Entscheidungstext 11Os2/97

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Geschäftszahl

11Os2/97

Entscheidungsdatum

04.03.1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sprinzel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Paul K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach Paragraph 201, Absatz 2, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 16.Oktober 1996, GZ 11 römisch fünf r 152/96-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul K***** der Verbrechen (römisch eins 1) der Vergewaltigung nach Paragraph 201, Absatz 2, StGB, (römisch eins 2) des Beischlafs mit Unmündigen nach Paragraph 206, Absatz eins, StGB und (römisch II) der schweren Nötigung nach Paragraphen 105, Absatz eins,, 106 Absatz eins, Ziffer eins, StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit von 1991 bis Mitte 1992 in Micheldorf

(zu römisch eins) dadurch, daß er seine am 23.Juni 1981 geborene Stieftochter Marion N***** in mindestens zwei Angriffen in der ehelichen Wohnung in ein Zimmer lockte, sie entkleidete, auf das Bett warf, sie festhielt und an der sich dagegen Sträubenden und ihn Wegdrückenden einen Geschlechtsverkehr vollzog, (1) außer dem Fall des Paragraph 201, Absatz eins, StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und zugleich, (2) mit einer unmündigen Personen den außerehelichen Beischlaf unternommen;

(zu römisch II) Marion N***** durch die wiederholte Androhung, sie für den Fall einer Mitteilung der zu römisch eins geschilderten Tathandlungen an andere Personen umzubringen, wobei er ihr ein Küchenmesser vorzeigte, durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme einer Anzeigeerstattung oder Mitteilung dieser Tathandlungen an andere Personen genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Ziffer 3,, 4, 5 und 5 a des Paragraph 281, Absatz eins, StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

Gestützt auf den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Ziffer 3,) moniert der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht sein verurteilendes Erkenntnis in erster Linie auf die Ausführungen des Sachverständigen Prim.Dr.G***** stützt, der - da behandelnder Arzt des Verbrechensopfers - als befangen anzusehen sei. Dabei wird verkannt, daß die Nichtigkeitssanktion des Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 3, StPO hinsichtlich der vom Angeklagten der Sache nach relevierten Bestimmung des Paragraph 120, StPO nur deren ersten Satz betrifft, wonach als Sachverständiger nicht beizuziehen ist, wer als Zeuge nicht vernommen oder nicht beeidet werden darf oder wer zum Beschuldigten oder zum Verletzten in einem der im Paragraph 152, Absatz eins, Ziffer eins, StPO bezeichneten Verhältnisse steht (12 Os 110/91, 11 Os 38/93 ua).

Die vorliegendenfalls vor dem Erstgericht gar nicht erhobenen, sondern erst in der Beschwerde vorgebrachten, auf den zweiten Satz des Paragraph 120, StPO abstellenden Einwände sind verspätet und daher unbeachtlich.

Die Verfahrensrüge (Ziffer 4,) wendet sich gegen die Abweisung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 16.Oktober 1996 gestellten Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Psychiatrie sowie auf Psychiatrierung der Marion N***** zum Beweis dafür, "daß unter anderem auf Grund der Tatsache der vier Jahre verspäteten Anzeige, des Gebrauches des Wortes 'vergewaltigt' im Brief, obwohl sie sexuell nicht aufgeklärt ist, ferner im Hinblick darauf, daß im Brief der Angeklagte nicht erwähnt wurde, daß auch das Datum des angeblichen Geschlechtsverkehrs danach auf das Jahr 1994 verlegt werden mußte, daß sohin die Aussage der angeblichen Zeugin keine entsprechende Wahrheit aufweist", weiters auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Gynäkologie zum Beweis dafür, daß die "Befundaufnahme bei Marion, welche im Oktober/November 1995 zwei Einrisse des Hymensaums 12 + 1 gezeigt hat, nicht zwingend auf eine Penetration zurückzuführen ist"; sowie auf Vernehmung der Familientherapeutin, Familienberatungsstelle für Oberstösterreich, Linz, Tegetthofstraße 13/1, "da anläßlich der Beratung Ende 1992 die Initiative von Marion ausging, wieder eine gemeinsame Familie mit dem Angeklagten, der ersten Gattin sowie den Stiefkindern zu gründen, sowie daß kein Angstzustand seitens Marion gegen den Angeklagten vorgelegen hat" (S 143, 145).

Das Schöffengericht hat diese Beweisanträge durch Zwischenerkenntnis gemäß Paragraph 238, Absatz eins, StPO in der Hauptverhandlung mit der Begründung abgewiesen, "da alleine aus dem Wort 'vergewaltigen' nichts über die Aufklärung des Kindes geschlossen werden kann und die Tat selbst ja Jahre zurückliegt; weiters ist auf das heutige Gutachten des Prim.Dr.G***** zu verweisen, daß die beiden Hymneneinrisse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Geschlechtsverkehr zurückzuführen, aber nicht ausschließlich darauf zurückzuführen sind; letztlich ist zu sagen, daß das Mädchen ja selbst einräumt, über die Familienverbindung mit dem Angeklagten gesprochen zu haben, daß sie die Verfehlung des Beschuldigten nicht offenlegen wollte" (S 145).

Durch die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahmen wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Psychiatrie sowie die Psychiatrierung der Marion N***** wurde zu Recht unterlassen, weil die Psychiatrierung eines Zeugen ohne dessen Zustimmung nicht zulässig (Mayerhofer aaO Paragraph 150, E 56-58) und nach Lage des Falls eine derartige Zustimmung nicht aktenkundig ist und vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet wird; demzufolge fehlt es aber an der Grundlage für die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.

Dazu kommt, daß der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß Befund und Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr.G***** die in den Paragraphen 125,, 126 StPO angeführten Mängel aufweisen; solche werden von der Beschwerde auch gar nicht behauptet. Demnach aber fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie.

Die Erstattung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Gynäkologie war entbehrlich, weil das Erstgericht ohnedies als erwiesen angenommen hat, daß die Hymenverletzung der Zeugin N***** nicht zwingend (verbo: ausschließlich auf US 29) auf eine Penetration zurückzuführen ist, sodaß der Angeklagte durch die Abweisung dieses Beweisantrages nicht beschwert ist (Mayerhofer aaO Paragraph 281, Ziffer 4, E 63 a). Daß durch die verfahrensgegenständliche Defloration beim Opfer Schmerzen aufgetreten sein müssen und daß es dabei zu einer Blutung gekommen sein muß, war nicht Thema des Beweisantrages und kann daher mit Verfahrensrüge nicht releviert werden.

Inwiefern durch das Unterbleiben der Vernehmung der Familientherapeutin der Familienberatungsstelle für OÖ Verteidigungsrechte verletzt wurden, ist der Nichtigkeitsbeschwerde mit der erforderlichen Deutlichkeit und Bestimmtheit nicht zu entnehmen, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.

Der in der Mängelrüge (Ziffer 5,) erhobene Beschwerdevorwurf, die Feststellungen auf Seite 4 des Urteils, wonach der Angeklagte im Zeitraum Anfang 1991 bis Mitte 1992 zumindest zwei Situationen ausnutzte, um mit Marion N***** gegen ihren Willen einen Geschlechtsverkehr durchzuführen und sie mit dem Umbringen bedrohte, um sie von der Anzeige abzuhalten, weiters "alle in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen" seien unzureichend begründet, weil "jedwede Auseinandersetzung mit massiven Widersprüchen im abgelaufenen Verfahren unterblieben sei", geht fehl. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß keine oder eine offenbar unzureichende Begründung nur dann vorliegt, wenn für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Das Erstgericht hat sich jedoch - entgegen der Beschwerdebehauptung - sowohl mit der Problematik der Verschlußreaktion und Mitteilungsverweigerung des Opfers und deren Auswirkungen auf ihr Verhalten als Zeugin als auch mit der Frage, inwieweit die Mutter sie anläßlich ihrer Zeugenaussage beeinflußt oder es sich um einen Racheakt anläßlich der Scheidung gehandelt haben könnte, im Zusammenhang mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt (US 4 bis 7); daß aber aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung, der einen Begründungsmangel nicht zu bewirken vermag (Mayerhofer aaO Paragraph 281, Ziffer 5, E 21, 22, 24).

Auch in der Tatsachenrüge (Ziffer 5, a) gelingt es der Beschwerde nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, weil sich auch diese Ausführungen - die lediglich in einem Verweis auf die bereits unter der Ziffer 4 und 5 gemachten Einwendungen bestehen - darauf beschränken, die erstrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, ohne derartige Bedenken aus den Akten aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß Paragraph 285, d Absatz eins, StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (Paragraph 285, i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 390, a StPO.

Anmerkung

E45366 11D00027

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0110OS00002.97.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19970304_OGH0002_0110OS00002_9700000_000

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