Entscheidungstext 14Os140/06d

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Geschäftszahl

14Os140/06d

Entscheidungsdatum

13.11.2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon.-Prof. Dr. Schroll und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen August S***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach Paragraph 209, StGB über dessen Antrag auf Erneuerung des zum AZ 6 E römisch fünf r 474/99 des Landesgericht für Strafsachen Graz geführten Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Teilfreispruch enthaltenden, unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 25. Mai 1999, GZ 6 E römisch fünf r 474/99-33, wurde August S***** des Verbrechens der (richtig:) gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach Paragraph 209, StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht zum 18. Februar 1999 in Graz (nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres) mit dem am 17. Juli 1984 geborenen Roman W*****, mithin einer Person männlichen Geschlechtes, die das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, dadurch, dass er dessen Geschlechtsteil intensiv streichelte, gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben.

Mit Erkenntnis des VfGH vom 21. Juni 2002, AZ G 6/02, wurde Paragraph 209, StGB unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 134 aus 2002,, entfiel die Strafbestimmung des Paragraph 209, StGB, jene des Paragraph 207 b, StGB wurde neu eingefügt.

Gestützt auf eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), mit welchen, beginnend mit dem Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (L & römisch fünf gegen Österreich, Nr 39392/98 und 39829/98; ÖJZ 2003/19, 394), der Gerichtshof eine Verletzung des Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, MRK durch die diesen - das gegenständliche Strafverfahren nicht betreffenden - Beschwerdefällen zu Grunde gelegenen Verurteilungen nach Paragraph 209, StGB feststellte, beantragt der Verurteilte August S*****, gemäß Paragraph 363 a, StPO die Erneuerung des Strafverfahrens anzuordnen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Erneuerung ohne ein ihr zugrunde liegendes, denselben Fall betreffendes Urteil des EGMR hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 1. August 2007, AZ 13 Os 135/06m (EvBl 2007/154), ausführlich Stellung genommen.

Wie dort eingehend dargelegt wurde, kann mit Blick auf Artikel 13, MRK die Vorschrift des Paragraph 363 a, Absatz eins, StPO nicht dahin verstanden werden, die Erneuerung des Strafverfahrens aufgrund einer Verletzung von Konventionsrechten nur in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen die Konventionsverletzung bereits in einem Urteil des EGMR festgestellt wurde. Der Oberste Gerichtshof sieht sich demnach als nach der Bundesverfassung oberste Instanz in Strafrechtssachen (Artikel 92, Absatz eins, B-VG) - über Artikel 46, Absatz eins, MRK hinausgehend - dazu aufgerufen, die Erfüllung der aus der MRK erfließenden verfassungs- wie völkerrechtlichen Verpflichtungen für den Bereich der Strafgerichtsbarkeit sicherzustellen, mit anderen Worten dem Geist der MRK auch in jenen Fällen Rechnung zu tragen, in denen noch kein Urteil gegen Österreich ergangen ist.

In Hinsicht darauf, dass auch der EGMR eine Grundrechtsverletzung nur bei Anrufung innerhalb der Frist des Artikel 35, Absatz eins, MRK aufgreifen und anderes für den Obersten Gerichtshof in seiner dargelegten Funktion als höchstem innerstaatlichen Grundrechtewahrer nicht gelten kann (eingehend 13 Os 135/06m), und die Voraussetzung rechtzeitiger Geltendmachung hier nicht vorliegt, war aber der Erneuerungsantrag als unzulässig nach Paragraph 363 b, Absatz 2, Ziffer 2, StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Allfällige Nachteile bei künftig zu treffenden Ermessensentscheidungen (zB im Rahmen einer Strafzumessung oder bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung) aus der hier in Rede stehenden Verurteilung können auf prozessual einwandfreie Weise unter Bedacht auf das Erkenntnis 11 Os 95/02 (verstärkter Senat), SSt 2003/45, vermieden werden.

Anmerkung

E85981 14Os140.06d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0140OS00140.06D.1113.000

Dokumentnummer

JJT_20071113_OGH0002_0140OS00140_06D0000_000

Navigation im Suchergebnis