Entscheidungstext 15Os55/15z

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

EvBl‑LS 2015/156 = AnwBl 2016,9 = Ratz, AnwBl 2017,184 (Judikaturübersicht)

Geschäftszahl

15Os55/15z

Entscheidungsdatum

10.06.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Naim N***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, zweiter und dritter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. Februar 2015, GZ 8 Hv 106/14y-254a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Naim N***** betreffenden Ausspruch des Verfalls des Fahrzeugs „der Marke BMW mit dem Kennzeichen *****“ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Naim N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der kossowarische Staatsangehörige Naim N***** - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant - der „Verbrechen des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, zweiter, dritter und fünfter Fall SMG“ (A/I/1/a und b sowie A/III/1) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz und an anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 27,2 %, in einer die Grenzmenge (Paragraph 28 b, SMG) übersteigenden Menge

A/I/1/ ein- und ausgeführt, indem er

a/ in drei Fahrten am 15. Februar, 5. April und 6. Juni 2013 insgesamt zirka 120 Gramm Kokain (32,64 Gramm Cocain) mit seinem PKW von Belgien über Deutschland nach Österreich schmuggelte;

b/ am 26. Februar 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren Angeklagten als Mittäter zirka 50 Gramm Kokain (13,6 Gramm Cocain) in einem PKW von Rotterdam nach Österreich schmuggelte;

A/III/1/ anderen überlassen, indem er von 15. Februar 2013 bis 26. Februar 2014 zumindest 80 Gramm Kokain (21,76 Gramm Cocain) Roland H***** und weitere unbekannte Mengen Kokain an andere namentlich nicht bekannte Personen verkaufte.

Betreffend Naim N***** wurde (unter anderem) „gemäß Paragraph 20, Absatz eins und 3 StGB (…) das sichergestellte Fahrzeug der Marke BMW mit dem Kennzeichen *****“ für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die inhaltlich ausschließlich gegen den Schuldspruch A/I/1 und A/III/1 gerichtete, auf Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 5 und 9 Litera a, StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge (nominell Ziffer 5, erster, zweiter, vierter und fünfter Fall) zu A/I/1 behauptet, das Erstgericht habe sich mit der Verantwortung des Angeklagten, dieser habe „niemals“ Kokain nach Österreich eingeführt, sondern es „immer“ an Roland H***** in Deutschland übergeben, „nicht entsprechend auseinandergesetzt“ vergleiche dagegen US 39), es würde „kein einziges Beweisergebnis dafür“ existieren, dass eine Übergabe von Kokain an diesen in Österreich stattgefunden habe, und könne nicht ausgeschlossen werden (an anderer Stelle der Beschwerde: sei es „zwingend logisch“), dass Roland H***** auch in Deutschland einen Wohnsitz habe. Die Feststellung des Erstgerichts, wonach die Übergabe des aus Belgien importierten Kokains in Österreich stattgefunden habe, stelle weiters eine „bloße, nicht aus den Beweisergebnissen ableitbare Vermutung“ dar.

Mit diesem - auf ein Fehlen inländischer Gerichtsbarkeit zielenden - Vorbringen übt die Beschwerde in unzulässiger Form Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffengerichts, ohne ein Begründungsdefizit in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Indem der Beschwerdeführer behauptet, die Urteilsannahmen zu den Suchtgiftmengen würden lediglich auf den Angaben des Angeklagten beruhen „und daher nicht verifizier- und objektivierbar“ sein, und es wäre zu Gunsten des Angeklagten „naturgemäß von der niedrigsten Menge auszugehen gewesen“, bekämpft sie die Beweiswürdigung der Tatrichter neuerlich nach Art einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen -

Schuldberufung. Im Übrigen liegen den Urteilsannahmen ohnedies die Untergrenzen der (ursprünglich) vom Angeklagten zugestandenen Mengen zugrunde (US 37 f).

Auf kein erhebliches Verfahrensergebnis bezieht sich der Beschwerdeeinwand (Ziffer 5, zweiter Fall) zu A/I/1, das Erstgericht hätte sich mit der „polizeilichen Erkenntnis“ auseinanderzusetzen gehabt, dass eine Standortbestimmung bei den Schmuggelfahrten nicht möglich gewesen sei (RIS-Justiz RS0118316, RS0098646).

Neuerlich unzulässig Beweiswürdigungskritik übt die Mängelrüge (nominell Ziffer 5, zweiter Fall) zu A/III/1, indem sie in der Annahme der Tatrichter, der Angeklagte habe nicht nur Roland H*****, sondern auch anderen namentlich nicht bekannten Personen weitere unbekannte Mengen Kokain verkauft (US 27), eine „aktenwidrige Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ sieht vergleiche RIS-Justiz RS0098471, RS0098362).

         Diese Feststellungen wurden entgegen der weiteren Rüge (Ziffer 5, vierter Fall) auch nicht offenbar unzureichend begründet, sondern

logisch nachvollziehbar und

empirisch vertretbar (RIS-Justiz RS0118317, RS0116732) einerseits aus - einzelnen „beispielhaft“ genannten - „Ergebnissen der Telefonüberwachung“ abgeleitet, die nach Ansicht des Schöffengerichts als „Suchtgiftgespräche“ gewertet wurden, sowie andererseits aus der Sicherstellung von „mehreren 100 Stück unbenutzten Kunststoffklemmbeuteln“ in der (auch) vom Angeklagten bewohnten Wohnung, wobei diese Verpackungen „üblicherweise beim Straßenverkauf von Suchtmitteln Verwendung finden“ und großteils mit demselben Aufdruck versehen waren wie jene (ebenfalls sichergestellten) Beuteln, in denen (auch) weißes, später als Kokain analysiertes Pulver enthalten war (US 39 f). Eine darüber hinausgehende Erörterung, „welche Passage der Gespräche als Beleg für welche konkrete Tathandlung (Überlassen) dienen“ soll, war der Beschwerde zuwider mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (Paragraph 270, Absatz 2, Ziffer 5, StPO) nicht geboten vergleiche RIS-Justiz RS0098377 [T1, T7]). Dass die Tatrichter in diesem Zusammenhang konkrete, gegen ihre Annahme sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen übergangen hätten, macht die Beschwerde wiederum nicht klar.

Die einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia behauptende Rechtsrüge (Ziffer 9, Litera a,) zu A/I/1 und A/III/1 legt nicht dar, warum es den auf US 27 f getroffenen Konstatierungen zum Additionsvorsatz des Angeklagten vergleiche RIS-Justiz

RS0112225, RS0114843) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS-Justiz RS0119090). An welchen weiteren konkreten Feststellungen es dem Urteil in Bezug auf den Additionsvorsatz mangelt, legt die Beschwerde nicht dar.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe „keine ausreichenden Feststellungen“ zum „die Straffrage betreffenden Aspekt“ des Suchtmittelkonsums durch den Angeklagten getroffen, wird ein Feststellungsmangel nicht verfahrenskonform geltend gemacht (RIS-Justiz RS0118580).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (Paragraph 285 d, Absatz eins, StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (Paragraph 285 i, StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten Naim N***** zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 11, erster Fall StPO) in Ansehung des Verfallsausspruchs betreffend das - bis zur Sicherstellung in seinem Besitz befindliche, mit 8.000 Euro bewertete und weder für die Begehung der vom Schuldspruch umfassten Straftaten noch durch sie erlangte (US 24, 58) - Fahrzeug der Marke BMW.

Nach Paragraph 20, StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden (Absatz eins,), und/oder deren Nutzungen und Ersatzwerte, subsidiär einen diesen Vermögenswerten entsprechenden Geldbetrag (Absatz 3,) für verfallen zu erklären.

Während Paragraph 20, Absatz eins, StGB den „Grundtyp des gegenstandsbezogenen Verfalls“ umschreibt, der sich zufolge des Absatz 2, leg cit auch auf Nutzungen und Ersatzwerte (Absatz 2,) erstreckt, erfasst der „Wertersatzverfall“ nach Absatz 3, leg cit jene Fälle, in denen der Verfall nach Paragraph 20, Absatz eins und Absatz 2, StGB nicht durchführbar ist vergleiche EBRV 918 BlgNR 24. GP 7 f).

Wertersatz iSd Paragraph 20, Absatz 3, StGB kann nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur ein vom Gericht zu bestimmender Geldbetrag, nicht aber ein anderer (werthaltiger) Gegenstand (hier: ein beim Angeklagten sichergestelltes Fahrzeug) sein, wenngleich das Vorhandensein des letzteren bei der Beurteilung nach Paragraph 20 a, Absatz 3, StGB nicht außer Betracht bleiben kann.

Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (Paragraph 

290 Absatz eins, zweiter Satz erster Fall und Paragraph 285 e, erster Satz StPO), weil sich die Berufung des Angeklagten nur gegen den Ausspruch über die Strafe richtet und dem Berufungsgericht diesfalls die amtswegige Wahrnehmung der das Verfallserkenntnis betreffenden Nichtigkeit zugunsten des Angeklagten - zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (Paragraph 295, Absatz eins, erster Satz StPO) - verwehrt ist (RIS-Justiz RS0119220 [T9, T10]; Ratz, WK-StPO Paragraph 295, Rz 7 und 14).

Im neuen Verfahren steht die Entscheidung dem Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter zu (Paragraph 445, Absatz 2, StPO; vergleiche RIS-Justiz RS0117920), der mit Blick auf den mit 8.000 Euro festgestellten Wert des im ersten Rechtsgang für verfallen erklärten PKW das Verschlechterungsverbot (zu dessen Umfang in Bezug auf vermögensrechtliche Anordnungen s 14 Os 147/14w) zu beachten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 390 a, Absatz eins, StPO; sie bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme (Lendl, WK-StPO Paragraph 390 a, Rz 12).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E111158

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00055.15Z.0610.000

Im RIS seit

29.06.2015

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2017

Dokumentnummer

JJT_20150610_OGH0002_0150OS00055_15Z0000_000

Navigation im Suchergebnis