BGBl 1935/196 idgF, ist unter einem Sprengmittel ein Erzeugnis zu verstehen, das bei willkürlich auslösbaren chemischen Zustandsänderungen Energie derart frei werden läßt, daß feste Körper gesprengt werden können. Diese Voraussetzungen erfüllt das vom Kläger hergestellte Acetonperoxid (2 Ob 79/98a), ist es doch für Sprengungen fester Körper grundsätzlich geeignet. Der HInweis auf "Juxzwecke" ist angesichts der hier zu beurteilenden Folgen unangebracht. Gemäß Paragraph 6, Absatz eins, dieses Gesetzes ist die Erzeugung (Bereitung, Gewinnung) und gemäß Paragraph 10, der Verschleiß von Sprengmitteln an eine besondere, hier dem Erstbeklagten indes fehlende Befugnis (Erzeugungsbefugnis bzw Verschleißbefugnis) gebunden. Der Schutzzweck der Bestimmungen des Schieß- und SprengmittelG liegt nicht nur in der Verhinderung von Unfällen bei der Erzeugung des Sprengmittels, sondern ganz allgemein in der Verhinderung von Unfällen, die durch die unbefugte Erzeugung, den unbefugten Besitz und die unbefugte Weitergabe von Sprengmitteln an überdies hiefür ungeeignete Personen entstehen. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes ist zu prüfen, ob der eingetretene Schaden (Folgeschaden) normadäquat ist. In Form eines beweglichen Systems sind bei der Beurteilung der Normadäquanz Risikozuteilung, allgemeines oder besonderes Lebensrisiko, Unrechtsintensität und Entfernung des Folgeschadens vom zuerst intendierten Ziel einer Haftung aus der Schutzgesetzverletzung miteinander in Beziehung zu setzen vergleiche 3 Ob 2273/96b = JBl 1998, 113 = ZVR 1998/138 mwN ua; RIS-Justiz RS0107781). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht hier angewendet. Die Beurteilung ist dabei ganz sachverhaltsabhängig und deshalb einzelfallbezogen. Einer Korrektur des zweitinstanzlichen Beurteilungsergebnisses durch den Obersten Gerichtshof bedarf es nicht. Denn der Erstbeklagte mußte nach allgemeiner Lebenserfahrung jedenfalls damit rechnen, daß die insoweit unerfahrene Zweitbeklagte bei Weitergabe des von ihm hergestellten Pulvers in größerer Menge (in einem Fläschchen) an sie die bei ihm gesehenen "Experimente" nun auch ihren Freunden und Bekannten vorführen und möglicherweise auch mit dem Pulver hantieren werde. Die damals 16jährige Zweitbeklagte nahm ohne rechtlich anerkennenswerten Grund eine größere Menge eines Pulvers, dessen Gefährlichkeit ihr zumindest in einem gewissen Maße bekannt war (Warnhinweise des Erstbeklagten sowie eigene Wahrnehmungen über die Wirkungen des Pulvers bei Verwendung bloß geringer Mengen des Pulvers), in ein öffentliches Lokal mit, in dem üblicherweise geraucht wird und Aschenbecher mit höherer Feuergefährlichkeit (nicht ganz abgedämpfte Zigaretten etc) aufgestellt sind, und stellte das Fläschchen mit dem Pulver auf einen Tisch in die Nähe des Aschenbechers, wo es dem freien Zugriff der Anwesenden ausgesetzt war. Daß nach der Vorführung eines "Experiments" durch die Zweitbeklagte "ihr Eigentumsrecht an dem Fläschchen mt dem Pulver nicht respektiert werde", wie nun im Rechtsmittel behauptet wird, war vorhersehbar. Daß andere Jugendliche an ihrem Tisch das für sie aufregende "Experiment" nachmachen wollten, lag durchaus im Bereich des Möglichen und war sogar wahrscheinlich. Der Hinweis im Rechtsmittel auf die Gefährlichkeit von Messern und Feuerzeugen ist deshalb nicht zielführend, weil der Auffälligkeit- und Neuigkeitswert bei solchen Gegenständen, über die regelmäßig viele Jugendliche verfügen, ungleich geringer ist, sie in keiner Weise die (Feuer- und Explosions)Gefährlichkeit des Pulvers aufweisen und jedermann über die "Gefährlichkeit" von (Taschen)Messern und Feuerzeugen ausreichend Bescheid weiß.

c) Zum Verschulden der Beklagten und dem Mitverschulden der Klägerin:

Die für die Revisionszulässigkeit maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Hat das Berufungsgericht im Sinn einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung entschieden, so kann die Zulässigkeit der Revision nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründet werden. Der Oberste Gerichtshof sollte, von grundsätzlichen Fragen abgesehen, ua auch nicht Entscheidungen über die Art der Verschuldensteilung und die Schwere eines Verschuldens zu treffen haben. Der Rechtsmittelwerber wird daher immer zu überlegen haben, ob sein Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (stRspr RIS-Justiz RS0042405). Diese Grundsätze gelten, wie bereits dargestellt, nur dann nicht, wenn die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen bei der Beurteilung des Einzelfalls überschritten werden. Davon kann hier keine Rede sein. Zutreffend beurteilten die Vorinstanzen das Verhalten der Beklagten als fahrlässig. Auch zum Mitverschulden der Klägerin, das diese selbst und die Vorinstanzen mit einem Viertel annahmen, wird nichts von Relevanz ins Treffen geführt. Die Zweitbeklagte war vom Erstbeklagten gewarnt, die Klägerin, die das Fläschchen mit dem Pulver eigenmächtig ergriff, war von der Zweitbeklagten nicht gewarnt worden. Im übrigen kann insoweit auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Erhebliche Rechtsfragen stellen sich somit nicht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Die Kostenentscheidung fußt auf den Paragraphen 40 und 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Rechtsmittel nicht hingewiesen.

Anmerkung

E53257 01A03138

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0010OB00313.98F.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19990323_OGH0002_0010OB00313_98F0000_000

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